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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 3 W 61/07
Rechtsgebiete: VBVG


Vorschriften:

VBVG § 5 Abs. 3
VBVG § 5 Abs. 2 Satz 1

Entscheidung wurde am 31.07.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
Entscheidend für die Abrechnung des Betreuers auf der Basis des reduzierten Stundensatzes ist, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim begründet hat.

Auch ein psychiatrisches Krankenhaus erfüllt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG, wenn der Untergebrachte nach den Gesamtumständen des Einzelfalles dort seinen Daseinsmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 61/07

In dem Verfahren

betreffend die mit verschiedenen Wirkungskreisen angeordnete Betreuung für K..... K...., geboren am 24. Mai 1965,

hier: Betreuervergütung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 20. März 2007 gegen den ihr am 7. März 2007 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Februar 2007

ohne mündliche Verhandlung

am 3. Mai 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

III. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 303,60 € festgesetzt.

Gründe:

Die von dem Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§§ 69 e Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 4, 20, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG).

In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg. Die Vorinstanzen haben die der Beteiligten zu 1) zu bewilligende Vergütung rechtsfehlerfrei festgesetzt. Zu Recht sind sie davon ausgegangen, dass die Vergütung sich im vorliegenden Fall nach den Ansätzen für einen mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat, bemisst (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG). Entscheidend für die Abrechnung auf der Basis des reduzierten Stundenansatzes ist, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim begründet hat (BtDrucks. 15/2494, S. 32; Dodegge NJW 2005, 1896 Fn. 22). Heim im Sinne des Vergütungsrechts sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.

Wie von dem Landgericht zutreffend ausgeführt, erfüllt die geschlossene Abteilung des S...... Krankenhauses in W............. die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 VBVG.

Die Betroffene hatte in diesem Krankenhaus auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Nach der für das Sozialrecht allgemein geltenden Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zur Begründung des "gewöhnlichen Aufenthalts" ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf Weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibes aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2006 - 33 Wx 75/06 -, mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht).

Teilweise übereinstimmend ist der Begriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH FamRZ 1993, 798 zu Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB; BGHZ 78, 293 = FamRZ 1981, 135) zum Haager Minderjährigenschutzabkommen insbesondere im Zusammenhang des internationalen Privatrechts wie folgt umschrieben worden: Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist der Ort oder das Land zu verstehen, in dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt liegt. Zu fordern ist nicht nur ein Aufenthalt von einer Dauer, die zum Unterschied von dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering sein darf, sondern auch das Vorhandensein weiterer Beziehungen, insbesondere in familiärer oder beruflicher Hinsicht, in denen - im Vergleich zu einem sonst in Betracht kommenden Aufenthaltsort - der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person zu sehen ist (BGH FamRZ 1993 aaO). Vom Wohnsitz unterscheidet sich der gewöhnliche Aufenthalt dadurch, dass der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, nicht erforderlich ist. Es handelt sich um einen "faktischen" Wohnsitz, der ebenso wie der gewillkürte Wohnsitz Daseinsmittelpunkt sein muss (BGH aaO und FamRZ 1975, 272 = NJW 1975, 1068 m.w.N.).

Das Merkmal der - vom BGH anders als vom BVerwG vorausgesetzten - nicht nur geringen Dauer des Aufenthalts bedeutet dabei nicht, dass im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt immer erst nach Ablauf einer entsprechenden Zeitspanne begründet werden könnte und bis dahin der frühere gewöhnliche Aufenthalt fortbestehen würde. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird vielmehr grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf eine längere Zeitdauer angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt sein soll (BGH FamRZ 1993 aaO und 1981, aaO m.w.N.).

Ein solchermaßen nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Willen, sondern auf objektive Kriterien abstellende Definition erscheint auch im hier maßgeblichen Zusammenhang geeignet, da ein Betroffener nicht selbständig über seinen Aufenthalt bestimmen kann, sondern hierfür der Betreuer zuständig ist, soweit dessen Aufgabenkreise das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfassen.

Ausgehend hiervon kann ein in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachter seinen Daseinsmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer solchen Klinik begründen. Wenn auch nach wohl überwiegender Auffassung im Zivilrecht alleine das zwangsweise Verbringen oder Verbleiben grundsätzlich keinen gewöhnlichen Aufenthalt an dem jeweiligen Ort begründet (vgl. BayObLG Beschluss vom 09.01.2003 - 3Z AR 47/02 zit. nach Juris; OLG Köln FamRZ 1996, 946; Palandt/Heldrich, BGB 65. Aufl. Art. 5 EGBGB Rdnr. 10 m.w.N.; anders für die Strafhaft wohl OLG Düsseldorf MDR 1969, 143), so entscheiden jedoch die Gesamtumstände des Einzelfalles, ob ein Untergebrachter seinen Daseinsmittelpunkt und damit auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt dennoch in einer solchen Klinik hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Juni 2006 (16 Wx 104/06), die die Beteiligte zu 1) im Beschwerdeverfahren zitiert hat, und vom 26. September 2006 (16 Wx 207/06 = FGPrax 2007, 83). Denn dort hat der Senat jeweils die Gesamtumstände berücksichtigt und hierbei zum einen die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes auf der Grundlage eines neun Monate dauernden Aufenthaltes in der Klinik bejaht. Zum anderen hat er einen nicht einmal dreimonatigen Aufenthalt noch als lediglich vorübergehend qualifiziert.

Ob im Falle einer Unterbringung auf der Grundlage des § 1906 BGB wegen der voraussichtlichen Dauer derselben im Regelfall anzunehmen ist, dass der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in der psychiatrischen Klinik liegt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Gesamtumstände rechtfertigen im vorliegenden Fall jedenfalls diese Annahme. Die Betroffene hielt sich nach den Feststellungen des Landgerichts bis zum Ende des Abrechnungszeitraumes bereits zwölf Monate in der psychiatrischen Klinik auf. Es ist nicht ersichtlich, dass neben dem S.......... Krankenhaus eine Wohnung vorhanden war, in die sie hätte zurückkehren können oder wollen. Vielmehr hatte die Betroffene ausweislich der Angaben der Beteiligten zu 1) ihren Aufenthalt im S...... Krankenhaus freiwillig, sogar bis über das Ende der angeordneten Betreuung hinaus verlängert. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) ist dieser Umstand ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, dass die Betroffene zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in der Klinik ihren Daseinsmittelpunkt dort gesehen hat. Auch der Umstand, dass die Betroffene nach Beendigung ihres Klinikaufenthaltes nicht in ihre frühere Umgebung zurückgekehrt ist, sondern eine eigene Wohnung in N..... genommen hatte, belegt, dass die Betroffene während des Klinikaufenthaltes keinen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen an ihrem früheren Wohnort hatte, den sie im Anschluss an ihren Klinikaufenthalt hätte fortsetzen oder wieder aufnehmen wollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 131 Abs. 3 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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