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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: 3 W 23/01
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB, InsO, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 6
GmbHG § 35
BGB § 29
InsO § 4
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 57
Notgeschäftsführer bei Insolvenz einer GmbH

Auch wenn die Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO die eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB nicht ausschließt, ist ein für die Bestellung eines Notgeschäftsführers vorausgesetzter dringender Fall zu verneinen, wenn für das Insolvenzverfahren der Gesellschaft ein Verfahrenspfleger bestellt ist und diese Maßnahme ausreicht, drohende Schäden abzuwenden (hier wegen Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 23/01 2 HK.T 3/00 LG Frankenthal (Pfalz) HRB AG Ludwigshafen am Rhein

In der Handelsregistersache

betreffend die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die im Handelsregister des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein eingetragene Firma L mit Sitz in

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 26. Januar 2001 gegen den Beschluss der beim Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein geführten 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. Januar 2001

ohne mündliche Verhandlung

am 12. April 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5 000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Alleingesellschafter der eingangs bezeichneten GmbH. Er war bis zu seiner Abberufung am 10. Mai 1999 zugleich Geschäftsführer der GmbH, und zwar gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer. Nachdem er in der Gesellschafterversammlung vom 8. Dezember 2000 den verbliebenen Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen hatte, beantragte er die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Das Registergericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20. Dezember 2000 zurückgewiesen. Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Ludwigshafen am Rhein hat sodann mit Beschluss vom 22. Dezember 2000 den Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zugelassen, vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. Mit weiterem Beschluss vom 8. Januar 2001 hat das Insolvenzgericht für die Gesellschaft gemäß §§ 4 InsO, 57 ZPO als besonderen Vertreter einen Verfahrenspfleger bestellt.

Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht den Beschluss des Registergerichts bestätigt und hierbei u.a. darauf abgestellt, dass ein dringender Fall, der die Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich mache, auch im Hinblick auf das im Insolvenzverfahren angeordnete allgemeine Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht gegeben sei. Mit seiner weiteren Beschwerde macht der Antragsteller in erster Linie geltend, die Gesellschaft bedürfe auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens eines vertretungsberechtigten und handlungsfähigen Organs. Die mögliche Bestellung eines Prozesspflegers stehe der Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht entgegen.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27, 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, 20 Abs. 2 FGG). Dabei kann dahinstehen, ob die Entscheidung über die Bestellung bzw. Abberufung eines Notgeschäftsführers mit der sofortigen oder mit der einfachen (weiteren) Beschwerde anfechtbar ist (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1996, 996; BayObLG NJW-RR 2000, 244, 245 einerseits und Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff, GmbHG 3. Aufl. § 6 Rdnr. 24 jew. m.w.N. andererseits). Da nach Aktenlage weder die Entscheidung des Registergerichts noch diejenige des Landgerichts dem Antragsteller zugestellt worden ist, wäre eine etwaige Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden. Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers folgt schließlich bereits aus dem Umstand, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

2. In der Sache führt die weitere Beschwerde jedoch gleichfalls nicht zum Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

a) Im Ausgangspunkt gehen die Vorinstanzen mit Recht davon aus, dass das Gericht am Sitz des Handelsregisters nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur auf Antrag eines Gesellschafters in entsprechender Anwendung von § 29 BGB für eine GmbH einen Notgeschäftsführer bestellen kann (vgl. BayObLG Rpfleger 1996, 114; NJW-RR 1998, 1254; NJW-RR 1999, 1259, 1260; OLG Düsseldorf FG-Prax 1997,, 157; OLG Hamm NJW-RR 1996, 996; KG BB 2000, 998 jew. m.w.Nw.) Voraussetzung für eine Bestellung ist, dass ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Geschäftsführung gehindert ist. Ferner muss ein dringender Fall gegeben sein, der nur anzunehmen ist, wenn die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen. Ein dringender Fall ist auch anzunehmen, wenn der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Bestellung eines Notgeschäftsführers Schaden drohen würde oder eine, alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte (vgl. etwa BayObLG NJW-RR 1998, 1254 sowie NJWRR 1999, 1259, 1260 jew. m.w.N).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Dabei kann dahinstehen, ob der Ansicht von Amts- und Landgericht zur Verpflichtung des Gesellschafters, selbst die Geschäftsführeraufgaben zu übernehmen (vgl. dazu etwa HansOLG Hamburg MDR 1977; 1016; KG aaO S. 999 m.w.N.), zu folgen wäre. Ebenso wenig kommt es auf die bislang nicht aufgeklärte Frage an, ob der Beschluss vom 8. Dezember 2000, mit dem der Antragsteller den bisherigen Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen hat, wirksam ist (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 1998, 1254 und NJW-RR 2000, 254, 255) oder ob der Antragsteller - wie das Landgericht meint - verpflichtet ist, Anstrengungen zu unternehmen, um eine zur Übernahme der Geschäftsführung bereite Person zu finden. Ein dringender Fall, der die Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich macht, ist nämlich schon deshalb nicht (mehr) gegeben, weil das Insolvenzgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots angeordnet hat und mittlerweile für das Insolvenzverfahren ein besonderer Vertreter im Sinne des § 57 Abs. 1 ZPO bestellt worden ist.

aa) Die Rechtsbeschwerde weist zwar mit Recht darauf hin, dass die Schuldnerin auch im Insolvenzverfahren eines vertretungsberechtigten und handlungsfähigen Organs bedarf. Ein solches ist aber hier in der Person des Verfahrenspflegers vorhanden. Darauf, dass mittlerweile im Insolvenzverfahren ein Verfahrenspfleger bestellt wurde, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung allerdings nicht abgestellt. Gleichwohl kann dieser Umstand im Verfahren der Rechtsbeschwerde Berücksichtigung finden. Es handelt sich nämlich um eine auf einem Akt der Gerichtsbarkeit beruhende Tatsache, für die es nicht darauf ankommt, ob insoweit Feststellungen vom Beschwerdegericht getroffen wurden oder ob sie erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung ergangen sind (vgl. dazu Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 45 m.w.N.). Der entsprechende Beschluss befindet sich in dem - nach Akteneinsicht von der Rechtsbeschwerde zitierten - Sonderband zu den Registerakten. Der Antragsteller als Gesellschafter wird dort als Beteiligter angeführt, so dass sowohl ihm als auch seinen Verfahrensbevollmächtigten die Pflegerbestellung bekannt ist.

bb) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die - auch im Insolvenzverfahren mögliche - Bestellung eines Prozesspflegers stehe der Bestellung des Notgeschäftsführers nicht entgegen, kann dieser Ansicht für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht gefolgt werden. Grundsätzlich trifft es zwar zu, dass die Bestellung eines Prozessvertreters nach § 57 Abs. 1 ZPO es keineswegs ausschließt, für die Gesellschaft einen Notgeschäftsführer zu bestellen (vgl. OLG Celle NJW 1965, 504, 505; Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff aaO § 6 Rdnr. 26). Nach der Rechtsprechung soll die Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO die eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB nicht ausschließen, da § 57 ZPO gegenüber §,29 BGB subsidiär sei (so im Anschluss an das OLG Celle aaO BayObLG NJW-RR 1999, 1259, 1261; KG aaO). Zwischen einem Notgeschäftsführer und einem Prozesspfleger ist deshalb zu differenzieren, weil ein Prozesspfleger nicht die umfassende organschaftliche Stellung eines Notgeschäftsführers hat, der als normaler Geschäftsführer mit allen Rechten und Pflichten anzusehen und ins Handelsregister einzutragen ist (vgl. OLG Stuttgart MDR 1996, 198; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 5. Aufl. vor § 35 Rdnr. 26). Nach Ansicht des Senats bedarf es jedenfalls dann keiner Bestellung eines Notgeschäftsführers, wenn ein Pfleger für das Verfahren bestellt ist und diese Maßnahme ausreicht, drohende Schäden abzuwenden (vgl. etwa Soergel/Radding; BGB 13. Aufl. § 29 Rdnr. 8; Staudinger/Weick aaO § 29 Rdnr. 7; unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses OLG Stuttgart MDR 1996, 198; MünchKomm./Reuter BGB 3. Aufl. § 29 Rdnr. 8; speziell zum Insolvenzverfahren Kutzer ZIP 2000, 654, 655).

cc) Hiervon ausgehend erweist sich die angefochtene Entscheidung als richtig, weil jedenfalls im Hinblick auf die Maßnahmen des Insolvenzverfahrens kein dringender Fall (mehr) gegeben ist. Über das Vermögen der Gesellschaft ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zugelassen. Etwaige Schäden sind im Hinblick auf das - im Handelsregister eingetragene - allgemeine Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht zu befürchten. Die notwendig werdenden Handlungen für die Gesellschaft im Insolvenzverfahren werden vom insoweit bestellten Verfahrenspfleger wahrgenommen. Dafür, dass sonstige Rechtsstreitigkeiten der Gesellschaft bzw. solche gegen sie anhängig wären, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Abgesehen davon wären diese im Hinblick auf den Übergang der Verfügungsbefugnis ohnehin unterbrochen, § 240 Satz 2 ZPO (vgl. für die Fälle des allgemeinen Verfügungsverbots BGH NJW 1999, 2822).

3. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG ist nicht veranlasst. Soweit das OLG Celle, das Bayerische Oberste Landesgericht und das Kammergericht (jew. aaO), die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO für unbeachtlich gehalten haben, betraf das grundlegend anders gelagerte Sachverhalte. Im Fall des OLG Celle waren mehrere Rechtsstreite mit unterschiedlichen "besonderen Vertretern" anhängig. Zudem konnten weitere Prozesse nicht ausgeschlossen werden. Sowohl das Bayerische Oberste Landesgericht als auch das Kammergericht haben sich lediglich mit der Möglichkeit der Bestellung eines Prozesspflegers befasst, während hier die Pflegerbestellung bereits erfolgt und der Fall einer Dringlichkeit im Hinblick auf die besonderen Maßnahmen des Insolvenzrechts zu verneinen ist.

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz, § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Sinne von § 13 a Abs. 1 FGG ist nicht veranlasst, weil am Verfahren der weiteren Beschwerde nur der Antragsteller förmlich beteiligt war.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO in Anlehnung an die unbeanstandete Wertfestsetzung der Vorinstanz bestimmt.

Ende der Entscheidung

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