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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: 3 W 219/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 1 Satz 1
FGG § 20
FGG § 27
FGG § 69 g Abs. 1
Ein Betreuungsbedürfnis im Sinne von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht, wenn der Betroffene psychisch krank ist, seine Angelegenheiten aber gleichwohl selbst oder mit Hilfe eines Bevollmächtigten besorgen kann. In einem solchen Fall darf eine rechtliche Betreuung auch nicht auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen hin angeordnet werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 219/03

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung rechtlicher Betreuung für

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und die Richterin am Landgericht Stutz auf die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 20. Oktober 2003 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 17. September 2003

ohne mündliche Verhandlung

am 24. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der im Jahr 1961 geborene Betroffene hat für sich die Einrichtung einer "Betreuung zur Geltendmachung von Rechten gegenüber Sozialbehörden, und Arbeitsamt; gegenüber Ärzten und gesundheitlichen Behörden; und gegenüber Geltendmachung in zivilrechtlichen Angelegenheiten" beantragt. Davon verspricht er sich Hilfe und Unterstützung bei dem von ihm eigener Darstellung nach als oftmals psychisch belastend und kränkend empfundenen Verkehr mit Behörden und sonstigen Institutionen sowie bei der Geltendmachung und Durchsetzung unterschiedlicher Rechtsansprüche, deren er sich in vielfältiger Weise berühmt.

Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - und im Verfahren der Erstbeschwerde das Landgericht haben die Bestellung eines Betreuers abgelehnt, weil der Betroffene zwar nach dem Ergebnis nervenfachärztlicher Begutachtungen psychisch krank, dessen ungeachtet aber nach Überzeugung der Tatrichter doch in der Lage sei, seine Angelegenheiten in den vorbeschriebenen Bereichen selbst zu besorgen. Mit seiner zu Protokoll der Geschäftsstelle des Erstbeschwerdegerichts erklärten weiteren Beschwerde verfolgt der Betroffene weiterhin das Ziel der Anordnung rechtlicher Betreuung.

II.

Die gegen die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers gemäß §§ 20, 69 g Abs. 1, 27, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 21 Abs. 2 FGG in zulässiger Weise erhobene weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Vielmehr tragen die den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindenden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) Tatsachenfeststellungen der Instanzgerichte deren Beurteilung, dass für den Betroffenen trotz der ihm attestierten paranoiden Wahnpsychose eine Betreuerbestellung nicht erforderlich ist.

1. Eine rechtliche Betreuung darf nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB nur angeordnet werden, wenn ein Volljähriger seine Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ganz oder teilweise nicht besorgen kann, und zwar auch nicht durch einen Bevollmächtigten. Ein derartiges Betreuungsbedürfnis besteht im Übrigen nicht schon dort, wo auch ein gesunder Volljähriger sich der Hilfe eines sachkundigen anderen (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) bedienen würde. Nur wenn der Betroffene psychisch bedingt außerstande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen, kommt die Bestellung eines Betreuers in Betracht. Liegen die vorbeschriebenen Voraussetzungen für ein Betreuungsbedürfnis nicht vor, ist die Einrichtung einer Betreuung auch mit Zustimmung oder - wie hier - auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen nicht zulässig, weil der Grundsatz der Erforderlichkeit der Betreuung öffentlichen Interessen dient, so dass der Betroffene hierauf nicht wirksam verzichten kann. Das Vormundschaftsgericht ist in Betreuungssachen auch nicht etwa einer Fürsorgebehörde gleich zu erachten (vgl. zum Ganzen OLG Köln FamRZ 1996, 249 f; BayObLG RPfleger 2001, 234 = NJWE-FER 2001, 151; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896 BGB, Rdnrn. 14 f, 64, 86, 87; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1896 Rdnr. 7).

Diese rechtlichen Grundsätze hat die Zivilkammer ihrer Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt.

2. Ob in dem aufgezeigten rechtlichen Rahmen die situativen Voraussetzungen für ein Betreuungsbedürfnis in der Person des Betroffenen erfüllt sind, ist Tatfrage.

Das Landgericht hat dazu - zusammengefasst - folgende Feststellungen getroffen:

Der Betroffene leidet an einer chronischen paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Er ist jedoch nicht minderbegabt, bewältigt die üblichen Anforderungen des praktischen Lebens und versteht es, wie sein Verhalten in der Vergangenheit belegt, tatsächliche und vermeintliche Rechtsansprüche aller Art zielstrebig und mit Nachdruck zu verfolgen; dazu nimmt er, wenn er es im Einzelfall für erforderlich hält, die Hilfe von ihm beauftragter Rechtsanwälte in Anspruch.

Dass die Tatrichter aus diesen tatsächlichen Umständen die Schlussfolgerung gezogen haben, eine rechtliche Betreuung sei danach für den Betroffenen nicht im Sinne von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Denn die Tatsachenwürdigung des Landgerichts kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft werden, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner, ob zu hohe oder zu niedrige Beweisanforderungen gestellt wurden (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2003 - 3 W 177/03 - m. w. N., abgedr. in OLGR 2004, 87, 88 f).

Derartige Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts im vorliegenden Fall nicht erkennen. Die den Feststellungen zugrunde liegende Tatsachenwürdigung beruht auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage. Die von der Zivilkammer daraus gezogene Schlussfolgerung auf ein fehlendes Betreuungsbedürfnis ist gedanklich nachvollziehbar; Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind nicht erkennbar; zwingend sein muss der Schluss nicht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 Rdnr. 42 a. E. m. w. N.).

3. Soweit der Betroffene zur Begründung der Rechtsbeschwerde beanstandet, dass das Landgericht, anders als der Vormundschaftsrichter, ihn nicht persönlich angehört hat, gilt Folgendes:

Nach § 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG gelten für das Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend, somit auch § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG, wonach das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen hat. Zwar kann das Beschwerdegericht nach der Vorschrift des § 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG, auf welche die Zivilkammer im vorliegenden Fall auch Bezug genommen hat, von der Wiederholung der Anhörung in der Beschwerdeinstanz absehen, wenn von einer erneuten Vornahme keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Annahme ist dann aber in der Entscheidung näher darzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 3 W 277/03 -; BayObLG, Beschluss vom 28. Februar 2003 - 3 Z BR 18/03 -, zitiert nach juris).

An ausdrücklichen Ausführungen dazu fehlt es hier. Indes lassen die Beschlussgründe der Beschwerdeentscheidung insgesamt bei einer Gesamtschau hinreichend deutlich erkennen, dass die Zivilkammer im Zeitpunkt des Erlasses ihrer Entscheidung keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hat und davon ausgegangen ist, auch eine persönliche Anhörung des Betroffenen werde ihr keine zusätzlichen Erkenntnisse vermitteln.

Unabhängig davon würde die angefochtene Entscheidung jedenfalls nicht auf einem Begründungsmangel im Zusammenhang mit § 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG beruhen. Denn im Hinblick auf den gesamten Akteninhalt und namentlich die zahlreichen und umfangreichen schriftlichen Eingaben des Betroffenen in den Tatsacheninstanzen sowie die Niederschrift seiner Anhörung beim Vormundschaftsgericht kann der Senat im vorliegenden Fall sicher ausschließen, dass von dem Betroffenen im Falle seiner (nochmaligen) persönlichen Anhörung zusätzliche Gesichtspunkte hätten ins Feld geführt werden können, welche das Landgericht zu einer anderen Sachentscheidung hätten bewegen können.

4. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 131 Abs. 3 KostO nicht veranlasst. Damit erübrigt sich auch die Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.

Ende der Entscheidung

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