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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.07.2001
Aktenzeichen: 3 W 149/01
Rechtsgebiete: AuslG, FEVG, FGG


Vorschriften:

AuslG § 103 Abs. 2
AuslG § 56 Abs. 5
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 16 Abs. 1
FGG § 20 a
1. Der Beschwerdeführer kann sein Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränkt weiterverfolgen, wenn durch die Rücknahme des Haftantrages sein Rechtsschutzbedürfnis an einer Sachentscheidung nachträglich entfallen ist.

2. Dem Betroffenen sind in entsprechender Anwendung des § 16 FEVG seine notwendigen Auslagen zu erstatten, wenn die Ausländerbehörde keinen Anlass zur Stellung eines Haftantrages hatte Das ist dann der Fall, wenn die Abschiebung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht durchsetzbar war, weil die Ausländerbehörde durch den mit der Erteilung der Duldung ausgesprochenen zeitweisen Verzicht auf die Abschiebung gegenüber dem Ausländer gebunden war.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

3 W 149/01

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft,

hier: Kostenerstattung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 5./6. Juli 2001 gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 3. Juli 2001 zugestellten Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 22. Juni 2001

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 22. Juni 2001 wird geändert:

Der Landkreis hat dem Betroffenen seine im erstinstanzlichen Verfahren und in den beiden Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 4, 20 a Abs. 2 FGG statthaft. Zwar ist durch die als Rücknahme des Haftantrages zu wertende "Aufhebung" der Abschiebungshaft durch die Beteiligte zu 2) das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen an einer Sachentscheidung nachträglich entfallen, so dass sich die Hauptsache im Beschwerdeverfahren nach Eingang der Rechtsmittelschrift bei dem Landgericht Landau in der Pfalz erledigt hat und das Rechtsmittel unzulässig geworden ist (vgl. BGH FG-Prax 1998, 189 m.w.N.). Für diesen Fall ist jedoch anerkannt, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel beschränkt auf den Kostenpunkt weiterverfolgen kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 13. März 2000 - 10 Wx 25/99 -; Bay-ObLGZ 1989, 131, 133; BayObLG Beschluss vom 8. Juli 1998 - 3 Z BR 149/98 = BayObLGR 1998, 62; vgl. KG FG-Prax 1998, 199; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FGG 14. Aufl. § 19 Rdnr. 94), was der Betroffene hier mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Juni 2001 getan hat. Damit ist auch seine gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts gerichtete sofortige weitere Beschwerde gemäß § 20 a Abs. 2 FGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes hier ohne weiteres erreicht ist.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 FGG).

Dem Betroffenen sind seine im gesamten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Entscheidung ist hier in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 1 FEVG zu treffen, da diese Vorschrift im Rahmen ihres Wirkungskreises als Sonderregelung der allgemeinen Bestimmung des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG vorgeht (vgl. BGHZ 131, 185, 188; vgl. Senat, etwa Beschluss vom 20. Juni 1997 - 3 W 109/97 - BayObLGZ 1989 aaO und 1995, 118, 119). Danach sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Gebietskörperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, dann aufzuerlegen, wenn das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Haftantrages nicht vorlag. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht aufgrund des Verfahrensstandes bei Eintritt der Hauptsacheerledigung zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausländerbehörde keinen objektiv begründeten Anlass zur Antragstellung hatte (vgl. Maschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 16 FEVG Rdnr. 3). Hat die Ausländerbehörde - wie hier - ihren Haftantrag später zurückgenommen, kommt es bei der Beurteilung, ob ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages auf Freiheitsentziehung nicht vorlag, auf den Sachverhalt an, der bei Antragstellung für die Behörde feststellbar war (vgl. BayObLGZ 1989, 131 sowie Beschluss vom 8. Juli 1998 aaO).

Ausgehend hiervon hatte die Beteiligte zu 2) keinen begründeten Anlass zur Stellung eines Haftantrages. Nach den Feststellungen des Landgerichts und dem weiteren Akteninhalt bestand für den Betroffenen seit 18. Oktober 1999 eine Duldung, die zuletzt bis zum 17. Oktober 2001 verlängert worden war. Diese Duldung war nach den eigenen Angaben der Beteiligten zu 2) zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht widerrufen worden, obwohl das "Abschiebungshindernis" mit der Aufhebung des Abschiebestopps seit 1. Mai 2001 als beseitigt angesehen werden konnte. Der Widerruf der Duldung war - ebenfalls nach den Angaben der Beteiligten zu 2) - erst für die Zeit nach der Anordnung der Abschiebungshaft beabsichtigt. Aus der Sicht der Beteiligten zu 2) war mithin die Abschiebung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht durchsetzbar. Denn solange die Duldung wirksam, also nicht widerrufen ist (§ 56 Abs. 5 AuslG), darf der Ausländer nicht abgeschoben werden. Der mit der Erteilung der Duldung ausgesprochene zeitweise Verzicht auf die Abschiebung bindet nämlich die Ausländerbehörde gegenüber dem Ausländer (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Ausländergesetz Mai 2000 § 55 Rdnr. 9). Auf dieser Grundlage hätte die Beteiligte zu 2) zunächst gemäß § 56 Abs. 5 AuslG die Duldung widerrufen und dem Betroffenen die vorgesehene Abschiebung gemäß § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG mindestens einen Monat vorher ankündigen müssen. Erst dann hätte Anlass zur Stellung eines Haftantrages bestanden.

Zur Zahlung von Gerichtskosten ist die Beteiligte zu 2) nicht verpflichtet, § 15 Abs. 2 FEVG.

Ende der Entscheidung

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