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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 04.02.2002
Aktenzeichen: 2 WF 8/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
Der Senat schließt sich der in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Meinung an, wonach ein nur zur Teilleistung bereiter Unterhaltsschuldner zur Erhebung der Klage auf den vollen Unterhaltsanspruch Veranlassung gibt.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 8/02

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts,

hier: Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 11. Januar 2002, eingegangen am 14. Januar 2002, gegen die Kostengrundentscheidung im ihm am 9. Januar 2002 zugestellten Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 27. Dezember 2001

ohne mündliche Verhandlung am 4. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 27. Dezember 2001 wird in seiner Ziffer 2 geändert: Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf einen Betrag zwischen 1 201,-- und 1 800,-- DM, das entspricht einem solchen zwischen 613,55 und 920,33 Euro, festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat den Beklagten, seinen Vater, auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 653,-- DM ab Oktober 2001 sowie restlichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 206,-- DM für die Monate August und September 2001 in Anspruch genommen.

Der Beklagte, der freiwillig und regelmäßig Unterhält in Höhe von monatlich 550,-- DM gezahlt, außergerichtlichen Erhöhungsverlangen des Klägers jedoch nicht entsprochen hat, hat in der Klageerwiderung hinsichtlich eines monatlichen Unterhaltsbetrages in Höhe von 574,-- DM ab Oktober 2001 anerkannt und im Übrigen Klageabweisung beantragt.

Im Termin vom 6. Dezember 2001 haben die Parteien mit ihren Anträgen in Klageschrift und Klageerwiderung verhandelt.

Das Amtsgericht hat im insoweit nicht angefochtenen Endurteil auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Kläger in Höhe restlicher 122,-- DM für August und September 2001, monatlich 611,-- DM für Oktober bis Dezember 2001 und monatlich 305,-- Büro ab Januar 2002 erkannt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreites hat es den Parteien jeweils zur Hälfte auferlegt.

Gegen diese Kostengrundentscheidung hat der Kläger sofortige Beschwerde, hilfsweise Erinnerung, eingelegt. Sein Rechtsmittel sei statthaft, da der Verurteilung ein Teilanerkenntnis des Beklagten zugrundeliege. Die Kostenquote sei zu seinen Lasten fehlerhaft; er habe mit seiner Klage zu über 90 % obsiegt, da er ein Interesse an der Titulierung auch des in der Vergangenheit vom Beklagten freiwillig gezahlten Unterhaltsbetrages habe und dürfe daher nur mit 1/10 der Kosten des Rechtsstreites belastet werden.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft.

Zwar ist nach § 99 Abs. 1 ZPO die Anfechtung einer Kostenentscheidung grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht mit einem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung verbunden wird. Nur ausnahmsweise gestattet § 99 Abs. 2 ZPO eine isolierte Anfechtung der Kostengrundentscheidung durch sofortige Beschwerde, wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt worden ist.

Die Verurteilung des Beklagten ist nicht durch (Teil-)Anerkenntnisurteil im Sinne des § 307 Abs. 1 ZPO erfolgt. § 99 Abs. 2 ZPO kommt jedoch auch zur Anwendung, wenn und soweit trotz eines wirksamen prozessualen Anerkenntnisses gegen den Anerkennenden ein streitiges Urteil erlassen wird (vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 99, Rdnr. 6; MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 99, Rdnr. 17; OLG Düsseldorf MDR 1989, 825; OLG Frankfurt am Main MDR 1950, 169).

So liegt es hier. Das Familiengericht hätte aufgrund des in der Klageerwiderung angekündigten und im Verhandlungstermin erklärten Anerkenntnisses des Beklagten über dessen Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt durch Teilanerkenntnis- und Endurteil entscheiden müssen, auch wenn der Kläger hinsichtlich des anerkannten Teils einen Antrag, hierüber durch Anerkenntnis zu befinden, nicht gestellt hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger diesen Antag bewusst unterlassen hat oder ob dies nur versehentlich unterblieben ist. Ein Kläger kann bei (Teil-)Anerkenntnis des Beklagten das Gericht nicht veranlassen, das Anerkenntnis zu ignorieren und streitig zu entscheiden; ihm fehlt insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis auf Prüfung der rechtlichen Begründetheit seines Anspruches. Solange sich - wie hier - aus dem Sachantrag des Klägers ergibt, dass er an seinem Begehren auf Verurteilung des Beklagten festhält, ist der Beklagte seinem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (vgl. MünchKomm aaO § 307, Rdnr. 23 f m.w.N., insbesondere auf BGHZ 107, 142 [147] und BGH NJW 1993, 1717 [1718]).

Gegen gemischte Kostenentscheidungen in Teilanerkenntnis- und teilweise streitigem Endurteil ist die sofortige Beschwerde insoweit gegeben, als die Kosten auf den anerkannten Teil entfallen, da insoweit die Kostenentscheidung nicht zwangsläufig dem in der Hauptsache gefällten Urteil folgt, sondern - unabhängig von der Sachentscheidung - allein davon abhängt, ob das Teilanerkenntnis des Beklagten als sofortiges anzusehen ist und ob er zur Erhebung der Klage Anlass gegeben hat (§ 93 ZPO - BGHZ 40, 265 [270]; OLG Schleswig, JurBüro 1986, 107; OLG München AnwBl. 1984, 313).

Der Kläger bekämpft mit seinem Rechtsmittel die Kostengrundentscheidung, soweit damit zu seinem Nachteil eine höhere Quote festgesetzt wurde, als sie sich bei ausschließlicher Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend seinem Unterliegen ergeben hätte. Sein Angriff zielt damit auf die Kosten, die auf den anerkannten Teil entfallen, so dass sein Rechtsmittel gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthaft ist.

Die sofortige Beschwerde ist auch verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 577 Abs. 2, 567 Abs. 2, 569 Abs. 2 ZPO a.F.) und führt in der Sache zu einer Abänderung der Kostengrundentscheidung in dem vom Kläger begehrten Umfang.

Über das Maß der Kostentragungspflicht beider Parteien ist vorliegend ausschließlich nach § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend ihrem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen zu entscheiden. § 93 ZPO kommt hinsichtlich des in der Klageerwiderung und damit sofort im Sinne dieser Vorschrift anerkannten Teilbetrages nicht zur Anwendung, da der Beklagte durch sein vorprozessuales Verhalten zur Einreichung der Klage Veranlassung gegeben hat. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Differenz zwischen den freiwillig gezahlten 550,-- DM monatlich und dem anerkannten Unterhaltsbetrag von 574,-- DM monatlich seit Oktober 2001, sondern bezüglich des gesamten anerkannten (Teil-)Betrages.

In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage der Anwendung des § 93 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden kontrovers diskutiert und entschieden. Teilweise wird vertreten, dass der auf den vollen Unterhaltsbetrag verklagte Unterhaltsverpflichtete hinsichtlich des unstreitigen freiwillig gezahlten Sockelbetrages keine Veranlassung zur Klage gegeben habe, so dass er bei sofortigem Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO insoweit auch nicht mit den Kosten des Rechtsstreites belastet werden dürfe (OLG Düsseldorf, 5. Familiensenat, FamRZ 94, 117; OLG Hamm FamRZ 1993, 712 und OLG Bremen FamRZ 89, 876 - beide für den Fall der Geringfügigkeit des streitigen Spitzenbetrages; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rdnr. 2107).

Demgegenüber gibt ein nur zu einer Teilleistung bereiter Unterhaltsschuldner nach anderer Auffassung (OLG Köln, NJW-RR 1998, 1703; OLG Düsseldorf, 3. Familiensenat, FamRZ 91, 1207; OLG Koblenz, FamRZ 86, 826; Zöller aaO § 93, Rdziff. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 93, Rdnr. 62) zur Einreichung einer Klage auf den vollen Unterhaltsanspruch Veranlassung, so dass die Anwendung des § 93 hinsichtlich des unstreitigen Sockelbetrages nicht gerechtfertigt sei.

Der Senat schließt sich der zuletzt dargelegten Auffassung an.

Es ist, allgemein anerkannt, dass bei der Klage auf Zahlung einer Unterhaltsrente auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn der Schuldner erfüllungsbereit ist (OLG Köln, FamRZ 95, 1503 und 86, 827; OLG Koblenz, FamRZ 86, 826; OLG Karlsruhe, FamRZ 84, 584; OLG Stuttgart, NJW 78, 112). Der Unterhaltsberechtigte hat auch beim Streit über eine - nur geringfügige - Unterhaltsspitze ein Rechtsschutzinteresse daran, dass der gesamte Unterhaltsbetrag einschließlich des unstreitigen freiwillig gezahlten Sockelbetrages tituliert wird. Dieses Titulierungsinteresse besteht schon deshalb, weil ein nur auf den streitigen Spitzenbetrag lautender Unterhaltstitel auch nur die Vollstreckung hinsichtlich dieses Spitzenbetrages ermöglicht; der Unterhaltsschuldner kann jederzeit die (freiwillige) Leistung des Sockelbetrages einstellen. Zudem können sich wegen der begrenzten Rechtskraftwirkung eines solchen Titels für den Unterhaltsberechtigten weitere Nachteile im Falle der Abänderung nach § 323 ZPO ergeben.

Auch die grundsätzlich mögliche kostengünstigere oder sogar kostenfreie vorgerichtliche Titulierung des unstreitigen Sockelbetrages durch notarielle Unterhaltsvereinbarung oder - für den Unterhalt minderjähriger Kinder - durch so genannte Jugendamtsurkunde rechtfertigt es nicht, hinsichtlich des freiwillig gezahlten unstreitigen Sockelbetrages - bei sofortiger Anerkennung desselben im Prozess - eine Veranlassung des Beklagten zur Klageerhebung insoweit zu verneinen. Es ist dem Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar, zunächst über den unstreitigen Sockelbetrag einen außergerichtlichen Titel zu erwirken und nur den streitigen Spitzenbetrag einzuklagen. Abgesehen davon, dass dies für ihn mit Mehraufwand an Zeit und Mühe verbunden ist und er im Falle einer Vollstreckung mit mehreren Titeln - der vollstreckbaren (Jugendamts- oder notariellen) Urkunde einerseits und dem erstrittenen Urteil andererseits - vorgehen müsste, ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Abänderungsmöglichkeiten gemäß § 323 ZPO bei Jugendamtsurkunden oder notariellen Unterhaltsvereinbarungen einerseits und Urteilen andererseits unterschiedlich sind. Als Schuldtitel im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO unterliegen diese außergerichtlichen Titel weder der zeitlichen Zäsur des § 323 Abs. 3 ZPO; noch gilt für sie die Präklusion gemäß § 323 Abs. 2 ZPO.

Gerade Letzteres spricht nach Auffassung des Senates in besonderem Maße dafür, grundsätzlich eine Veranlassung zur Erhebung der Klage auf den vollen geschuldeten Unterhaltsbetrag auf Seiten des Unterhaltspflichtigen auch dann zu bejahen, wenn er seiner Verpflichtung hinsichtlich eines Sockelbetrags freiwillig nachgekommen ist und keine Anhaltspunkte dagegen sprechen, dass er dies auch künftig tun wird.

Eine Kostenguotelung allein in Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO führt vorliegend dazu, dass dem Beklagten 9/10 und dem Kläger lediglich 1/10 der Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen sind (verlangt waren monatlich 653,-- DM, zuerkannt wurden monatlich 611,-- DM bzw. ab Januar 2002 - wegen der bei Klageeinreichung im Oktober 2001 noch nicht feststehenden Kindergelderhöhung ab diesem Zeitpunkt - monatlich 305 Euro).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens war entsprechend dem Interesse des Klägers, nicht mit den hälftigen Kosten, sondern nur mit 1/10 derselben belastet zu werden, auf 40 % der gesamten im Rechtsstreit angefallenen Kosten festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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