Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: 4 U 162/01
Rechtsgebiete: UWG, GefahrstoffVO, LMBG, EG-Richtlinie 1999/45/EG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13
GefahrstoffVO § 10 Abs. 3
GefahrstoffVO § 12 Abs. 7 Nr. 1
LMBG § 8 Nr. 3
EG-Richtlinie 1999/45/EG
Eine verkehrsüblich geformte Spraydose für ein Mittel zur Pflege des Kraftfahrzeuginnenraums, in deren oberen Bereich Früchte abgebildet sind, die aber den besonders hervorgehobenen Aufdruck "Cockpitspray" enthält und im weiteren Dekorationsbereich deutlich einen Kfz-Innenbereich abbildet, lässt aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Verbrauchers nicht erwarten, dass sich in der Dose Lebensmittel befinden. Die Aufmachung ist auch nicht geeignet, die aktive Neugier von Kindern zu wecken.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 162/01

Verkündet am: 16. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung u.a. (GefahrstoffVO)

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Vorsitzenden Richterin der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 31. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein zur Förderung gewerblicher Interessen i.S.v. § 13 Abs. 2 UWG. Er verfolgt lt. § 2 seiner Satzung den Zweck, durch Beteiligung an der "Rechtsforschung" sowie durch Aufklärung und Beratung zur Förderung des lauteren Wettbewerbs beizutragen und den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Die Beklagte handelt mit Kraftfahrzeugzubehör und Artikeln für die Pflege, Reparatur und Ausstattung von Kraftfahrzeugen. Sie produziert und vertreibt auch ein Cockpitspray mit der Bezeichnung, "N... C... (400 ml)". Diese Spraydose ist ca. 25 cm hoch und in ihrer Aufmachung optisch in fünf nahezu gleichgroße Abschnitte aufgeteilt. Diese sind von oben nach unten: Eine rote Verschlusskappe, eine orangefarbene Banderole mit den Aufschriften "Jumbodose + 60 % und "ORANGE" und der Abbildung aufgeschnittener Orangen, eine grün-weiß gestaltete Banderole mit der Aufschrift "N... C..." und zwei Emblemen mit den Aufschriften "N... 100 Jahre" und "farbauffrischend", eine Abbildung eines Kfz-Innenraums, einer grünen Banderole mit der Aufschrift "Tiefenpflege für Innen, seidenmatter Glanz, antistatische Spezialpflege". Wahlweise gibt es statt der "Orangen"-Banderole ebenso gestaltete Aufmachungen mit Äpfeln, Pfirsichen oder Vanille.

Der Kläger sieht in der Gestaltung der Dosen mit der Abbildung von Früchten bzw. Gewürzen in Verbindung mit einem Cockpitspray einen Verstoß gegen die Gefahrstoffverordnung, gegen die EG-Richtlinie 1999/45/EG und gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz sowie gegen § 1 UWG. Er ist der Ansicht, dass die Dosen mit dem Cockpitspray, die im Einzelhandel für jedermann erhältlich sind, gefährliche Zubereitungen enthalten und gleichzeitig eine grafische Dekoration aufweisen, die die aktive Neugierde von Kindern wecken oder fördern oder beim Verbraucher zu Verwechselungen führen könne. Die Aufmachung der Spraydosen mit der Abbildung von Obstsorten könne dazu führen, dass ihr Inhalt von den Verbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werde.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500 000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Cockpitspray der Marke "N... C..." mit Abbildungen von Lebensmitteln, insbesondere Obstsorten, wie anliegend abgebildet, in den Verkehr zu bringen und zu vertreiben;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 315,65 DM nebst 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der EZB seit dem 25.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es entspräche einer allgemeinen Übung, mit bildlichen Hinweisen, insbesondere, mit der Abbildung von Früchten, auf in der jeweiligen Spraydose enthaltene Aroma- oder Duftstoffe blickfangmäßig zu verweisen. Bei den Verbrauchern scheide eine Verwechslung des Cockpitsprays mit Lebensmitteln schon deshalb aus, weil die Dose in großer Aufschrift mit dem Wort "COCKPITSPRAY" versehen ist. Auch bei Kindern sei eine Verwechslung ausgeschlossen, da dieser Gruppe Spraydosen im Zusammenhang mit Lebensmitteln oder gar Getränken nicht bekannt sei. Darüber hinaus nähmen Kinder auch die deutlich größere Abbildung des Kfz-Innenraums wahr, sie würden demnach das Produkt zwangsläufig mit Kraftfahrzeugen in Verbindung bringen und nicht mit einem Lebensmittel.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hält die zulässige Klage für unbegründet, da die von der Beklagten ausgewählte Gestaltung der Cockpitspraydosen nicht als wettbewerbswidrig zu beanstanden seien; es läge auch kein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 und § 12 Abs. 7 Ziff. 1 der Gefahrstoffverordnung oder gegen § 8 Nr. 3 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vor. Die Dose habe keinerlei Besonderheiten, durch die die Aufmerksamkeit von Kindern im besonderen Maße auf sich gezogen würde; außerdem sei die Banderole, auf der die Obst- bzw. Gemüsesorten abgebildet sind, der Abbildung des Kfz-Innenraums blickfangmäßig deutlich untergeordnet. Zudem würden zahlreiche Produkte aus dem Körperpflegebereich in Behältnissen angeboten, auf denen ebenfalls Früchte abgebildet seien, die - auch für Kinder - bekannterweise zur Kennzeichnung von Aromastoffen dienten.

Gegen das ihm am 1. August 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 3. September 2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit am 4. Oktober 2001 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger begründet seine Berufung insbesondere mit § 8 Nr. 3 LMBG. Besonders für Kinder sei hier eine Verwechslungsgefahr gegeben; Kinder könnten zu dem Schluss gelangen, dass es sich bei dem Inhalt der Spraydose um ein Obstgetränk handele. Die Vorstellungswelt von Kindern sei wesentlich unberechenbarer als die von Erwachsenen, die derartige Bilddarstellungen mit der "Logik des Urteils" betrachten würden.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil der Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau vom 31.07.2001 zu ändern und der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500 000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Cockpitspray der Marke "N... C..." mit Abbildungen von Lebensmitteln, insbesondere Obstsorten, wie abgebildet, in den Verkehr zu bringen und zu vertreiben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 315,65 DM nebst 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der EZB seit dem 25.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus 1. Instanz. Sie ist der Ansicht, §§ 10 Abs. 3 und 12 Abs. 7 Ziff. 1 der Gefahrstoffverordnung seien hier nicht anwendbar, insbesondere sei eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben, da die Spraydose ihrer Aufmachung nach nicht durch die Fruchtabbildungen, sondern durch die Abbildung eines Kfz-Innenraums und der Aufschrift Cockpitspray wesentlich geprägt sei. Auch die durch § 8 Abs. 3 LMBG verlangte Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil eine konkrete Verwechslung nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht gegeben sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, in der Sache hat sie keinen Erfolg.

Die Gestaltung der Cockpit-Spraydosen mit der gegenständlichen Abbildung von Obstsorten und Gewürzen ist nicht wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG, § 10 Abs. 3 GefahrstoffVO, § 12 Abs. 1 Ziff. 1 GefahrstoffVO, § 8 Ziff. 3 LMBG.

§ 10 Abs. 3 GefahrstoffVO soll verhindern, dass gefährliche Stoffe und Lebensmittel wegen Form oder Bezeichnung der Verpackungen verwechselt werden können. Die Schutzvorschrift ist nicht an besondere Verkehrskreise adressiert, so dass sich das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr an der Auffassungsgabe der durchschnittlich verständigen Verbraucher orientiert. Die gegenständlichen Spraydosen weisen ihrer Form nach keine Besonderheiten auf, sie sind verkehrsüblich geformt. Den Verbrauchern ist bekannt, dass solche Spraydosen in der Regel Inhalte haben, die auch toxische Substanzen beinhalten. Verkehrsüblicherweise wird nicht davon ausgegangen, dass sich in einer Spraydose Lebensmittel befinden. Eine entsprechende Assoziation könnte hier nur deshalb in Betracht kommen, weil im oberen Bereich der Dosen u.a. Orangen abgebildet sind. Im Verhältnis zur gestalterischen Gesamtaufmachung der Spraydosen wird die Assoziationskraft jedoch zugunsten des Cockpitsprays geleitet, da sich auf dem überwiegenden Teil der Spraydosen Hinweise in Bild und Schrift finden, die auf den Gefahrstoff Cockpitspray aufmerksam machen. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Verbraucher erkennen kann, dass die Abbildung von Orangen etc. nicht auf Lebensmittel aufmerksam macht, sondern nur auf eine bestimmte Duftsorte hinweisen soll.

Auch § 12 Abs. 7 Ziff. 1 GefahrstoffVO ist nicht einschlägig. Diese im Vergleich zu § 10 Abs. 3 GefahrstoffVO speziellere Schutzvorschrift stellt auf die Form oder grafische Dekoration von Behältern ab, die die aktive Neugierde von Kindern wecken oder fördern oder beim Verbraucher zu Verwechslungen führen können. Eine Verwechslungsgefahr ist beim - durchschnittlich verständigen - Verbraucher nicht zu erwarten; insoweit wird auf die Ausführungen zu § 10 Abs. 3 GefahrstoffVO Bezug genommen. Die Dekoration der Spraydosen ist auch nicht geeignet, die aktive Neugierde von Kindern zu wecken oder zu fördern. Die Schutzvorschrift ist eng auszulegen, da die aktive Neugierde von Kindern per se Gewerbetreibenden und sonstigen Verkehrskreisen unendliche Schutzmaßnahmen abverlangen würde, um ihnen zu ermöglichen, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Es ist deshalb darauf abzustellen, was typischerweise die Neugierde von Kindern innerhalb ihres persönlichen und sozialen Umfelds weckt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Aufdruck von Obst oder Gewürzen in Wort und/oder Bild auf Produkten, die gefährliche Stoffe i.S. der GefahrstoffVO enthalten, im Umfeld von Kindern auch in anderen Formen sehr häufig vorkommen; dazu zählen u.a. Reinigungsmittel und Haarshampoos, auf denen häufig mit vergleichbaren Bildhinweisen auf Duftmerkmale und Aroma hingewiesen wird. Je häufiger derartige Produkte im Umfeld von Kindern auftauchen, desto stärker reduziert sich ihre Neugierde.

Außerdem ist auch im Rahmen von § 12 Abs. 7 Nr. 1 GefahrstoffVO eine Gesamtbewertung der Aufmachung der Spraydosen durchzuführen, um eine etwaige Gefahrensituation feststellen zu können. Insofern ist wesentlich, dass die Dosen jeweils im Mittelfeld den besonders hervorgehobenen Aufdruck "Cockpitspray" enthalten und in einem weiteren - dem größten -Dekorationsbereich ein Kfz-Innenraum deutlich abgebildet und für jedermann, auch für Kinder, als solcher zu erkennen ist. Hinzu kommt noch die Form der Verpackung; wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich um typische Spraydosen, die regelmäßig toxische Substanzen enthalten. Die dominierenden Merkmale der Spraydosen sind demnach auch bei Kindern nicht geeignet, die Neugierde im Hinblick auf ein hier vorhandenes (besonders verpacktes) Lebensmittel zu wecken.

§ 8 Ziff. 3 LMBG stellt darauf ab, ob es vorhersehbar ist, dass - insbesondere Kinder - bestimmte Erzeugnisse mit Lebensmitteln verwechseln. Als vorhersehbar gilt jede Verwechslung, die so häufig vorkommt, dass mit ihr gerechnet werden kann (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, LMBG, § 8 Rdnr. 28). Es ist nicht vorhersehbar, dass insbesondere Kinder die Spraydose bzw. deren Inhalt mit Lebensmitteln verwechseln, auch wenn auf der Verpackung - neben anderen Hinweisen - Orangen etc. abgebildet sind. Die abgebildeten Lebensmittel werden in beträchtlichem Umfange durch andere, gerade nicht auf Lebensmittel hinweisenden Merkmale, dominiert. Dazu gehört, wie bereits beschrieben, die Abbildung des Kfz-Innenraums auf der Spraydose, die Bezeichnung "Cockpitspray" (besonders hervorgehoben) und die Form der Verpackung, die eindeutig eine handelsübliche Spraydose ausweist. Die Wahrscheinlichkeit, dass insbesondere Kinder bei einer Spraydose assoziieren, es handele sich um ein Lebensmittel, ist sehr niedrig einzustufen und deshalb mit Sicherheit nicht vorhersehbar i.S. des § 8 Abs. 3 LMBG; Lebensmittel werden nämlich - auch nach der Erfahrung von Kindern - in der Regel nicht in Spraydosen in den Verkehr gebracht.

Ein über den Schutzzweck der genannten Normen hinausgehender Regelungsbereich ist der Generalklausel des § 1 UWG nicht zu entnehmen, so dass ein Wettbewerbsverstoß insgesamt nicht vorliegt.

Da kein Wettbewerbsverstoß festzustellen ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 ZPO n.F.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück