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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 4 U 33/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO §§ 302 ff.
ZPO §§ 373 ff.
ZPO § 355
Ist ein bestimmter Geschehensablauf sowohl unter Sachverständigen- als auch unter Zeugenbeweis gestellt, so darf das Gericht nicht mit der Begründung von der Zeugenvernehmung absehen, das behauptete Geschehen könne bereits nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zutreffen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 33/04

Verkündet am: 7. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. Dezember 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden niedergeschlagen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers.

Der Kläger pflanzt auf einem Ackergrundstück in L... Rosen für seine Gärtnerei an. Südlich davon bewirtschaftet der Beklagte ein Ackergrundstück, auf dem er Weizen anbaut. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ein Pflanzenschutzmittel versprüht und dadurch die Rosenpflanzen des Klägers beschädigt. Er hat den Beklagten deshalb auf Schadensersatz in Höhe von 72.780 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2003, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner innerhalb gesetzlicher Frist eingelegten Berufung. Er hat sein Rechtsmittel innerhalb gewährter Fristverlängerung begründet, die ihm auf rechtzeitigen Antrag hin bewilligt worden ist.

Der Kläger macht geltend, das angefochtene Urteil sei verfahrensfehlerhaft. Die Erstrichterin habe seine Zeugenbeweisantritte für die Behauptung übergangen, dass sich zum Schadenszeitpunkt übel riechende Nebelwolken von dem benachbarten Grundstück des Beklagten auf das Grundstück des Klägers zu bewegt und sich dort abgesetzt hätten. Stattdessen habe die Erstrichterin zunächst ein Sachverständigengutachten eingeholt und allein auf dessen Grundlage eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen. Weil die Erstrichterin dem Sachverständigen die notwendigen Anknüpfungstatsachen nicht vorgegeben habe, stelle dieser mit seinem Gutachten in unzulässiger Weise allein auf die Angaben des Beklagten ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 6. April 2004 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen an ihn 72.780 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2002 zu zahlen.

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 23. April 2004, auf die zur näheren Darstellung Bezug genommen wird.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr.1, 519, 520 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler. Es ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

1. Die Erstrichterin hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch deshalb abgesprochen, weil er schon keine Verletzungshandlung des Beklagten bewiesen habe. Zur Begründung hat sich das Landgericht auf das Gutachten des Sachverständigen D... bezogen, der zu dem Ergebnis gelangt ist, unter den am Schadenstag gegebenen Witterungsverhältnissen und den topografischen Gegebenheiten könne der behauptete Abdriftschaden nach Art und Umfang nicht eingetreten sein. Mit Recht beanstandet der Kläger, dass das angefochtene Urteil insoweit auf Verfahrensfehlern beruht.

Zwar findet die Feststellung des Landgerichts zum fehlenden Nachweis der Verletzungshandlung ihre Grundlage im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen D... vom 18. November 2003 und in dessen Erklärungen bei seiner Anhörung im Termin vom 17. Dezember 2003. Der Kläger hatte aber einen von den Feststellungen des Sachverständigen abweichenden Geschehensablauf behauptet und unter Beweis gestellt. Darüber hat die Erstrichterin sich hinweggesetzt.

Bereits in der Klageschrift hatte der Kläger behauptet, er habe am Abend des 17. Juni 2002 gegen 20.30 Uhr feststellen müssen, dass sich vom Nachbargrundstück des Beklagten aus - bei sonst wolkenfreiem Himmel - dunkle und übel riechende Nebelwolken auf sein Grundstück zu bewegt und dort abgesetzt hätten. Offensichtlich hätten diese dunklen Nebelwolken daher gerührt, dass der Beklagte auf seinem Grundstück Pflanzenschutzmittel versprüht habe. Das Pflanzenschutzmittel habe sich auf den Rosen niedergesetzt und dazu geführt, dass sich auf den Rosenblüten schwarz blaue Flecken gebildet hätten. Für all dies hatte der Kläger sich auf die in der Klageschrift benannten Zeugen R... U..., C... P..., W... G..., K... und S... L... sowie J... und M... N... bezogen.

Wenn das Vorbringen des Klägers zutrifft, kann das Sachverständigengutachten nicht richtig sein. Ob das Vorbringen des Klägers zutrifft, lässt sich erst entscheiden, wenn die Zeugen vernommen und - gerade auch mit Blick auf das Ergebnis des Gutachtens - besonders auf ihre Glaubwürdigkeit hin gewürdigt worden sind. Die Erstrichterin hat von einer Vernehmung der Zeugen abgesehen und die Beweiswürdigung vorweggenommen. Darin liegt ein Verfahrensfehler.

2. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Es erweist sich nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Bislang steht allerdings nicht fest, dass der Beklagte überhaupt ein Pflanzenschutzmittel eingesetzt hat, das im Stande war, die Rosenpflanzen des Klägers zu schädigen. Der Beklagte räumt zwar ein, dass er am fraglichen Tag seinen Acker gespritzt hat. Er behauptet aber, er habe lediglich das Mittel "P... G..." in einer Konzentration von 200 Gramm pro Hektar, aufgelöst in 300 Litern Wasser versprüht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dadurch kein Schaden entstanden sein kann. Auch insoweit kommt es darauf an, ob die vom Kläger in das Wissen seiner Zeugen gestellte Behauptung zutrifft. Zwar liegt die Beweislast für die Schädigung grundsätzlich beim Kläger. Wenn sich aber tatsächlich aus Anlass eines vom Beklagten durchgeführten Sprühvorganges dunkle, übel riechende Wolken auf dem Grundstück des Klägers niedergelassen haben und daran anschließend dessen Pflanzen geschädigt waren, spricht nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Darstellung des Beklagten nicht zutrifft und er ein Pflanzen schädigendes Mittel eingesetzt hat. Der Beklagte muss dann diese Vermutung entkräften. Auch insoweit hängt die Entscheidung somit vom Ergebnis der durch die Erstrichterin übergangenen Beweisaufnahme ab.

3. Infolge des Verfahrensfehlers ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Sache auf den Antrag des Klägers zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Für die Nachholung der Feststellungen zum Anspruchsgrund und gegebenenfalls auch zur Anspruchshöhe ist eine umfangreiche Beweisaufnahme zu erwarten. Im Hinblick darauf erscheint dem Senat eine eigene Sachentscheidung nicht sachdienlich.

4. Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 8 Abs. 1 GKG a.F.. Über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens wird im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu befinden sein. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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