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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 3 W 230/02
Rechtsgebiete: PStG, FGG


Vorschriften:

PStG § 47 Abs. 1 Satz 1
PStG § 47 Abs. 2
PStG § 48 Abs. 1
PStG § 49 Abs. 1
FGG § 12
Die Eintragung des Geschlechts im Geburtenbuch kann nur dann berichtigt werden, wenn nachgewiesen ist, dass dieser Eintrag von Anfang an unrichtig gewesen ist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 230/02

In der Personenstandssache

wegen Berichtigung des Geburtseintrags Nr.. .... im Geburtenbuch des Standesamtes ...... Jahrgang ......

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 4. November 2002 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 10. Oktober 2002 ohne mündliche Verhandlung

am 15. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Im Geburtenbuch ist das Geschlecht des Antragstellers mit "männlich" angegeben. Dem Eintrag lag die Geburtsanzeige des Krankenhauses zugrunde, in der die Geschlechtsbezeichnung "männlich" teilweise durchgestrichen und vollständig unterstrichen war. An der Geschlechtsbezeichnung "weiblich" wurden keine Veränderungen vorgenommen. Unter dem Formulartext findet sich der Hinweis:

"Nichtzutreffendes bitte streichen."

Der Antragsteller, der eine geschlechtsanpassende Operation hat vornehmen lassen, hat zuletzt beantragt, den Geburtseintrag Nr. ... des Standesamts T., Jahrgang 1958 "dahin gehend zu berichtigen, dass das Geschlecht des Kindes weiblich war". Sein Antrag blieb beim Amts- und Landgericht ohne Erfolg. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.

Gründe:

I.

Die weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§49 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2 FGG). Da auch das Landgericht die Berichtigung des Geburtenbuches abgelehnt hat, liegt kein Fall der fristgebundenen Beschwerde gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG vor. Die erforderliche Beschwerdebefugnis des Antragstellers folgt bereits aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde gegen die Ablehnung seines Berichtigungsantrags.

II.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Überprüfung stand (§§ 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

1. Zutreffend haben die Vorinstanzen das Begehren des Antragstellers, den Geburtseintrag Nr. ..... des Standesamts ...... Jahrgang ...... "dahin gehend zu berichtigen, dass das Geschlecht des Kindes weiblich war", als Antrag auf Berichtigung des Geburtenbuchs gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PStG ausgelegt. Nach dieser Vorschrift kann ein abgeschlossener Eintrag auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, sofern er von Anfang an unrichtig gewesen ist (BGH NJW 1988, 1469, 1470; BayObLG NJW 1983, 1680, 1681 m.w.N,). Dies behauptet der Antragsteller: Er macht geltend, er sei bereits im Zeitpunkt der Geburt weiblichen Geschlechts gewesen. Die Antragsberechtigung des Antragstellers folgt aus § 47 Abs. 2 Satz 1 PStG.

2. Amtsgericht und Landgericht haben dem Berichtigungsantrag zu Recht nicht stattgegeben. Ein Antrag gemäß § 47 PStG kann nur dann zu einer Berichtigungsanordnung führen, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die beanstandete Eintragung von Anfang an unrichtig gewesen ist. An den Nachweis der Unrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 1972, 82, 83; NJW 1988, 1469, 1470; BayObLG StAZ 1984, 202, 203; 1994, 313, 314; OLG Bremen StAZ 1995, 108; OLG Frankfurt am Main NJW 1969, 1575, 1576; 1976, 1800; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. Vorb. § 71 Rdnr. 29). Das Landgericht hat sich nach Ausschöpfung der ihm zugänglichen Beweismittel nicht davon überzeugen können, dass der Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Geburt dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen war. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Beweiswürdigung als Teil der Tatsachenfeststellung des Landgerichts ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 546 ZPO nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze, feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 42 m.w.N.). Rechtsfehler zeigt die weitere Beschwerde jedoch nicht auf; solche sind auch nicht ersichtlich.

a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht ausgeführt, dass in der Geburtsanzeige des ..... Krankenhauses ..... vom ..... das Geschlecht des Antragstellers mit "männlich" und nicht mit "weiblich" angegeben wurde. In der Anzeige ist zwar die vorgedruckte Geschlechtsbezeichnung "männlich" zum Teil durchgestrichen. Auch enthalten die Ausfüllhinweise in dem damals verwendeten Formular A 17 hierzu die Vorgabe: "Nichtzutreffendes bitte streichen". Das Landgericht hat sich aber für seine Feststellung mit Recht auf die amtliche Auskunft des Standesamts ..... vom 14. Dezember 2001 gestützt. Danach hat eine Durchsicht der Geburtsanzeigen des ..... Krankenhauses aus dem Jahre ..... ergeben, dass dieses in den Anzeigen "grundsätzlich" die zutreffende Geschlechtsbezeichnung unterstrichen hat. In der den Antragsteller betreffenden Geburtsanzeige ist allein die Geschlechtsbezeichnung "männlich" und nicht - auch nicht teilweise - "weiblich" unterstrichen. Dem Umstand, dass das Wort "männlich" zugleich teilweise durchgestrichen ist, hat das Landgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Diese Besonderheit hat es nachvollziehbar - und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend - darauf zurückgeführt, "dass zum damaligen Zeitpunkt die Anzeigen des ...... Krankenhauses mit mechanischen Schreibmaschinen gefertigt wurden und es häufiger vorkam, dass ein Formular zunächst nicht ordnungsgemäß in die Schreibmaschine eingespannt war und daher ein zu unterstreichender Text zunächst teilweise durchgestrichen wurde." Diese Würdigung beruht auf den Erläuterungen, die das Standesamt dem Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juni 2001 gegeben hat. Die Tatsachenwürdigung des Landgerichts hat daher auch insoweit eine tragfähige Grundlage und ist überdies nahe liegend; sie gehört entgegen der Auffassung des Antragstellers keineswegs "in den Bereich der Spekulation." Vor diesem Hintergrund durfte das Landgericht den Umstand, dass dem Antragsteller männliche Vornamen gegeben wurden, in seine Beweiswürdigung einbeziehen. Auf die Frage, ob und inwieweit einem Neugeborenen auch auf das jeweils andere Geschlecht hinweisende Vornamen gegeben werden können, kommt es nicht an.

b) Das Landgericht hat seine Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 12 FGG nicht verletzt. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Gericht, alle zur Sachverhaltsaufklärung erforderlichen Beweise zu erheben (vgl. Keidel/Kayser aaO § 12 Rdnr. 30, 85 ff).

aa) Die Beschwerdekammer hat nicht verkannt, dass sich die gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG bei der Eintragung in das Geburtenbuch vorgenommene Zuordnung des Neugeborenen zu dem Geschlecht, auf das seine körperlichen Merkmale in erster Linie hinweisen, im weiteren Verlauf als von Anfang an unrichtig erweisen kann (vgl. im Einzelnen BGH FamRZ 1972, 82, 83; OLG Naumburg StAZ 2002, 169; KG NJW 1965, 1084; LG Frankenthal [Pfalz] FamRZ 1976, 214; AG Freiburg StAZ 1983, 16; Hepting/Gaaz, PStG § 21 Rdnr. 71; Keidel/Kahl aaO Vorb. § 71 Rdnr. 29). Das Landgericht hat daher Prof. Dr. K.... Z..., ....... mit der Erstattung eines Gutachtens über die Geschlechtszugehörigkeit des Antragstellers im Zeitpunkt seiner Geburt beauftragt. Es hat ihn "gebeten, sein Gutachten aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Betroffenen zu erstellen". Der Antragsteller hatte sich bereits vor der Ernennung von Prof. Dr. Z..... zum Sachverständigen in dessen ärztliche Behandlung begeben. Mit Schreiben vom 7. August 2002 teilte der Sachverständige mit, der Antragsteller habe die zuvor erklärte Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht widerrufen. Prof. Dr. Z..... sah sich daher nicht in der Lage, das gewünschte Gutachten zu erstatten. In Kenntnis dieser Erklärung des Sachverständigen ließ der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2002 mitteilen, dass die vom Landgericht beabsichtigte Beweiserhebung nicht möglich sei.

Nach diesem Verfahrensablauf trifft die Auffassung der Beschwerdekammer zu, dass weitere Feststellungen zu der Unrichtigkeit des Geburtseintrags nicht möglich sind. Ein Beteiligter kann nicht gezwungen werden, bei einem Sachverständigen zur Untersuchung zu erscheinen und diese zu dulden, wenn das Gesetz dies - wie hier - nicht ausdrücklich erlaubt. In einem Fall wie dem hier gegebenen darf der Sachverständige daher einen Beteiligten nicht ohne dessen Einverständnis untersuchen (BayObLGZ 1972, 201, 202; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132, 133; 1976, 140, 141; Keidel/Schmidt aaO § 15 Rdnr. 49; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. vor § 402 Rdnr. 20). Zwar besteht nach herrschender Meinung auch die Möglichkeit, das persönliche Erscheinen des Beteiligten vor Gericht anzuordnen und gemäß § 33 Abs. 1 FGG zu erzwingen, um ihn in Gegenwart des Sachverständigen anzuhören (Keidel/Schmidt aaO m.w.N.). Im Blick auf die hier erforderlichen medizinischen Untersuchungen war das Landgericht aber nicht gehalten, diese Aufklärungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen.

bb) Das Standesamt hat die in Ziff. IV des Beschlusses der Kammer vom 28. September 2001 bezeichneten Unterlagen mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 übersandt. Anhaltspunkte für das Vorhandensein weiterer Unterlagen über die Geburt des Antragstellers bestehen nicht.

c) Auf die Frage, ob der Antragsteller in den letzten Jahren zahlreiche geschlechtsanpassende Operationen oder nur einen solchen Eingriff hat durchführen lassen, kommt es nicht an. Denn ein Berichtigungsantrag nach § 47 Abs. 1 PStG kann, wie ausgeführt, nur dann Erfolg haben, wenn der Eintrag von Anfang an unrichtig gewesen ist. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, ob der Antragsteller früher transsexuell war. Ändert sich nämlich das Geschlecht einer Person nach seiner Geburt, ist der ursprüngliche Geburtseintrag richtig, so dass eine Berichtigung des Geburtenbuchs nicht in Betracht kommt (OLG Naumburg aaO; Hepting/Gaaz aaO § 21 Rdnr. 72). In diesem Fall ist das Verfahren nach dem Transsexuellengesetz eröffnet, das der Antragsteller aber nicht durchführen will.

d) Das Landgericht hat gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 PStG die untere Standesamtsaufsichtsbehörde gehört; diese hat sich jedoch am Verfahren nicht beteiligt.

III.

Die Verpflichtung des Antragstellers, die Gerichtskosten zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz, §§ 127 Abs. 2,131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen im Sinne von § 13 a FGG ist nicht veranlasst.

Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat in Übereinstimmung mit der unbeanstandet gebliebenen Wertbestimmung durch das Landgericht gemäß §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 und 3 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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