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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 4 U 168/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 254
BGB § 259
BGB § 662
BGB § 666
1. Eine Stufenklage kann ohne gleichzeitige Geltendmachung des Leistungsanspruchs in der Form erhoben werden, dass nur auf Auskunft und eidesstattliche Versicherung geklagt wird.

2. Zur Reichweite einer Kontovollmacht unter Partnern einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 168/03

Verkündet am: 9. September 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Auskunft u. a.,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab und die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 11. September 2003 teilweise geändert: 1. Die Klage wird bezüglich des Klageantrags Nr. 1 (Rechenschaftslegung) abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist die Schwester des am 26. April 2000 verstorbenen M... G.... Sie nimmt die Beklagte, die Lebensgefährtin des Erblassers, als Testamentsvollstreckerin in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Erblasser erteilte der Beklagten am 12. September 1999 Kontovollmacht für sein Girokonto bei der ...-...bank ..., weil er wegen einer schweren Erkrankung seine Bankgeschäfte nicht mehr alleine führen konnte. Am 20. März 2000 wurde er in ein Krankenhaus nach B... A... verbracht, wo er am 25. April 2000 verstarb. Die Beklagte hob während des Krankenhausaufenthaltes 5 100,-- DM von dem Girokonto ab. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rechnungslegung über die Verwendung dieser Geldbeträge. Ferner hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 12 135,01 € nebst Zinsen zu bezahlen, weil die Beklagte weitere Geldbeträge von dem Konto abgehoben und Vermögensgegenstände aus dem Nachlass des Erblassers an sich gebracht habe,

Durch Teilurteil vom 11. September 2003 hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Beklagte zur Rechnungslegung und zur Zahlung von 11 785,25 € nebst Zinsen verurteilt; im Übrigen hat sie die Klage abgewiesen. Auf das Teilurteil wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung bekämpft die Beklagte das Urteil, soweit das Landgericht den Anträgen der Klägerin gefolgt ist. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts, wobei sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung führt zum Erfolg, soweit das Landgericht die Beklagte zur Rechnungslegung verurteilt hat; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Zutreffend ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Klägerin bezüglich der in dem Klageantrag Nr. 1 genannten Kontoabhebungen eine Stufenklage nach § 254 ZPO erhoben hat, und hat folgerichtig über den Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil entschieden. Die restlichen Zahlungsanträge sind weitere, im Wege der objektiven Klagehäufung verbundene Anträge, die von dem Anspruch Nr. 1 unabhängig sind.

Zwar setzt die Stufenklage nach § 254 ZPO ihrem Wortlaut nach voraus, dass eine Klage auf Rechnungslegung bzw. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit dem Leistungsantrag verbunden wird. Es ist deshalb umstritten, ob eine Stufenklage auch in der Weise erhoben werden kann, dass - wie hier - nur die beiden ersten, den Leistungsanspruch vorbereitenden Stufen auf Auskunft und eidesstattliche Versicherung, nicht aber der Leistungsanspruch selbst gestellt oder wenigstens angekündigt werden. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (NJW-RR 1995, 1411) ist eine solche Klage keine Stufen-, sondern eine allgemeine Auskunftsklage, verbunden mit dem Antrag auf eidesstattliche Versicherung (ebenso: Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 254 Rdnr. 3). Nach anderer Meinung kann eine Stufenklage aber auch in der Form erhoben werden, dass nur auf Auskunft und eidesstattliche Versicherung geklagt wird (so genannte "verkürzte Stufenklage", vgl. KG FamRZ 1997, 503; Lüke in MünchKomm., ZPO, 2. Aufl., § 254 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 254 Rdnr. 3; so wohl auch: BGH NJW 1975, 1409). Der Senat folgt der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass eine Stufenklage nicht auch die gleichzeitige Geltendmachung des Leistungsanspruchs erfordert.

2. Die Klägerin ist als Testamentsvollstreckerin prozessführungsbefugt (§ 2219 BGB). Der Erblasser hat sie durch notarielles Testament vom 21. August 1997 zur Testamentsvollstreckerin bestimmt und angeordnet, dass sie seinen Nachlass und dessen Erträge bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der jüngsten seiner beiden Töchter verwalten solle. Es handelt sich mithin um eine Verwaltungsvollstreckung im Sinne von § 2209 Satz 1 1. Halbs. BGB. Die Klägerin hat damit das dinglich wirkende Verwaltungsrecht über das Vermögen des Erblassers einschließlich der Verfügungsbefugnis des § 2205 Satz 2 BGB (vgl. auch Brandtner in MünchKomm., BGB, 3. Aufl., § 2209 Rdnr. 10 m. w. N.). Sie hat deshalb nach § 2212 BGB die Befugnis, im Prozess die zum Nachlass gehörenden Forderungen geltend zu machen.

3. Die Klage ist aber unbegründet, soweit die Klägerin von der Beklagten in ihrem Klageantrag Nr. 1 Rechnungslegung über die während des Krankenhausaufenthalts des Erblassers in B... A... von der Beklagten von dem Girokonto abgehobenen Geldbeträge (5 100,-- DM) verlangt.

Das Landgericht hat angenommen, ein Anspruch der Klägerin (§§ 662, 666, 259 BGB) bestehe, weil der Erblasser der Beklagten die Kontovollmacht nicht nur aus Gefälligkeit erteilt habe.

Dem vermag der Senat jedenfalls bezüglich der dem Rechnungslegungsanspruch zu Grund liegenden Kontoabhebungen nicht zu folgen.

Für die Frage, ob eine Kontovollmacht mit Rechtsbindungswillen erteilt wurde, ist entscheidend, ob anhand objektiver Kriterien - der Erklärungen oder des sonstigen Verhaltens der Parteien - festgestellt werden kann, dass sich die Parteien rechtsgeschäftlich binden wollten. Für die Beurteilung dieser Frage sind vor allem sowohl die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Begünstigten als auch die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (BGHZ 88, 373, 382); Für den Bereich der Ehe ist insoweit entschieden, dass die Erteilung einer Kontovollmacht alleine nichts darüber sagt, ob der Bevollmächtigte im Innenverhältnis frei verfügen darf oder nach Auftragsgrundsätzen dem anderen Ehepartner haftet (vgl. BGH FamRZ 1988, 476). An die Annahme einer Haftung sind aber keine geringen Anforderungen zu stellen. Denn die Einräumung einer Kontovollmacht beruht letztlich auf der Überlegung, dass sich Ehegatten durch derartige Regelungen ein besonderes Vertrauen schenken und der andere Ehegatte nicht einseitig dem Risiko ausgesetzt werden darf, im Nachhinein Ausgaben genauer anzugeben und belegen zu müssen (BGH NJW 2000, 3199, 3200).

Diese Gedanken können im vorliegenden Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls auf die Kontoverfügungen übertragen werden, welche Gegenstand des Klageantrags Nr. 1 sind. Denn bei der Prüfung eines Rechnungslegungsanspruchs ist nicht nur zu prüfen, ob der Erblasser damals erwartete, dass die Beklagte ihre Ausgaben belegen werde, sondern auch, ob er annehmen durfte, dass sie die Gefahren einer fehlerhaften Kontoführung auf sich nehmen werde (vgl. Seiler in MünchKomm., BGB, 3. Aufl., § 662 Rdnr. 62). Dafür spricht nichts. Die Beklagte hielt sich damals auf Wunsch des Erblassers ebenfalls in B... A... auf, um ihm zur Seite zu stehen. Sie musste in einem Hotel wohnen, wofür nicht unerhebliche Kosten anfielen. Unstreitig tätigte sie damals auch Ausgaben für den Erblasser. Der Umfang der aus alldem entstehenden Kosten war nicht absehbar. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass der Erblasser davon ausging, die Beklagte werden ihm nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus die für den Aufenthalt in B... A... getätigten Ausgaben belegen und für etwaige Fehlbeträge haften. Dafür spricht insbesondere auch, dass er die Befugnisse der Beklagten kurz vor seinem Tod sogar noch erweitert und am 13. April 2000 bei seiner Bank den Antrag gestellt hat, das Girokonto gemeinsam mit der Beklagten als "Oder-Konto" zu führen.

4. Die weitergehende Berufung ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung weiterer vereinnahmter Beträge zuerkannt. Denn die Beklagte war auch nach ihrem eigenen Vortrag nur berechtigt, für den Erblasser dessen Bankgeschäfte zu erledigen, aber nicht, sich nach ihrem Belieben von dessen Konto Geld zu verschaffen und über sein Vermögen zu verfügen. Ihre Behauptung es habe sich dabei jeweils um Schenkungen gehandelt, ist nicht bewiesen.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 2. Altern. BGB - Eingriffskondiktion - einen Anspruch auf Rückzahlung des am 10. März 2000 von dem Girokonto abgehobenen Betrages in Höhe von 5 045,-- DM (2579,47 €).

Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte die behauptete "Schenkung" nicht substantiiert dargelegt habe. Ein näherer Vortrag hierzu wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Beklagte behauptet, der Erblasser habe ihr den Geldbetrag geschenkt, weil er bereits zu dem Zeitpunkt, als sie die Wohnung von ihm gekauft habe, gewusst habe, dass sie die anfallende Grundsteuer nicht werde bezahlen können. Da im notariellen Kaufvertrag jedoch ausdrücklich vereinbart wurde, dass die Beklagte für die Grundsteuer aufzukommen habe, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, weshalb der Erblasser gleichwohl gestattet habe, dass die Beklagte die Grundsteuer von seinem Konto bezahle.

Dahinstehen kann, ob das Landgericht die Beklagte nach § 139 ZPO darauf hätte hinweisen müssen. Auf der Verletzung der Hinweispflicht beruht das Urteil nicht, weil die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht vorträgt, was sie auf einen entsprechenden Hinweis konkret vorgetragen hätte.

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 2. Altern. BGB auch einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages von 421,82 € (825,-- DM), weil sie in dieser Höhe am 8. April 2000 einen Schmuckkauf bei der Fa. Q... von dem Girokonto des Erblassers finanziert hat.

Auch insoweit hat die Beklagte nur unsubstantiiert behauptet, der Beklagte habe ihr das Geld "Ende März 2000" geschenkt. Eine nähere Darlegung des Zeitpunktes und der näheren Umstände der angebliche Schenkung wäre notwendig gewesen, weil der Erblasser - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen hat - seit 25. oder 26. März 2003 nicht mehr ansprechbar gewesen war. Die Vernehmung der von der Beklagten hierzu benannten Zeugen (H..., K...) liefe auf deren unzulässige Ausforschung hinaus, weil die Einzelheiten der angeblichen Schenkung aus den Zeugen herausgefragt werden müssten. Auch ist insoweit nicht erkennbar, unter welchen Umständen die Zeugen die angebliche Erklärung des im Krankenhaus in B... A... befindlichen Erblassers mitbekommen haben.

c) Ähnliches gilt auch für den Anspruch der Klägerin nach § 812 Abs. 1 2. Altern. BGB auf Rückzahlung von 8 436,32 € (16 500,-- DM) wegen des von der Beklagten veranlassten Verkaufs von Fahrzeugen des Erblassers durch den Zeugen E....

Die pauschale Behauptung der Beklagten, der Erblasser habe ihr in der ersten Aprilwoche erklärt, sie solle das Geld "behalten", genügt aus den vorgenannten Gründen nicht .

5. Soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 347,68 € wegen vereinnahmter Mieten des Erblassers verurteilt hat, liegt ein ordnungsgemäßer Berufungsangriff nicht vor.

6. Die Beklagte kann auch nicht (hilfsweise) mit einem hälftigen Anspruch an dem oben genannten Kontoguthaben gegen die Klageforderung aufrechnen. Wie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat herausgestellt hat, waren die auf dem Konto befindlichen Gelder bereits abgehoben gewesen, als die Klägerin ihr Amt als Testamentsvollstreckerin antrat.

7. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbar auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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