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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 3 W 98/07
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 21 ff.
BGB § 1004

Entscheidung wurde am 27.06.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Entgegen in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretener Auffassung kann eine Leistungspflicht einzelner Wohnungseigentümer, etwa zur Beseitigung baulicher Veränderungen, nicht durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss begründet werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 98/07

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage S........ in K.............

wegen (jetzt noch) Beseitigung baulicher Veränderungen

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 30. April / 2. Mai 2007 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. April 2007

ohne mündliche Verhandlung

am 5. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben und die erste Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 13. Dezember 2006 zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2) haben die Gerichtskosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen; eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2 500,00 € festgesetzt.

Gründe:

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und somit zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG).

Das Landgericht hat auch zu Recht im Eingang seines Beschlusses als Antragsteller für das mit dem Gegenantrag verfolgte Beseitigungsbegehren die Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Beteiligten zu 1) angesehen und nicht den teilrechtsfähigen Verband der Wohnungseigentümergemeinschaft. Denn der Verband ist weder Mitglied der Eigentümergemeinschaft noch Miteigentümer und mithin nicht Inhaber von Abwehr- oder Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum an dem Grundstück (vgl. BGH GuT 2007,161, 162 m.w.N.; BGH ZMR 2006, 457; Riecke/v. Rechenberg MDR 2007, 128 f.).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg und führt hinsichtlich des in den Rechtsmittelinstanzen allein verfahrensgegenständlichen Beseitigungsverlangens zur Wiederherstellung der den darauf gerichteten Gegenantrag der Beteiligten zu 2) abweisenden Entscheidung des Amtsgerichts.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts können die Beteiligten zu 2) von dem Beteiligten zu 1) nicht nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG verlangen, den Zugang zum Balkon seiner Wohnung Nr. 19 zu beseitigen und die ursprünglich vorhandene Gaubenkonstruktion wieder herzustellen. Das kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind: Der bereits in erster Instanz verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellte Sachverhalt ist allein in rechtlicher Hinsicht anders zu würdigen als dies das Landgericht getan hat.

a) Die Zivilkammer hat gemeint, einer Prüfung der sachlichen Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs auf Störungsbeseitigung deshalb ledig zu sein, weil die Beseitigungs- und Wiederherstellungspflicht des Beteiligten zu 1) durch den - in dem vorliegenden Verfahren nach Beendigung der ersten Instanz bestandskräftig gewordenen - Mehrheitsbeschluss zu TOP 15 der Wohnungseigentümerversammlung vom 28. April 2003 konstitutiv festgelegt worden sei und die Gerichte an die Bestandskraft dieses Eigentümerbeschlusses gebunden seien.

Das trifft nicht zu. Selbst wenn - wie tatsächlich nicht (vgl. unten b)) - dem in Rede stehenden Beschluss vom 28. April 2003 inhaltlich ein Feststellungswille bezüglich der Begründetheit des Anspruchs auf Vornahme der verlangten Handlungen durch den Beteiligten zu 1) zu entnehmen wäre, hätte es den Wohnungseigentümern jedenfalls an der erforderlichen Beschlusskompetenz gefehlt. Denn durch Beschlussfassung können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer rechtsändernden Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 WEG) die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen (vgl. BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).

Eine solche Beschlusskompetenz zur Begründung von Leistungspflichten einzelner Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss gibt es jedoch nicht (Senat, Beschluss vom 22. November 2005, - 3 W 104/05 -).

Die Wohnungseigentümer sind folglich nicht legitimiert, außerhalb des Bereichs der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums Ansprüche durch Beschluss der Mehrheit von ihnen entstehen zu lassen. Sie können zwar beschließen, ob und in welchem Umfang ein Leistungsanspruch gegen einen Miteigentümer geltend gemacht werden soll, nicht dagegen auch einen entsprechenden Anspruch ohne gesetzlichen Schuldgrund konstituieren.

Das gilt namentlich auch für Beschlüsse, die einem Eigentümer die Beseitigung bestimmter baulicher Veränderungen aufgeben, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Baumaßnahme rechtmäßig war oder nicht (Wenzel, NZM 2004, 542, 544 m.w.N.; Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 22 Rdnr. 269; Schmidt/Riecke ZMR 2005, 252, 260 f.; vgl. weiter auch Briesemeister WE 2003, 307 ff.).

b) Soweit sich das Landgericht für seine gegenteilige Beurteilung der Rechtslage auf obergerichtliche Rechtsprechung berufen kann (namentlich zitiert: OLG Köln NZM 1999, 424; ebenso: OLG Köln ZMR 2004, 215; OLG Hamburg ZMR 2003, 447; BayObLG NZM 2003, 239), sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 FGG nicht gegeben.

Zunächst sieht sich der Senat, was die Frage der fehlenden Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer angeht, im Einklang mit der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 (BGHZ 145, 158). Selbst wenn aber der Auffassung zu folgen sein sollte, durch bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse könnten selbstständige Leistungspflichten für einzelne Wohnungseigentümer begründet werden, setzte dies für den jeweils zu entscheidenden Einzelfall immer noch die eindeutige Feststellung voraus, dass das Bewusstsein und der Wille der Mehrheit bei der Beschlussfassung tatsächlich dahin gingen, die Sonderverpflichtung gerade durch den Beschluss konstitutiv, also unabhängig von möglichen gesetzlichen Ansprüchen, festzulegen (vgl. OLG Hamm ZWE 2006, 228, 231). Ob Letzteres der Fall ist, muss im jeweiligen Einzelfall nach Wortlaut und Sinn des Mehrheitsbeschlusses durch Auslegung ermittelt werden.

Da der insoweit maßgebliche Beschluss zu TOP 15 der Eigentümerversammlung vom 28. April 2003 (in Fotokopie Bl. 8 f. d. A.) in jedem Fall auch für mögliche Sonderrechtsnachfolger Wirkung entfaltet (§ 10 Abs. 3 WEG), wäre der Senat als Rechtsbeschwerdegericht zu einer eigenen Auslegung befugt (BGH NJW 1998, 3713, 3714 m.w.N.). Diese Auslegung, die an objektiven Grundsätzen auszurichten ist, ginge im Streitfall dahin, dass der Eigentümerbeschluss vom 28. April 2003 lediglich die gerichtliche Verfolgung eines möglichen Beseitigungsanspruchs gegen den Beteiligten zu 1) vorbereiten sollte, damit von der Mehrheit aber gerade nicht unmittelbar der Zweck verfolgt wurde, einen solchen Anspruch konstitutiv festzulegen.

Hierfür spricht bereits der Beschlusswortlaut, der zunächst nur eine Aufforderung ("Bitte") an den Beteiligten zu 1) zur Beseitigung seines Balkonzugangs bis zum 31. Juli 2003 und für die Zeit danach eine Beauftragung der Verwaltung zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands beinhaltet, nicht aber die selbstständige Festlegung einer materiellen Verpflichtung des Beteiligten zu 1) zum Rückbau.

Ein inhaltlich so wie im vorliegenden Fall gehaltener Eigentümerbeschluss ist aber regelmäßig, so auch hier, nicht als materiell-rechtliche Festlegung der Miteigentümerpflichten, sondern nur als Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens auszulegen. Denn die Eigentümer wollen sich im Zweifel in den Grenzen ordnungsgemäßer Verwaltung bewegen. Diese erlaubt jedoch, wie oben ausgeführt, gerade nicht die Festlegung materieller Sonderpflichten der Mitglieder, sondern allenfalls die Inverzugsetzung und Androhung gerichtlicher Maßnahmen (vgl. in diesem Zusammenhang auch KG NJW-RR 1997, 1033, 1035).

Danach wäre auch bei grundsätzlicher Bejahung der von einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung befürworteten Anspruchsbegründung durch Mehrheitsbeschluss für den hier zu entscheidenden Fall eine konstitutive Wirkung des Eigentümerbeschlusses vom 28. April 2003 zu verneinen. Mangels konkreter Entscheidungserheblichkeit der Abweichung des Senats von den in Verfahren der weiteren Beschwerde ergangenen Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ist damit für eine Divergenzvorlage nach § 28 Abs. 2 FGG kein Raum.

c) Einen nach dem vorstehend Ausgeführten allein in Betracht kommenden gesetzlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch der Beteiligten zu 2) gegen den Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht ohne Rechtsfehler verneint.

Es steht im Verfahren außer Streit, dass nach der Willensbildung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft der Beteiligte zu 1) - ebenso wie die übrigen Eigentümer der Dachgeschosswohnungen - grundsätzlich das Recht hat, durch Umbau der Dachgaube seiner Wohnung einen Zugang zu der nachträglich bis zur Höhe des Dachgeschosses errichteten Balkonkonstruktion herzustellen. Nach den durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist, wirkt sich die von dem Beteiligten zu 1) gewählte Art der Bauausführung (weitgehende Erhaltung der Gaube in ihrem ursprünglichen Zustand) auf das Erscheinungsbild der Wohnanlage in ihrer Gesamtheit objektiv nicht nachteiliger aus als die von anderen Miteigentümern - mit Billigung der Mehrheit - vorgenommenen Baumaßnahmen. Ursprünglich vorhandene bautechnische Mängel bei der Herstellung des Zugangs zum Balkon der Wohnung des Beteiligten zu 1) wurden - so die abschließenden Feststellungen des vom Amtsgericht beauftragten Bausachverständigen - vor Abschluss der ersten Instanz vollständig beseitigt (Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. B.... vom 8. Juni 2006, Bl. 266 ff. d. A.). Zu weiteren Nachforschungen gemäß § 43 WEG, § 12 FGG hinsichtlich etwaiger von den Beteiligten zu 2) alsdann in den Raum gestellter Gefahren für die Statik des Daches besteht kein Anlass, weil ohne weiteres davon auszugehen ist, dass der Sachverständige Ba.... Gefahren für die Standsicherheit, so er dafür greifbare Anhaltspunkte gesehen hätte, von sich aus in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hätte.

Bei dieser Sachlage brauchte der Erstrichter - rechtlich bedenkenfrei auch mit Blick auf die anspruchsbegrenzende Wirkung der §§ 226, 242 BGB - im Rahmen der erforderlichen Zumutbarkeitsprüfung weder dem Umstand der fehlenden "Vorabgenehmigung" der Baumaßnahme durch den Verwalter noch der von der Gestaltung der Gauben bei den Wohnungen F... und W.... in Einzelheiten abweichenden Bauausführung eine entscheidende Bedeutung beizumessen. Die von dem Amtsgericht der Sache nach getroffene Entscheidung, dass die Beteiligten zu 2) durch die Baumaßnahme des Beteiligten zu 1) keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden objektiven Nachteil erfahren (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 14 Nr. 1 WEG), hat deshalb Bestand.

3. Die Entscheidung betreffend die Gerichtskosten beider Rechtsmittelzüge beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Es besteht kein Anlass, von dem allgemeinen Grundsatz abzuweichen, dass in Wohnungseigentumssachen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG entsprechend der Wertfestsetzung durch das Landgericht bemessen.

Ende der Entscheidung

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