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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 4 U 135/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 709
ZPO § 717 Abs. 2
ZPO § 718
ZPO §§ 709, 717 Abs. 2, 718

1. Die Höhe einer Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO ist an der voraussichtlichen Höhe des Schadens auszurichten, der gemäß § 717 Abs. 2 ZPO bei einer Aufhebung des vorläufig vollstreckbaren Urteils zu erstatten wäre.

2. Wird dem Beklagten durch das vorläufig vollstreckbare Urteil die materielle Grundlage eines Zurückbehaltungsrechts entzogen und haben die zurückbehaltenen Gegenstände keinen selbständigen Vermögenswert, so kommt es für die Höhe der Sicherheitsleistung darauf an, inwieweit der Beklagte zur Durchsetzung seiner eigenen Forderung auf die zurückbehaltenen Gegenstände angewiesen ist. Je höher die Erfolgsaussichten einer Zwangsvollstreckung wegen des eigenen Anspruchs des Beklagten sind, desto geringer ist der Wert des Druckmittels zu veranschlagen.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken - 4. Zivilsenat - Teilurteil vom 8. März 2001 - 4 U 135/00


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Teilurteil

Aktenzeichen: 4 U 135/00 4 O 318/99 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 8. März 2001

Sefrin, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Herausgabe von Schriftstücken

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten vom 24. Januar 2001 auf Erhöhung der im Tenor Ziffer 3. des Urteils des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 14. September 2000 festgesetzten Sicherheitsleistung wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Beklagte war für den Kläger als Steuerberater tätig und behauptet das Bestehen fälliger Honoraransprüche gegen diesen in Höhe von 46 541,-- DM. Deswegen verweigert er die Herausgabe von Schriftstücken betreffend den früheren Geschäftsbetrieb des Klägers, die dem Beklagten zur Ausführung der steuerberatenden Tätigkeit ausgehändigt worden waren. Er beruft sich dabei auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Bezahlung seiner Honorarforderungen. Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Urteil vom 14. September 2000 den Beklagten hinsichtlich der Herausgabe einzelner, im Tenor des Urteils näher bestimmter Schriftstücke zur Herausgabe verurteilt, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe die erforderliche ordnungsgemäße Rechnungsstellung nicht vorgenommen, weshalb es ihm verwehrt sei, dem Kläger Geschäftsunterlagen vorzuenthalten.

Das Landgericht hat ferner die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben und in Ziffer 3 des Urteils auf der Grundlage von § 709 S. 1 ZPO eine Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Ziffer 1 des Urteilstenors ausgesprochen; die Höhe der danach zu leistenden Sicherheit hat es auf 5 000,-- DM festgesetzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit weicher er die Klageabweisung insgesamt begehrt.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2001 beantragt der Beklagte,

die Sicherheitsleistung gemäß Ziffer 3 des angefochtenen Urteils wesentlich zu erhöhen, mindestens auf 20 000,- DM.

Der Kläger tritt diesem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in dem nach § 718 ZPO vorab zu verhandelnden und zu entscheidenden Verfahren über die vorläufige Vollsrkeit in der Sache unbegründet. Der Erstrichter hat die Höhe der gemäß § 709 S. 1 ZPO im Rahmen des Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit festzusetzenden Sicherheit nicht unangemessen bestimmt. Insoweit war durch Teilurteil zu entscheiden.

Im einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Einwendungen der Parteien, die sich auf die Erfolgsaussicht der Berufung beziehen, hat der Senat bei seiner Entscheidung außer Betracht gelassen. Denn eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache hat in dem vorliegenden Vorabverfahren gemäß § 718 ZPO zu unterbleiben. Die Entscheidung, ob und in welcher Weise das erstinstanzliche Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, richtet sich allein nach den Voraussetzungen der §§ 708 ff ZPO, und zwar unabhängig davon, dass die Entscheidung in diesem Fall nicht durch das Gericht der ersten Instanz, sondern das Berufungsgericht ergeht (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1987, 496, 497; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 718, Rdnr. 3).

2. Der Senat hat lediglich geprüft, ob die Höhe der Sicherheit angemessen festgesetzt ist. Um diese Frage zu beantworten, gilt es, sich den Sinn einer Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO zu vergegenwärtigen: Es geht ausschließlich darum, dem Vollstreckungsschuldner eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils den Ersatz desjenigen Schadens zu sichern, der ihm nach einer Aufhebung des gegen ihn ergangenen Urteils in der nächsten Instanz zustehen könnte. Diesen Fall regelt § 717 Abs. 2 ZPO. Der Kläger hat dem Beklagten danach einen Schaden zu ersetzen, der durch die Vollstreckung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten und später aufgehobenen oder abgeänderten Urteils entstanden ist. Die Höhe der Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO ist deshalb so zu bestimmen, dass daraus eventuelle Ansprüche nach § 717 Abs. 2 ZP0 dem Schuldner voll ersetzt werden können (vgl. Stein/Jonas-Münzberg, ZPO, 8. Aufl., § 709, Rdnr. 3 m.w.N.). Sie orientiert sich also an einer Prognose des Schadens, der nach § 717 Abs. 2 ZPO zu erstatten wäre. Inhalt und Umfang des Ersatzanspruchs aus § 717 Abs. 2 ZPO richtet sich wiederum nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff BGB (vgl. z. B. BGHZ 87, 110).

Im vorliegenden Fall besteht der mögliche Schaden des Beklagten - abgesehen von der denk- . baren Vollstreckung wegen der von ihm zu tragenden anteiligen Gerichtskosten - ausschließlich darin, dass ihm durch die Wegnahme der zurückbehaltenen Unterlagen gemäß § 883 ZPO die materielle Grundlage seines Zurückbehaltungsrechts entzogen wird. Damit wird ihm im Wege vorläufiger Vollstreckung ein Mittel genommen, das der Sicherung seiner angeblichen Honoraransprüche gegen den Kläger dient. Nur der Verlust dieser Vorteile durch die Vollstreckung stellt also in concreto den durch § 709 zu sichernden rechtserheblichen Schaden des Beklagten der (vgl. Stein/Jonas-Münzberg, aaO, § 717, Rdnr. 26 a.E.; Roussos, JUS 1987, 606, 607).

3. Die Vermögensmäßigkeit dieses zu sichernden Verlustes ist indes schwer zu fassen. Dies liegt daran, dass die zurückbehaltenen Gegenstände keinen selbständigen Vermögenswert besitzen, den der Beklagte im Falle der Uneinbringlichkeit seiner angeblichen Honorarforderungen gegen den Kläger liquidieren könnte. Anders wäre es etwa, wenn der Beklagte einen werthaltigen Gegenstand zurückhalten würde. Deshalb kann hier nur darauf abgestellt werden, ob und inwieweit der Beklagte zur Durchsetzung seiner behaupteten Forderungen gegen den Kläger auf die zurückbehaltenen Gegenstände angewiesen ist, d.h. mit welcher Erfolgsaussicht er sich auch anderweitig z. B. durch das Betreiben der Zwangsvollstreckung in das Klägervermögen - befriedigen kann. Je höher die Erfolgschancen einer Zwangsvollstreckung gegen den Kläger hinsichtlich des Honorares sind, umso geringer ist der Wert des Druckmittels zu bestimmen, das der Beklagte durch den Verlust der zurückbehaltenen Gegenstände eingebüßt hat. Andererseits geht diese Druckmittelfunktion aber auch dann gegen Null, wenn die Honorarforderung bei dem Kläger ohnehin mangels Solvenz uneinbringlich ist (vgl. Roussos, aaO). Letzteres ist hier der Fall: Mit Blick auf die bereits mit der Klageschrift dargelegte Vermögenslosigkeit, die sich auch in den Anträgen des Klägers zur Prozesskostenhilfe niederschlägt, schätzt der Senat mangels Durchsetzbarkeit angeblicher Ansprüche des Beklagten die Druckmittelfunktion der an sich nicht werthaltigen Vermögensgegenstände als äußerst gering ein.

4. Durch die mit 5 000,- DM festgesetzte Sicherheitsleistung ist dem Sicherungsbedürfnis des Beklagten deshalb jedenfalls ausreichend Rechnung getragen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger aus der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils noch die Hälfte der Gerichtskosten bei einem Streitwert zwischen 14 001.- DM und 16 000.- DM vollstrecken kann.

Ende der Entscheidung

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