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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: 3 W 48/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2085
BGB § 2247 Abs. 1
BGB § 2254
BGB § 2257
Zur Frage der Gültigkeit eines teils eigenhändig, teils mit Schreibmaschine gefertigten privatschriftlichen Testaments und zu den Rechtsfolgen des Widerrufs eines früheren Testamentswiderrufs.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 48/03

In dem Verfahren

betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach der am ..... verstorbenen M..... P..... S...... geboren am ...... zuletzt wohnhaft ......

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury und die Richter am Oberlandesgericht Petry und Cierniak auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 6./7. März 2003 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Februar 2003

ohne mündliche Verhandlung

am 17. April 2003

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 175.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die seit 1991 verwitwete Erblasserin ist im Jahre 2002 im Alter von 94 Jahren in...... ihrem letzten Wohnsitz, kinderlos verstorben. Der Beteiligte zu 1) war ihr Nachbar, der Beteiligte zu 2) ihr Hausarzt.

Die Erblasserin hatte in einem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament vom 15. Juli 2001 den Beteiligten zu 1) zum "alleinigen Erben" ihres Hausgrundstücks nebst Inventar in ..... eingesetzt. Mit einem notariell beurkundeten Testament vom 21. März 2002 widerrief sie alle bisher errichteten Verfügungen von Todes wegen und setzte wiederum den Beteiligten zu 1) als ihren Alleinerben ein; für den Fall von dessen Vorversterben wurde als Alleinerbe der Beteiligte zu 2) berufen; unter anderem zu Gunsten des Beteiligten zu 2) und dessen Ehefrau ordnete die Erblasserin Geldvermächtnisse an.

Am 25. März 2002 errichtete die Erblasserin privatschriftlich eine weitere letztwillige Verfügung. Darin heißt es - handschriftlich - zunächst wie folgt:

"Hiermit widerrufe ich mein Testament vom 22.03.2002 (gemeint: 21.03.2002), ausgefertigt durch Herrn Notar ...... da es nicht dem von mir geäußerten letzten Willen entspricht".

Vor ihrer Unterschrift fügte die Erblasserin im Weiteren folgenden mit der Schreibmaschine gefertigten Text ein:

"Es war nur mein Wunsch, [den Beteiligten zu 1.], wohnhaft in........... auf Lebenszeit zum Nutznießer meines Erbes zu machen.

Nach seinem Tod sollte nicht seine Familie, sondern [der Beteiligte zu 2.] das Haus und Grundstück bekommen.

Ich schließe hiermit Frau und Kinder von [dem Beteiligten zu 1.] ausdrücklich von der Erbschaft aus. Nach dem Tod von [dem Beteiligten zu 1.] gehen Haus und Grundstück auf [den Beteiligten zu 2.] über.

Erbe des Hauses wird [der Beteiligte zu 2.], geboren am......... [Der Beteiligte zu 1.] erhält auf Lebenszeit ein Nutzungsrecht (Nießbrauch) an dem Haus, das heißt, er bekommt es schulden- und lastenfrei von der Erblasserin und kann so lange er lebt selber nutzen oder vermieten, die Erträge gehen an [den Beteiligten zu 1.].

Dafür ist er verpflichtet, das Haus in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und die anfallenden Kosten zu tragen.

Er darf Haus und Grundstück nicht veräußern.

Nach seinem Tod fällt das Haus und Grundstück an [den Beteiligten zu 2.], der dann die fälligen Erbschaftssteuern tragen muss".

Der Beteiligte zu 1) beantragte einen Erbschein, der ihn auf Grund des notariellen Testaments vom 21. März 2002, hilfsweise auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 15. Juli 2001 als Alleinerben ausweisen soll. Mit Beschluss vom 27. November 2002 wies das Amtsgericht den Erbscheinsantrag zurück: Das notarielle Testament vom 21. März 2002 habe die Erblasserin wirksam widerrufen. Eine Beerbung durch den Beteiligten zu 1) auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 15. Juli 2001 scheide deshalb aus, weil dies nicht dem verlautbarten Willen der Erblasserin entspreche. Damit sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat der Einzelrichter der Zivilkammer am 11. Februar 2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1). Er erstrebt nunmehr die Anordnung der Erteilung eines Erbscheins, der bezeugen soll, dass er die Erblasserin auf Grund des privatschriftlichen Testaments vom 15. Juli 2001 alleine beerbt habe.

II.

1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 3 FGG). Die Berechtigung des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde.

2. Das sonach zulässige Rechtsmittel ist in der Sache unbegründet. Denn die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Vielmehr haben die Vorinstanzen zu Recht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen, weil dieser nicht Erbe geworden ist.

a) Das formwirksame eigenhändige Testament (§ 2247 BGB) der Erblasserin vom 15. Juli 2001, in welchem sie den Beteiligten zu 1) zu ihrem Alleinerben eingesetzt hatte, ist durch das notarielle Testament vom 21. März 2002 ausdrücklich widerrufen worden (§§ 2253, 2254 BGB).

Dieses den Beteiligten zu 1) ebenfalls zum alleinigen Erben berufende notarielle Testament ist seinerseits durch die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 25. März 2002 widerrufen worden.

Zwar ist die zuletzt genannte Verfügung von Todes wegen insoweit formnichtig (§§ 2247 Abs. 1, 125 BGB), als sie in ihrem maschinenschriftlichen Teil die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) und dessen Beschwerung mit einem Vermächtnis (Nießbrauch) zu Gunsten des Beteiligten zu 1) enthält; denn für die Gültigkeit der diesbezüglichen in mechanischer Schrift getroffenen Anordnungen fehlt es an dem zwingenden Erfordernis der Eigenhändigkeit der Testamentserrichtung (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 20 IV 1 c; MüKo-Burkart, BGB, 3, Aufl., § 2247 Rdnr. 14; Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl., § 2247 Rdnr. 6).

Dessen ungeachtet ist das Testament vom 25. März 2002 aber insoweit wirksam, als die Erblasserin darin - in der Form des § 2247 BGB - den Widerruf ihrer notariell beurkundeten Verfügung vom 21. März 2002 erklärt hat. Bei einem teils eigenhändig, teils mit Schreibmaschine geschriebenen Testament ist der eigenhändige Teil gültig, sofern der formgerecht verfasste Teil des Testaments für sich einen abgeschlossenen Sinn ergibt (RG Recht 1921 Nr. 582; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Bearb. 1996, § 2247 Rdnr. 29 m.w.N.).

So liegen die Dinge hier.

Auch der Widerruf einer testamentarischen Willensäußerung durch den Erblasser gemäß § 2254 BGB in einer späteren letztwilligen Verfügung ist seinerseits Verfügung von Todes wegen (Lange/Kuchinke, aaO § 23 II11 a). Aus welchen Beweggründen auch immer, und sei es auf Grund einer von dem Beteiligten zu 1) geargwöhnten Einflussnahme durch Dritte, die Erblasserin ihr notarielles Testament schon wenige Tage nach seiner Errichtung widerrufen hat, kann dahinstehen. Denn es bestehen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dahin, dass die Erblasserin bei der Abfassung des privatschriftlichen Testamentes vom 25. März 2002 nicht widerrufsfähig (= nicht testierfähig) gewesen sei. Das entspricht im Übrigen auch dem persönlichen Eindruck, den der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1) von ihr anlässlich seiner Beurkundung am 21. März 2002 gewonnen und in der von ihm errichteten notariellen Testamentsurkunde festgehalten hat.

Ist eine von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen (hier: maschinenschriftliche Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2)) unwirksam, so bleiben nach der Auslegungsregel des § 2085 BGB, in Umkehr der allgemeinen Vorschrift des § 139 BGB, die übrigen Verfügungen in diesem Testament (hier: der Widerruf des notariellen Testaments vom 21. März 2002) grundsätzlich aufrechterhalten. Ähnlich wie § 2084 BGB verfolgt § 2085 BGB den Zweck, dem erklärten Willen des Erblassers nach Möglichkeit zum Erfolg zu verhelfen. Es handelt sich um eine Auslegungsregel, die für den Regelfall von der Selbständigkeit der einzelnen in einem Testament getroffenen Verfügungen ausgeht. Sie gründet auf der Annahme, dass es typischerweise dem Willen des Erblassers eher entspricht, wenn sein Testament wenigstens teilweise zur Geltung gelangt (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 946 m.w.N.; Palandt/ Edenhofer aaO § 2085 Rdnr. 1; Staudinger/Otte, BGB, 13. Bearb. 1996, §2085 Rdnrn. 1, 3).

Ist im Einzelfall ein abweichender Wille des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung feststellbar, so hat dieser Vorrang. Dabei wird es sich meist insofern um einen hypothetischen Willen handeln, als der Erblasser an den Fall der Unwirksamkeit einzelner von mehrerer in einer Testamentsurkunde enthaltener Verfügungen nicht gedacht haben wird (BayObLG NJW-RR 1989, 326, 327). Derjenige, der, wie vorliegend der Beteiligte zu 1), behauptet, der Erblasser hätte die für sich genommen wirksame Verfügung (hier: den Widerruf des notariellen Testaments) nicht ohne die unwirksame getroffen, trägt dafür im Erbscheinsverfahren die materielle Feststellungslast (vgl. Staudinger/Otte aaO § 2085 Rdnr. 2 und Palandt/Edenhofer aaO § 2085 Rdnr. 1, jeweils betreffend die Beweislast im Prozess).

Die Annahme der Vorinstanzen, die Erblasserin habe in jedem Falle den Beteiligten zu 1) am 25. März 2002 nicht mehr als ihren Erben eingesetzt wissen wollen, hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Bereits der klare, bestimmte und eindeutige Wortlaut des (wenn auch als letztwillige Verfügung unwirksamen) maschinenschriftlichen Teils der Testamentsurkunde vom 25. März 2002, der für die Ermittlung ihres Willens herangezogen werden darf (Staudinger/Baumann aaO § 2247 Rdnr. 67 m.w.N.), legt diesen Schluss sehr nahe. Denn danach ging der ausdrücklich verlautbarte letzte Wille der Erblasserin jetzt dahin, nicht (mehr) von dem Beteiligten zu 1), sondern allein von dem Beteiligten zu 2) beerbt zu werden und dem Beteiligten zu 1) nur noch ein lebzeitiges Nutzungsrecht an ihrem Hausanwesen zuzuwenden.

Allerdings haben die Tatrichter für ihre Überzeugungsbildung unter anderem auch auf ein Schreiben des Beteiligten zu 2) an das Nachlassgericht abgestellt, welches dem Beteiligten zu 1) auch im Verfahren der Erstbeschwerde nicht bekannt gegeben worden ist. Wie sich insbesondere den Beschlussgründen des Landgerichts entnehmen lässt, ist der Inhalt dieses Schreibens, demzufolge die letztwillige Verfügung vom 25. März 2002 zwischen der Erblasserin und den Verfahrensbeteiligten abgesprochen gewesen sein soll, indes ersichtlich nur als unterstützendes Indiz gewertet worden und beruht die Tatsachenfeststellung zum letzten Willen der Erblasserin in erster Linie und entscheidend auf dem eindeutigen Wortlaut der von ihr herrührenden schriftlichen Äußerung vom 25. März 2002. Im Hinblick auf diesen Umstand kann der Senat in dem hier zu beurteilenden Einzelfall einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gehörsverletzung und der angefochtenen Entscheidung ausschließen. Denn die Möglichkeit, dass die Entscheidung des Landgerichts zu Gunsten des Beteiligten zu 1) ausgefallen wäre, wenn es ihn zum Inhalt des in Rede stehenden Schreibens gehört hätte, erscheint unter Berücksichtigung des vorliegenden schriftlichen Beweismaterials ausgeschlossen und kann deshalb vernünftigerweise als rein theoretisch außer Betracht bleiben. Danach beruht die angefochtene Entscheidung hier nicht auf dem Verfahrensfehler.

Wegen der Eindeutigkeit der schriftlichen Willensäußerung der Erblasserin vom 25. März 2002 mussten sich die Vorinstanzen auch nicht zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen (§§ 2358 Abs. 1 BGB, 12 FGG) gedrängt sehen, weil davon keine weiteren sachdienlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der weiteren Beschwerde ist der Beteiligte zu 1) auch nicht deshalb Erbe geworden, weil infolge des Widerrufs des notariellen Testaments vom 21. März 2002 die ihn begünstigende letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 15. Juli 2001 wieder in Kraft getreten sei.

Die Frage, welche Rechtsfolge der Widerruf eines früheren Testamentswiderrufs hat, beantwortet § 2257 BGB. Nach dieser Vorschrift stellt der Widerruf eines die letztwillige Verfügung widerrufenden Testaments die Wirksamkeit der früheren Verfügung nur im Zweifel wieder her. Ist ein gegenteiliger Wille des Erblassers feststellbar, so bleibt das frühere Testament (hier das vom 15. Juli 2001) widerrufen; es tritt dann die gesetzliche Erbfolge ein (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1112; Palandt/Edenhofer aaO § 2257 Rdnr. 2).

Nach der Tatsachenwürdigung der Vorinstanzen, die wie ausgeführt Bestand hat, entsprach es am 25. März 2002 gerade nicht mehr dem letzten Willen der Erblasserin, den Beteiligten zu 1) als ihren Alleinerben einzusetzen. Hielt sie, wovon bei lebensnaher Betrachtung auszugehen ist, die in Maschinenschrift geschriebenen Teile ihres an diesem Tage verfassten neuen Testamentes rechtsirrtümlich für gültig, liegt dies wegen der darin erfolgten (allerdings unwirksamen) Alleinerbeinsetzung des Beteiligten zu 2) ohne weiteres auf der Hand.

Nachdem sich das privatschriftliche Testament vom 15. Juli 2001 und das widerrufene notarielle Testament vom 21. März 2002 hinsichtlich der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) inhaltlich decken, diese Erbeinsetzung von der Erblasserin aber zuletzt nicht mehr gewollt war, ist sonach ein Zweifelsfall im Sinne von § 2257 BGB schon nicht gegeben (vgl. BayObLGZ 1965, 86, 92; Palandt/Edenhofer aaO § 2257 Rdnr. 1).

3. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO). Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 13 a Abs. 1 FGG ist nicht veranlasst, weil außer dem Beteiligten zu 1) niemand förmlich am Verfahren der Rechtsbeschwerde beteiligt worden ist.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 Satz 1 KostO in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung durch das Landgericht und der Wertangabe in dem notariellen Testament vom 21. März 2002 bestimmt.

Ende der Entscheidung

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