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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 2 WF 8/04
Rechtsgebiete: VAHRG, ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

VAHRG § 11
VAHRG § 11 Abs. 2
ZPO § 621 a Abs. 1
FGG § 19
FGG § 33
FGG § 53 b
BGB § 1580
BGB § 1587 e
BGB § 1587 e Abs. 1
1. Gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung gemäß § 11 Abs. 2 VAHRG ist gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 19 FGG die einfache Beschwerde statthaft.

2. § 11 Abs. 2 VAHRG gibt dem Familiengericht ein eigenständiges Recht, von den beteiligten Ehegatten (und deren Hinterbliebenen) Auskunft über Versorgungsanwartschaften zu verlangen, Auskunftsrecht des Gerichtes nach § 11 Abs. 2 VAHRG und Auskunftsanspruch der Ehegatten gemäß § 1587 e i.V.m. § 1580 BGB bestehen eigenständig nebeneinander; ein Rangverhältnis ist nicht gegeben.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 8/04

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen,

hier: Auskunftsverlangen nach § 11 Abs. 2 VAHRG und Zwangsgeldandrohung,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Schlachter auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 11. Dezember 2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Dürkheim vom 20. November 2003

ohne mündliche Verhandlung am 5. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner mit der angefochtenen Entscheidung unter Fristsetzung zum 5. Januar 2004 und Zwangsgeldandrohung zur Auskunft über seine bei der ... Australia erworbenen Betriebsrentenanwartschaften gemäß § 11 Abs. 2 VAHRG aufgefordert.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt der Antragsgegner die Aufhebung der Anordnung sowie der Zwangsgeldandrohung, hilfsweise die Verlängerung der Beibringungsfrist bis zum 20. April 2004.

Er meint, die Aufforderung zur Auskunftserteilung sei schon deshalb nicht von § 11 VAHRG gedeckt, weil zwischen den Parteien streitig sei, ob die australische "Rentenanwartschaft" in den Zugewinn falle oder dem Versorgungsausgleich unterliege. Da jedenfalls die Antragstellerin die Anwartschaft als dem Zugewinnausgleich unterliegend ansehe, komme § 11 VAHRG nicht zur Anwendung. Im Übrigen sei vorrangig über den Auskunftsantrag der Antragstellerin gemäß § 1587 e Abs. 1 BGB i.V.m. § 1580 BGB zu entscheiden gewesen, statt der Antragstellerin in Anwendung von § 11 Abs. 2 VAHRG von Amts wegen Hilfestellung zu leisten. Er habe beabsichtigt, die Frage der Zugehörigkeit der australischen Rentenanwartschaften möglicherweise im Auskunftsverfahren der Antragstellerin durch das Pfälzische Oberlandesgericht klären zu lassen.

Jedenfalls seien die Androhung eines Zwangsgeldes - noch dazu in der Höhe von 25 000,00 EUR - sowie die gesetzte Beibringungsfrist unverhältnismäßig. Er habe dem Gericht durch Schriftsatz vom 19. November 2003 mitgeteilt, dass er aufgrund des Todes seiner Mutter nach Australien gereist sei und dort ca. drei bis vier Monate zur Unterstützung seines gebrechlichen Vaters bleiben müsse. Deshalb könne er derzeit die angeforderten Unterlagen, die sich teils in einem Banksafe in Deutschland befänden, teils bei der rd. 2500 km entfernten Niederlassung der... in Australien beschafft werden müssten, nicht innerhalb der zu kurz bemessenen Frist beibringen.

Das Familiengericht hat im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung die Beibringungsfrist auf den 29. Februar 2004 verlängert und im Übrigen eine Abhilfe verweigert.

II.

Gegen die Aufforderung zur Auskunft gemäß § 11 Abs. 2 VAHRG sowie die Zwangsgeldandrohung (§ 33 FGG) ist gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 19 FGG die einfache Beschwerde statthaft. Bei der Androhung nach § 11 Abs. 2 VAHRG handelte es sich um eine verfahrensfördernde Zwischenverfügung des Familiengerichtes, die nach § 19 FGG anfechtbar ist, weil sie selbst in die Rechte des Antragsgegners eingreift, indem sie ihm eine Verpflichtung zum Tätigwerden auferlegt und die Grundlage für eine zwangsweise Durchsetzung im Wege des § 33 FGG bildet (OLG Hamm Rpfleger 1989, 61; OLG Braunschweig FamRZ 1995, 300; Keidel/Kuntze/Winkler-Kuntze, Kommentar zum FGG, 15. Aufl., § 53 b Rdnr. 9 c). Gleiches gilt auch für die Zwangsgeldandrohung als solche (BGH FamRZ 1981, 25; Keidel/Kuntze aaO, § 64 Rdnr. 52).

Das Rechtsmittel ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Familiengericht den Antragsgegner zur Auskunft über die von ihm erworbenen australischen Betriebsrentenanwartschaften aufgefordert hat. § 11 Abs. 2 VAHRG begründet - ebenso wie § 53 b FGG - eine Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht. Die - mit Wirkung ab 1. April 1983 eingeführte - Vorschrift gibt dem Gericht ein eigenständiges Recht, von den Ehegatten und ihren Hinterbliebenen Auskunft über Versorgungsanwartschaften zu verlangen. Das Gericht braucht die Ehegatten nicht mehr - wie nach der Rechtslage vor April 1983 - zur Durchsetzung der Auskunftserteilung auf die zwischen ihnen bestehende Auskunftspflicht gemäß § 1587 e BGB i.V.m. § 1580 BGB zu verweisen (vgl. Johannsen/Henrich-Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 11 VAHRG Rdnr. 2; Keidel/Kuntze aaO; Staudinger/Rehme (1998), § 11 VAHRG Rdnr. 4). Auskunftsanspruch der Ehegatten nach § 1587 e i.V.m. § 1580 BGB und Auskunftsrecht des Gerichtes nach § 11 Abs. 2 VAHRG bestehen eigenständig nebeneinander; ein Rangverhältnis ist nicht gegeben. Daher kann weder einem Auskunftsverlangen nach § 1587 e BGB mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des § 11 Abs. 2 VAHRG das Rechtsschutzbedürfnis versagt werden (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 1995, 300) noch ist es dem Familiengericht verwehrt, nach § 11 Abs. 2 VAHRG vorzugehen, nachdem ein Ehegatte Auskunft gemäß § 1587 e BGB verlangt hat.

Dem Auskunftsverlangen des Familiengerichtes steht auch nicht entgegen, dass die australische Versorgungsanwartschaft möglicherweise nicht dem Versorgungsausgleich unterfällt, sondern im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Parteien auszugleichen sein wird. Diese Streitfrage der Parteien hängt wesentlich von Inhalt und Ausgestaltung der Versorgung ab. Das Auskunftsverlangen dient gerade der Beschaffung der erforderlichen Kenntnisse für die rechtliche Einordnung der Versorgungsanwartschaft.

2. Die Durchsetzung (Vollstreckung) der Auskunftsverpflichtung nach § 11 Abs. 2 VAHRG erfolgt nach § 33 FGG (i.V.m. § 621 a Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Keidel/Kuntze aaO; Johannsen/Henrich aaO; Staudinger/Rehme aaO, Rdnr. 5). Die Androhung eines Zwangsgeldes, die einer etwaigen Festsetzung zwingend vorausgehen muss (§ 33 Abs. 3 Satz 1 FGG), kann bereits in den Beschluss der zu vollziehenden Verfügung selbst aufgenommen werden (vgl. Keidel/Kuntze aaO, § 33 Rdnr. 22 a m.w.N.). Sie setzt nicht voraus, dass eine Zuwiderhandlung bzw. eine Nichtbefolgung der gerichtlichen Anordnung bereits erfolgt ist. Ob eine Zwangsgeldandrohung veranlasst ist oder ob davon abgesehen werden kann, weil ein Verstoß bzw. eine Nichtbefolgung der gerichtlichen Verfügung nicht zu befürchten ist, steht in pflichtgemäßem, im Beschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbaren, Ermessen des Gerichtes. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch sind vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr besteht nach Aktenlage durchaus Anlass zur Annahme, dass es eines Zwanges des Antragsgegners zur Befolgung des Auskunftsersuchens bedarf, nachdem er bislang dem mehrfach gestellten Auskunftsersuchen der Antragstellerin nicht nachgekommen ist und auch dem (formlosen) Auskunftsersuchen des Gerichtes (mit Verfügung vom 8. Oktober 2003) nicht Folge zu leisten beabsichtigte (wie dem Schriftsatz vom 10. November 2003 zu entnehmen ist).

Der Zwangsgeldandrohung steht auch die inhaltliche Ausgestaltung des Auskunftsersuchens nicht entgegen. Das Auskunftsverlangen ist eindeutig; der Antragsgegner kann daraus zweifelsfrei entnehmen, worüber er Auskunft erteilen soll. Zu einer ordnungsgemäßen Auskunft, die es dem Gericht ermöglicht, Grund und Höhe von dem Versorgungsausgleich unterliegenden Versorgungsanwartschaften zu ermitteln gehört auch die Vorlage von Unterlagen, aus denen sich die Höhe der Anwartschaft ergibt (Kontoauszüge) sowie der konkreten Versorgungsregelung (Satzung, Betriebsvereinbarung oder dergleichen).

Nicht zu beanstanden ist schließlich die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe des gesetzlich zulässigen Höchstbetrages von 25 000,00 EUR (vgl. Keidel/Kuntze aaO). Die Frage der Verhältnismäßigkeit des Zwangsmittels wird in etwaigen Festsetzungsverfahren zu prüfen sein.

3. Nachdem dem Antragsgegner das Auskunftsersuchen bereits Anfang Dezember 2003 zugegangen ist, bedarf es auch nicht der hilfsweise begehrten (weiteren) Verlängerung der Frist zur Erfüllung desselben. Auch unter Berücksichtigung der erschwerten Bedingungen müsste es dem Antragsgegner möglich sein, die geforderte Auskunft innerhalb von knapp drei Monaten zu erteilen, zumal ihm bereits seit langem bekannt ist, dass diese Versorgungsanwartschaft im Rahmen des Scheidungsverfahrens einschließlich der anhängigen Folgesachen von nicht unerheblicher Bedeutung ist und er sich darauf hätte einstellen können, Auskunft über diese erteilen zu müssen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 3 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 17 a GKG; da noch nicht absehbar ist, ob und falls ja in welchem Umfang Rentenanwartschaften zu übertragen oder zu begründen sein werden, war der Ansatz des Mindestwertes nach § 17 a GKG gerechtfertigt; der Zwangsgeldandrohung misst der Senat keinen eigenständigen Beschwerdewert bei.

Ende der Entscheidung

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