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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 11.10.2005
Aktenzeichen: 5 U 10/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 3
1. Die beiden Haftungstatbestände wegen ärztlicher Behandlungsfehler und wegen Aufklärungsmängel sind wesensverschieden und nicht austauschbar. Sie bilden unterschiedliche Streitgegenstände.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streitgegenstand nur insoweit, als die erste Instanz über ihn entschieden hat und in zweiter Instanz eine Abänderung dieser Entscheidung beantragt ist. Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist deshalb eine Berufungsbegründung für jeden Anspruch nötig.

Wendet sich der Kläger mit seiner Berufung allein gegen die Ausführungen der Zivilkammer betreffend die ärztliche Risikoaufklärung, sind sein erstinstanzlicher Vortrag hinsichtlich eines ärztlichen Behandlungsfehlers und die dahingehenden Ausführungen der Zivilkammer in dem angefochtenen klageabweisenden Urteil einer Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 U 10/05

Verkündet am: 11. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 2. März 2005 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn und soweit nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision des Klägers gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzverpflichtung für zukünftige materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit einer operativen ärztlichen Behandlung.

Der Beklagte ist Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten und Belegarzt am ...-Klinikum in ...

Im März bzw. April 2002 suchte der Kläger den Beklagten auf Anraten seiner Hausärztin auf, nachdem er im Bereich der rechten Halsseite einen Knoten bemerkt hatte. Der Beklagte führte eine klinische Untersuchung und eine Ultraschall-Sonographie des Halses durch und äußerte den Verdacht auf ein Lipom (gutartige Fettgewebsgeschwulst) und riet zur operativen Entfernung desselben. Die vorbereitende Operationsbesprechung fand am 28. Mai 2002 statt. An diesem Tag unterzeichnete der Kläger den ihm übergebenen schriftlichen "perimed-Aufklärungsbogen" betreffend "Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens". Wegen des Inhaltes dieses Aufklärungsbogens wird auf Bl. 21 - 23 Rs. d. A. Bezug genommen.

Am 3. Juni 2002 wurde der Kläger zur Durchführung der Operation im ...-Klinikum ... aufgenommen. Am Folgetag, Dienstag, den 4. Juni 2002, entfernte der Beklagte beim Kläger operativ die Geschwulst an der rechten Halsseite. Die Entlassung aus dem Klinikum erfolgte am 8. Juni 2002.

Nach der Operation hatte der Kläger Beschwerden wegen Schulterschmerzen rechts und Kraftlosigkeit bzw. Schwäche in der rechten Schulter und dem rechten Arm. Am 13. September 2002 diagnostizierte der Neurologe Dr. W... in ... eine Läsion des Nervus accessorius rechts. Nach weiterer ärztlicher Konsultation wurde am 13. März 2003 in der Neurochirurgischen Klinik des Bezirkskrankenhauses G... der Versuch einer Transplantation im Bereich des Nervus accessorius rechts unternommen. Eine Rekonstruktion scheiterte indes daran, dass das distale Ende des Nervs nicht darstellbar war.

Nach dem Untersuchungsbefund der Neurochirurgischen Klinik des Bezirkskrankenhauses G... leidet der Kläger u.a. an einem Schultertiefstand rechts auch nach aktivem Hochziehen beider Schultern sowie einer ausgeprägten Muskelatrophie im Bereich der Clavikula rechts. Der Kläger ist von Beruf Stuckateur bzw. Maler und nach seinem Vortrag im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen zukünftig nicht mehr in der Lage, diesen Beruf vollschichtig auszuüben.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Nervenläsion beruhe auf einem fehlerhaften operativen Eingriff am 4. Juni 2002 durch den Beklagten. Dieser habe ihn auch über die Risiken dieser Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20 000,00 €, nebst Zinsen zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus der Behandlung vom Juni 2002 entstandenen und künftig entstehenden Schäden materieller und immaterieller Art in voller Höhe zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind und soweit sie nicht bereits Gegenstand des Klageantrages zu 1. sind.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Ein ärztlicher Behandlungsfehler sei nicht schlüssig dargetan. Der operative Eingriff sei lege artis erfolg. Durch die sachgerecht durchgeführte Operation sei überhaupt kein Nerv durchtrennt worden. Am 28. Mai 2002 sowie am Abend vor der Operation sei der Kläger ausführlich über die Operation aufgeklärt worden, und zwar auch über das seltene Risiko einer Verletzung des Schulterhebenervs.

Die Zivilkammer hat über den behaupteten Behandlungsfehler Sachverständigenbeweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. J. M... vom 29. April 2004 sowie die schriftliche ergänzende Stellungnahme vom 14. Juli 2004 Bezug genommen. Über seine Behauptung, mit dem Kläger vor der Operation ein ausführliches Aufklärungsgespräch anhand des perimed-Bogens geführt zu haben, hat die Zivilkammer den Beklagten förmlich als Partei vernommen. Insoweit wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Februar 2005 verwiesen.

Mit Urteil vom 2. März 2005 hat die Zivilkammer die Klage sodann abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M... sei der ärztliche Eingriff vom 4. Juni 2002 nach den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend dem derzeitigen wissenschaftlichen Standard durchgeführt worden. Die postoperativ festgestellte Accessoriusparese bei dem Kläger sei eine typische Komplikation von Halseingriffen und beim Kläger schicksalhaft. Dem Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, den Kläger über die Risiken der Operation nicht richtig aufgeklärt zu haben. In der schriftlichen Patientenaufklärung werde unter dem Stichwort "seltene Folgen und Risiken" eine Verletzung von Nerven genannt. Die Risikoaufklärung habe der Kläger mit seiner Unterschrift auf dem schriftlichen Aufklärungsbogen bestätigt. Der Beklagte habe als Partei darüber hinaus glaubhaft bekundet, er habe den Kläger in einem Vorgespräch am 28. Mai 2002 davon in Kenntnis gesetzt, dass es durch den Eingriff zu Schäden an Blutgefäßen und Nerven kommen könne.

Gegen dieses ihm am 4. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. April 2005, eingegangen per Telefax am selben Tag, Berufung eingelegt und diese innerhalb gewährter Fristverlängerung am 6. Juni 2005 begründet.

Der Kläger trägt vor:

Über die Risiken der Operation, insbesondere über das Risiko einer Verletzung des Nervus accessorius und deren Folgen, sei er nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Der Aufklärungsbogen des Beklagten habe sich auf die Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens bezogen. Da vorliegend aber eine Fettgeschwulst (Lipom) im Bereich der rechten Halsseite entfernt worden sei, sei die Aufklärung im Hinblick auf den tatsächlichen Sachverhalt unvollständig bzw. sogar falsch gewesen. Es hätte in Bezug auf die bei einer Entfernung eines Lipoms konkret bestehenden Gefahren von Folgeschäden einer speziellen Belehrung bedurft. In dem Aufklärungsbogen werde u.a. nicht auf die Gefahr einer Verletzung des Hirnnerves - so genannter Nervus accessorius - und deren Folgen hingewiesen. Obwohl bei Operationen im hinteren Halsanteil der Nervus accessorius höchst gefährdet sei, sei weder schriftlich noch in anderer Weise eine dahingehende Belehrung erfolgt. Der Beklagte habe nicht bewiesen, eine ordnungsgemäße Belehrung vorgenommen zu haben. Nach seiner eigenen Behauptung könne er sich an das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger nicht mehr im Einzelnen erinnern.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten entsprechend den Klageanträgen erster Instanz zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 11. Juli 2005 und gemäß Schriftsatz vom 8. August 2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 2. März 2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.

In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg.

1. Der Beklagte haftet nicht wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung hinsichtlich der operativen Behandlung des Beklagten vom 4. Juni 2002 und darauf beruhender gesundheitlicher Beeinträchtigungen.

Zunächst zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass der ihm vom Beklagten überlassene und von ihm unterzeichnete perimed-Aufklärungsbogen eine "Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens" betrifft. Demgegenüber wurde beim Kläger operativ eine Tumorexstirpation im Bereich der rechten Halsseite durchgeführt. Histologisch ergab sich - wie präoperativ vermutet - die Diagnose eines Lipoms (gutartiges Fettgewebsgeschwulst).

Nun handelt es sich bei einem Lipom in der Tat nicht um einen Lymphknoten. Die mit der Entfernung eines Lymphknotens und eines Lipoms im Halsbereich verbundenen Risiken hinsichtlich der Verletzung von Nerven sind indes durchaus vergleichbar. So ist in dem vom Kläger unterzeichneten perimed-Aufklärungsbogen betreffend die Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens auf Seite 1 in einer Skizze der Schulterhebenerv (Nervus accessorius) schematisch dargestellt und wird auf Seite 2 ausdrücklich das Risiko der Verletzungen von Nerven beschrieben. Je nach Lage des Lymphknotens wird u.a. eine Verletzung des Schulterhebenervs als seltene Folge und Risiko genannt; eine dadurch bedingte Lähmung soll oft durch eine Nervennaht behoben werden können.

Bei der verfahrensgegenständlichen Operation - der Entfernung eines Lipoms im Halsbereich - ist zumindest dieses Risiko der Verletzung des Nervus accessorius mit dem bei einer Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens verbundenen dahingehenden Risiko vergleichbar. In der Tat ist beim Kläger im Verlaufe der Operation dieser Nerv verletzt worden. Der Sachverständige hat zwar den genauen Hergang nicht zu eruieren vermocht, mögliche andere Ursachen der Schädigung indes anamnestisch und klinisch ausgeschlossen. Nach dem Gutachten vom 29. April 2004 stellt die postoperativ festgestellte Accessoriusparese bei dem Kläger eine typische Komplikation von Halseingriffen dar, betreffen also erkennbar die Exstirpation oder Drainage eines Halslymphknotens als auch die Entfernung eines Lipoms.

Angesichts dessen, dass dem Patienten die Risiken der Behandlung nicht medizinisch exakt beschrieben werden müssen, für der Inhalt der Risikoaufklärung vielmehr ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Risikospektrums genügt, der Patient also nur "im Großen und Ganzen" aufgeklärt werden muss, kommt der Überlassung eines nicht die konkrete Operation betreffenden perimed-Aufklärungsbogens keine entscheidende Bedeutung zu. Aufklärung soll nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten eine ergebnisbezogene Entscheidungsgrundlage seiner Kompetenz zur Selbstbestimmung geben. Die Risiken müssen deshalb nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden; es genügt, wenn die Stoßrichtung der Risiken zutreffend dargestellt wird (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., Teil C Rdnr. 85 m.w.N.). Soweit ersichtlich ist ein perimed-Aufklärungsbogen betreffend die Entfernung eines Lipoms im Halsbereich nicht verfügbar. Die Exstirpation eines Halslymphknotens betrifft indes einen zumindest annähernd vergleichbaren Sachverhalt, dies jedenfalls hinsichtlich des sich vorliegend tatsächlich verwirklichten Risikos einer Schädigung des Nervus accessorius.

Hiervon abgesehen ist ohnehin die mündliche Aufklärung im persönlichen Arzt-Patienten-Gespräch maßgebend. Der grundsätzlich allein nicht ausreichenden Formularaufklärung kommt insoweit nur untergeordnete, das mündliche Gespräch vorbereitende bzw. erläuternde Funktion zu (vgl. Geiß/Greiner, aaO, Rdnr. 87 m.w.N.).

Nach der förmlichen Parteivernehmung des Beklagten aber steht fest, dass ein solches mündliches Aufklärungsgespräch rechtzeitig stattgefunden und der Kläger insbesondere auf die mögliche Verletzung von Nerven hingewiesen worden ist. Zwar hat der Beklagte ausgesagt, sich an das mit dem Kläger geführte Aufklärungsgespräch im Einzelnen nicht mehr erinnern zu können. Er hat indes erläutert, wöchentlich 12 - 15 Operationen der verfahrensgegenständlichen Art durchzuführen. Im Rahmen eines jeden Aufklärungsgespräches erwähne er, dass es durch den Eingriff zu Schäden an Blutgefäßen und Nerven kommen könne; diesen Hinweis gebe er bei jedem Eingriff im Halsbereich, da dies aus seiner Sicht die wichtigsten Punkte bzw. die größten Gefahrenherde seien.

Der vom Kläger unterzeichneten perimed-Aufklärungsbogen indiziert, dass ein mündliches Aufklärungsgespräch auch tatsächlich stattgefunden hat (vgl. Geiß/Greiner, aaO, Teil C Rdnr. 88 m.w.N.), zumal in der Patientenkartei des Beklagten unter dem 28. Mai 2002 vermerkt ist: "OP besprochen". Der Kläger bestreitet das Gespräch als solches auch nicht. Dem - nachvollziehbaren - Umstand, dass der Beklagte sich bei seiner förmlichen Vernehmung als Partei nicht mehr an das konkrete Gespräch mit dem Kläger hat erinnern können, kommt indes keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Es genügt vielmehr der Nachweis des üblichen Inhalts eines solchen Gesprächs (vgl. Geiß/Greiner, aaO, Teil C Rdnr. 87). An den Nachweis der ärztlichen Aufklärung dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (vgl. zu alledem auch Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 208 m.w.N.). Angesichts der - für sich allein gesehen zum Nachweis nicht ausreichenden - Dokumentation der ärztlichen Aufklärung in der Patientenkartei und dem perimed-Aufklärungsbogen begegnet die förmliche Vernehmung des Beklagten als Partei gemäß § 448 ZPO keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Der Beklagte hat das Risiko der Operation auch keineswegs gegenüber dem Kläger verharmlost. Diesem wurde ein zutreffendes allgemeines Bild von Schweregrad und Tragweite des Eingriffs und von Richtung und Gewicht der Eingriffsrisiken vermittelt. Auf die mögliche Verletzung des Schulterhebernervs (Nervus accessorius) wird in dem perimed-Aufklärungsbogen sowohl durch eine vereinfachte schematische Darstellung als auch textlich aufmerksam gemacht. Als Folge ist eine oft durch eine Nervennaht zu behebende Lähmung benannt. In der Tat wurde eine Rekonstruktion des Nervs beim Kläger in Erwägung gezogen, die allerdings misslang. Die Aufklärung soll kein medizinisches Entscheidungswissen vermitteln, sondern dem Patienten verdeutlichen, was der Eingriff für seine persönliche Situation bedeuten kann. Dazu ist der Patient über Art, Schwere und die wesentlichen Risiken zu unterrichten. Es ist nicht erforderlich, ihm die Risiken in allen denkbaren Erscheinungsformen darzustellen (vgl. Geiß/Greiner, aaO, Teil C Rdnr. 86).

Auch die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs war vom Beklagten gegenüber dem Kläger zutreffend dargestellt. Da in der Familienanamnese des Klägers metastasierender Brustkrebs bekannt war und eine maligne Komponente des Tumors des Klägers ultrasonographisch und klinisch nie sicher ausgeschlossen werden kann, bestand nach Auffassung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 29. April 2004 die Indikation zu dessen Exstirpation.

2. a) Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger allein gegen die Ausführungen der Zivilkammer betreffend die ärztliche Risikoaufklärung. Sein erstinstanzlicher Vortrag hinsichtlich eines ärztlichen Behandlungsfehlers und die dahingehenden Ausführungen der Zivilkammer in dem angefochtenen Urteil sind einer Überprüfung durch das Berufungsgericht deshalb entzogen. Soweit der Kläger nunmehr nach Schluss der mündlichen Verhandlung auch zu einem ärztlichen Behandlungsfehler Vortrag hält, geht dies über die ursprüngliche Berufungsbegründung hinaus und betrifft einen anderen Streitgegenstand. Eine dahingehende Erweiterung des Berufungsangriffs nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist aber ist unzulässig.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streitgegenstand nur insoweit, als die erste Instanz über ihn entschieden hat und in zweiter Instanz eine Abänderung dieser Entscheidung beantragt ist (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 528 Rdnr. 2). Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist deshalb eine Berufungsbegründung gemäß § 520 ZPO für jeden Anspruch nötig (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rdnr. 27 m.w.N.). Daran fehlt es hinsichtlich des erstinstanzlich verfolgten Anspruchs wegen des behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers.

Die beiden Haftungstatbestände wegen ärztlicher Behandlungsfehler und wegen Aufklärungsmängel sind wesensverschieden und nicht austauschbar. Sie bilden unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, 1. Aufl., Teil C. Rdnr. 1 m.w.N.; s. auch Frahm/Nixdorf, a.a.O., Rdnr. 168).

Nach der von der herrschenden Meinung vertretenen Theorie vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, wird der Streitgegenstand einmal vom prozessualen Antrag und zum anderen von dem zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenkomplex (Lebenssachverhalt) bestimmt (vgl. BGHZ 117, 1 = MDR 1992, 293; BGH, MDR 1993, 1117 = NJW 1993, 2684; OLG Saarbrücken, VersR 2002, 193 = MDR 2000, 1317 = OLG-Report 2000, 436 m.w.N.). Nun mag das gesamte ärztliche Behandlungsgeschehen bzw. der gesamte Behandlungsverlauf sich als ein Lebenssachverhalt darstellen mit der Folge, dass sämtliche Behandlungsfehler sich als ein Streitgegenstand darstellen (so OLG Saarbrücken a.a.O.).

Dieser erfasst indes nicht auch die ärztliche Risikoaufklärung als möglichen Haftungstatbestand. Die gebotene Aufklärung des Patienten vor einem ärztlichen Eingriff ist notwendige Grundlage der wirksamen Einwilligung des Patienten in die dann gerechtfertigte Behandlung. Sie hat regelmäßig zeitlich vor dem Behandlungsgeschehen zu erfolgen und ist schon deshalb nicht unmittelbarer Teil desselben. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt insbesondere auch bei gleichem Antrag insbesondere dann vor, wenn die materiellrechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH, NJW 1993, 2173). Dies ist einem bei Anspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers gegenüber dem Anspruch wegen ungenügender Risikoaufklärung und deshalb unwirksamer Einwilligung in den Eingriff der Fall (vgl. Tempel, NJW 1980, 609, 617). Die materiellrechtlich als auch prozessual mehrheitlichen Ansprüche sind lediglich erfüllungsmäßig funktionell miteinander verknüpft (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Einl. Rdnr. 75).

b) Hingewiesen sei allerdings darauf, dass die Klageabweisung wegen Nichtvorliegens eines ärztlichen Behandlungsfehlers durchaus Bedenken begegnet. Die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen sind insoweit keineswegs überzeugend. Nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts erscheint die Annahme eines Behandlungsfehlers durchaus nahe liegend.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 29. April 2004 sind in dem Operationsbericht Angaben zur Darstellung des Nerven nicht gemacht. Letztendlich sei die Operation geeignet gewesen, zu einer Schädigung des Nervus accessorius zu führen. Der genaue Hergang könne jedoch aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht eruiert werden. Mögliche andere Ursachen der Schädigung wie etwa postoperative lokale Entzündung oder überschießende Narbenbildung könnten anamnestisch und klinisch jedoch ausgeschlossen werden.

Hiervon ausgehend steht zunächst fest, dass der Nervus accessorius im Rahmen der am 4. Juni 2002 durchgeführten Operation - wie auch immer - verletzt wurde. Nach Urteil des OLG Hamm vom 3. März 1993 - 3 U 198/91 - (AHRS Kza 2360/101) kann die Durchtrennung des Nervus accessorius bei Operationen im lateralen Halsdreieck vermieden werden, wenn der Nerv in ausreichendem Umfang freigelegt und nach abwärts verfolgt wird, selbst dann, wenn ein verbackenes Paket mehrerer Lymphknoten herausoperiert werden soll. Nach OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. November 1994 - 8 U 89/92 - (AHRS Kza 2360/114) lässt es sich bei einer Lymphknotenentfernung an der rechten Halsseite bei ordnungsgemäßem Vorgehen vermeiden, dass der Nervus accessorius komplett durchtrennt wird, und zwar auch dann, wenn der zu entfernende Lymphknoten in einer entzündlich veränderten Umgebung liegt. Nach Urteil des OLG Köln vom 12. Januar 1994 - 27 U 104/92 - (AHRS Kza 6410/104) spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine intraoperative Schädigung und für ein Verschulden des Operateurs, wenn nach einer unkomplizierten Lymphkonten-Exstirpation eine Läsion des Nervus accessorius festgestellt wird. In der Begründung dieser Entscheidung ist ausgeführt, dass der Verlauf des Nervus accessorius kontrolliert werden kann, im Zweifelsfall ist der Nerv vor Ort freizulegen und so in seiner Lokalisation zu bestimmen.

Vorliegend sind keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Beklagte entsprechend verfahren ist. Die Nicht-Dokumentation der genannten Maßnahmen mag Indiz dafür sein, dass diese nicht getroffen wurden. Der Sachverständige Prof. Dr. M... weist in seinem schriftlichen Gutachten vom 29. April 2004 daraufhin, dass die Accessoriusparese bei dem Beklagten sich als eine typische Komplikation von Halseingriffen darstelle. Warum diese vorliegend als schicksalhaft zu betrachten sei, bleibt indes unklar, nachdem in keiner Weise ersichtlich ist, welche Maßnahmen der Beklagten getroffen hat, um eine solch typische Verletzung des Nerven zu vermeiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

4. Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen. Bislang ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich nicht entschieden, ob es sich bei Schadensersatzansprüchen wegen unzureichender ärztlicher Aufklärung und wegen ärztlicher Behandlungsfehler um unterschiedliche prozessuale Streitgegenstände handelt mit der Folge, dass es bei erstinstanzlicher Klageabweisung zur Eröffnung einer umfassenden Überprüfung durch das Berufungsgericht des jeweiligen gesonderten Berufungsangriffs bedarf. Im Hinblick auf die anzunehmende Häufigkeit einer dahingehenden Verfahrenskonstellation hat die Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung und dient im Übrigen auch der Fortbildung des Rechts.

Beschluss

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an die nicht beanstandete erstinstanzliche Festsetzung auf 35.000.- EUR festgesetzt (Antrag Schmerzensgeld: 20.000.- EUR; Feststellunmgsantrag: 15.000.- EUR).

Ende der Entscheidung

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