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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: 4 U 103/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 29 Abs. 1
ZPO § 32
BGB § 7 Abs. 1
BGB § 607
Voraussetzungen eines Wohnsitzes i.S.v. § 29 Abs. 1 ZPO

1. Erfüllungsort für eine Darlehens schuld ist der Wohnsitz des Darlehensnehmers.

2. Für die Begründung eines Wohnsitzes ist die polizeiliche Anmeldung weder erforderlich noch ausreichend. Sie kann allenfalls ein Beweisanzeichen darstellen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 103/00

Verkündet am: 31. Mai 2001

wegen Darlehensforderung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil geändert:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf 10 300,-- DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden; im Ergebnis führt nur die Anschlussberufung der Beklagten zum Erfolg. Entgegen der Auffassung des Erstrichters halt der Senat die erhobene Klage insgesamt für unzulässig, da das Landgericht Frankenthal international nicht zuständig ist. Auf die Anschlussberufung war das Urteil deshalb aufzuheben und unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Klägers die Klage insgesamt abzuweisen.

1. Die Zivilprozessordnung regelt die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich und unmittelbar, sondern grundsätzlich nur durch stillschweigende Verweisung auf §§ 12 ff ZPO. Folglich ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte mittelbar aus den Regeln über die örtliche Zuständigkeit: Ist nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig, so indiziert dies regelmäßig die internationale Zuständigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1995, 1225; Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., IZPR, Rdnr. 37, § 1, Rdnr. 8 m.w.N.).

2. Ausgehend von diesem Grundsatz hat der Erstrichter für den zuerkannten Teil der geltend gemachten Darlehensrückzahlungsansprüche die örtliche Zuständigkeit nach § 29 Abs. 1 ZPO aufgrund eines besonderen Gerichtsstandes des Erfüllungsortes als gegeben erachtet. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat nichts Hinreichendes für die Annahme vorgetragen, die Beklagte habe im fraglichen Zeitraum ihren Wohnsitz in L... begründet.

a) Zutreffend ist zunächst, dass ein allgemeiner Gerichtsstand nach § 12 ZPO in Frankenthal nicht begründet ist. Denn die Beklagte hatte zur Zeit der Klageerhebung unstreitig dort keinen Wohnsitz; vielmehr lebt sie seit der Trennung der Parteien im Oktober 1996 in Rumänien.

b) Weiter zutreffend ist, dass bei Darlehensrückzahlungsansprüchen ein Gerichtsstand aus § 29 ZPO hergeleitet werden kann. Danach ist bei Streitigkeiten aus einem Rechtsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Bei Darlehensverträgen folgert die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur daraus eine örtliche Zuständigkeit für das Wohnsitzgericht des Darlehensnehmers zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 956; OLG Stuttgart WM 1993, 17; Zöller/Vollkommer, aaO, § 29, Rdnr. 25 "Darlehensvertrag" m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an. Diese Rechtsprechung hat ihre Begründung in der rechtlichen Konstruktion des Darlehensvertrages, wonach Leistungs- und Erfüllungsort für den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens (§§ 607 Abs. 1, 609 BGB) der Wohnsitz des Darlehensnehmers bei Auszahlung des Darlehens ist, da in diesem Zeitpunkt auch die erst später zum Tragen kommende Rückzahlungsverpflichtung bereits begründet wird (§ 607 Abs. 1 BGB). Auf Kündigung und Fälligstellung des Darlehens kommt es insoweit nicht an; dadurch ändert sich nicht die Rückerstattungspflicht als solche, sondern nur die Art und Weise, wie der Darlehensnehmer als Rückerstattungsschuldner seiner Pflicht nunmehr nachzukommen hat (vgl. OLG Stuttgart aaO).

c) Jedoch hat der Kläger entgegen der Auffassung des Erstgerichts keine Umstände dargelegt, die hinreichende Anhaltspunkte dafür bieten, dass die Beklagte bei Auszahlung auch nur eines der behaupteten Darlehen ihren Wohnsitz in L... begründet hatte. Dies gilt auch für die Zeit vom 28. Juni 1996 bis 17. Oktober 1996, für welche der Erstrichter wegen der vorgelegten Meldebescheinigung die internationale Zuständigkeit bejaht hat. Denn dies genügt für sich genommen nicht zur Annahme eines Wohnsitzes i.S.d. § 7 BGB.

Einen Wohnsitz begründet nur derjenige, welcher sich an einem Orte ständig niederlässt und dort seinen Lebensmittelpunkt einrichtet (§ 7 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 7, Rdnr. 1). Die polizeiliche Anmeldung ist hierfür weder erforderlich, noch ausreichend. Sie kann allenfalls ein Beweisanzeichen darstellen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 506; Erman/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 7, Rdnr. 7 m.w.N.). Der Kläger halt aber - worauf er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden ist - keinerlei Vortrag zu Umfang, Ausmaß und näheren Umständen des angeblichen Aufenthalts der Beklagten in seiner Wohnung in L..., was ihm durchaus möglich und zumutbar gewesen wäre. Ohne diese Angaben vermag es der Senat jedoch nicht zu beurteilen, ob die Beklagte in L... ihren Lebensmittelpunkt im Sinne des § 7 BGB eingerichtet hatte. Dagegen spricht zudem, dass sie vor Eingehung der Ehe mit dem Kläger am 7. September 1996 überhaupt nicht befugt war, sich in Deutschland auf Dauer niederzulassen. Denn eine Aufenthaltserlaubnis hat sie erst durch Bescheid der Ausländerbehörde am 19. September 1996 erlangt.

Die Aussagekraft der Meldebescheinigung wird auch dadurch in Frage gestellt, dass sich die Beklagte ausweislich des amtlichen Vermerks der Stadtverwaltung L... auch bei ihrer Ausreise nach Rumänien nicht von dort abgemeldet hat. Die Auskunft aus dem Melderegister steht also jedenfalls ab 17. Oktober 1996 unstreitig im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen. Für den Zeitraum davor kann ihr demnach ebenso wenig eine entscheidende Indizwirkung zugemessen werden.

3. Auch soweit der Kläger nunmehr in der Berufungsinstanz einen Rückzahlungsanspruch in Hohe von 4 000,-- DM auf Deliktsrecht stutzt, ergibt sich hieraus nicht die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal/Pfalz. Es ist schon kein Sachverhalt vorgetragen, der einen solchen Anspruch schlüssig zum Gegenstand hat; die pauschale Behauptung, die Beklagte habe den Kläger "ausnehmen" wollen, genügt hierfür jedenfalls nicht. Zudem ist nach eigener Darstellung des Klägers der Geldbetrag durch eine Beauftragte in Rumänien an die Beklagte übergeben worden. Die Anwendung des § 32 ZPO wurde daher auch deshalb nicht zur Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal führen.

Selbst die Eingehung des Eheversprechens, die von Seiten des Klägers als "unerlaubte Handlung" eingestuft wird, ist nicht in Deutschland sondern in Dänemark erfolgt.

II.

Mangels örtlicher und dadurch bedingt internationaler Zuständigkeit ist die Klage deshalb insgesamt auf die Anschlussberufung als unzulässig abzuweisen. Die vom Kläger hilfsweise beantragte Verweisung des Rechtsstreits an ein zuständiges ausländisches Gericht kommt nicht in Betracht; dies wäre ein Verstoß gegen die Hoheitsrechte des ausländischen Staates (vgl. OLG Düsseldorf WM 2000, 2192, 2195 m.w.N.; Zöller/Greger, aaO, § 181, Rdnr. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer für den Kläger war nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO geboten.

Ende der Entscheidung

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