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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 4 W 6/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 57
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 696 Abs. 3
BGB § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 6/07

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes,

hier: Bestellung eines Prozesspflegers

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Friemel als Einzelrichter auf die am 13. Dezember 2006 eingegangene, als sofortige Beschwerde auszulegende "Beschwerde" des Klägers vom 11. Dezember 2006 gegen den formlos mitgeteilten Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. November 2006 ohne mündliche Verhandlung am 22. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. November 2006 wird aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an den Einzelrichter zurückverwiesen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) des Klägers führt zu einem vorläufigen Erfolg.

Der Einzelrichter hat den Antrag des Klägers, der Beklagten gemäß § 57 ZPO für das vorliegende Verfahren einen Prozesspfleger zu bestellen, zurückgewiesen, weil ihr Geschäftsführer am 12. Januar 2006 verstorben und ein neuer Geschäftsführer noch nicht bestellt ist; der Kläger habe die Möglichkeit, beim zuständigen Amtsgericht die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (analog) zu beantragen und nicht dargetan, dass ihm durch den Zeitverlust erhebliche Nachteile drohen würden.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Prozesspflegers für die prozessunfähige Beklagte (§ 57 Abs. 1 ZPO) liegen vor.

Die Beklagte hat vor Eintritt der Rechtshängigkeit ihre Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO) verloren, weil ihr Geschäftsführer am 12. Januar 2006 verstorben ist. Zwar ist der von der Klägerin beantragte Mahnbescheid der Beklagten bereits am 12. Dezember 2005 zugestellt worden. Auf den Widerspruch der Beklagten ist der Rechtsstreit aber erst am 13. Juni 2006 an das zuständige Landgericht abgegeben worden, weil der Kläger erst an diesem Tag den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss einbezahlt hat, so dass der Rechtsstreit nach § 696 Abs. 3 ZPO mit der Abgabe der Streitsache rechtshängig geworden ist. Auf die Frage, ob die Bestellung eines Prozesspflegers auch möglich ist, wenn die beklagte Partei erst im Laufe eines Prozesses prozessunfähig wird, kommt es daher nicht an (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 57 Rdnr. 3 m. w. N.).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Klägerin nicht auf den Weg des § 29 BGB (analog) verwiesen werden.

Die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (analog) in Betracht kommt. Die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 ZPO ist gegenüber der Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (analog) der erheblich einfachere und in der Sache auch angemessene Weg, weil die Bestellung eines Prozesspflegers für die beklagte Partei weit weniger einschneidend ist als die gerichtliche Bestellung eines Vertretungsorgans. Während die Legitimation eines Prozesspflegers nach § 57 BGB auf den Rechtsstreit begrenzt ist (OLG Dresden, Beschluss vom 11. Dezember 2001 - 2 W 1848/01 - bei Juris; OLG Celle NJW 1965, 504) greift die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (analog) in die originären statutarischen und normativen Befugnisse der Gesellschafter der beklagten Partei ein. So erhält der Notgeschäftsführer ohne entsprechenden Willen der Gesellschafter eine umfassende organschaftliche Stellung; er ist wie ein "normaler" Geschäftsführer mit allen Rechten und Pflichten versehen, kann die Gesellschaft deshalb uneingeschränkt rechtsgeschäftlich vertreten und ist in das Handelsregister einzutragen (Pfälz. OLG Zweibrücken ZIP 2001, 973; BayObLG NJW-RR 1999, 1259; OLG Celle aaO). Soweit zum Teil angenommen wird, dass (deshalb) die Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 ZPO grundsätzlich nicht die (weitergehende) Notwendigkeit entfallen lässt, einen Notgeschäftsführer nach § 29 BGB (analog) zu bestellen, führt das im Umkehrschluss nicht dazu, dass der Kläger vorrangig darauf zu verweisen wäre, die Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB (analog) zu beantragen (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 19 W 32/05 - bei Juris; OLG Dresden, aaO; OLG Stuttgart MDR 1996, 198; Reuter in MünchKomm, BGB 4. Aufl., § 29 Rdnr. 11 m. w. N.).

Mit dem Verzug der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch die Beklagte ist für die Klägerin auch die Gefahr verbunden, dass die Verwirklichung ihrer Rechte beeinträchtigt werden könnte.

Das ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte seit mittlerweile mehr als einem Jahr ohne ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung ist (vgl. OLG Köln aaO). Hinzu kommt, dass die Beklagte die Bestellung eines neuen Geschäftsführers offenbar nicht mit der gebotenen Nachhaltigkeit betreibt. In ihrer Klageerwiderung vom 4. August 2006 hat die Beklagte mitgeteilt, dass der neue Geschäftsführer - der Bruder ihres bisherigen Geschäftsführers - im September 2006 bestellt werden sollte; die Einsetzung eines neuen Geschäftsführers sei nicht früher möglich gewesen, weil sich die "Erbabwicklung nicht so zügig " herausgestellt habe, wie es von der Familie des Verstorbenen erwünscht worden sei; außerdem gebe es Schwierigkeiten mit der Visumserteilung für den Bruder des Verstorbenen. Gleichwohl hat sich die Beklagte der Bestellung eines Prozesspflegers widersetzt und "weiterhin um Geduld gebeten". Da die Beklagte zum Nachweis der Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen um die Bestellung eines neuen Geschäftsführers auch keine Unterlagen vorgelegt hat, argwöhnt der Kläger mittlerweile zu Recht, dass die Durchsetzung seiner Rechte gefährdet sei.

Zur Auswahl des Prozesspflegers verweist der Senat die Sache gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Landgericht zurück, wobei darauf hingewiesen wird, dass als Prozesspfleger auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bestellt werden kann (vgl. OLG Köln, aaO).

Ende der Entscheidung

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