Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 23.11.2004
Aktenzeichen: 5 U 11/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 278
1. Zur Haftung nach den Grundsätzen zur ärztlichen Gemeinschaftspraxis, wenn die Ärzte als Belegärzte im selben Krankenhaus tätig sind und die in der Einzelpraxis einer dieser Ärzte begonnene ambulante Behandlung eines Patienten in diesem Krankenhaus stationär fortgesetzt wird.

2. Wenn denn Belegärzte eines Krankenhauses gegenüber Patienten des Krankenhauses bei deren stationären Behandlung gemeinschaftlich - als Belegärztegemeinschaft - auftreten, ist es der Interessenlage und der Verkehrsauffassung zu entnehmen, dass der Patient regelmäßig zu allen Belegärzten in vertragliche Beziehungen treten will, weil es auf der Hand liegt, dass er die haftungsrechtlichen Vorteile der Gemeinschaftspraxis nutzen will. Dies gilt auch dann, wenn der Patient vor seiner stationären Aufnahme im Rahmen der ambulanten Behandlung nur zu einem der Belegärzte alleine in vertragliche Beziehungen stand.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 U 11/03

Verkündet am: 23. November 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. Mai 2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die beiden beklagten Gynäkologen und Geburtshelfer waren (jedenfalls seit 1983) als Belegärzte an der Privatklinik ... - ... in K... tätig. Dort wurde am 23. August 1985 der Kläger geboren. Die Geburt leitete Dr. Sch..., damals ebenfalls ein Belegarzt der Klinik. Ein weiterer damaliger Belegarzt, der Zeuge Dr. R..., hatte die Mutter des Klägers zuvor während ihrer Schwangerschaft in seiner Praxis ambulant betreut und später in stationäre Behandlung eingewiesen.

Die Dres. Sch... und R... sind in zwei vorangegangenen Zivilverfahren rechtskräftig zur Leistung von Schadenersatz wegen der vom Kläger bei seiner Geburt erlittenen, erheblichen Gesundheitsschäden verurteilt worden (Urteil LG Kaiserslautern vom 12.11.1999 - 2 O 645/94 - Bl. 7 ff. d. A. sowie Urteil des Senats vom 08.08.2000 - 5 U 33/99 - und Urteil des LG Kaiserslautern vom 13.03.2002 -4 O 94/01 - Bl. 27 ff. d. A.). Die Richtigkeit dieser Urteile und der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen zum Vorliegen grober, ärztlicher Behandlungsfehler und zu den dadurch verursachten Körperschäden des Klägers ist zwischen den Parteien im vorliegenden Verfahren unstreitig.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung der - zusammen mit den beiden bereits verurteilten Ärzten gesamtschuldnerischen - Ersatzpflicht der beiden Beklagten für die ihm entstandenen und in Zukunft noch entstehenden, materiellen Schäden infolge der ärztlichen Behandlungsfehler bei seiner Geburt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten und die beiden bereits verurteilten Ärzte hafteten gesamtschuldnerisch aus Vertrag, weil sie eine "Belegärztegemeinschaft" bildeten, mit der der Behandlungsvertrag zustande gekommen sei. Die Beklagten sind dem entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages der Parteien in erster Instanz und des Klageantrages verweist der Senat auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung des Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Rechtsansicht des Landgerichts zum Vorliegen der Voraussetzungen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung zusammen mit den beiden bereits verurteilten Belegärzten angreifen. Dagegen verteidigt der Kläger das angegriffene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch zweimalige Vernehmung des Zeugen Dr. R.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird die Sitzungsniederschriften vom 4. Mai 2004 (Bl. 272 ff. d.A.) und vom 12. Oktober 2004 (Bl. 343 ff. d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zu dem angestrebten Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine gesamtschuldnerische Haftung auch der Beklagten neben den bereits verurteilten Belegärzten aus positiver Verletzung eines ärztlichen Behandlungsvertrages bejaht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagten ist gegeben. Soweit es sich dabei zum Teil um Ansprüche auf künftige Leistungen handelt, ist deretwegen unbeschadet einer möglichen Leistungsklage nach §§ 257 bis 259 ZPO wegen schon eingetretener Schäden eine Feststellungsklage zulässig (RGZ 113, 410, 411; BGH, WM 1986, 690, 691). Zugleich ist damit die Feststellungsklage in vollem Umfang zulässig. Der Kläger ist nicht gehalten, wegen bereits teilweise fälliger Ansprüche Leistungsklage zu erheben. Vielmehr kann er insgesamt auf Feststellung klagen (BGH, WM 1988, 1352, 1354 m. w. N.).

2. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz aus positiver Verletzung eines zwischen seiner Mutter und (auch) den Beklagten zustande gekommenen, ärztlichen Behandlungsvertrages mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten. Ein solcher Behandlungsvertrag zwischen der Mutter des Klägers und allen vier Belegärzten, so auch den beiden Beklagten, ist hier im Zusammenhang mit deren stationärer Aufnahme in die Privatklinik ....... zustande gekommen.

a) Die ärztliche und pflegerische Versorgung der Mutter bei der Geburt des Klägers erfolgte im Rahmen eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages, hier in der Form des Belegarztvertrages. Dabei kommt ein ärztlicher Behandlungsvertrag unmittelbar zwischen dem Patienten und dem Belegarzt zustande. Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche resultieren alleine aus der Verletzung solcher Pflichten, die sich aus dem Verhältnis des Arztes zu dem Patienten aus diesem Behandlungsvertrag ergeben. Probleme mit der Abgrenzung der Haftungsbereiche des Krankenhausträgers einerseits und des Arztes andererseits bestehen deshalb nicht.

b) Die von den Parteien zur Begründung dieses Behandlungsvertrages abgegebenen Willenserklärungen sind nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) aus der Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers dahingehend auszulegen, dass der Behandlungsvertrag mit allen vier an dem Krankenhaus tätigen Belegärzten, mithin auch den beiden Beklagten, zustande gekommen ist.

Zwischen den Parteien ist kein schriftlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen worden. Es ist auch nicht vorgetragen - und dürfte auch in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Eingehung vertraglicher Beziehungen dieser Art nicht der Realität entsprechen - dass ausdrückliche mündliche Willenserklärungen über den Abschluss eines Behandlungsvertrages abgegeben worden seien. Der Abschluss des Behandlungsvertrages ist vielmehr stillschweigend durch die Aufnahme der Mutter des Klägers und deren Behandlung zustande gekommen.

Daraus folgt, dass der wirkliche Wille der Parteien bei Abschluss des Behandlungsvertrages (§ 133 BGB) nicht aus dem Wortlaut ihrer Willenserklärungen ermittelt werden kann. Im Weiteren ist es aber auch kaum möglich, den wirklichen Willen der Vertragsschließenden, insbesondere hinsichtlich der hier relevanten Frage, mit wem der Behandlungsvertrag auf ärztlicher Seite abgeschlossen worden ist, aus den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden, äußeren Umständen zu folgern, und zwar auch dann nicht, wenn man nicht auf die Parteien selbst, sondern auf einen "objektiven Erklärungsempfänger in der Situation der Parteien" abstellt. Die Ermittlung des Inhalts der abgegebenen Willenserklärungen ist deshalb notwendigerweise stark normativ geprägt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haften die Mitglieder einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis mit gleicher Gebietsbezeichnung, die gegenüber den Patienten gemeinschaftlich auftreten, diesen gegenüber nach § 278 BGB vertraglich als Gesamtschuldner für die Versäumnisse des behandelnden Arztes (BGHZ 142, 127). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die von dem behandelnden Arzt erbrachte Leistung "austauschbar" ist. Auch wenn der Patient sich an einen ganz bestimmten Arzt wendet, von dem er behandelt werden will, so ändert dies nichts daran. Eine gesamtschuldnerische Verpflichtung kommt deshalb grundsätzlich auch bei auf dem Gebiet der Gynäkologie und der Geburtshilfe tätigen Ärzten in Betracht. Aus der Interessenlage und der Verkehrsauffassung ist zu entnehmen, dass der Patient in einem solchen Fall zu allen Praxisinhabern in vertragliche Beziehungen treten will, weil es auf der Hand liegt, dass der Patient die Vorteile der Gemeinschaftspraxis nutzen will (BGHZ 142, 127, 136 und VersR 2000, 1146, 1150).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Behandlungsvertrag zwischen der Mutter des Klägers und allen vier Belegärzten der Klinik zustand gekommen.

aa) Im vorliegenden Fall ist es im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft, dass die vier Belegärzte sich tatsächlich als "Belegärztegemeinschaft" organisiert haben. Einen mit "Belegärztegemeinschaft" überschriebenen Vertrag (Bl. 83 ff d.A., auf dessen Inhalt verwiesen wird) haben sie mit Wirkung zum 1. Juli 1983 geschlossen.

Nach § 1 dieses Belegärztevertrages war Zweck der Gemeinschaft "die gemeinsame Führung der Klinik ... - ...". Nach § 4 des Vertrages war die Arbeitsbelastung nach Möglichkeit gleichmäßig unter den Vertragspartnern aufzuteilen und es wurden Vertretungsregelungen aufgenommen. In § 5 des Vertrages heißt es:

"Die durch die klinische Arbeit der Vertragspartner anfallenden Honorare sind auf ein gemeinschaftliches ... Konto einzuzahlen und ... zu gleichen Teilen an die Belegärzte zu verteilen".

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine solche Verteilung der Honorare tatsächlich stattgefunden hat, wenn auch Uneinigkeit über die konkrete Art und Weise der Durchführung dieser Regelung besteht.

bb) Mit dem Bestehen einer solchen Belegärztegemeinschaft geht allerdings nicht zwangsläufig auch ein gegenüber den Patientinnen gemeinschaftliches Auftreten der Ärzte, welches Voraussetzung für die gesamtschuldnerische Haftung ist, einher. Insbesondere ist es auch denkbar, dass die Belegärztegemeinschaft als reine Innengesellschaft bestehen sollte und auch nur als solche in Vollzug gesetzt wurde. § 8 Satz 1 des Vertrages über die Belegärztegemeinschaft vom 1. Juli 1983 könnte auch für die Annahme zwar einer Außengesellschaft, indes nur in wirtschaftlichen Angelegenheiten sprechen. Darin heißt es:

"Die Belegärztegemeinschaft wird in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach außen hin durch einen Geschäftsführer vertreten."

In § 8 Absatz 4 des Vertrages heißt es weiter:

"Die Haftung der Belegärztegemeinschaft als Gesamtschuldner wird ausgeschlossen".

In diesem Zusammenhang kann auch das - erfolglose - Bemühen der Belegärzte zu Beginn ihrer Gemeinschaft gesehen werden, für die Abrechnung gegenüber den Gesetzlichen Krankenkassen eine einzige Abrechnungsnummer zugeteilt zu erhalten.

cc) Der Senat ist jedoch im Ergebnis davon überzeugt, dass die Belegärzte auch nach außen hin gegenüber den Patientinnen bei deren Behandlung gemeinschaftlich aufgetreten sind.

Eine Einheitlichkeit des Auftretens nach außen folgt zunächst aus der sichtbaren Gestaltung der Arbeitsumgebung der ... - ... - Klinik. Zwar war dort kein Schild angebracht, auf dem sich die Namen der vier Belegärzte befanden oder sonstige Angaben, aus denen auf einen gemeinschaftlichen Verpflichtungswillen der Ärzte geschlossen werden könnte. Andererseits gab es aber auch umgekehrt keine Hinweise darauf, dass die Patientinnen in der Klinik verschiedenen Vertragspartnern für die Erbringung medizinischer Leistungen gegenüber standen. Nach der äußeren Gestaltung stand vielmehr die Behandlung "in der ... - ... - Klinik" im Vordergrund.

Hiermit in Einklang steht der Vertrag (Bl. 77 ff d.A., auf dessen Inhalt verwiesen wird) zwischen der ... - ... - Klinik und dem Zeugen Dr. R... vom 1. Juli 1983. Darin heißt es (§ 5):

"Dr. R... hat dafür zu sorgen, dass die Therapie und Diagnostik in Übereinstimmung mit den anderen Belegärzten in der Klinik durchgeführt werden, so dass die Klinik und ihre Belegärzte gegenüber den Patientinnen sich als Einheit darstellen."

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Parteivortrages trat auch in der medizinischen Betreuung durch die Belegärzte deren gemeinsames Auftreten gegenüber den Patientinnen hinreichend deutlich in Erscheinung.

Nach den Angaben des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Oktober 2004 (Bl. 346 d.A.) behandelte zwar derjenige Belegarzt, in dessen Einzelpraxis eine Patientin zuvor ambulant betreut wurde, diese auch in der Klinik weiter. Patientinnen, die zuvor ambulant von keinem der Belegärzte betreut wurden, wurden von demjenigen Belegarzt behandelt, der bei ihrer Aufnahme Dienst hatte. Allerdings wurde bei Geburten und Operationen der erforderliche Eingriff von demjenigen Belegarzt durchgeführt, der entsprechend dem bestehenden Plan gerade Dienst hatte, es sei denn, es war ein Zuwarten mit dem Eingriff möglich und entsprach dem ausdrücklichen Wunsch der Patientin, von "ihrem" Belegarzt operiert zu werden. Nach der Operation wurden die von dritter Seite eingewiesenen Patientinnen im Regelfall vom Operateur, auf Wunsch der Patientin aber auch vom bei der Aufnahme diensthabenden Belegarzt weiter betreut. Im Weiteren führten alle vier Belegärzte täglich bei allen Patientinnen eine Visite durch, wobei sie sich in erster Linie um - nach den obigen Kriterien - "ihre" Patientinnen kümmerten. Wie der Beklagte zu 2) weiter ausgeführt hat, war diese zeitaufwändige Handhabung der Visite Konsequenz der Erwartungshaltung der meisten Patientinnen, täglich von dem ihnen vertrauten Arzt betreut zu werden. Eben dies steht, wie bereits oben ausgeführt, einer gesamtschuldnerischen Haftung allerdings nicht entgegen. Auch wenn der Patient sich an einen ganz bestimmten Arzt wendet, von dem er behandelt werden will, so ändert dies nicht daran, dass er auch die ihm angebotenen Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, insbesondere die Möglichkeit des Eintritts eines Vertreters, nutzen und in Anspruch nehmen will (BGHZ 142, 127, 136; BGH, VersR 2000. 1146, 1150). Der von den meisten Patientinnen geäußerte Wunsch, von einem bestimmten Arzt betreut zu werden, dem entsprochen wurde, steht deshalb auch nicht dem Eindruck eines gemeinschaftlichen Auftretens der Ärzte entgegen. Hinzu kommt, dass auch nach den Angaben des Beklagten zu 2) bei der täglichen Visite eine Mitbetreuung der anderen Patientinnen nicht ausgeschlossen war. Lediglich für eine ins Einzelne gehende Beratung und die Besprechung weiterführender Dinge wurde die Patientin an "ihren" Belegarzt verwiesen.

Diese Darstellung deckt sich in weiten Teilen mit den im Wesentlichen glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. R... bei seinen beiden Vernehmungen durch den Senat. Soweit der Zeuge die Durchführung der Visite dabei teilweise abweichend geschildert hat - mit einer etwas weitergehenden Betreuung aller, nicht nur der "eigenen" Patientinnen durch den jeweils diensthabenden Arzt - kommt dem keine entscheidende Bedeutung, erst recht nicht für das gegenteilige Ergebnis eines nicht gemeinschaftlichen Auftretens der Ärzte, zu. Ebenfalls ohne entscheidende Bedeutung ist, auf welche Weise die Belegärzte die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit verrechnet haben, um deren gleichmäßige Verteilung zu erreichen und ob sie selbst von einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgegangen sind, weil dies Umstände sind, die nicht nach außen hervorgetreten sind und deshalb für die Auslegung der Willenserklärungen der Vertragsparteien keine maßgebliche Rolle spielen. Soweit solchen Umständen eine indizielle Bedeutung zukommen mag, vermögen sie bei einer Gesamtbetrachtung aller weiteren Umstände den Nachweis eines gemeinschaftlichen Auftretens der Ärzte gegenüber den Patientinnen jedenfalls nicht entscheidend zu erschüttern.

Schließlich ist die Rechnung für die ärztlichen Leistungen an die Kindesmutter vom 30.8.1985 (Bl. 87 d.A.) unter einem die Namen aller vier Ärzte enthaltenden Briefkopf gestellt worden. Das Honorar war auf ein gemeinsames Konto aller Ärzte zu überweisen.

dd) Soweit die Beklagten einwenden, dass die ihr gemeinschaftliches Auftreten ggf. belegenden Umstände, wie etwa die Durchführung der Visiten oder die Rechnungsstellung unter einem gemeinsamen Briefkopf, erst nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegen und deshalb für den durch Auslegung der Willenserklärungen zu ermittelnden Inhalt des Vertrages keine Bedeutung mehr haben können, folgt der Senat dem nicht. Solchen Umständen kommt eine indizielle Bedeutung für das Verständnis der Vertragsparteien von dem Inhalt des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu. Im Hinblick auf die vorbeschriebenen Schwierigkeiten, den wirklichen Willen der Vertragsschließenden anhand einer Auslegung am Wortlaut ihrer Willenserklärungen zu ermitteln und dem daraus folgenden Erfordernis eines sehr normativen Ansatzes zur Ermittlung des Vertragsinhalts, kommt diesen Indizien eine entscheidende Bedeutung zu. Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Kindesmutter jedenfalls die tatsächlichen Abläufe in der Klinik aufgrund mehrfacher Aufenthalte in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Fehlgeburten bekannt waren.

3. Der Senat ist deshalb unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände vom Bestehen einer nach außen hin erkennbaren Belegärztegemeinschaft überzeugt. Damit ist ein Behandlungsvertrag mit allen vier Belegärzten zustande gekommen, aus dessen Verletzung diese gesamtschuldnerisch haften.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht diesem Ergebnis auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. Mai 2000 (VI ZR 321/98; VersR 2000, 1146) entgegen.

Allerdings hat der Bundesgerichthof dort die Auffassung vertreten, es sei davon auszugehen, dass ein Behandlungsvertrag der Patientin mit dem die Schwangerschaft betreuenden Gynäkologen jedenfalls dann fortbesteht, wenn - wie hier - die Patientin sich in das Belegkrankenhaus begibt, in dem der Gynäkologe Belegarzt ist und die Behandlung dort fortsetzt. Zugrunde lag ein Fall, in dem - umgekehrt wie im vorliegend zu entscheidenden Fall - mehrere Gynäkologen ihre ambulante Tätigkeit in der Form einer Gemeinschaftspraxis organisiert hatten, nicht aber ihre Tätigkeit als Belegärzte. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof eine Haftung aller Ärzte der ambulanten Gemeinschaftspraxis für Behandlungsfehler im Rahmen der stationären Behandlung bejaht, weil "die haftungsrechtlichen Folgen der Gemeinschaftspraxis durch die Aufnahme der Patientin in das Krankenhaus keine Veränderung erfahren haben". Hätten auch hier die haftungsrechtlichen Folgen der ambulanten Behandlung der Kindesmutter keine Änderung erfahren, so würden die Beklagten nicht haften, denn die ambulante Behandlung erfolgte alleine durch den Zeugen Dr. R... im Rahmen eines alleine zwischen ihm und der Kindesmutter bestehenden Behandlungsvertrages.

Nach Auffassung des Senats kann diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den hier zu entscheidenden Fall indes nicht übertragen werden. Bei dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall stellte sich die Frage, ob die Patientin mit ihrer Aufnahme ins Krankenhaus bisherige Vertragsschuldner aus ihrer Haftung entlassen hat. Dass sie dies weder ausdrücklich noch den Umständen nach getan hat, sondern lediglich der bestehende Behandlungsvertrag fortgesetzt wurde, ist Inhalt der Entscheidung.

Vorliegend geht es indes nicht um den Wegfall, sondern um das Hinzutreten weiterer Vertragsschuldner beim Übergang von der ambulanten zur stationären Behandlung. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Interessenlage und der Verkehrsauffassung zu entnehmen ist, dass der Patient regelmäßig zu allen gemeinschaftlich auftretenden Praxisinhabern in vertragliche Beziehungen treten will, ändert sich an dieser Feststellung und der aus ihr folgenden Konsequenz einer gesamtschuldnerischen Haftung nichts, wenn der Patient schon zuvor zu einem der Praxisinhaber (in anderer Hinsicht) alleine in vertraglichen Beziehungen stand. Hier war es der Kindesmutter nicht möglich, alle vier Belegärzte als Gesamtschuldner im Rahmen ihrer ambulanten Behandlung zu verpflichten, weil insoweit keine Gemeinschaftspraxis bestand. Eine solche bestand aber, wie ausgeführt, bei der Erbringung der stationären, ärztlichen Leistungen. Dann ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Kindesmutter im Moment ihrer Krankenhausaufnahme nicht ihrer Interessenlage folgend und der Verkehrsauffassung entsprechend in vertragliche Beziehungen zu allen Belegärzten treten wollte, um nunmehr, erstmals, die sich daraus ergebenden Vorteile zu nutzen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Frage der Haftung einer "Belegärztegemeinschaft" nach vorangegangener ambulanter Betreuung durch lediglich einen dieser Belegärzte von grundsätzlicher Bedeutung ist und in dieser Konstellation, soweit ersichtlich, vom Bundesgerichtshof noch nicht beantwortet worden ist.

Beschluss:

Der Berufungsstreitwert wird gem. § 3 ZPO auf 50.000 EURO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück