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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.01.2004
Aktenzeichen: 3 W 250/03
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1908 i Abs. 1 Satz 1
BGB § 1836
BGB § 1836 a
BVormVG § 1 Abs. 1

Entscheidung wurde am 17.03.2004 korrigiert: Der Entscheidung wurde ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt und die Vorschriften geändert, unter Abs. 1. 5. Satz wird das Wort unrein durch um ein ersetzt
Eine abgeschlossene Ausbildung des Berufsbetreuers zum Heilpädagogen rechtfertigt die Bewilligung einer erhöhten Vergütung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 3 W 250/03

In dem Verfahren

betreffend die Festsetzung einer Vergütung für die Betreuung der M..... K...... geboren am ......

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 26. November 2003 gegen den ihm am 13. November 2003 zugestellten Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 10. Oktober 2003

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss der Kammer und die "Verfügungen" des Amtsgerichts Mainz vom 5. Juli 2002 und vom 13. Januar 2003 werden geändert:

Die dem Beteiligten zu 1) zu gewährende Vergütung wird für den Zeitraum vom 4. März 2002 bis zum 1. Juli 2002 auf 682,- € und für die Zeit vom 9. Juli 2002 bis zum 30. Dezember 2002 auf 587,45 € festgesetzt.

2. Beide Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 327,60 € festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 4, 20, 22 Abs. 1 FGG).

In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zum Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

1. Zunächst hat das Landgericht - was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat - die Zulässigkeit der Erstbeschwerde zutreffend bejaht. Insbesondere ist die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) gemäß § 20 Abs. 1 FGG gegeben. Zwar hat der gemäß § 3 a Abs. 1 Nr. 2 a RPflG funktionell zuständige Rechtspfleger dessen Vergütung zunächst antragsgemäß festgesetzt. Dies steht jedoch der Bejahung des Beschwerderechts nicht entgegen. Denn bei dem gerichtlichen Festsetzungsverfahren handelt es sich um ein Amtsverfahren (vgl. BayObLGZ 1990, 130, 132; BayObLG, Beschluss vom 21. Oktober 1993 - 3Z BR 171/93 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. November 1994 - 3 Wx 468/94 -, jeweils zitiert nach juris; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt, FG 15. Aufl. § 56 g Rdnr. 7). Deshalb ist der Beteiligte zu 1) nicht an seinen Antrag gebunden. Der Antrag ist vielmehr als bloße Anregung auf Festsetzung der Vergütung anzusehen.

2. Für den vorliegenden Fall kann dahin stehen, ob eine Änderung der festgesetzten Vergütung grundsätzlich in den Fällen ausgeschlossen ist, in denen der von dem Betreuer geltend gemachte Stundensatz auch festgesetzt worden ist und sich später herausstellt, dass ihm bereits für den Abrechnungszeitraum ein höherer Stundensatz zugestanden hätte (vgl. etwa Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1836 a BGB Rdnr. 44). Denn eine Erhöhung des festgesetzten Stundensatzes ist jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die Festsetzung - wie hier - nicht rechtskräftig geworden ist (vgl. BGHZ 123, 30, 35; BayObLGZ 1980, 429, 435, FamRZ 1998, 1055 und aaO; OLG Düsseldorf aaO; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt aaO § 56 g Rdnr. 18). Im vorliegenden Fall sind die "Verfügungen" des Rechtspflegers vom 5. Juli 2002 und vom 13. Januar 2003 dem Beteiligten zu 1) nach Aktenlage nicht förmlich zugestellt und damit die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, ob der Antrag des Beteiligten zu 1) vom 19. Mai 2003 auf "Korrektur" der Vergütungsanträge vom 1. Juli 2002 und vom 30. Dezember 2002 bereits als Erstbeschwerde zu werten gewesen wäre oder aber ob das Rechtsmittel erst als mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003 eingelegt anzusehen ist.

3. Die festgesetzten Stundensätze sind auf 31,-- € zu erhöhen. Denn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Alt. BVormVG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Hat das Vormundschaftsgericht - wie hier - festgestellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, hat es ihm für seine Tätigkeit eine Vergütung zu bewilligen (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer seine Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836 a BGB), und zwar für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit den seiner Qualifikation entsprechenden, vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgestellten Betrag (§ 1836 a BGB, § 1 Abs. 1 BVormVG; vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 27). Der Mindeststundensatz beläuft sich auf 18,- EUR (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Die erhöhten Stundensätze des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG in Höhe von 23,- bzw. 31,-- EUR setzen voraus, dass der Berufsbetreuer über "Fachkenntnisse" bzw. "besondere Kenntnisse" verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben wurden. Um ein zu grobes Raster zu vermeiden, hat der Gesetzgeber einer abgeschlossenen Lehre bzw. Hochschulausbildung jeweils "vergleichbare" abgeschlossene Ausbildungen gleichgestellt. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass diese Kenntnisse nicht zwingend an einer Hochschule bzw. Fachhochschule erworben sein müssen, sondern auch durch eine andere vergleichbare Ausbildung vermittelt worden sein können (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2001 - 15 W 305/00 -, zitiert nach juris). Ein schematisches Abstellen auf die Schulbezeichnung ohne eine inhaltliche Bewertung der Vergleichbarkeit kommt damit nicht in Betracht. Im Einzelfall kann nach der inhaltlichen Bewertung vielmehr auch eine als Fachschule bezeichnete Ausbildungsstätte eine Ausbildung vermitteln, die mit einem Fachhochschulstudium gleichgesetzt werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juli 2002 - 20 W 241/02, zitiert nach juris; OLG Hamm FamRZ 2001, 1398, 1399). Deshalb ist die inhaltliche Vergleichbarkeit der durch die anderweitige Ausbildung erworbenen Fachkenntnisse mit den durch ein Hochschul- bzw. ein Fachhochschulstudium vermittelten Kenntnissen entscheidend. Als Kriterien für die Vergleichbarkeit können insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, der Umfang und der Inhalt des Lehrstoffes sowie die Ausgestaltung der Abschlussprüfung herangezogen werden. So wird die Vergleichbarkeit etwa bejaht, wenn die Ausbildung staatlich reglementiert oder anerkannt ist und wenn das durch sie vermittelte Wissen nach Art und Umfang dem durch ein erfolgreich abgeschlossenes (Fach-)Hochschulstudium erworbenen Wissen entspricht (vgl. BayObLGZ 1999, 275, 276 f und 2000, 248, 250; BayObLG NJWE-FER 2000, 58; OLG Schleswig SchlHA 2000, 160; BT-Drucks. aaO S. 28; vgl. auch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BVormVG).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG eine erhöhte Vergütung zu bewilligen ist, obliegt der Beurteilung des Tatrichters (Senat FGPrax 2001, 21 und OLGR 2003, 300 f; BayObLG FGPrax 2000, 22; Thüringer OLG Jena FGPrax 2000, 110). Dessen Würdigung kann im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob er einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Acht gelassen oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz aaO § 27 Rdnr. 42).

Der angefochtene Beschluss, mit dem das Landgericht dem Beteiligten zu 1) den von ihm begehrten Stundensatz in Höhe von 31,- € versagt hat, leidet an einem Rechtsfehler in vorgenannten Sinne. Denn die Kammer hat bei der Bewertung der Kriterien zur Beurteilung der Vergleichbarkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Sie hat zwar zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass die Ausbildung an einer staatlich anerkannten Privatfachschule für Heilpädagogik der Fachhochschulausbildung entsprechend der Studienordnung für den Studiengang "Heilpädagogik" des Fachbereichs "Sozialwesen" an der Kath. Fachhochschule in Nordrhein-Westfalen mit einer Regelstudienzeit von acht Semestern nicht ohne weiteres entspricht. Das rechtfertigt jedoch in dem vorliegenden besonderen Fall die Verneinung der Vergleichbarkeit nicht. Denn die Ausbildung des Beteiligten zu 1) zum Heilpädagogen kann nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr lässt das Wertungskriterium der Vergleichbarkeit - wie bereits ausgeführt - Raum für die Berücksichtigung weiterer Kriterien, die im Ergebnis die Gleichstellung des Betreuers mit einem Hochschulabsolventen rechtfertigen können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2001 aaO). Ausgehend hiervon kann im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Zulassung zur Ausbildung an der Fachschule für Heilpädagogen nach der Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfung an Fachschulen für Heilpädagogik des Landes Hessen vom 13. März 1992 in der Fassung vom 19. Dezember 1997 den Abschluss einer Fachschulausbildung - in der Regel als staatlich anerkannter Erzieher - sowie eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in diesem Beruf zwingend voraussetzt. Eine solche Ausbildung hat der Beteiligte zu 1) nach den von ihm vorgelegten Unterlagen auch absolviert. Diese dauert unter Berücksichtigung des obligatorischen Berufspraktikums drei Jahre und umfasst unter anderem die Pflichtfächer Pädagogik, Soziologie, Psychologie sowie das Wahlpflichtfach Hortpädagogik. Die erst im Anschluss hieran mögliche Fachschulausbildung zum Heilpädagogen liegt damit auf einem höheren Niveau (vgl. OLG Frankfurt aaO). Sie umfasst in Vollzeit bei 34 Wochenstunden drei und in Teilzeit fünf Ausbildungshalbjahre sowie eine fachpraktische Ausbildung. Die der Verordnung als Anlage 1) beigefügte Rahmenstundentafel und die vergleichende Gegenüberstellung der einzelnen Abschnitte der Gesamtausbildung in praktischer, zeitlicher und berufstheoretischer Hinsicht belegen die Vergleichbarkeit mit dem Fachhochschulabschluss etwa als Diplom-Heilpädagoge, Diplom-Sozialarbeiter oder aber Diplom-Sozialpädagoge (vgl. OLG Frankfurt aaO).

Mit dieser Bewertung setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 6. März 2003 (OLGR aaO). Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Während dort eine bloße Weiterbildung zum Pflegedienstleiter zur Erhöhung der Vergütung führen sollte, hat der Beteiligte zu 1) im vorliegenden Fall - wie bereits ausgeführt - zwei umfassende Fachschulausbildungen absolviert mit der Besonderheit, dass die Ausbildung zum Heilpädagogen auf einem höheren Niveau liegt und eine Tätigkeit in einem weiteren Berufsfeld erlaubt. Dem Umstand, dass auch die Weiterbildung zum Pflegedienstleiter die Zugangsberechtigung zur Hochschule vermittelt, kommt demgegenüber keine tragende Bedeutung zu.

4. Die Verfahren der sofortigen Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde sind gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Auslagen ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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