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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 25.08.2005
Aktenzeichen: 3 W 96/05
Rechtsgebiete: EuGVO, ZPO


Vorschriften:

EuGVO Art. 32 ff
ZPO § 91 a
Zur Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Urteils nach Kapitel III EuGVO (u.a.: übereinstimmende Teilerledigungserklärung der Verfahrensbeteiligten).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 96/05

In dem Verfahren

betreffend die Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Urteils

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry, die Richterin am Oberlandesgericht Stutz und den Richter am Oberlandesgericht Schunck auf die Beschwerde der Schuldnerin vom 19./28. April 2005 gegen den ihr am 13. April 2005 zugestellten Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 1. März 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 25. August 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. April 2004 (Az. 24 Cg 144/99d), wo nach die Schuldnerin ("klagende Partei") verurteilt worden ist, an die Gläubigerin ("beklagte Partei") 20 785,49 EUR Prozesskosten zu Händen deren anwaltlicher Vertreter (....) zu zahlen, hinsichtlich eines Betrages von 12 000,00 EUR mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist.

II. Von den Kosten beider Rechtszüge haben die Schuldnerin 84 % und die Gläubigerin 16 % zu tragen.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin verklagte die Gläubigerin mit Sitz in Österreich im September 1999 vor dem Landesgericht Klagenfurt u. a. auf restliche Bezahlung einer von ihr gelieferten Maschine für die Metallverarbeitung. In dem die Klage abweisenden Urteil des österreichischen Gerichts vom 24. April 2004 wurde die Schuldnerin verurteilt, der Gläubigerin die mit 20 785,49 EUR bezifferten Prozesskosten zu bezahlen. Die von der Gläubigerin in dem vorliegenden Verfahren vorgelegte Ausfertigung der Entscheidung (in Fotokopie Bl. 29 ff d.A.) trägt einen aufgestempelten Vermerk des Landesgerichts Klagenfurt vom 22. Juli 2004, wonach das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar ist.

Auf Antrag der Gläubigerin vom 21./24. Februar 2005 ordnete der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des für den Sitz der Schuldnerin örtlich zuständigen Landgerichts Landau in der Pfalz am 1. März 2005 an, das österreichische Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Mit ihrer Beschwerde dagegen rügt die Schuldnerin, dass trotz der von ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten vor Erlass der Entscheidung angezeigten Mandatsniederlegung das österreichische Gericht das Urteil nicht ihr persönlich, sondern dem Rechtsanwalt zugestellt habe; u. a. deswegen sei von ihr, der Schuldnerin, nachträglich in Österreich ein Beschwerdeverfahren zu dem Oberlandesgericht Graz angestrengt worden, über das noch nicht entschieden sei. Ferner hat die Schuldnerin Einwendungen gegen die Berechtigung der Gläubigerin zur Vollstreckung des in der Urteilsformel gesondert ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrages in Höhe von 3 376,84 EUR erhoben und sich darüber hinaus auf teilweise Erfüllung des titulierten Anspruchs berufen.

Die Gläubigerin hat daraufhin im Fortgang des Verfahrens mitgeteilt, dass der titulierte Mehrwertsteuerbetrag "erledigt" sei und von dem Vollstreckungsbetrag in Abzug gebracht werden könne. Weiter steht zwischen den Verfahrensbeteiligten außer Streit, dass die Schuldnerin seit dem 18. März 2005 insgesamt 5408,65 EUR auf die titulierte Forderung gezahlt hat. Unter Berücksichtigung dessen geht das Begehren der Gläubigerin jetzt noch dahin, das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt in Höhe von 12 000,00 EUR für vollstreckbar zu erklären.

II.

1. a) Das Rechtsmittel ist gemäß Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVO) - sog. Brüssel I - Verordnung - i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) statthaft. Es ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 11 Abs. 3 AVAG beim Oberlandesgericht eingelegt worden und entspricht der von § 11 Abs. 1 Satz 1 AVAG bestimmten Form. Weil der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet, besteht für die Schuldnerin kein Anwaltszwang, § 13 Abs. 2 AVAG i.V.m. § 78 Abs. 5 ZPO.

b) Der vorherigen Einholung einer Abhilfeentscheidung des Landgerichts bedarf es nicht, da eine Befugnis für das die Vollstreckung zulassende Gericht zur Abhilfe einer gegen seine Entscheidung gerichteten Beschwerde nicht besteht. Da der Vorsitzende der Zivilkammer den angefochtenen Beschluss nicht als "Einzelrichter" im Sinne des § 568 ZPO erlassen hat, ergeht die Entscheidung des Senats in voller Besetzung des Spruchkörpers (vgl. zum Vorstehenden jeweils Senat, OLGR Zweibrücken 2005, 642, 643 m.w.N.).

2. In der Sache führt die Beschwerde lediglich wegen der von der Gläubigerin vorgenommenen Antragsermäßigung um den titulierten Mehrwertsteuerbetrag zu einem teilweisen Erfolg im Kostenpunkt. Ansonsten ist das Rechtsmittel, soweit sich das Verfahren nicht infolge der unstreitigen Teilleistungen der Schuldnerin in der Hauptsache erledigt hat, unbegründet.

a) Die von der Gläubigerin begehrte Vollstreckbarerklärung des österreichischen Urteils vom 24. April 2004 richtet sich nach der gemäß ihrem Art. 76 am 1. März 2002 in Kraft getretenen EuGVO.

Gemäß Art. 66 Abs. 2 lit. a der Verordnung werden Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung erlassen wurden, nach Maßgabe des Kapitels III der Verordnung anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen, wenn die Klage vor Inkrafttreten der Verordnung im Ursprungsmitgliedstaat erhoben wurde, nachdem die in den Erwägungsgründen 5 der Verordnung jeweils näher bezeichneten Übereinkommen von Brüssel (EuGVÜ) oder von Lugano sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getreten waren. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Brüsseler Übereinkommen gilt in Deutschland seit dem 01. Februar 1973 und in der Republik Österreich seit dem 1. Dezember 1998; schon zuvor waren beide Staaten Vertragspartner des Übereinkommens von Lugano (vgl. MüKo. ZPO/Gottwald, 2. Aufl., vor Art. 1 EuGVÜ Rdnrn. 15, 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., EuGVÜ, Übersicht Rdnrn. 1, 4). Die Klage der Schuldnerin stammt aus dem September 1999.

b) Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt dem Grunde nach zu Recht für vollstreckbar erklärt.

Die bezifferte Verurteilung der Schuldnerin in die Kosten des österreichischen Rechtsstreits stellt eine Entscheidung dar, die gemäß Art. 32, 38 EuGVO für vollstreckbar erklärt werden kann.

Im ersten Rechtszug hat die Gläubigerin eine Ausfertigung des Titels vorgelegt und damit dem Erfordernis nach Art. 53 Abs. 1 EuGVO genügt. Unerheblich ist, dass die Originalausfertigung zurückgegeben worden ist. Denn der Originaltitel muss nicht bei der Akte verbleiben (vgl. BGHZ 75,167, 169 zu Art. 46 EuGVÜ).

Die Bestimmung einer Frist gegenüber der Gläubigerin zur Vorlage einer Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO war im Streitfall nach Art. 55 Abs. 1 EuGVO entbehrlich; der Senat erachtet eine weitere Klärung im Tatsächlichen nicht für geboten, weil dem von der Gläubigerin vorgelegten Titel die amtliche Bestätigung seiner Vollstreckbarkeit aufgestempelt ist.

Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisse, die in Art. 34, 35 EuGVO abschließend geregelt sind (Art. 45 EuGVO), stehen der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt nicht entgegen. Das Urteil ist in einem kontradiktorischen Rechtsstreit ergangen, den die Schuldnerin selbst in Gang gesetzt hat. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Vollstreckbarerklärung dem deutschen ordre public offensichtlich widersprechen würde (Art. 34 Nr. 1 EuGVO). Das gilt namentlich für das von der Schuldnerin bemängelte Unterbleiben der Zustellung des österreichischen Urteils an sie persönlich. Denn auch in einem Rechtsstreit vor einem deutschen Landgericht wäre bei gleicher Sachlage (Mandatsbeendigung ohne Neubestellung eines anderen Rechtsanwalts) nach den Bestimmungen des inländischen Zivilverfahrensrechts nicht anders verfahren worden (vgl. §§ 87 Abs. 1 und 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das nicht näher ausgeführte Vorbringen der Schuldnerin, sie habe zwischenzeitlich gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt einen (möglicherweise lediglich außerordentlichen) Rechtsbehelf zu dem Oberlandesgericht Graz eingelegt, hindert die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung ebenfalls nicht.

Denn dafür ist gerade nicht erforderlich, dass tatsächlich eine endgültige oder gar rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Es genügt vielmehr, dass die Entscheidung - wie vorliegend amtlich bestätigt - jedenfalls vollstreckbar ist.

c) Aufgrund der Antragsermäßigung durch die Gläubigerin in zweiter Instanz ist die Zwangsvollstreckung jedoch nur für die jetzt noch geltend gemachte Restschuld zuzulassen.

Soweit die Gläubigerin auf die Einwände der Schuldnerin hin den Mehrwertsteuerbetrag von 3 376,84 EUR hat fallen lassen, stellt dies eine die Verpflichtung zur anteiligen Tragung von Verfahrenskosten auslösende Teilrücknahme ihres Antrages auf Vollstreckbarerklärung des österreichischen Titels dar.

Demgegenüber ist die weitere Antragsreduzierung wegen der unstreitigen (und deshalb im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigenden, vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 933; OLG Köln InVO 2005, 110; Senat, Beschluss vom 3. November 2003 - 3 W 149/03 -) Teilleistungen der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 5 408,65 EUR der Sache nach als übereinstimmende Teilerledigungserklärung der Verfahrensbeteiligten auszulegen. Soweit deshalb wegen des erledigten Verfahrensstoffes eine Entscheidung des Senats entsprechend § 91 a ZPO ergeht, entspricht es der Billigkeit, die Kosten der Schuldnerin aufzuerlegen, weil ihre Beschwerde auch insoweit keinen Erfolg gehabt hätte, nachdem die Teilleistungen erst nach Einleitung des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung erbracht worden sind.

3. Der Ausspruch über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten in beiden Instanzen beruht auf der kombinierten Anwendung von § 8 AVAG i.V.m. § 788 ZPO sowie §§ 91 a, 92 Abs. 1 und § 269 Abs. 3 ZPO.

Einer Wertfestsetzung hinsichtlich der Gerichtskosten bedarf es nicht, weil für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel Festgebühren bestimmt sind (Kostenverzeichnis 1510,1520 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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