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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: 4 U 273/04
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG §§ 19 ff
ZPO § 286
Ein Gesellschafter muss die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Einlageschuld nur nach allgemeinen Grundsätzen beweisen; hierzu bedarf ein nicht in jedem Fall der Vorlage von Zahlungsbelegen oder Kontounterlagen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 273/04

Verkündet am: 6. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Einzahlung der Stammeinlage,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Landgericht Dr. Steitz auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Oktober 2004 und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E... S... Bauelemente GmbH (nachfolgend: GmbH). Das Stammkapital der GmbH belief sich bei Gründung im Jahre 1979 zunächst auf 20.000.- DM und wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 7. April 1982 auf 50.000.- DM erhöht. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. November 1996 übertrug der damalige Alleingesellschafter und Zeuge E... S... (jun.) seinen GmbH-Anteil auf die Beklagte, die seitdem ihrerseits Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH ist.

Der Kläger behauptet, die Stammeinlage der GmbH sei noch nicht geleistet worden und verfolgt dementsprechend im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf Zahlung von 25.564,59 € (= 50.000.- DM). Die Beklagte macht dagegen unter Hinweis auf die in der notariellen Urkunde vom 19. November 1996 sowie im GmbH-Jahresabschluss für 1982 enthaltenen Angaben sowie unter Berufung auf verschiedene Zeugen geltend, dass die Stammeinlage in voller Höhe eingezahlt worden sei.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird, hat die Erstrichterin der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die nach allgemeinen Grundsätzen für die Zahlung der Stammeinlage beweisbelastete Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis nicht erbringen können. Zwar hätten die vernommenen Zeugen eine Einlagezahlung bestätigt. Dies reiche jedoch schon deshalb nicht aus, weil die Beklagte keine Einzahlungsbelege vorlegen könne und die Konten, auf die die Überweisungen vorgenommen worden sein könnten, möglicherweise Sollstände aufgewiesen hätten. Auch aus den im Jahresabschluss der GmbH für 1982 genannten Daten folge nicht, dass die dort mit 50.000.- DM aufgeführte Stammeinlage tatsächlich eingezahlt worden sei, zumal die entsprechenden Angaben gemäß den allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater lediglich auf den vom Auftraggeber genannten Informationen beruhten und nicht Gegenstand einer inhaltlichen Überprüfung gewesen seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegten und begründeten Berufung. Aus den Aussagen der vernommenen Zeugen sei die Einzahlung der Stammeinlage zu entnehmen, was auch zwei weitere von ihr benannte Zeugen bestätigen könnten. Ihr diesbezügliches Beweisangebot habe die Erstrichterin jedoch in unzulässiger Weise übergangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Oktober 2004 (Az.: 3 O 444/03) aufzuheben und die Klage abzuweisen;

hilfsweise

die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. Oktober 2004 an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass der der Beklagten obliegende Nachweis der Einzahlung der Stammeinlage nicht erbracht sei.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO zulässig und führt auch in der Sache zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg.

1. Im Ansatz zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Erstrichterin davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Einlageleistung beim Gesellschafter liegt und für die Führung dieses Beweises keine besonderen Regeln gelten (BGH NJW 1992, 2698, 2699). Auch in seiner Entscheidung vom 13. September 2004 (BGH ZIP 2005, 28) hat der Bundesgerichtshof bekräftigt, dass der Gesellschafter die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Einlageschuld nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen hat und hat damit in der Sache der jedenfalls für besonders gelagerte Fälle in eine andere Richtung weisenden Rechtsprechung des OLG Frankfurt (vgl. NJW-RR 2001, 402 sowie NZG 2002, 822) eine Absage erteilt (vgl. dazu auch Goette, DStR 2004, 2114). Danach ist es eine Frage des in erster Linie vom Tatrichter zu bestimmenden Beweismaßes, ob der erforderliche Nachweis als geführt anzusehen ist.

2. Die von der Erstrichterin vorgenommene Beweiswürdigung beruht jedoch insoweit auf einem Verfahrensverstoß, als von der Beklagten angetretener Beweis zu Unrecht nicht erhoben worden ist. Darüber hinaus begegnet auch die Würdigung der erhobenen Beweise Bedenken.

a) Zwar ist die Erstrichterin, was den von der Beklagten zum Beweis für die vollständige Einzahlung des Stammkapitals vorgelegten Jahresabschluss 1982 (Bl. 65 ff. d. A.) anlangt, im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass alleine dadurch, dass in einer nach der Begründung der Einzahlungsverpflichtung erstellten Bilanz von der Erbringung der Zahlung ausgegangen wird, der zu führende Nachweis nicht als erbracht anzusehen ist (BGH ZIP 2005, 28, 29; Goette aaO). Die Erstrichterin hätte jedoch den im Schriftsatz vom 10. Mai 2004 enthaltenen Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen F... und K... - sowie falls erforderlich der Einholung einer Auskunft der Treuhand K... GmbH - nicht übergehen dürfen. Die Beklagte hat die aufgezählten Beweismittel zum Nachweis dafür benannt, dass der Jahresabschluss 1982 inhaltlich richtig war, d.h. "nachprüfbar die als geleistet verbuchten Stammeinlagen auch geleistet waren". Die Beachtlichkeit dieses Beweisangebotes entfällt auch nicht durch die in Ziff. 2 Satz 3 der dem Auftrag zur Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde liegenden allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater enthaltene Klausel (Bl. 87 d. A.). Denn dieser Regelung ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass bei Erstellung der Bilanz keine aussagekräftigen Einzahlungsbelege vorgelegen haben und diese nicht inhaltlich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft worden sind (vgl. BGH aaO).

b) Auch die Würdigung der Aussagen der bereits vernommenen Zeugen ist nicht frei von Fehlern. Ohne zwischen den einzelnen Einlagezahlungen zu differenzieren, geht die Erstrichterin pauschal davon aus, dass die Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugen für die Erbringung des der Beklagten obliegenden Nachweises nicht ausreichen. Dabei haben die Zeugen übereinstimmend und widerspruchsfrei die Einlagezahlung in Höhe von 10. 000.- DM durch E... S... sen. bestätigt, was im Rahmen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil allerdings keine Erwähnung findet. Gleiches gilt für die Zahlung der ersten Einlage durch die Zeugin P... in Höhe von 1.000.- DM. Ferner hat der Zeuge S... bekundet, dass er die von ihm geschuldeten Teilbeträge von 19.000.- DM bzw. 11.000.- DM jeweils per Überweisung gezahlt habe. Ebenso hat die Zeugin Peters dargelegt, auf die Stammeinlage anlässlich der Kapitalerhöhung im Jahre 1982 einen Betrag von 9.000.- DM überwiesen zu haben. Die Aussagen der Zeugen entsprechen dabei sowohl im Hinblick auf die Höhe der einzelnen Teilbeträge, als auch was die einzahlenden Personen angeht, dem Vortrag der Beklagten. Hierauf geht die Erstrichterin jedoch nicht ein. Sie erkennt im Ausgangspunkt zwar, dass die Zeugen die Stammeinlagezahlung bestätigt haben (vgl. S. 8 -Mitte- des angefochtenen Urteils), meint aber offenbar, dass ein Nachweis allein durch entsprechende Zeugenaussagen ohne Vorlage von Zahlungsbelegen oder Kontounterlagen nicht geführt werden könne. Dies trifft - wie oben unter 1. ausgeführt - nicht zu und steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit die Erstrichterin weiter (vgl. S. 9 -2. Absatz- des angefochtenen Urteils) ausführt, das Erinnerungsvermögen der Zeugen sei lückenhaft gewesen, weil sie nicht mehr gewusst hätten, wie die Zahlungen erfolgt und auf welches Konto sie geflossen seien, kann dem gleichfalls nicht gefolgt werden. Die Zeugen haben im Gegenteil übereinstimmend bekundet, dass die Zahlungen durch Überweisungen auf ein Geschäftskonto der GmbH, welches bei der Deutschen oder der Dresdner Bank geführt worden sei, vorgenommen wurden (vgl. S. 2 ff. der Sitzungsniederschrift vom 7. September 2004, Bl. 136 ff. d. A.). Auch die von der Erstrichterin ausgemachte Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die Frage, ob sich das GmbH-Konto im Soll befunden habe, kann den Zeugenaussagen so nicht entnommen werden. Zunächst konnten beide Zeugen über den Kontostand keine Angaben machen. Sodann hat die Zeugin P... zwar ausgesagt, dass sich die Konten sehr oft im Soll befunden hätten, während der Zeuge S... meinte, es sei unmöglich, dass das GmbH-Konto bei der Dresdner Bank einen Soll-Stand aufgewiesen habe. Allerdings bezieht sich die Angabe des Zeugen S... auf seine unmittelbar zuvor getätigte Aussage, wonach zu Gunsten der GmbH bei der Dresdner Bank ein Kontokorrentrahmen von 500.000.- DM bestanden habe, so dass es nahe liegt, dass der Zeuge lediglich eine Überschreitung dieses Kreditrahmens ausgeschlossen hat. Soweit die Erstrichterin hier dennoch einen für die Beweiswürdigung entscheidenden Widerspruch entdeckt zu haben glaubt, hätte es ihr im Rahmen der Prozessleitung oblegen, durch entsprechende Nachfrage - gegebenenfalls auch eine Gegenüberstellung der Zeugen - eine Klärung herbeizuführen. Im Übrigen kommt es für die Frage, ob der eingezahlte Betrag im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG zur freien Verfügung des Geschäftsführers der GmbH stand, auf einen möglichen Sollstand des Einzahlungskontos nicht entscheidend an. Zur freien Verfügung des Geschäftsführers steht eine Einzahlung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich auch dann, wenn mit dem Einlagebetrag ein Debetsaldo zurückgeführt wird, der die Linie eines der Gesellschaft eingeräumten Rahmenkredites nicht überschreitet (BGH NJW-RR 1996, 1249, 1250; BGH NJW 1991, 226, 227 jew.m.v.w.N.).

3. Unabhängig von der fehlerbehafteten Würdigung der Zeugenaussagen (vgl. oben 2. b)) beruht das angefochtene Urteil jedenfalls auf dem unter 2. a) festgestellten Verfahrensverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Erstgericht nach Vernehmung der Zeugen F... und K... den der Beklagten obliegenden Beweis als erbracht angesehen hätte. Das angefochtene Urteil nebst Verfahren war daher auf entsprechenden Antrag der Beklagten nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird die benannten Zeugen F... und K... zu vernehmen und gegebenenfalls ergänzend die begehrte Auskunft der Steuerberatungsgesellschaft einzuholen haben. Sodann wird eine neue, umfassende und fehlerfreie Beweiswürdigung vorzunehmen sein, wobei unter Umständen auch die bereits vernommenen Zeugen erneut gehört werden müssen.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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