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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 4 U 123/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242 a.F.
BGB § 276 a.F.
BGB § 278 a.F.
BGB § 631 a.F.
Hat der Werkunternehmer seine vom Besteller abgenommene und vergütete Leistung ordnungsgemäß erbracht, und wird im Anschluss daran eine andere Firma mit Folgearbeiten befasst, die Änderungen an dem bereits errichteten Werk vornimmt, so verletzt der ursprünglich tätig gewordene Unternehmer keine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Besteller, wenn er der später tätig gewordenen Firma Monteure zur Verfügung stellt, die auf deren Weisung arbeiten und dabei Schaden verursachen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 123/02

Verkündet am: 12. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Freistellung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 9. Juli 2002 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um einen Freistellungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin mietete von der Protestantischen Kirchengemeinde M... einen Kirchturm zum Zweck des Betriebes und der Unterhaltung einer ... - Mobilfunkstation. Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Installation einer Funkkabine nebst Antennenrohren und Befestigungsvorrichtungen. Der Auftrag wurde ordnungsgemäß durchgeführt, von der Klägerin abgenommen und vergütet. Die weitere Installation der Antenne wurde von einer Firma R... durchgeführt, die im Auftrag einer Fa. T... tätig wurde und die es für erforderlich hielt, an den Installationen der Beklagten eine Änderung vorzunehmen. Zu diesem Zweck forderte sie zwei Monteure der Beklagten an, die zu dem Kirchturm hinfuhren und dort auf Weisung der Fa. R... die gewünschten Änderungen ausführten. Infolge dieser Änderungen kam es zu einer Beschädigung des Kirchturms, weil die Kirchenglocke beim Läuten gegen die Antennenhalterung stieß und dadurch Risse im Mauerwerk entstanden. Die Klägerin fordert von der Beklagten, sie von Schadensersatzansprüchen zu befreien, die von der Protestantischen Kirchengemeinde M... wegen der Sanierung der Schäden an sie gestellt werden.

Mit Urteil vom 9. Juli 2002, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz der Klage stattgegeben.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie jeweils innerhalb gesetzlicher Frist eingelegt und begründet hat.

Die Beklagte macht geltend, das Landgericht sei zu Unrecht vom Bestehen einer nachwirkenden Pflicht ausgegangen. Der mit der Klägerin geschlossene Werkvertrag sei erfüllt gewesen. Soweit die Beklagte später für die Firma R... tätig geworden sei, habe sie keine neue oder weitergehende Verpflichtung gegenüber der Klägerin übernommen. Der Beklagten sei von der Firma R... auch keine bestimmter Auftrag erteilt worden. Ihre Monteure seien den Leuten der Firma R... nur bei der Umsetzung eines Antennenrohrs behilflich gewesen und hätten auf Weisung der Firma R... gehandelt. Dass nach Abschluss der Arbeiten der Firma R... kein Probeläuten mehr durchgeführt worden sei, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Verantwortlich dafür sei letztlich der bauleitende Architekt. Die Klage könne auch nicht auf abgetretenes Recht aus unerlaubter Handlung gestützt werden. Zum einen fehle es an einer unerlaubten Handlung gegenüber der Eigentümerin. Zum anderen seien die eingesetzten Monteure immer absolut zuverlässig gewesen (Beweis: Zeuge N.N.). Schließlich habe die Erstrichterin auch nicht annehmen dürfen, die Beklagte habe nur den Schadensumfang bestritten.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Berufungsbegründung vom 16. September 2002 (Bl. 86 ff. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass

1. die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin freizustellen von allen notwendigen Schadensersatzansprüchen, welche der protestantischen Kirchengemeinde in M... entstanden sind und entstehen für die Sanierung der in der H...straße ... gelegenen Protestantischen Kirche, verursacht durch das Schlagen der großen Glocke im Glockenturm gegen die Holzgebälkskonstruktion des Glockenturms im September 1999, hinsichtlich eines Gebäudesanierungsaufwandes von 210.000,-- DM netto = 107.371,30 € netto zuzüglich Architekten- und Statikerkosten von netto 23.000,-- DM = 11.759,71 € netto,

2. festzustellen, dass die Beklagte für den von der Protestantischen Kirchengemeinde in M... darüber hinaus entstandenen und entstehenden notwendigen Schaden eintrittspflichtig ist, welcher dieser entstanden ist am Kirchengebäude in der H...straße ..., aus dem zuvor zitierten Schadensereignis.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 4. Oktober 2002 (Bl. 100 ff. d.A.) und trägt noch vor, die streitgegenständlichen Änderungen der Antennenbefestigung hätten nicht unter der Bauleitung des Architekten Sch... gestanden.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 , 519, 520 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Der Klägerin steht kein Freistellungsanspruch zu. Das angefochtene Urteil ist deshalb zu ändern. Die Klage ist abzuweisen.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein Anspruch auf Freistellung allein auf positive Vertragsverletzung gestützt werden kann. Ihre werkvertragliche Primärleistungspflicht auf Herstellung eines ordnungsgemäßen Werks i.S.v. § 631 Abs. 1 BGB a.F. hat die Beklagte nicht verletzt. Es ist unstreitig, dass sie die auf Grund des Auftrages der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 29. Juni 1999 (Anlage K 5 zur Klageschrift) geschuldeten Leistungen zur Herstellung einer Funkkabine, Steigewegen, Antennenrohren u.a. ordnungsgemäß erfüllt hat. Die Leistung der Beklagten wurde von der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgenommen. Ihre Vergütung von 97.972,44 DM, welche die Beklagte am 27. August 1999 in Rechnung stellte (Anlage K 6 zur Klageschrift) hat die Beklagte erhalten. Somit ist eine Haftung der Beklagten allenfalls dann denkbar, wenn sie gegenüber der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin eine ihr obliegende Nebenpflicht verletzt hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Erstrichterin nicht der Fall.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist allerdings anerkannt, dass auch nach der eigentlichen Vertragsabwicklung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gewisse nachvertragliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten eingreifen können, damit dem Vertragspartner nicht unverhältnismäßige Schäden entstehen, die mit der vorangegangenen Vertragserfüllung zusammenhängen. Daraus kann sich das Verbot ergeben, dem Gläubiger die durch den Vertrag gewährten Vorteile wieder zu entziehen oder zu schmälern. Es kann sich ferner die Pflicht ergeben, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte (vgl. dazu etwa BGH NJW-RR 1990, 141, 142; BGH NJW 1983, 998; BGH NJW 1978, 260; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 242 Rdn. 27 und § 276 Rdn. 121, jew. m.w.N.). Ob eine solche Pflicht besteht, ist letztlich eine Wertungsfrage, die nach den Umständen des Einzelfalles beantwortet werden muss (BGH aaO). Im hier zu entscheidenden Fall besteht für die Annahme einer solchen Pflicht kein Anlass.

Nach den Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 3 f., Bl. 60 f. d.A.) erfolgte nach Abschluss der Arbeiten der Beklagten die weitere Installation der Anlage durch die Firma R... unter der Bauleitung des Architekten Sch.... Die Firma R... veranlasste die Beklagte, ihr Leute zu senden, wobei streitig ist, ob diese Aufforderung unmittelbar von der Firma R... oder von der Firma T... ausgegangen ist, in deren Auftrag die Firma R... tätig war. Die von der Beklagten geschickten beiden Monteure, fuhren zu der Kirche und nahmen dort auf Anweisung der Firma R... die gewünschten Änderungen vor.

Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht davon ausgehen, sie erbringe gleichsam in Fortführung - oder wie das Landgericht meint, in einer Art "Nachbesserung" - des bereits erledigten Auftrags eine Kulanzleistung gegenüber der Klägerin. Dabei mag es zwar zutreffen, dass die Beklagte angenommen hat, hinter dem Änderungswunsch stehe letztlich die Klägerin. Das ändert aber nichts daran, dass sie auf Veranlassung der Firma R... tätig geworden ist, die aus Sicht der Beklagten einen selbständigen Auftrag gegenüber der Klägerin erfüllte. Wenn die Beklagte unter diesen Voraussetzungen der Firma R... Mitarbeiter zur Verfügung stellte, die nach konkreten Weisungen der Firma R... arbeiteten, trat die Beklagte auch nur zu dieser Firma in rechtliche Beziehungen. Soweit ihr daraus Sorgfaltspflichten erwuchsen, bestanden sie gegenüber der Firma R... und nicht gegenüber der Klägerin. Ihr gegenüber hatte die Beklagte ihre Leistungspflichten vollständig erfüllt. Sie hatte keinen Anlass, sich nun mit der Frage zu befassen, ob ihr Tätigwerden den ursprünglich gegenüber der Klägerin geschuldeten und auch geleisteten Erfolg wieder in Frage stellen würde. Dass die ursprüngliche Leistung der Beklagten wieder geändert werden sollte, war für alle Beteiligten offensichtlich. Für diese Änderung war rechtlich aber nun die Firma R... und nicht mehr die Beklagte verantwortlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Firma R... nicht über die erforderliche Sachkunde verfügte, lagen nicht vor. Zudem existierte eine Bauleitung. Unter diesen Umständen ist nicht zu erkennen, warum die Beklagte die vom Landgericht (LGU S. 11, Bl. 68 d.A.) geforderte Überprüfung hätte veranlassen und sicherstellen sollen. Aus Billigkeitsgründen (§ 242 BGB) war dies nicht geboten. Wenn die Klägerin mit der Firma R... eine weitere Firma in die Ausführung der Errichtung der Antennenanlage eingeschaltet und wenn diese Firma Änderungen veranlasst hatte, so haftete diese Firma der Klägerin. Gegebenenfalls war die Beklagte Erfüllungsgehilfin der Firma R.... Dadurch erwuchsen der Beklagten aber keine eigenen nachvertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin.

Allerdings behauptet die Klägerin, sie selbst, bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe weder mit der Firma R... noch mit der Firma T... etwas zu tun gehabt und trägt erstmals in der Berufungsinstanz vor (vgl. Bl. 101 d.A.), auch der Bauleiter Sch... sei mit den Änderungsarbeiten nicht befasst gewesen. Letzteres ist schon deshalb unerheblich, weil der Tatbestand des Urteils erster Instanz eine anders lautende Feststellung enthält (vgl. LGU S. 3, Bl. 60 d.A.). Sie ist gemäß §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindend. Im Übrigen spricht der Umstand, dass alle Planunterlagen, in denen die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Bauherrin angeführt ist, Hinweise auf die Firma "t..." enthalten, in der Sache dagegen, dass die Klägerin mit dieser Firma nichts zu tun gehabt hat. Selbst wenn aber bei Errichtung der Antennenanlage tatsächlich Firmen tätig geworden wären, die dazu nicht berechtigt waren, musste die Beklagte dies jedenfalls nicht wissen. Dann haftet sie gegenüber der Klägerin unter diesem Gesichtspunkt auch nicht vertraglich.

Aus Delikt haftet die Beklagte der Klägerin ebenfalls nicht auf Freistellung. Eigentum der Klägerin i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB hat die Beklagte nicht beschädigt. Soweit die Klägerin sich Ersatzansprüche der Kirchengemeinde gegen die Beklagte hat abtreten lassen (vgl. Bl. 50 d.A.), kann dies allenfalls einen Zahlungsanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht rechtfertigen. Einen solchen Anspruch macht die Klägerin aber nicht geltend.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 19. Mai 2003 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 296 a ZPO wieder zu eröffnen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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