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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.08.2008
Aktenzeichen: 4 W 66/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
Ein Schuldner kann grds. nicht im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abgabe einer Willenserklärung verurteilt werden.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 66/08

In dem Rechtsstreit

wegen Teilnahme am "D... W...",

hier: einstweilige Verfügung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Friemel als Einzelrichter auf die am 10. Juli 2008 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tag gegen den ihr am 30. Juni 2008 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. Juni 2008 ohne mündliche Verhandlung am 11. August 2008

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin ist eine Genossenschaft, welche am 1. Februar 2008 aus dem W... L... e.G. hervorgegangen ist. Der W... L... e.G. war in der Vergangenheit Beschicker des von der Antragsgegnerin durchgeführten "Wurstmarktes", der als das größte Weinfest der Welt gilt. Eine Satzung (der Antragsgegnerin) oder öffentlich-rechtliche Marktordnung für die Beschickung des Marktes besteht nicht. Über die Zulassung der Interessenten entscheidet der Wurstmarkt- und Festausschuss der Antragsgegnerin, indem er eine Auswahl unter den Bewerbern trifft und mit diesen ein Angebot auf Abschluss eines schriftlichen Vertrages zuschickt. Vertragsgrundlage sind dabei die Betriebs- und Zulassungsvorschriften für den D... Wurstmarkt, die der Wurstmarkt- und Festausschuss der Antragsgegnerin (letztmals am 8. Februar 2007) festgelegt hat. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 der Satzung müssen alle Weine, die auf dem Wurstmarkt verkauft werden aus B... D... Lagen stammen und als Erzeuger- oder Gutsabfüllungen hergestellt werden; Sekt muss jedenfalls aus B... D... stammen.

Der Winzerverein L... hatte am 8. August 2007 mit dem benachbarten Winzerverein F... e.G. einen sogenannten Kooperationsvertrag geschlossen, wonach der Winzerverein F... e.G. die auf L... Gemarkung geernteten Trauben annimmt und verarbeitet, den Wein ausbaut und für die Flaschenfüllung und -ausstattung sorgt. Als Folge des Kooperationsvertrages firmiert der bisherige Winzerverein L... nunmehr unter dem Begriff "L... W...".

Nachdem die Antragstellerin sich auch für den am 12. September 2008 stattfindenden Wurstmarkt 2008 beworben hatte, übersandte der Wurstmarkt und Festausschuss der Antragsgegnerin der Antragstellerin am 16. April 2008 zwei - vom Bürgermeister der Antragsgegnerin unterschriebene - Vertragsformulare zur Überlassung eines Platzes zum Betrieb einer Wein- und Bierhalle mit Biergarten sowie eines sogenannten "Schubkarchstandes". In den Vertragsentwürfen heißt es jeweils:

"Bezüglich des Ausschanks von Wein und Sekt gilt § 27 der Betriebs- und Zulassungsvorschriften in der jeweils gültigen Form.

Demnach dürfen auf dem D... W... nur Weine aus B... D... L... als Erzeuger- oder Gutsabfüllung ausgeschenkt werden. Sekt muss ebenfalls aus B... D... stammen. Alle Weine und Sekte der L... W... e.G., die im Jahr 2007 erzeugt wurden, erfüllen die vorgenannten Voraussetzungen nicht, da diese in F... ausgebaut und abgefüllt wurden. Beschränkt auf das Jahr 2008 dürfen Weine und Sekte der L... W... e.G., soweit sie aus B... D... stammen und die Gebietsbezeichnung "B... D..." tragen, ausgeschenkt werden."

Hintergrund dieser von der Antragsgegnerin in den Vertragsentwurf aufgenommenen Formulierung war, dass die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass infolge der Kooperation mit dem Winzerverein F... e.G. die Zulassungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 3 Satz 1 der Betriebs- und Zulassungsvorschriften für den B... D... Wurstmarktes nicht mehr gegeben sein.

Durch beim Verwaltungsgericht Neustadt am 30. Mai 2008 eingereichten Schriftsatz hat die Antragstellerin begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr jeweils einen Platz zum Betrieb einer Wein- und Bierhalle mit Biergarten sowie eines Schubkarchstandes "im Rahmen der sonst üblichen Nutzungskonditionen zu überlassen".

Mit Beschluss vom 17. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße den Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtskräftig für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) verwiesen.

Durch Beschluss vom 24. Juni 2008 hat der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Antragstellerin begehrte Zulassung einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gleich käme und dem gestellten Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde rügt die Antragstellerin die Rechtsauffassung des Einzelrichters.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und im Wege der einstweiligen Verfügung die Antragsgegnerin zu verpflichten, zur Teilnahme am B... D... Wurstmarkt 2008 für den Zeitraum vom 12. September 2008 bis 16. September 2008 und 19. September bis 22. September 2008 den Platz nordwestlich der großen Allee in der Größe von 17 m mal 36 m zum Betrieb einer Wein- und Bierhalle mit Biergarten sowie den Schubkarchstand Nr. 8 mit einer Größe von 10 m mal 5 m im Rahmen der sonst üblichen Nutzungskonditionen zu überlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die zulässige (§§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO) sofortige Beschwerde führt nicht zum Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

1) Sollte die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, der Antragstellerin zwei Standplätze "im Rahmen der sonst üblichen Nutzungskonditionen" zu überlassen, ihre Zulassung zum Wurstmarkt im Sinne von § 70 GewO erstreben, wäre der Antrag schon deshalb unbegründet weil die Antragsgegnerin - wie auch das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in seinem Beschluss vom 17. Juni 2008 festgestellt hat - nach ihrem von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Vortrag die Antragstellerin durch Übersendung der Vertragsangebote am 16. April 2008 bereits grundsätzlich zu dem B... D... Wurstmarkt zugelassen hat.

2) Sollte die Antragstellerin (deshalb) den Abschluss zweier Platzüberlassungsverträge zu anderen Vertragsbedingungen ("Nutzungskonditionen") als den in den übersandten Vertragsentwürfen der Antragsgegnerin vom 16. April 2008 vorgesehenen Bestimmungen begehren- insbesondere ohne die von der Antragsstellerin beanstandete Bestimmung, dass alle Weine und Sekte der Antragstellerin, die im Jahre 2007 erzeugt wurden, die Voraussetzungen des § 27 der Betriebs- und Zulassungsvorschriften für den D... Wurstmarkt nicht erfüllen würden -, wäre der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig.

Da die Antragsgegnerin über die Zulassung zum Markt nicht durch eine hoheitliche Maßnahme in Form eines Bescheides, sondern in zulässiger Weise durch den Abschluss privat-rechtlicher Verträge entscheidet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 9. September 1969 - XII B 95/86 -; Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss vom 17. Juni 2008 - 4 L 614/08 m.w.N.), beträfe das Begehren der Antragstellerin letztlich den Abschluss privatrechtlicher Platzüberlassungsverträge, mithin eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Abgabe einer Willenserklärung im Sinne von § 894 ZPO (Abgabe eines Vertragsangebotes) "im Rahmen der sonst üblichen Nutzungskonditionen".

Es kann dahinstehen, ob der Antrag ausreichend bestimmt ist. Er ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil ein Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung nicht dazu verurteilt werden kann, eine Willenserklärung abzugeben.

a) § 935 ZPO ist als Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin nicht geeignet. Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Verfügung in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Vorliegend besteht nicht die Gefahr, dass sich ein bestehender Zustand zum Nachteil der Antragstellerin verändert, sondern die Antragstellerin wünscht gerade eine Veränderung, welcher sich die Antragsgegnerin widersetzt.

b) § 940 ZPO gestattet es nicht, die Abgabe einer Willenserklärung einstweilen zu regeln. Nach dieser Bestimmung sind einstweilige Verfügungen nur zulässig, um einen einstweiligen Zustand in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu regeln, sofern diese Regelung nötig erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass eine einstweilige Regelung möglich ist. Das ist nicht der Fall. Wie sich aus § 894 ZPO ergibt, gilt nach einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung die Erklärung erst als abgegeben, soweit das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Dieser Gedanke verbietet es, die Antragsgegnerin einstweilen zur Abgabe einer Willenserklärung bzw. Abschluss eines Zulassungsvertrages zu verurteilen. Die Verurteilung der Antragsgegnerin zu einem Vertragsschluss mit der Antragsgegnerin würde - bezogen auf den Wurstmarkt 2008 - eine endgültige Regelung bedeuten, welcher der Sinn und Zweck des § 894 ZPO entgegensteht. Zudem entstünde ein der Rechtssicherheit abträglicher Schwebezustand, weil eine im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung durch ein späteres Urteil im Prozess um die Hauptsache wieder geändert werden könnte. Eine eventuelle Teilnahme der Antragstellerin am Wurstmarkt 2008 wäre dadurch mit einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit belastet (vgl. zu allem OLG Nürnberg NJW 2007, 2053; Hanseatisches OLG Hamburg MDR 1990, 1022; Musielak/Huber ZPO 6. Aufl. § 940 Rdnr. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 66. Aufl. § 940 Rdnr. 46 "Willenserklärung").

Soweit nach einer weitergehenden Auffassung ein Antrag auf Erlass einer auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten einstweiligen Verfügung für zulässig erachtet wird, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen ist und eine Ablehnung der einstweiligen Verfügung einer Rechtsverweigerung gleich käme (vgl. dazu OLG Köln NJW-RR 1997, 59), liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Das setzte voraus, dass der Antragstellerin durch die Nichtteilnahme am Wurstmarkt 2008 ein weitreichender wirtschaftlicher Schaden entstünde (OLG Köln aa0).

Davon kann nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ausgegangen werden. Die Antragstellerin ist eine weinerzeugende und -verarbeitende Genossenschaft. Dass ihre wirtschaftliche Existenz von der Belieferung der im Rechtsstreit begehrten Stände während des einmal im Jahr an 9 Tagen stattfindenden Wurstmarktes abhängen würde, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Dass sie dem Fußballclub FC L... den "Schubkarchstand" zur Bewirtschaftung überlassen hat, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Vorstandsmitglieds der Antragstellerin H... ergibt sich lediglich, dass dem Fußballverein bei einer Nichtteilnahme an dem Volksfest erhebliche finanzielle Einbussen und sogar die Insolvenz drohen, nicht aber, dass der Verein gedenkt, gegenüber der Antragstellerin Regressansprüche geltend zu machen. Zu den Folgen aus dem mit dem Pächter E... geschlossenen Pachtvertrag über die Bewirtschaftung des Bier- und Weinzeltes enthält die eidesstattliche Versicherung keine Angaben. Auch die Geltendmachung eines nicht näher erläuterten "erheblichen Darstellungsschadens" der Antragstellerin bei einer Nichtteilnahme an dem Weinfest begründet die Annahme eines so schwerwiegenden wirtschaftlichen Schadens nicht, dass vorliegend - ausnahmsweise - eine einstweilige Regelung geboten erscheint.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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