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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 30.08.2002
Aktenzeichen: 3 W 152/02
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 20 Abs. 1
FGG § 69 g Abs. 1
BGB § 1896
Ordnet das Vormundschaftsgericht trotz Vorliegens einer wirksamen Generalvollmacht für den Vollmachtgeber die Bestellung eines Betreuers an, steht dem dadurch übergangenen Bevollmächtigten - auch wenn dieser nicht dem Personenkreis des § 69 g Abs. 1 FGG angehört - ein eigenes Beschwerderecht zu.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 152/02

In dem Verfahren

betreffend die mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung (inklusive der Entscheidung über die Unterbringung), Gesundheitsfürsorge, Vermögensverwaltung, Postkontrolle und Widerruf der Generalvollmacht vom 2. Januar 1998 angeordnete Betreuung für

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Cierniak sowie die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die weitere Beschwerde des Betroffenen und der Beteiligten zu 1) vom 23, Juli 2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 3. Juli 2002

ohne mündliche Verhandlung

am 30. August 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin unter Ziffer 2) die weitergehende (Erst-)Beschwerde als unzulässig verworfen und unter Ziffer 3) eine Auslagenerstattung abgelehnt wird; das Verfahren wird insoweit zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung - auch über eine Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Landgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Vormundschaftsgericht hat für den Betroffenen eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen "Aufenthaltsbestimmung (inkl. Entscheidung über die Unterbringung), Gesundheitsfürsorge, Vermögensverwaltung, Postkontrolle und Widerruf der Generalvollmacht vom 2. Januar 1998" angeordnet und den Beteiligten zu 2) als Mitarbeiter eines Betreuungsvereins zum Betreuer bestellt. Gleichzeitig hat es die Beteiligte zu 1) als zuvor im Wege einstweiliger Anordnung bestellte vorläufige Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Postkontrolle entlassen, da sie ungeeignet sei, die Angelegenheiten des Betroffenen zu regeln. Die Beteiligte zu 1) stellt letzteres in Abrede. Sie weist auf eine ihr vom Betroffenen am 2. Januar 1998 erteilte "Generalvollmacht" hin, wonach sie befugt sei, den Betroffenen in allen Rechtsgeschäften zu vertreten. Wörtlich heißt es u.a.: "Die Vollmacht beinhaltet, mich in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten."

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht die Entlassungsentscheidung als verfahrensrechtlich überholt aufgehoben, im Übrigen jedoch das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Nach Ansicht der Kammer ist die Beteiligte zu 1), die die Beschwerde ausdrücklich nur eigenen Namens eingelegt habe, hinsichtlich der Betreuerbestellung nicht beschwerdeberechtigt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen und der Beteiligten zu 1), mit der sie gemeinsam die weitergehende Aufhebung der Beschlüsse des Amts- und Landgerichts erstreben.

II.

1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Betreuerin folgt bereits aus dem Umstand, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Dabei ist es für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde unerheblich, ob die Erstbeschwerde statthaft war. Denn es entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts der streitigen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass ein weiteres Rechtsmittel ohne Rücksicht hierauf immer dann eröffnet ist, wenn das erste Rechtsmittel als unzulässig verworfen wurde (vgl. etwa zum WEG-Verfahren BGH NJW 1992, 3305; allgemein Keidel/Kuntze/ Winkler/Kahl FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 7 m. w. N.).

2. Auch die weitere Beschwerde des Betroffenen selbst ist statthaft und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG). Zwar unterliegt es insoweit keiner Beanstandung, dass die Kammer lediglich von einer Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen ist. Hinsichtlich verfahrensrechtlicher Erklärungen gilt, dass das Gericht nach Möglichkeit den Willen des Erklärenden zu erforschen hat. Dabei kann aber nur der Wille in Betracht kommen, der in der Erklärung verkörpert ist (vgl. Keidel/Kayser aaO § 11 Rdnr. 435). Dazu hat das Landgericht nach dem Inhalt der Beschwerdeschreiben zutreffend erkannt, dass sich eine Beschwerdeeinlegung im Namen des Betroffenen aus den eingereichten Schreiben und Schriftsätzen nicht ansatzweise herleiten lässt. Ist das Rechtsmittel aber - wie hier - nicht fristgebunden, kann die weitere Beschwerde auch von einem Beteiligten eingelegt werden, der von seinem Recht zur Erstbeschwerde keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 11). Die Generalvollmacht, von deren Wirksamkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen ist, ermächtigt die Beteiligte zu 1) auch zur gerichtlichen Vertretung des Betroffenen.

3. In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu einem vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

a) Nachdem bereits das Landgericht die vom Vormundschaftsgericht ausgesprochene Entlassung der Beteiligten zu 1) als (vorläufige) Betreuerin aufgehoben hat, ist Gegenstand des Verfahrens noch die Anfechtung der Bestellung und Auswahl des Betreuers umfassenden Einheitsentscheidung nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 FGG (vgl. etwa BGH FamRZ 1996, 607; Senat FGPrax 1997, 104 und 199, 146).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Beteiligte zu 1) insoweit auch beschwerdeberechtigt, weil in ihren eigenen Rechten betroffen.

aa) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass die Beschwerdebefugnis in Betreuungssachen primär nach der Sonderregelung des § 69 g Abs. 1 FGG zu beurteilen ist, die als abschließende Regelung eine Anwendbarkeit von § 57 FGG ausschließt (vgl. Keidel/Kayser aaO § 69 g Rdnr. 8 a m. w. N.). Hier steht indes außer Frage, dass die Beteiligte zu 1) keine nahe Angehörige im Sinne dieser Vorschrift ist. Darüber hinaus lässt sich ein Beschwerderecht auch nicht aus § 69 g Abs. 2 FGG herleiten. Insoweit hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Beteiligte zu 1) nur zur vorläufigen Betreuerin bestellt war und etwaige Rechte aus dieser Position nach der endgültigen Betreuerbestellung des Beteiligten zu 2) nicht mehr bestehen.

bb) Die Regelung der Beschwerdebefugnis in § 69 g Abs. 1 FGG erfolgt jedoch - wie das Landgericht nicht verkennt - unbeschadet des § 20 Abs. 1 FGG. Diese allgemeine Vorschrift, wonach die Beschwerde jedem zusteht, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist, bleibt mithin anwendbar (vgl. Bienwald, Betreuungsrecht 3. Aufl. § 69 g Rdnr. 2). Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Beteiligte zu 1) danach beschwerdebefugt, weil ihr als Generalbevollmächtigte des Betroffenen ein eigenes Beschwerderecht zusteht. Hier ist der Beteiligten zu 1) am 2. Januar 1998 eine Generalvollmacht erteilt worden, die sich ausdrücklich auf alle persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten bezieht (vgl. zur Zulässigkeit einer Vollmacht auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten Senat FGPrax 2002, 179, 180. Irgendwelche Bedenken gegen die Wirksamkeit bezüglich der hier in Rede stehenden Vertretungstätigkeiten bestehen nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der zum Betreuer bestellte Beteiligte zu 2) die Vollmacht mittlerweile widerrufen hätte. Unter diesen Umständen kann der Beteiligten zu 1) ein eigenes Recht zur Beschwerde nicht abgesprochen werden. Soweit in Rechtsprechung und Literatur ein Beschwerderecht des Generalbevollmächtigten abgelehnt wird (vgl. grundlegend OLG Stuttgart FGPrax 1995, 87 f = FamRZ 1995, 427; hierauf bezugnehmend Keidel/Kayser aaO § 69 g Rdnr. 10; Bienwald aaO § 1896 Rdnr. 160; MünchKomm/Schwab, BGB 4. Aufl. § 1896 Rdnr. 243), betrifft dies einen anderen Sachverhalt, nämlich die Anfechtung der Anordnung einer Vollmachtsüberwachungsbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 BGB. Insoweit hat das OLG Stuttgart (aaO) ein Beschwerderecht des Bevollmächtigten verneint, weil seine Befugnisse zur Vertretung des Betroffenen aufgrund der Vollmacht und des ihr zugrundeliegenden Auftragsverhältnisses durch Anordnung der Kontrollbetreuung nicht verringert würden (anderer Auffassung Senat, Beschluss vom 21. November 1996 - 3 W 192/96). Hier ist demgegenüber eine (unmittelbare) Betreuung mit solchen Aufgabenkreisen angeordnet, die sich ihrem Umfang nach mit dem von der erteilten Generalvollmacht umfassten Bereich decken. Außerdem wird als Aufgabenkreis sogar ausdrücklich der Widerruf der Vollmacht bestimmt. Bei dieser Sachlage wird in subjektive Rechte des Bevollmächtigten aus dem der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 167 Rdnr. 4) unmittelbar eingegriffen, solange die Vollmacht - wovon hier auszugehen ist - nicht wirksam widerrufen wurde (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1992, 341, 342; offengelassen FamRZ 1996, 968, 969).

3. In der Sache ist die Entscheidung dem Landgericht als Tatsacheninstanz vorbehalten. Da sich die Beschwerdekammer mit dem Vorbringen der Beteiligten nicht auseinandergesetzt hat, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats als Rechtsbeschwerdegericht nicht in Betracht.

Für das weitere Verfahren wird mit Blick auf § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB vorsorglich darauf hingewiesen, dass die der Beteiligten zu 1) erteilte Vollmacht nicht den in §§ 1904 Abs. 2 Satz 2, 1906 Abs. 5 Satz 1 BGB vorausgesetzten Anforderungen gerecht wird und damit jedenfalls nicht zur Einwilligung in die dort aufgeführten Maßnahmen berechtigt (vgl. Senat FGPrax 2002, 179, 180; BayObLGR 2002, 167 f). Im Übrigen werden im Fall einer Betreuerbestellung die für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Grundsätze des § 1897 BGB zu beachten sein (vgl. dazu Senat FGPrax 1997,104 sowie FGPrax 1999, 146). Sollten sich schließlich die Bedenken gegen die Geeignetheit der Beteiligten zu 1) bestätigen, wird weiter zu erwägen sein, ob dem nicht durch Anordnung einer Vollmachtsüberwachungsbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 BGB Rechnung getragen werden kann.

III.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist nach § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Im Hinblick auf den vorläufigen Erfolg des Rechtsmittels ist auch die Frage einer etwaigen Kostenerstattung für das Rechtsbeschwerdeverfahren dem Landgericht vorbehalten.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat entsprechend der Bestimmung durch das Landgericht gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 und 3 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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