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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: 4 U 1/00
Rechtsgebiete: BNotO, BGB, AO, ZPO


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
BGB § 181
AO § 163
ZPO § 282
ZPO § 286
1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine im Notarhaftungsprozess geltend gemachte anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, liegt grundsätzlich beim Kläger.

2. Wird eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit damit begründet, dass der Steuerberater einen Antrag auf Billigkeitskorrektur gemäß § 163 AO versäumt haben soll, so trifft aber den Beklagten zunächst eine Pflicht zum substantiierten Bestreiten, in deren Rahmen er darlegen muss, warum eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Klägers hätte ergehen müssen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Grund- und Teilurteil

Aktenzeichen: 4 U 1/00

Verkündet am: 25. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

wegen Notarhaftung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Ruppert

auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. Oktober 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Folgendes festgestellt wird:

1. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Steuerschaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Schadensersatzzahlung des Beklagten gemäß Ziffer 1 seines Schriftsatzes vom 20. März 2000 (Bl. 201 d.A.) bei ihr als Betriebseinnahme eine entsprechende Körperschaftssteuerschuld auslöst.

2. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass sie bis zur Tilgung ihrer Steuerschulden der Jahre 1992 und 1993 - Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag - Stundungszinsen darauf zu zahlen hat.

3. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Schaden des Jahres 1994 - Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer - für den Zeitraum vom 1. Januar bis 29. April zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Gehaltszahlungen an den Geschäftsführer Tim G... für diesen Zeitraum nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, soweit dieser Schaden nicht infolge Körperschaftssteueranrechnung gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin kompensiert wird.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 16 000,-- DM abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete und schriftliche Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts erbracht werden.

IV. Die Beschwer des Beklagten wird auf 163 161,69 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.

Der beklagte Notar beurkundete am 20. Dezember 1991 (UR.-Nr. G...) die Abtretung aller Gesellschaftsanteile der Klägerin von den damaligen Gesellschaftern Manfred und Eva G... auf ihren Sohn Tim G.... Im Rahmen einer sich sofort anschließenden Gesellschafterversammlung wurde von Tim G..., dem nunmehr alleinigen Gesellschafter, beschlossen und vom Beklagten beurkundet:

1. Frau Eva G... wird als Geschäftsführer abberufen. Ihr wird für die bisherige Tätigkeit Entlastung erteilt.

2. Herr Tim G... wird zum Geschäftsführer neu bestellt. Er ist stets alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

3. Weitere Beschlüsse wurden heute nicht gefasst.

Der ebenfalls von dem Beklagten beurkundete Gesellschaftervertrag der Klägerin vom 14. Januar 1985 (Ur.-Nr. ...) hatte in seinem § 5 ausdrücklich bestimmt, die Geschäftsführer seien von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht befreit.

Auf den Eintragungsantrag des Beklagten vom 20. Dezember 1991 wies das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein mit Zwischenverfügung vom 22. Januar 1992 den Beklagten darauf hin, dass vor Eintragung einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in das Handelsregister eine entsprechende Satzungsänderung vorgenommen werden müsse. Für die Erledigung wurde dem Beklagten eine Frist von 2 Monaten eingeräumt. Am 3. Februar 1992 nahm der Beklagte gegenüber dem Handelsregister den Eintragungsantrag im Namen der Klägerin zurück.

Zwischenzeitlich hatte die Klägerin, vertreten durch den Geschäftsführer Tim G..., am 2. Januar 1992 mit Herrn Tim G... einen Anstellungsvertrag geschlossen. Das an den Geschäftsführer der Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 aufgrund dieses Vertrages gezahlte Gehalt zuzüglich Tantiemen fand steuerlich keine gewinnmindernde Berücksichtigung, weil das Finanzamt Speyer den Anstellungsvertrag wegen Verstoßes gegen § 181 BGB als unwirksam ansah mit der Folge, dass das Gehalt als verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter zu werten sei und der weiteren Folge, dass hieraus Körperschaftssteuer zu zahlen war.

Die Klägerin hat vorgetragen, durch die steuerliche Nichtberücksichtigung des Geschäftsführergehaltes sei ihr für die Jahre 1992 und 1993 ein steuerlicher Schaden in Höhe von 93.189,49 DM entstanden. Außerdem habe sie Steuerberatungskosten in Höhe von 17.972,20 DM aufwenden müssen. Da der Gesellschaftsvertrag erst im Mai 1994 habe geändert werden können, sei auch für den davor liegenden Zeitpunkt des Jahres 1994 zu erwarten, dass Schaden entstehen werde. Die geltend gemachten Schäden seien darauf zurückzuführen, dass der Beklagte als Notar seine Belehrungspflicht verletzt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 83.189,49 DM nebst 11 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, sie von den aus der unter Ziffer 1 geltend gemachten Schadenersatzforderung

resultierenden Steuerfolgen freizustellen;

3. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 17.972,20 DM nebst 11 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, sie von den beim Finanzamt Speyer aufgrund des Fehlverhaltens des Beklagten angefallenen und bisher von ihr nicht gezahlten Stundungszinsen für festgesetzte Steuerbeträge freizustellen;

5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sie von der Steuerforderung des Finanzamtes für das Jahr 1994 freizustellen, soweit diese ursächlich auf das Fehlverhalten des Beklagten zurückgehen und nicht infolge Körperschaftssteueranrechnung gegenüber ihrem Geschäftsführer kompensiert werden;

hilfsweise:

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.000,-- DM nebst 11 % Zinsen aus je 1.000,-- DM seit dem 1. Oktober 1995, 1. November 1995 und 1. Dezember 1995 sowie aus jeweils 2.000,-- DM seit dem 1. Januar 1996, 1. Februar 1996 und 1. März 1996 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, sie von den Steuerforderungen des Finanzamtes Speyer für das Jahr 1992 in Höhe von 68.789,78 DM abzüglich anzurechnender 18.548,70 DM sowie gezahlter 9.000,-- DM, also in Höhe verbleibender 41.241,08 DM freizustellen;

3. den Beklagten zu verurteilen, sie von den Steuerforderungen des Finanzamtes Speyer für das Jahr 1993 in Höhe von 59.857,-- DM abzüglich anzurechnender 26.908,59 DM, also in Höhe verbleibender 32.948,41 DM freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, von der Steuerberatungsgesellschaft N..., welche die Klägerin unstreitig steuerlich beraten habe, sei es schuldhaft versäumt worden, die Wirksamkeit des zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer geschlossenen Anstellungsvertrages zu überprüfen. Da dieses Versäumnis für den Schaden ursächlich sei, entfalle eine Schadensersatzpflicht des Beklagten. Im übrigen sei die Rücknahme des Eintragungsantrages nach Rücksprache mit der Klägerin oder mit dem für sie tätigen Steuerberater B... von der Steuerberatungsgesellschaft N... erfolgt.

Mit Urteil vom 9. Oktober 1996 (Bl. 102 d.A.) hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird zur näheren Darstellung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgemäß Berufung eingelegt. Er hat sein Rechtsmittel innerhalb entsprechender Fristverlängerung begründet, die ihm auf seinen rechtzeitigen Antrag bewilligt worden ist.

Mit der Berufung hat der Beklagte sich gegen die Annahme einer Verletzung seiner Hinweis- und Beratungspflichten gewandt. Er hat sein Vorbringen zum Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit vertieft und hat vorgetragen, die Klägerin könne auch heute noch eine Billigkeitskorrektur ihrer Steuerschuld gemäß § 163 AO erreichen.

Der Beklagte hat beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie hat das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt.

Mit Urteil vom 6. November 1997 - 4 U 208/96 (Bl. 163 d.A.), auf das ebenfalls verwiesen wird, hat der Senat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt. Mit Urteil vom 18. November 1999 - IX ZR 402/97 (Bl. 48 ff. Revisionsheft, u.a. veröffentlicht in WM 2000, 35) hat der Bundesgerichtshof das Senatsurteil vom 6. November 1997 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Auch auf das Urteil des Bundesgerichtshofs wird zur näheren Darstellung Bezug genommen.

Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens haben die Parteien ihr Vorbringen zum Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ergänzt und vertieft.

Der Kläger beantragt nach wie vor,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat ihr Begehren zum Teil geändert und beantragt nunmehr,

die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass

1. der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 83.189,49 DM zuzüglich 11 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Steuerschaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Schadensersatzzahlung des Beklagten gemäß Ziffer 1 bei ihr als Betriebseinnahme eine entsprechenden Körperschaftssteuerschuld auslösen wird,

3. der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 17.972,20 DM zuzüglich 11 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass sie bis zur Tilgung ihrer Steuerschulden der Jahre 1992 und 93 - Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag - Stundungszinsen darauf zu zahlen hat,

5. festgestellt wird, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden des Jahres 1994 - Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer - für den Zeitraum vom 1. Januar bis 29. April zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Gehaltszahlungen an den Geschäftsführer Tim G... für diesen Zeitraum nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, soweit dieser Schaden nicht infolge Körperschaftssteueranrechnung gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin kompensiert wird.

Der Beklagte hat der darin liegenden Klageänderung widersprochen.

Der Senat hat nach der Zurückverweisung Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B... und Be.... Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 20. April 2000 (Bl. 218 d.A.) und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Protokolle der Sitzungen vom 10. Mai 2001 (Bl. 262 d.A.) und vom 20. September 2001 (Bl. 271 d.A.) Bezug genommen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und des Senatsurteils vom 6. November 1997, auf die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, §§ 511, 511 a Abs. 1, 516, 518, 519 ZPO. In der Sache ist sie mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass den von der Klägerin zuletzt unter Ziffer 2, 4 und 5 ihres Klagebegehrens gestellten Feststellungsanträgen stattzugeben ist.

1. Die Klage ist in ihrer nunmehr geänderten Form zulässig. Soweit der Beklagte der von der Klägerin im Berufungsrechtszug vorgenommenen Klageänderung widersprochen hat, bleibt dies unbehelflich. Die Klageänderung trägt den Hinweisen Rechnung, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18. November 1999 für das weitere Verfahren gegeben hat (Umdruck Seite 19 f. = WM 2000 aaO S. 38). Sie ermöglicht es dem Senat die Sache insoweit umfassend abzuschließen, als sie sich ohne weitere Beweisaufnahme zur Höhe als entscheidungsreif darstellt. Damit ist die Klageänderung sachdienlich i.S.v. § 263 ZPO.

2. Die Klage ist hinsichtlich der Feststellungsanträge zu Ziffer 3, 4 und 5 in vollem Umfang begründet und hinsichtlich der Zahlungsanträge zu Ziffer 1 und 3 dem Grunde nach gerechtfertigt.

a. Der Beklagte ist der Klägerin gemäß § 19 Abs. 1 BNotO schadensersatzpflichtig. Er hat fahrlässig seine Amtpflichten bei der Abwicklung des von ihm beurkundeten Vorgangs verletzt, indem er den Eintragungsantrag hinsichtlich der Befreiung des Geschäftsführers der Klägerin von den Beschränkungen des § 181 BGB zurückgenommen hat. Zur näheren Darstellung nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 18. November 1999 (Umdruck S. 10 ff. = WM 2000 aaO S. 36 f.).

b. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die den Schadensersatzanspruch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO ausschließen würde, besteht nicht.

aa. Die Behauptung des Beklagten, der Steuerberater B... habe ihn zur Rücknahme des Eintragungsantrages angewiesen, ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.

Der Senat hat den Zeugen B... zu dieser Frage im Termin vom 10. Mai 2001 vernommen. Der Zeuge hat mit Nachdruck in Abrede gestellt, die behauptete Weisung erteilt zu haben. Er hat ausgesagt, dass er von der Zwischenverfügung des Registergerichts keine Kenntnis erhalten und von der Antragsrücknahme gegenüber dem Registergericht erstmals im Rahmen der Betriebsprüfung erfahren habe.

Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht. Sie ist in sich folgerichtig und schlüssig; zudem gäbe es für die behauptete Anweisung auch keinen einleuchtenden Grund. Der Senat halt den Zeugen auch in persönlicher Hinsicht für glaubwürdig.

Die Aussage des im Termin vom 20. September 2001 gegenbeweislich vernommenen Zeugen Be... gibt keinen Anlass zu einer anderen Beweiswürdigung. Der Zeuge hatte bei seiner Vernehmung durch den Senat an den Vorgang keine konkrete Erinnerung mehr. Soweit er angegeben hat, er könne sich eher vorstellen, dass eine Weisung von dem Zeugen B... als von dem Vater des Geschäftsführers der Klägerin gekommen sei, handelt es sich um eine Mutmaßung. Sie ist nicht geeignet, die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen B... zu erschüttern. Dies gilt besonders deshalb, weil der Zeuge Be... bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung vom 10. Juli 1996 (Bl. 91 d.A.) noch ausgesagt hatte, er meine, es sei der Vater des Geschäftsführers der Klägerin gewesen, der ihn angerufen habe.

bb. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil die Steuerberaterin der Klägerin keinen Antrag nach § 163 AO gestellt hat. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 18. November 1999 (Umdruck Seite 15 WM aaO S. 37) ausgeführt, dass insoweit für einen erfolgreichen Schadensersatzanspruch nichts erkennbar ist. Daran ist auch unter Berücksichtigungen der Ausführungen des Beklagten in seinen Schriftsätzen vom 21. März 2000 (Bl. 205 f. d.A.) und vom 27. März 2000 (Bl. 210 f. d.A.) festzuhalten.

Ebenso, wie für die fehlende Ersatzmöglichkeit wegen einer pflichtwidrigen Anweisung des Steuerberaters (vgl. dazu BGH aaO) liegt auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen eines unterlassenen Antrags nach § 163 AO die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich bei der Klägerin. Da es sich dabei allerdings um eine negative Tatsache handelt, ist die Darlegungslast aber dahin modifiziert, dass der Beweisgegner - hier also der Beklagte - diese Tatsache zunächst unter entsprechender Darlegung der für das Positive sprechenden Tatsachen substantiiert zu bestreiten hat (vgl. etwa BGH NJW-RR 1993, 746, 747; Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. vor § 284 Rdn. 24, 34, jew. m.w.N.). Daran fehlt es im hier zu entscheidenden Falle.

Der Beklagte beschrankt sich im Ergebnis letztlich auf die Behauptung, eine Darlegung des "kompletten Sachverhalts" hätte zu einer für die Klägerin positiven Billigkeitsentscheidung führen müssen. Dies ist nicht im erforderlichen Maße substantiiert, um die Voraussetzungen eines anderweitigen Ersatzanspruchs schlüssig darzustellen.

Auch wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass für eine Billigkeitsentscheidung nicht das Finanzamt Speyer zuständig war, an das die Steuerberaterin der Klägerin sich gewandt hatte, sondern die Oberfinanzdirektion Koblenz (vgl. zur Zuständigkeit Klein/Rüsken, AO § 163 Rdn. 130 m.w.N.), hätte er die einzelnen Gründe aufzeigen müssen, die für den behaupteten Billigkeitserlass sprechen. Dabei hätte berücksichtigt werden müssen, dass eine Billigkeitsentscheidung nur in Betracht kommt, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. dazu etwa BFH BStBl. II 1988, 512). So liegen die Dinge im hier zu entscheidenden Falle gerade nicht.

Die Steuerfestsetzung war bereits nicht offensichtlich und eindeutig unrichtig. Der Antrag auf Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB war im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung zurückgenommen. Darauf beruhte es, dass es an einer entsprechenden Eintragung im Handelsregister fehlte und ein wirksamer Anstellungsvertrag nicht geschlossen war. Wenn der Beklagte meinte, dass die Steuerbehörde der Klägerin gleichwohl ihre Steuerschulden erlassen hätte, so hätte er die konkreten Tatsachen darlegen müssen, welche die Klägerin nach seiner Ansicht hatte vortragen müssen, um die Finanzbehörde zu einer solchen Entscheidung zu bewegen.

Zudem kommt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ein Billigkeitserlass nach § 163 AO grundsätzlich nicht in Betracht, wenn gegen einen belastenden Steuerbescheid Rechtsmittel hätten eingelegt werden können. Allein der Umstand, dass dies mit Blick auf eine - später geänderte - höchstrichterliche Rechtsprechung unterblieben ist, lässt es nicht unbillig erscheinen, dass den Steuerschuldner die Folgen der Unanfechtbarkeit treffen (BFH BStBl. II 1988 aaO; Klein/Rüsken aaO Rdn. 57 jew. m.w.N.). Wenn der Beklagte meint, mit Blick auf die durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Oktober 1996 (I R 71/95 = NJW 1997, 1031) eingetretene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gelte etwas anderes, so hätte er auch insoweit konkrete Gesichtspunkte darlegen müssen, welche die Finanzbehörde hätten veranlassen können, sich über die vorgenannten Rechtsgrundsätze schlicht hinwegzusetzen.

cc. Sonstige anderweitige Ersatzmöglichkeiten kommen nicht in Betracht. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf das Urteil Bundesgerichtshofs vom 18. November 1999 (Umdruck Seite 13 ff. zu lit. a und b = WM aaO S. 37).

d. Die haftungsausfüllende Kausalität für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ist gegeben. Wie bereits der Bundesgerichtshof in seinem zurückverweisenden Urteil ausgeführt hat, kommt der Klägerin der Beweis des ersten Anscheins dafür zugute, dass sie bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten auf einer Eintragung der in Rede stehenden Satzungsänderung bestanden hätte. Dann wäre der entstandene Steuerschaden, der dem Beklagten auch bei wertender Betrachtung zuzurechnen ist, im Ergebnis vermieden worden. Für ein Mitverschulden der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte. Auch in diesen Punkten nimmt der Senat Bezug auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 1999 (Umdruck Seite 16 f. = WM aaO S. 38).

3. Nach alledem steht fest, dass der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Soweit die Zahlungsanträge zu Ziffer 1 und 3 betroffen sind, bei denen es zur Höhe des Schadens noch einer weiteren Beweisaufnahme bedarf, hat das Landgericht deshalb die Klage zu Recht durch Zwischenurteil i.S.v. § 304 ZPO dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Senat sieht insoweit keinen Anlass das Verfahren zur Höhe an sich zu ziehen.

Soweit die Feststellungsanträge zu Ziffer 2, 4 und 5 betroffen sind, war der Erlass eines Grundurteils unzulässig (BGH aaO Umdruck Seite 6, WM aaO S. 35). In diesen Punkten ist der Rechtsstreit jedoch zur Endentscheidung reif, weil die jeweiligen Feststellungsansprüche, die der Höhe nach noch nicht beziffert werden können, aus den zu Ziffer 2 genannten Gründen bestehen. Über diese Ansprüche ist gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu befinden. Das angefochtene Urteil ist entsprechend zu ändern, ohne dass damit ein Erfolg des Rechtsmittels verbunden ist.

4. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Den Wert der Beschwer des Beklagten hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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