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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 4 U 51/08
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2
Ein nur den Gesetzeswortlaut wiederholender Unterlassungsantrag ist auch im Falle des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern) nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 51/08

Verkündet am: 26. Februar 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung von Werbeanrufen bei Verbrauchern,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler und Süs im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatznachlass bis zum 5. Februar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte aus dem Urteil zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist ein Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, für die Interessen der Konsumenten einzutreten. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte beschäftigt sich u. a. mit der Vermittlung von Gewinnspielen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Werbeanrufen bei Verbrauchern in Anspruch und hat in erster Instanz auch den Ersatz von Abmahnkosten verlangt. Nachdem die Beklagte zunächst bestritten hatte, bei Verbrauchern angerufen zu haben, hat sie dies im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens unstreitig gestellt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbes Verbraucher ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen oder anrufen zu lassen,

hilfsweise,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen anzurufen oder anrufen zu lassen, um diesen die Teilnahme an einem Lottosystem anzubieten, sofern eine vorherige Einwilligung des Verbrauchers zu einem derartigen Werbeanruf nicht vorliegt,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin 180,00 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angefochtene Urteil hat die Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Beklagte entsprechend dem Hilfsantrag Ziffer 1 und dem Antrag Ziffer 2 verurteilt und von den Kosten des Rechtsstreits dem Kläger 1/4 und der Beklagten 3/4 auferlegt.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass der auf Unterlassung gerichtete Hauptantrag der Klägerin entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt sei, weil er sich auf eine Wiederholung des Wortlauts des gesetzlichen Verbotstatbestandes beschränke. Dies sei in der Rechtsprechung allgemein anerkannt. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn bereits das Gesetz selbst hinreichend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Norm durch eine gefestigte Auslegung geklärt sei. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden. Zwar seien bei der Formulierung eines Unterlassungsantrags gewisse Verallgemeinerungen zulässig. Überschreite die Verallgemeinerung jedoch das Charakteristische der konkreten Verletzungsform, so sei die Klage unbegründet, wenn sie auch Handlungen einbeziehe, die nicht wettbewerbswidrig seien. Es könne im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die Werbung der Beklagten für die Teilnahme an einem Lottosystem die Gefahr begründe, dass andere Produkte oder Dienstleistungen von ihr ebenfalls mittels unerbetener Telefonanrufe beworben würden. Daher sei der Hauptantrag zu weit gefasst und müsse erfolglos bleiben. Dem Hilfsantrag sei dagegen ohne Weiteres stattzugeben, nachdem die Beklagte die Begründetheit nicht mehr in Zweifel gezogen habe. Die Beklagte schulde daher auch die Erstattung der Abmahnkosten, die dem Grunde und der Höhe nach nicht angegriffen seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Hauptantrag weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, dass die Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative UWG hinreichend bestimmt sei, so dass auch ein an den Wortlaut dieser Norm angelehnter Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen oder anrufen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil nach Maßgabe der Urteilsgründe und ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die Berufung des Klägers ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und somit zulässig.

Insbesondere ist der Kläger durch das angefochtene Urteil beschwert. Zwar hat die Erstrichterin im Tenor ihrer Entscheidung eine (teilweise) Abweisung der Klage nicht ausdrücklich ausgesprochen. Jedoch ergibt sich aus den Urteilsgründen zweifelsfrei, dass sie den Hauptantrag auf Unterlassung der beanstandeten Telefonwerbung abgewiesen hat. Im Einklang damit ist dem Kläger auch nach § 92 Abs. 1 ZPO ein Teil der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden.

Die Beschwer übersteigt auch den Beschwerdewert von 600,00 €. Der Kläger hat sein Interesse an der Unterlassungsklage in der Klageschrift mit 15 000,00 € beziffert. Sein Interesse an der erstrebten weitergehenden Verurteilung gemäß seinem Hauptantrag im Vergleich zu der Verurteilung nach dem Hilfsantrag ist mit mindestens 1/4 des angegebenen Betrages anzusetzen, wie dies die Erstrichterin auch bei ihrer Kostenentscheidung getan hat.

In der Sache führt die Berufung jedoch nicht zum Erfolg. Der Senat stimmt der Auffassung der Erstrichterin zu, dass der vom Kläger weiter verfolgte Hauptantrag auf Unterlassung nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind. Wie die Erstrichterin zu Recht ausgeführt hat, verlangt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass Verbotsanträge nicht so gefasst werden, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr erkennbar sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr; BGHZ 156, 1, 8 f - Paperboy; BGH GRUR 2007, 607, 608 - Telefonwerbung für Individualverträge - m.w.N.). Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH aaO m.w.N.; grundlegend insbesondere auch BGH GRUR 2000, 438 ff - gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist (vgl. BGH GRUR 2007, 607, 609 - Telefonwerbung für Individualverträge - m.w.N.). Ob dies für den hier interessierenden Fall der Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative UWG gilt, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16. November 2006 (= GRUR 2007, 607 ff - Telefonwerbung für Individualverträge -) ausdrücklich offen gelassen, im Übrigen aber entschieden, dass ein an der Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative UWG angelehnter Unterlassungsantrag den Anforderungen an die Bestimmtheit von Klageanträgen nicht genügt.

Der Senat schließt sich der Auffassung der Erstrichterin an, dass auch die Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative UWG nicht so hinreichend eindeutig und konkret gefasst ist, dass ein ihren Wortlaut wiederholender Klageantrag als hinreichend bestimmt anzusehen ist. Auch bei Verbrauchern ergibt sich nicht unmittelbar aus der textlichen Fassung der Verbotsnorm, ob ein Telefonanruf als unlauteres Verhalten im Wettbewerb verboten ist, weil danach Telefonanrufe mit deren Einwilligung zulässig sind. Da eine solche Einwilligung eines Verbrauchers aber auch auf bestimmte Bereiche beschränkt oder konkludent erklärt (BGH GRUR 1995, 220) sein kann, ergibt sich aus der Verbotsnorm allein noch nicht genau der Umfang des Verbotes. Vielmehr besteht auch hier bei einem gesetzeswiederholenden Verbotsantrag die Gefahr, dass letztlich die Entscheidung darüber, was dem Antragsgegner verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe. Die Erstrichterin hat daher zu Recht den Hauptantrag als unzulässig angesehen. Die Berufung des Klägers ist sonach unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu, da die Frage, ob ein an der Verbotsnorm des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative UWG angelehnter Klageantrag als hinreichend bestimmt anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung hat, weil er in einer Vielzahl von Fällen auftreten kann und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich erscheinen lässt. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.11.2006 (GRUR 2007, 607, 609 - Telefonwerbung für Individualverträge) die Frage unbeantwortet gelassen. Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 15. August 2006, 4 U 78/06, veröffentlicht in juris) und auch mehrere Instanzgerichte haben die Auffassung vertreten, dass ein am Wortlaut dieser Vorschrift orientierter Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt sei.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf einen Wert bis zu 4 000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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