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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: 2 WF 80/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 124
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne entsprechenden Antrag ist wirksam und kann wegen des durch sie begründeten Vertrauens der Partei in den Fortbestand der für sie günstigen Entscheidung von Amts wegen im Rahmen einer Abhilfe nur unter den Voraussetzungen der §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO aufgehoben werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 80/02

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe auf Beschwerde der Staatskasse im Rahmen der Abhilfe gemäß § 571 (jetzt § 572) ZPO

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21. Juni 2002, eingegangen am 25. Juni 2002, und die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 3. Mai 2002, eingegangen am 7. Mai 2002, gegen den ihr am 7. Juni 2002 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rockenhausen vom 3. Juni 2002

ohne mündliche Verhandlung am 1. August 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Beschwerde der Staatskasse wird verworfen.

Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 3. Mai 2002, seinen Beschluss vom 15. Mai 2001, mit welchem der Antragsgegnerin rückwirkend ab Antragstellung für die Ehesache, die Folgesache Versorgungsausgleich und den am 24. April 2001 protokollierten Vergleich Prozesskostenhilfe mit gleichzeitiger Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., bewilligt worden ist, im Rahmen der Abhilfe gemäß § 571 ZPO a.F. (i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO) aufgehoben, weil die Antragsgegnerin im (rechtskräftig abgeschlossenen) Ehescheidungsverfahren einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt habe.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der Abhilfeentscheidung und Wiederherstellung des ursprünglichen Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses.

Der Gegner des ursprünglichen Beschwerdeverfahrens hat, soweit er durch die Abhilfeentscheidung beschwert wird, hiergegen ein eigenes Beschwerderecht, wenn und soweit ihm ein solches gegen die Entscheidung zustünde, sofern sie als Erstentscheidung ergangen wäre (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 572, Rdnr. 5; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 572, Rdnr. 5). Gegen eine die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigernde (Erst-)Entscheidung ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F. die sofortige Beschwerde statthaft; als solche ist die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Abhilfeentscheidung auszulegen. Sie ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und führt in der Sache zur Aufhebung der Abhilfeentscheidung des Familiengerichts. Der Senat entscheidet hierüber gemäß § 568 Satz 2 ZPO in seiner Gesamtheit.

Das Familiengericht war nicht befugt, seinen Beschluss vom 15. Mai 2001, mit dem es der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Z und gleichzeitiger Anordnung von Ratenzahlungen für die Ehesache, den Versorgungsausgleich und den am 24. April 2001 gerichtlich protokollierten Vergleich bewilligt hat, aufzuheben und der Antragsgegnerin die Prozesskostenhilfe rückwirkend zu entziehen.

Zwar hätte der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden dürfen, da diese einen - für die Bewilligung zwingend erforderlichen - Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren zu keinem Zeitpunkt gestellt hat. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung ihrer Beschwerde meint, aus dem Bewilligungsbeschluss sei zu folgern, dass ein entsprechender Antrag im Verhandlungstermin gestellt worden sein müsse, ohne dass dies im Protokoll seinen Niederschlag gefunden habe, weil dort nicht einfach nur Prozesskostenhilfe, sondern Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt worden sei, vermag der Senat dem nicht beizupflichten. Das Familiengericht hat zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe ein von ihm für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allgemein gefertigtes Formular verwandt, in dem die Formulierung "rückwirkend ab Antragstellung" bereits vorgegeben war; auf eine tatsächlich erfolgte Antragstellung kann daraus daher nicht geschlossen werden.

Gleichwohl ist die - zu Unrecht - bewilligte Prozesskostenhilfe wirksam. Es handelt sich hierbei nach Ansicht des Senates nicht um eine nichtige, wirkungslose Scheinentscheidung. Als wirkungslos sind Entscheidungen nur dann anzusehen, wenn in ihnen eine der Rechtsordnung unbekannte oder gesetzlich unzulässige Rechtsfolge ausgesprochen wird oder wenn die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen keine Wirkungen entfalten kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., Vorbemerkung zu § 300, Rdz. 13-19 m.w.N.). Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist dagegen eine nach Form und Inhalt grundsätzlich gesetzmäßige Entscheidung, die auch faktisch Wirkung entfaltet. Sie ist daher, wenn ihr keine entsprechende Antragstellung zugrunde liegt, zwar fehlerhaft, jedoch nicht wirkungslos (so auch OLG Oldenburg, FamRZ 89, 300 f; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rdnr. 231; a.A.: Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rdnr. 80; OLG München - allerdings für einen anders gelagerten Fall -, JurBüro 1984, 1851; Schneider, MDR 1985, 441).

Die Aufhebung einmal bewilligter Prozesskostenhilfe im Rahmen einer Nichtabhilfeentscheidung ist daher wegen des durch die Prozesskostenhilfebewilligung begründeten Vertrauens einer Partei in den Fortbestand dieser für sie günstigen Prozesskostenhilfeentscheidung, dem grundsätzlich Vorrang vor sachlichen Gesichtspunkten und fiskalischen Interessen gebührt, nur unter den in § 120 Abs. 4 und § 124 ZPO abschließend normierten Voraussetzungen möglich. Andernfalls ist die Prozesskostenhilfebewilligung - abgesehen von dem hier zweifelsfrei wegen der Ratenzahlungsanordnung nicht gegebenen begrenzten Rügerecht der Staatskasse gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F. - unanfechtbar (§ 127 Abs. 2 S. 1 ZPO) und kann auch in einem Abhilfeverfahren trotz des grundsätzlich bestehenden Abhilferechtes auch bei einer unzulässigen, dann als Gegenvorstellung zu wertenden Beschwerde (vgl. hierzu Musielak - Ball, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rdnr. 4; MüKo-Braun, ZPO, 2. Aufl., § 572 Rdnr. 2; Stein/Jonas - Grunsky, ZPO, § 571 Rdnr. 3)nicht mehr geändert werden. Ein Aufhebungsgrund nach §§ 120 Abs. 4 bzw. 124 Nr. 1-4 ZPO ist vorliegend zweifelsfrei nicht gegeben. Der Senat vermag die Auffassung des Oberlandesgerichts Bamberg (FamRZ 1989, 884), nach der der Schutz des Vertrauens einer Partei in den Fortbestand der für sie günstigen PKH-Bewilligung zurückzutreten habe und eine Bewilligung analog § 124 Nr. 3 aufgehoben werden könne, wenn die Prozesskostenhilfebewilligung auf einen erst nach Abschluss des Rechtszuges gestellten Antrag erfolgte, jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen. Möglicherweise mag dies in dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in dem das erkennende Gericht die Partei zunächst darauf hingewiesen hat, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich sei, nachdem das Verfahren vor Antragstellung bereits abgeschlossen war, gleichwohl aber zu einem späteren Zeitpunkt - versehentlich - Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, wegen der durch den Hinweis bedingten Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsentscheidung gerechtfertigt gewesen sein. Vorliegend fehlt es dagegen an einer solchen zweifelsfreien Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der Prozesskostenhilfebewilligung auf Seiten der Partei. Zudem ist zu bedenken, dass die §§ 120 Abs. 4 und 124 ZPO - wie alle Ausnahmevorschriften - grundsätzlich einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind.

Die Abhilfeentscheidung des Familiengerichts kann damit keinen Bestand haben. Zugleich ist die damit wieder offene Beschwerde der Staatskasse als unstatthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F.) zu verwerfen.

Gerichtkosten werden für das (erfolgreiche) Beschwerdeverfahren nicht erhoben (arg. e. Nr. 1956 des Kostenverzeichnisses zum GKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO). Es bedarf daher auch keiner Festsetzung eines Beschwerdewertes.

Ende der Entscheidung

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