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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 3 W 207/04
Rechtsgebiete: EuGVO


Vorschriften:

EuGVO Art. 38
Ein italienisches Urteil, das dem Kläger gesetzliche Zinsen und Mehrwertsteuer ohne Angabe der Höhe zuspricht, ist von dem Gericht des Klauselerteilungsverfahrens ergänzend auszulegen. Dabei obliegt dem Gericht die Feststellung und Anwendung ausländischen Rechts.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 207/04

In dem Verfahren

wegen Vollstreckbarerklärung eines italienischen Schuldtitels,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Oberlandesgericht Stutz auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 27. September 2004 gegen den ihr am 27. August 2004 zugestellten Beschluss der Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau i. d. Pfalz vom 9. Juni 2004

ohne mündliche Verhandlung

am 15. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Vollstreckungsklausel hinsichtlich des zu vollstreckenden Zinsanspruches lautet:

"2,5 % Zinsen aus 18.592,45 EUR vom 16. April 1999 bis zum 31. Dezember 2000,

3,5 % Zinsen hieraus vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2001,

3,0 % Zinsen vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 und

2,5 % Zinsen ab dem 1. Januar 2004";

hinsichtlich der auf die Prozesskosten in Höhe von insgesamt 2.800,- EUR zu zahlenden Mehrwertsteuer lautet die Vollstreckungsklausel:

"plus 20 % Mehrwertsteuer".

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 21.390,45 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin ein Urteil der V. Zivilkammer des Mailänder Gerichts - Urteil Nr. 8643/03; Urk.R.Nr. 7584/03 -. Hierin wurde die Antragsgegnerin verurteilt, an die Antragstellerin einen Betrag von 18 592,45 € nebst gesetzlichen Zinsen seit dem Antrag bis zum Ausgleich zugunsten der Klägerin sowie Prozesskosten im Gesamtbetrag von 2 800,- € plus Mehrwertsteuer zu zahlen. Das Urteil wurde der Antragsgegnerin am 25. Februar 2004 zugestellt. Die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des Landgerichts 2004 zugestellt. Die Vorsitzende der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau i. d. Pfalz hat auf den am 2. Juni 2004 eingegangenen Antrag mit Beschluss vom 9. Juni 2004 angeordnet, dass das Urteil des Mailänder Gerichts für vollstreckbar erklärt wird und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Dem hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entsprochen. Die Ausfertigungen des Beschlusses vom 9. Juni 2004 und der Vollstreckungsklausel vom 25. August 2004 sind der Antragsgegnerin am 27. August 2004 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2004 hat die Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 9. Juni 2004 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sie habe in der Vergangenheit weder die Klageschrift noch Ladungen zu einem Termin im Wege der Zustellung erhalten.

II.

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde unterliegt keinen Bedenken. Die von der Antragstellerin begehrte Vollstreckbarerklärung des italienischen Urteils vom 31. März - 10. Mai 2003 richtet sich nach der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG Nr. 44/2001) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - EuGVO -. Nach Art. 66 Abs. 2 Buchstabe a der Verordnung werden Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung erlassen wurden, nach Maßgabe des Kap. III der Verordnung anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen, wenn die Klage vor Inkrafttreten der Verordnung im Ursprungsmitgliedsstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen oder das Übereinkommen von Lugano sowohl im Ursprungsmitgliedsstaat als auch in dem Mitgliedsstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getreten war. Dies ist hier der Fall. Das Brüsseler Übereinkommen ist sowohl in Italien als auch in Deutschland am 1. Februar 1973 in Kraft getreten; die Klage stammt aus dem Jahr 1999.

Das Rechtsmittel ist nach Art. 43 EuGVO i. V. m. §§ 1 Abs. 2 b, 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG) vom 19. Februar 2001 in der Fassung vom 30. Januar 2002 statthaft.

Der Einholung einer Abhilfeentscheidung des Landgerichts vor der Entscheidung durch den Senat bedarf es nicht, da eine Befugnis für das die Vollstreckung zulassende Gericht zur Abhilfe einer gegen seine Entscheidung gerichteten Beschwerde nach allgemeiner Ansicht nicht besteht (BTDrS 11/351, 22; Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl., § 11 AVAG Rdnr. 4; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVO Rdnr. 10; OLG München, NJW 1975, 504; Senat, Beschlüsse vom 20. Februar 2004 - 3 W 157/03 - und 8. Dezember 2003 - 3 W 217/03 -, OLGR 2004, 260; OLG Köln, NJOZ 2004, 3367, 3369).

Die Entscheidung des Senats ergeht in voller Besetzung des Spruchkörpers, weil die Vorsitzende der Zivilkammer den angefochtenen Beschluss gemäß § 3 Abs. 3 AVAG nicht als erstinstanzlicher "Einzelrichter" im Sinne des § 568 ZPO erlassen hat, sondern kraft besonderer Zuständigkeitsverweisung auf der Grundlage innerstaatlich geltenden Abkommensrechts bzw. unmittelbar geltenden EG-Verordnungsrechts entscheidet (Senat in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 3. November 2003 - 3 W 149/03 -, vom 8. Dezember 2003 - 3 W 217/03 -, vom 20. Februar 2004 - 3 W 157/03 -; OLG Stuttgart, OLGR 2003, 102; OLG Köln, IPrax 2003, 354).

2. In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht das Urteil der V. Zivilkammer des Mailänder Gerichts vom 31. März 2003 bis 10. Mai 2003 - Nr. 8643/03, Urk.R.Nr, 7584/03 -, für vollstreckbar erklärt. Das Urteil war lediglich hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Zinsen und der Höhe der auf die Prozesskosten zu zahlenden Mehrwertsteuer zu konkretisieren. Der italienische Titel stellt eine Entscheidung im Sinne von Art. 32 EuGVO dar. Im ersten Rechtszug hatte die Antragstellerin den Originaltitel vorgelegt. Damit ist Art. 53 EuGVO Genüge getan, wonach die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen hat, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Unerheblich ist, dass der Originaltitel zurückgegeben worden ist. Denn dieser muss nicht bei den Akten verbleiben. Er kann nach Erteilung der Vollstreckungsklausel wieder ausgehändigt werden (vgl. BGHZ 75, 167, 169 zu Art. 46 EuGVÜ; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 54 Rdnr. 2).

Die Antragstellerin hat auch die nach Art. 54 EuGVO erforderliche Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang V der Verordnung vorgelegt.

Anerkennungshindernisse im Sinne von Art. 34 und 35 EuGVO stehen der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung der V. Zivilkammer des Mailänder Gerichts nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Antragsgegnerin nicht auf den Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVO berufen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegnerin das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und rechtzeitig im Sinne dieser Vorschrift zugestellt worden ist, denn nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO bleibt auch in Fällen einer Säumnisentscheidung ein Zustellungsmangel folgenlos, wenn der Beklagte - wie hier - gegen die Ausgangsentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 34 Rdnr. 94; OLG Köln NJOZ 2004, 3367, 3369). Mit der Neuregelung dieser Vorschrift hat der Verordnungsgeber - in bewusster Abkehr von der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ (vgl. EuGH RsC-123/91 Minalmet/Brandeis EuGHE 1992 I 5661 Rdnr. 19; RsC-78/95 Hendrikmann /Magenta Druck, EuGHE 1996 I 4943 Rdnr. 20) - den Rechtsschutz des Gläubigers erweitert. Der Beklagte hat jetzt nicht mehr die Wahl, gegen die Entscheidung im Urteilsstaat mit Rechtsmitteln vorzugehen oder im Zweitstaat die Anerkennung zu verhindern. Vielmehr soll nach Sinn und Zweck der jetzigen Regelung über Verfahrensfehler möglichst sachnah im Ursprungsstaat entschieden werden (Kropholler aaO, Art. 34, Rdnr. 42).

Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Zustellungsberichts des Gerichtsdieners bei der einzelnen Anmeldestelle am Gericht Mailand und des Zustellungsnachweises der poste italiana nachgewiesen, dass der Antragsgegnerin das Urteil der V. Zivilkammer des Mailänder Gerichts am 25. Februar 2004 zugestellt wurde. Dies wird von der Antragsgegnerin nicht bestritten. Unstreitig ist auch, dass diese dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Dass das italienische Urteil in der Entscheidungsformel und den Gründen weder die Höhe der "gesetzlichen Zinsen", zu deren Zahlung die Antragsgegnerin verurteilt wurde, noch die Höhe der auf die Prozesskosten zu entrichtenden Mehrwertsteuer beziffert, steht der Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht entgegen. Vielmehr obliegt dem Gericht des Klauselerteilungsverfahrens die ergänzende Auslegung der ausländischen Entscheidung, wobei es das ausländische Recht festzustellen und anzuwenden hat (vgl. BGH NJW 1990, 3084; OLG Düsseldorf RIW 1997, 330; Hanseat. OLG Hamburg OLGR 1998, 87; Kropholler aaO, Art. 38 Rdnr. 12). Der gesetzliche Zinssatz, zu dessen Entrichtung die Antragsgegnerin verpflichtet ist, richtet sich nach Art. 1284 codice civile (c.c.). Er kann gemäß Abs. 2 der Vorschrift durch Ministerialdekret jährlich neu festgelegt werden. Für den hier maßgebenden Zeitraum gelten folgende Zinssätze:

vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 2,5 %,

vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001 3,5 %,

vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 3,0 % und

seit dem 1. Januar 2004 2,5 %.

Der Beginn des Zinslaufes ist der 16. April 1999; denn ausweislich der nach Art. 54 EuGVO erforderlichen Anlage (dort Ziffer 4.3.4.) war das "Zustellungs- oder Mitteilungsdatum des Antrags beim Gericht im Fall von Entscheidungen in Abwesenheit des Beklagten" der 15. April 1999.

Der maßgebliche Mehrwertsteuersatz beläuft sich auf 20 %.

Dementsprechend hatte eine Konkretisierung des italienischen Titels durch den Senat zu erfolgen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gemäß § 3 ZPO nach dem Wert der ausländischen Verurteilung festgesetzt (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1986, Sp. 1404 [1405]; Anders/Gehle/Kuntze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., Stichwort "Vollstreckungsklausel", Rdnrn. 1 und 5).

Ende der Entscheidung

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