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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 3 W 253/01
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 57
AsylVfG § 14 Abs. 4
AsylVfG § 26 a
AsylVfG § 29 Abs. 3
AsylVfG § 31 Abs. 4
AsylVfG § 34 a
AsylVfG § 55 Abs. 1
Abschiebungshaft: Einreise aus sicherem Drittstaat

Ein aus der Haft heraus gestellter Asylantrag steht der Abschiebungshaft nicht mehr entgegen, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nach Ablauf der 4-Wochen-Frist in § 14 Abs. 5 AsylVfG im Vollzug des Dubliner Übereinkommens feststellt, dass dem Betroffenen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht und es zugleich seine Abschiebung in den sicheren Drittstaat anordnet. Die hierüber im Verfahren der weiteren Beschwerde erstmals vorgelegten Urkunden darf das Rechtsbeschwerdegericht berücksichtigen (Anschluss an BayObLG NvWZ-Beilage 12/20001 S. 23).


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 253/01

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 16. Oktober 2001 gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 4. Oktober 2001 zugestellten Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 28. September 2001 ohne mündliche Verhandlung am 23. Oktober 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 103 Abs. 2 AuslG, 3 Satz 2, 7 FEVG, 29 Abs. 1, 2 und 4, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Amts- und Landgericht sind zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass eine Ausreisepflicht des Betroffenen, die für eine Haftanordnung gemäß § 57 AuslG vorauszusetzen ist, besteht. Der Betroffene ist nämlich unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen in den Beschlüssen der Vorinstanzen Bezug.

Das Landgericht hat auch zutreffend das Vorliegen des Haftgrundes gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG bejaht. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ergibt sich nach der illegalen Einreise unmittelbar aus § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG. Darüber hinaus ist gegen den Betroffenen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung ergangen; dies begründet gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG ebenfalls die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht. Über den Antrag des Betroffenen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße noch nicht entschieden. Der Betroffene hat ferner - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (§ 57 Abs. 2 Satz 3 AuslG). Sein mit der weiteren Beschwerde wiederholter Vortrag, er werde sich zur Fortsetzung seines Asylverfahrens in die Aufnahmeeinrichtung in begeben, ist nicht geeignet, die insoweit aus dem bisherigen Verhalten des Betroffenen gezogenen Schlussfolgerungen des Erstbeschwerdegerichts in Frage zu stellen.

Ebenso wenig vermag der Asylantrag des Betroffenen dem Rechtsmittel zum Erfolg zu verhelfen. Die Feststellungen des Landgerichts zu dem Asylantrag sind allerdings unzureichend; der Senat darf deshalb den Inhalt der Akten verwerten (vgl. BayObLGZ 1985/ 63, 66; Keidel/Kahl, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 59). Der Betroffene hat am 23. August 2001 aus der Abschiebungshaft (Vorbereitungshaft) heraus einen Asylantrag gestellt. Das Landgericht durfte (§ 12 FGG) ungeachtet des - nach Aktenlage dem Betroffenen nicht mitgeteilten - telefonischen Hinweises der Beteiligten zu 2) auf die Kurzmitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. August 2001 nicht von einer Ablehnung des Asylantrags noch am Tag der Antragstellung ausgehen. Denn eine i.S.d. § 14 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG erhebliche negative Entscheidung befand sich nicht bei den Akten. Zudem wies die Beteiligte zu 2) in der Ausweisungsverfügung vom 17. September 2001 selbst darauf hin, dass "mit einer Entscheidung im laufenden Asylverfahren (erst) in den kommenden Tagen zu rechnen" sei. In Wahrheit ist der Asylantrag des Betroffenen erst mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 2. Oktober 2001 abgelehnt worden (vgl. § 31 Abs. 4 AsylVfG). Der sofortigen weiteren Beschwerde bleibt der Erfolg jedoch versagt, weil nach der für den Senat maßgeblichen Sach- und Rechtslage ein Hafthindernis nicht besteht. Die Asylantragstellung steht der Abschiebungshaft gemäß §§ 14 Abs. 4, 55 Abs. 1 AsylVfG nämlich nicht entgegen. Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 2. Oktober 2001 gemäß §§ 29 Abs. 3, 31 Abs. 4, 26 a AsylVfG festgestellt, dass dem Betroffenen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht; zugleich hat es gemäß § 34 a AsylVfG seine Abschiebung nach Belgien angeordnet. Diese Entscheidung ist nach § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG dem Betroffenen selbst zugestellt worden. Das Bundesamt hat den Bescheid vom 2. Oktober 2001 und die Empfangsbestätigung des Betroffenen vom 19. Oktober 2001 im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegt. Somit kann der Senat auch insoweit in der Sache abschließend entscheiden, da es weiterer Ermittlungen nicht bedarf; er kann hierbei - obwohl es sich um neue Tatsachen handelt - auch die im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden berücksichtigen (vgl. BGHZ 35, 135, 142 f.; Keidel/Kahl aaO m.w.N.). Gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG steht danach die Stellung des Asylantrags der Abschiebungshaft nicht entgegen (vgl. auch BayObLG NvWZ-Beilage I 2/2001 S. 23).

Der angefochtene Beschluss ist auch im Hinblick auf die Dauer der Haftanordnung nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der angeordneten Haftdauer von drei Monaten vollzogen werden kann (§ 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG), sind nicht ersichtlich, zumal die belgischen Behörden mit Schreiben vom 28. September 2001 auf ein deutsches Übernahmegesuch nach dem Dubliner Übereinkommen ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags bejaht haben.

Des Weiteren ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen hat. Nach allgemeiner Ansicht in der Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, ist zwar in aller Regel auch im Beschwerdeverfahren eine Anhörung des Betroffenen geboten. Von einer solchen kann aber dann abgesehen werden, wenn nach der konkreten Sachlage ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sie zu keiner ergänzenden Aufklärung beitragen werde. Hier unterliegt die Annahme des Landgerichts, dass der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt sei und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien, keinen rechtlichen Bedenken.

Die Vorinstanzen haben die Ehefrau des Betroffenen, die nach seinen Angaben vor dem Amtsgericht als Asylsuchende in einer Aufnahmeeinrichtung in wohnhaft ist nicht angehört. Dies verstößt gegen §5 Abs. 3 Satz 2 FEVG; Gründe, bei deren Vorliegen die Anhörung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 FEVG unterbleiben kann, sind nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich. Der Senat verneint jedoch die Möglichkeit, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Dies ergibt sich aus den Gründen, die auch das Absehen von einer erneuten Anhörung des Betroffenen durch das Landgericht gerechtfertigt haben. Der Senat schließt im Blick auf den - weit gehend durch Urkunden belegten und im Übrigen vom Betroffenen eingeräumten - Sachverhalt, zu dem dieser - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - Stellung nehmen konnte, aus, dass eine Anhörung der Ehefrau weitere entscheidungserhebliche Tatsachen ergeben hätte. Auch mit der Rechtsbeschwerde werden insoweit keine Anhaltspunkte aufgezeigt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weshalb sich auch die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes erübrigt.

Ende der Entscheidung

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