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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 277/99
Rechtsgebiete: HWG, ZPO


Vorschriften:

HWG § 10
HWG § 1
HWG § 4
HWG § 10 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz:

Die Werbeanzeige eines Arzneimittelherstellers, die durch ihren Text sowie ihre bildliche und grafische Gestaltung auf das Problem der Gewichtsreduzierung in der Form hinweist, dass dem interessierten Leser unter deutlichem Hinweis auf Firmenlogo und Herstellername sowie auf eine stilisierte Arzneimittelpackung bzw. unter Verwendung eines dem Namen des einzigen von ihm hergestellten und vertriebenen Arzneimittels phonetisch angenäherten Begriffes nahegelegt wird, beim Arzt oder Apotheker nach einem Mittel zur Gewichtsreduzierung zu fragen, verstößt gegen das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 10 HWG.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 277/99 2 HKO 132/99 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 30. November 2000

Bastian, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen unlauteren Wettbewerbs

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler und Jenet auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheit kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft erbracht werden.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten liegt über 60 000,-- DM.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verein, der als Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie auf Initiative des Bundesfachverbandes der Arzneimittelhersteller e. V. 1962 gegründet worden ist und zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, den lauteren Wettbewerb für Heilmittel und verwandte Produkte zu schützen.

Die Beklagte, eine Konzerntochter der Firma B... AG, brachte Anfang 1999 das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Reductil" auf den Markt. Das Medikament dient der Behandlung übergewichtiger Menschen.

Die Beklagte veröffentlichte in der Zeitschrift "S...", Ausgaben vom 25. Februar und 8. April 1999 zwei Werbeanzeigen. In beiden Anzeigen ist jeweils eine plakativ mit wenigen Pinselstrichen in den Farben rot und grün gezeichnete Figur abgebildet. Überschrieben ist die Anzeige vom 25. Februar 1999 großformatig mit dem Begriff "XXL-Figur"; sie enthält den Hinweis "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!", sowie im unteren Teil rechts die Firmenbezeichnung "B... P..." und "K..." nebst Firmenlogo. Die Anzeige vom 8. April 1999 ist überschrieben mit der Fragestellung "Laufstegfigur?". Darunter ist in rechteckiger Form, farblich abgesetzt von dem blauen Hintergrund eines großen Gewässers ein Bildausschnitt angeordnet, mit dem dreizeiligen Text "ReducTEAM, hilft erfolgreich abzunehmen, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Auch in dieser Anzeige ist am unteren Rand rechts der Hinweis auf "B...-P..." und "K..." nebst Firmenlogo enthalten. Wegen der Einzelheiten der grafischen und textlichen Ausgestaltung und Anordnung wird auf die mit der Klageschrift eingereichten Kopien der Werbeanzeigen (vgl. Bl. 3 und 4 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hatte bereits vor Veröffentlichung dieser Anzeigen in Rundschreiben an übergewichtige Personen ihr neues Medikament "Reductil" zum Abnehmen näher vorgestellt und war wegen dieser Werbung durch einstweilige Verfügung vom 25. März 1999 (1 HK O 55/99 LG Frankenthal) zur Unterlassung verurteilt worden. Außerdem hatte die Beklagte in der Zeitschrift "B...-J... für gesundes Leben" ihr Arzneimittel "Reductil" mehrfach beworben. Bei dieser Werbung war das Arzneimittel namentlich benannt und es wurden die gleichen farbig abgebildeten Symbolfiguren verwendet, wie sie in den Anzeigen vom 25. Februar und 8. April 1999 enthalten sind. Diese Werbung war Gegenstand des Verfahrens 2 HK O 110/99 Landgericht Frankenthal (Pfalz), das durch Anerkenntnisurteil vom 14. Oktober 1999 abgeschlossen wurde.

Der Kläger sieht in den Anzeigen vom 25. Februar und 8. April 1999 einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V.m. §§ 4 und 10 HWG. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich hierbei nicht um eine Werbung für ihr Unternehmen, sondern um eine Absatzwerbung für ein hinreichend individualisiertes Produkt. Insbesondere durch die Verwendung des Begriffes "ReducTEAM" werde unmittelbar auf das von ihr hergestellte und vertriebene Medikament "Reductil" hingewiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500 000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, das Arzneimittel Reductil in der auf Seite 3 und 4 der Klageschrift dargestellten Form zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, bei den beiden beanstandeten Werbeanzeigen handele es sich nicht um eine Produktwerbung. Es werde vielmehr für das Image des Unternehmens selbst geworben. Der übergewichtige Verbraucher werde auch nur aufgefordert, einen Arzt oder Apotheker zu befragen. Nach dem Inhalt der Anzeige werde ein Arzt auch nicht unter Verschreibungsdruck für das Medikament "Reductil" gesetzt.

Der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssache des Landgerichts Frankenthal hat durch Urteil vom 11. November 1999 die Klage zugesprochen. Nach Ansicht des Erstgerichts liegt bei der beanstandeten Werbung ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG vor. Beide Werbeanzeigen beinhalteten eine unzulässige - mittelbare - Absatzwerbung und nicht nur eine Image- bzw. Unternehmenswerbung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 15. November 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 14. Dezember 1999 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel innerhalb gewährter Fristverlängerung mit am 14. Februar 2000 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe nicht ohne Verbraucherbefragung eines demoskopischen Instituts entscheiden dürfen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein Verbraucher sich bei Ansicht der hier beanstandeten Werbeslogans an das Medikament "Reductil" erinnern sollte. Die Frage der Wiedererkennung aufgrund der vorhergegangenen Werbung könne nur durch ein Umfragegutachten geklärt werden. Die von dem Kläger beanstandete Werbung sei als Hinweis auf die Notwendigkeit der Gewichtsreduzierung aufzufassen, nicht aber als Werbemaßnahme für das von der Beklagten hergestellte Arzneimittel. Nach dem Ergebnis eines von ihr in Auftrag gegebenen Umfragegutachtens des E....-Instituts vom Februar 2000 könne aus Sicht der angesprochenen Verbraucherkreise nicht von einer Werbung für ein konkretes Arzneimittel die Rede sein.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, die Werbung der Beklagten sei Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel. Das Indikationsgebiet werde zentral thematisiert, was sich aus der sprachlichen Fassung der Werbung "XXL-Figur?", "Laufsteg-Figur" ergebe. Auch die grafische Darstellung weise eindeutig auf das Problem der Übergewichtigkeit hin. In den Werbeanzeigen werde der Leser auch deutlich sichtbar aufgefordert, seinen Arzt oder Apotheker nach "K..."-Präparaten zu befragen. Für das in Rede stehende Indikationsgebiet biete die Firma K... - unstreitig - nur das verschreibungspflichtige Medikament "Reductil" an. Der interessierte Betrachter der Werbeanzeige werde durch diese Werbung daher auch zu diesem Medikament hingeführt. Die Werbeanzeige vom 8. April 1999, die den Begriff "ReducTEAM" enthält, sei auch mit dem Namen des in Rede stehenden Arzneimittels nahezu identisch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Mit dem Landgericht ist auch der erkennende Senat der Auffassung, dass die beanstandeten Werbeanzeigen gegen §§ 10 Abs. 1 HWG, 1 UWG verstoßen. Nach § 10 Abs. 1 HWG ist die unmittelbare und auch die nur mittelbare Absatzwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verboten.

In der von der Beklagten veranlassten Werbeanzeige vom 8. April 1999 wird das verschreibungspflichtige Medikament "Reductil" unmittelbar beworben. In der Anzeige wird das gegenständliche Indikationsgebiet, die Gewichtsreduzierung übergewichtiger Menschen, auch dem flüchtigen Betrachter unzweideutig aufgezeigt. Der Begriff "Laufsteg-Figur?" wird durch die Schriftgröße und die Farbgestaltung besonders herausgestellt. Durch eine grafische Darstellung wird ein Mensch vorgestellt, der sich von seinem Übergewicht befreit hat oder befreien könnte. Inmitten dieser Werbeanzeige ist, ebenfalls durch die Größe der Schrift und durch die besondere Farbgestaltung deutlich der Satz hervorgehoben: "RedukTEAM hilft erfolgreich abzunehmen". Durch diese Form der grafischen Darstellung der Werbeanzeige wird nicht nur das Indikationsgebiet benannt, sondern das Arzneimittel mit dem Namen "Reductil" selbst nahezu unmittelbar beworben. Der Begriff "ReducTEAM" ist dem Arzneimittelnamen "Reductil" derart ähnlich, dass die beanstandete Werbung einer produktbezogenen Anzeige gleichkommt. Bei beiden Begriffen bedient man sich sogenannter Anglizismen. Beide Begriffe beginnen mit der Silbe "Reduc" (für reduzieren). Bei dem eindeutig feststehenden Indikationsgebiet macht es im Hinblick auf § 10 Abs. 1 HWG keinen erheblichen Unterschied, ob die jeweilige Endsilbe auf "team" oder auf "til" lautet.

Hinzu kommt, dass in der Werbeanzeige der Firmenname der Beklagten "K..." durch Farbgestaltung und Hinzufügen des Firmenlogos abgedruckt und hervorgehoben ist und dass die Beklagte nur dieses eine verschreibungspflichtige Medikament zur Gewichtsreduzierung vertreibt. Der Senat ist daher auch davon überzeugt, dass der in der Werbeanzeige zur Beratung genannte Arzt oder Apotheker einem Rat suchenden Patienten aufgrund der beschriebenen Angaben das Medikament "Reductil" benennen soll und auch benennen wird.

Die von der Beklagten geschaltete Werbeanzeige vom 25. Februar 1999 enthält eine ebenfalls nach § 10 Abs. 1 HWG verbotene Produktwerbung. In dieser Werbeanzeige erscheint zwar der Begriff "ReducTEAM" nicht. Auch hier wird aber das Indikationsgebiet sehr deutlich herausgestellt ist. Zum einen werden die Begriffe "XXL Figur?" in besonders großer Schrift dargestellt - die Schrift nimmt ca. 1/4 der gesamten Werbefläche in Anspruch -, zum andern ist auch die bereits oben beschriebene grafische Darstellung eines Menschen abgedruckt, der sich von seinem Übergewicht befreit hat bzw. befreien will oder könnte, die durch ihre Größe wiederum besonders hervorgehoben ist. Weiterhin wird auch hier durch die Fragestellung "Fragen sie Ihren Arzt oder Apotheker!" deutlich gemacht, dass es um ein verschreibungspflichtiges Medikament geht. Der Firmenname "K... nebst dem Firmenlogo sind als Hinweis auf den Vertreiber des Produkts deutlich sichtbar abgedruckt. Auch bei dieser Anzeige wird für einen nur flüchtigen Betrachter deutlich, dass auf ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Gewichtsreduzierung hingewiesen wird, das die Beklagte vertreibt. Durch die Werbung wird dem vom Patienten befragten Arzt oder Apotheker nahegelegt, auf das von der Beklagten hergestellte Medikament zur Gewichtsreduzierung "Reductil" hinzuweisen. Die Werbung führt somit zumindest mittelbar zum konkreten Arzneimittel. Entgegen der Meinungsäußerung der Beklagten beschränken sich die Anzeigen mithin nicht auf eine erlaubte Unternehmens- oder Imagewerbung. Es geht ersichtlich auch nicht lediglich darum, dem Verbraucher etwa gewisse Risiken oder Chancen einer Heilbehandlung mit dem Ziel einer Gewichtsreduzierung aufzuzeigen und vor Augen zu führen. Es lassen sich in der Werbung mithin auch keine Hinweise für eine unmittelbare oder auch nur mittelbare Firmenwerbung finden.

Beide Werbeanzeigen unterscheiden sich maßgeblich von den Werbemaßnahmen, die den von der Beklagten zitierten BGH-Entscheidungen zugrunde lagen (BGH GRUR 1992, 871 f - "Femovan"; BGH GRUR 1992, 873 - "Pharma-Werbespot"), nach denen eine Werbung für zulässig angesehen wird, bei der nicht der Zweck der Förderung des Absatzes bestimmter Arzneimittel im Vordergrund der Anzeige steht und ihren Schwerpunkt bildet, es nach dem Erscheinungsbild der Werbung vielmehr im Wesentlichen um eine Vertrauens-(Image-, Firmen-)Werbung geht oder allgemein um Hinweise auf die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme von Beratung und Aufklärung (vgl. BGH GRUR 92, 872). Dies ist, wie oben dargelegt, bei den vom Kläger beanstandeten Anzeigen der Beklagten nicht der Fall.

Für die Einholung eines demoskopischen Gutachtens bestand entgegen der Auffassung der Beklagten keine Veranlassung. Der Senat vermag aus eigener Anschauung zu beurteilen, dass die beanstandeten Werbeanzeigen nach Inhalt und Form ihrer grafischen Gestaltung den Verbraucher gezielt zu dem Medikament der Beklagten "Reductil" führen werden und dies von der Beklagten auch so beabsichtigt ist. Auf die in dem von der Beklagten eingeholten "E...-Gutachten" untersuchte Fragestellung, "ob sich der Verbraucher durch die beiden Anzeigen an die vorangegangene, der Beklagten durch Gerichtsentscheidungen untersagte unmittelbare Arzneimittelwerbung erinnern werden", kommt es für die Entscheidung nicht an.

Im Übrigen ergibt sich aus diesem Gutachten sogar, dass über 30 % der befragten Verbraucher die Anzeigen der Beklagten vom 25. Februar bzw. 8. April 1999 als Werbung für ein Arzneimittel angesehen haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Der Wert der Beschwer war nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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