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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 5 UF 106/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603
ZPO § 86
ZPO § 241
ZPO § 246
ZPO § 301
Leitsatz:

1. Ein Rechtsstreit wegen Kindesunterhalts wird durch die Volljährigkeit des Kindes nicht unterbrochen, sondern geht mit allen Wirkungen der vorangegangenen Prozesshandlungen über.

2. Ein Teilurteil für einzelne Unterhaltsgläubiger ist unzulässig, wenn der Unterhaltsschuldner nicht uneingeschränkt leistungsfähig ist und alle Unterhaltsberechtigte gleichrangig sind, weil zur Durchführung einer Mangelfallberechnung der gesamte aus der ungenügenden Verfügungsmasse zu berücksichtigende Unterhaltsbedarf bekannt sein muss.

3. Zur Darlegungs- und Beweislast wenn der Unterhaltsschuldner in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt ist und zur Zurechenbarkeit eines fiktiven Einkommens. Ein solches kann nicht auf der Grundlage einer unzumutbaren Tätigkeit bemessen werden. Die Tatsache, dass zu einer späteren Zeit nur eine (krankheitsbedingt unzumutbare) Arbeit als Kraftfahrer gefunden hat, nicht, dass eine zumutbare Erwerbstätigkeit vorher nicht zu finden gewesen wäre.


PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN Im Namen des Volkes! Urteil

5 UF 106/99 1 F 4/95 AmtsG -FamG- Zweibrücken

Verkündet am 23. Mai 2000

Schöneberger, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

wegen Abänderung von Kindesunterhalts,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch die Richter am Obderlandesgericht Hoffmann, Goldstein und Weisbrodt auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Zweibrücken vom 19. August 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch wegen der Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten werden für das Berufungsverfahren nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die noch minderjährigen Kläger zu 2) sind zwei von drei Kindern des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Die Tochter M Sch, die Klägerin zu 1, deretwegen das Familiengericht noch nicht zum Schluss entschieden hat, ist seit 22. Dezember 1998 volljährig.

Vor dem angefochtenen Urteil ist am 7. August 1997 ein Teilurteil ergangen. Aufgrund dessen ist jetzt nur noch der Zeitraum vom 7. Juni 1996 bis 15. Juni 1997 betreffend die Klage und vom 1. September 1996 bis 15. Juni 1997 betreffend die Widerklage rechtshängig.

Der Beklagte verpflichtete sich durch Vergleich des Amtsgerichts -Familiengericht- Zweibrücken vom 10. Dezember 1992 - F 342/92 - Kindesunterhalt monatlich wie folgt zu zahlen:

für M. 215 DM

für St. 147 DM

für S. 115 DM

Grundlage des Vergleichs war ein Einkommen des Beklagten, der daneben noch eine weitere Unterhaltspflicht für ein inzwischen ebenfalls volljähriges Kind hatte, aus dem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.850 DM sowie die Tilgung ehelicher Schulden in Höhe von 16 000 bis 18.000 DM mit monatlich 600 DM. Das Kindergeld bezog damals wie heute die Mutter der Kläger.

Die Kläger begehren höheren Kindesunterhalt. Der Beklagte will wegen fehlender Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt mehr zahlen.

Der Beklagte war zunächst Kfz-Schlosser und Kraftfahrer. Er ließ sich bis Juni 1996 zum Heilerziehungspfleger umschulen. Eine Tätigkeit in diesem Beruf hat er nie ausgeübt. Der Beklagte leidet an Diabetes mellitus und hatte einen Bandscheibenvorfall.

Der Beklagte bezog seit 7. Juni 1996 bis zur Arbeitsaufnahme am 16. Juni 1997 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 251,40 DM.

Das Amtsgericht -Familiengericht- Zweibrücken hat Sachverständigenbeweis erhoben. Durch Teilurteil vom 19. August 1999 hat es der Klage der beiden noch minderjährigen Kinder, soweit noch anhängig, stattgegeben und insoweit auch die Widerklage abgewiesen. Hinsichtlich der inzwischen volljährig gewordenen Klägerin zu 1 hat das Familiengericht die Auffassung vertreten, der von dieser nicht aufgenommene Rechtsstreit sei weiterhin unterbrochen. Zwar sei auch für diese ein Antrag durch den Prozessbevollmächtigten der früheren gesetzlichen Vertreterin gestellt worden. Weil das Verfahren jedoch schon unterbrochen gewesen sei, sei dies unschädlich und unbeachtlich. Ansonsten ist das Familiengericht auch für den noch offenen Zeitraum der Auffassung der Kläger gefolgt, dass sich der Beklagte nicht hinreichend um Arbeit bemüht habe. Ausweislich des Sachverständigengutachtens sei der Beklagte zweifelsfrei nur in der Zeit vom 4. bis 17. April 1997 und vom 22. Juli bis 27. September 1996 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. An genügenden Erwerbsbemühungen habe es der Beklagte fehlen lassen, sodass er für den Mindestunterhalt nicht als leistungsunfähig angesehen werden könne. Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihm von Amts wegen am 24. August 1999 zugestellte Teilurteil hat der Beklagte nach einem fristgerecht durchgeführten Prozesskostenhilfeverfahren nach am 16. Dezember 1999 bewilligter Prozesskostenhilfe, der Beschluss ist ihm am 11. Januar 2000 zugestellt worden, am 11. Januar 2000 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel zugleich begründet.

Der Beklagte trägt vor:

Im abzuändernden Vergleich sei davon ausgegangen worden, dass er arbeitslos sei. Weder sei ein fiktives Einkommen, noch der Mindestunterhalt festgesetzt worden. Maßgeblich bleibe daher auch für die jetzt noch zu beurteilende Zeit nur das Arbeitslosenentgelt in Höhe von 1.089,40 DM monatlich.

Jedenfalls sei er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht vermittelbar gewesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Zweibrücken vom 19. August 1999 zu ändern, die Klage - soweit noch nicht am 7. August 1997 beschieden - abzuweisen und auf seine Widerklage den Vergleich vom 10. Februar 1992 - F 342/92 - dahingehnd abzuändern, dass er für die Zeit vom 1. September 1996 bis 15. Juni 1997 keinen Unterhalt zu zahlen habe.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Teilurteil hinsichtlich des Ansatzes eines fiktiven Einkommens von rund 2.500 DM und sind der Auffassung, dass dann wegen des Teilurteil bei der Entscheidung über den restlichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1 keine Divergenz drohe. Im Übrigen sei die Erkrankung des Beklagten weniger gravierend als von diesem behauptet. Diese könne sich wegen der Bandscheibenbeschwerden auch operieren lassen und dann ins Berufsleben zurückkehren.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, Protokolle und die anderen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat einen vorläufigen Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht auf einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO und ist aufzuheben.

Der Beklagte schuldet seinen beiden minderjährigen Kindern für die Zeit vom 7. Juni 1996 bis zum 15. Juni 1997 Unterhalt gemäß §§ 1601, 1603 Abs. 2 BGB, dessen Höhe im Rahmen einer Mangelfallberechnung unter Einbeziehung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1 noch zu ermitteln ist.

1. Unzutreffend ist "die Auffassung des Familiengerichts der Rechtsstreit sei wegen des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1 in Folge deren Volljährigkeit unterbrochen. Aus § 241 Abs. 1 ZPO ergibt sich das Gegenteil. Die Vertretungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter der Klägerin zu 1 hat aufgehört, weil diese prozessfähig geworden ist. Daher wird das Verfahren nicht unterbrochen, sondern geht mit allen Wirkungen der" vorangegangenen Prozesshandlungen über (vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, § 241, Rdn. 5). Im Übrigen hätte gemäß den §§ 86, 246 ZPO der Umstand, dass ein Prozessbevollmächtigter bestellt war, die Unterbrechung verhindert.

2. Unzutreffend ist aber auch die Auffassung der Berufung, die Widerklage sei bezüglich der Klägerin zu 1 ebenfalls abgewiesen worden. Zwar ist der Urteilstenor in Nummer 2 anders als der in Nummer 1 nicht namentlich konkretisiert. Aus dem Rubrum, in dem die Klägerin zu 1 nicht benannt ist, außerdem durch die Bezeichnung als Teilurteil ergibt sich eindeutig, dass sich die Abweisung der Widerklage nur auf den Unterhaltsanspruch der beiden minderjährigen Kinder bezieht.

3. Das angefochtene Teilurteil ist unzulässig, weil der Beklagte nicht uneingeschränkt leistungsfähig ist. Bis zum 21. Dezember 1998 waren alle drei Kinder, weil minderjährig, als Unterhaltsberechtigte gleichrangig. Die Zeit danach ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, sodass der weitere Werdegang der Klägerin zu 1, also ob sie als privilegierte junge Erwachsene zu gelten hat, unerheblich ist.

Zwar ist, wegen der unterschiedlichen Gläubigerschaft der Streitgegenstand teilbar, die Ansprüche sind aber nicht von einander unabhängig, wenn zur Durchführung einer Mangelfallberechnung der gesamte aus der ungenügenden Verfügungsmasse zu berücksichtigende Unterhaltsbedarf bekannt sein muss (OLG Frankfurt, FamRZ 1987, 1276). Eine solche ist nötig.

a) In diesem Zusammenhang vertritt der Beklagte die Auffassung, seine Arbeitslosigkeit sei bindende Vergleichsgrundlage. Ein fiktives Einkommen sei ihm daher auch jetzt nicht zuzurechnen. Dem ist nur bedingt zu folgen. Bei Abschluss des Vergleichs im Jahre 1992 hatten die Kläger schon geltend gemacht, der Beklagte habe seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit selbst verschuldet, weil seine Lebensgewohnheiten nicht seinem Gesundheitszustand entsprächen. Gleichwohl wurde dem Vergleich nur das Arbeitslosengeld, das der Beklagte damals im Anschluss an seine nicht mehr ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer bezog, zu Grunde gelegt. Grund für die Arbeitslosigkeit war die Erkrankung des Beklagten an Diabetes mellitus. In späterer Zeit verbesserten sich die Einkommensverhältnisse des Beklagten dann, weil dieser für die Umschulungsmaßnahme zum Heilerziehungspfleger Übergangsgeld in Höhe von etwa 2.500 DM bezog. Der Bezug dieser Leistung endete am 6. Juni 1996, anschließend erhielt der Beklagte wieder in viel geringerer Höhe Arbeitslosengeld.

Aus diesen Vorgängen folgt:

Die Kläger können dem Beklagten nicht vorhalten, sich nicht um eine Stelle als Kraftfahrer oder Heilerziehungspfleger beworben zu haben. Diese Tätigkeit kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben. Dies hat ihm der Sachverständige bestätigt. Nach solchen Stellen musste der Beklagte nicht suchen. Wenn er gleichwohl eine Stelle als Kraftfahrer angenommen hat, kann das dort erzielte Einkommen nicht Maßstab eines fiktiven Einkommens sein. Allenfalls ließe sich hieran ein oberes Limit der Einkommenserwartung anknüpfen. Andererseits bindet der Umstand, dass der Beklagte bei Abschluss des Vergleichs arbeitslos war und eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit nicht angenommen wurde, nicht. Bei Arbeitslosigkeit besteht immer die Obliegenheit, Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit zu unternehmen. Die Feststellung der Arbeitslosigkeit als Grundlage eines Unterhaltsvergleichs enthebt davon nicht.

Außerhalb der erlernten Berufe und mit gewissen Einschränkungen kann der Beklagte nach den Feststellungen des Sachverständigen arbeiten. Er war im maßgeblichen Zeitraum - kürzere Zeitspannen ausgenommen - arbeitsfähig. Seine berufliche Leistungsfähigkeit ist vermindert. Die Einschränkungen beeinträchtigen auch seine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Als Tätigkeitseinschränkungen werden vom Sachverständigen genannt Bücken, Tragen von Lasten, Drehbewegungen und Zwangshaltungen.

Beworben hat sich der Beklagte indes nur auf solche Stellen, die er gesundheitlich nicht auszuüben braucht. Anstrengungen, eine Stelle für zumutbare Arbeiten zu finden, hat er nicht unternommen. Das geht unterhaltsrechtlich zu seinen Lasten. Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz erforderlich und an den möglichen Beweis, daß eine reale Beschäftigungschance nicht bestand, bei einem gesunden Arbeitslosen hohe Anforderungen zu stellen (vgl. die Zusammenfassung der Rechtsprechung bei Pauling, FPR 2000, 11). Regelmäßig lässt sich erst nach intensiver Suche sagen, daß eine Arbeitsplatzchance nicht bestand. Das Gericht muß nur feststellen, daß bei dem Verpflichteten nach Art, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand überhaupt eine Arbeitsplatzchance gegeben war (BGH, FamRZ 1996, 345 = NJW 1996, 517). An diese Feststellung sind auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit bei gesunden Arbeitnehmern mitten im Erwerbsalter keine hohen Anforderungen zu stellen, da sich regelmäßig erst nach erfolglosen intensiven Bemühungen sagen läßt, ob im Einzelfall eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bestand oder nicht. Wollte man in Zeiten und Regionen hoher Arbeitslosigkeit die Anforderungen an intensive Arbeitssuche für erwerbsfähige Arbeitnehmer aufgeben, bestünde keine Möglichkeit mehr, zwischen wirklicher und nur vorgetäuschter Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu unterscheiden. Es würde dem arbeitsunwilligen Unterhaltsverpflichteten leicht gemacht, sich gerade während der Zeit seiner Unterhaltsverpflichtung dieser Last zu entziehen, zumal ihm bei Leistung des Unterhalts auch nach Arbeitsaufnahme oft kaum mehr bleibt als einem Arbeitslosen. Der Ansatz fiktiven Einkommens bei unzureichender Arbeitssuche schafft erst die Möglichkeit, auf nachträgliches höheres Einkommen oder Vermögen zuzugreifen (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 1104; kritisch Bäumel, FRP 2000, 17 allerdings aus Sicht der Situation in den neuen Bundesländern). Nach diesem Regulativ, nämlich dass nur aus erfolglosen Bewerbungen die fehlende Erwerbsmöglichkeit geschlossen werden kann, geht dies hier zu Lasten des Beklagten. Hinsichtlich der Widerklage hat dieser als Abänderungskläger ohnehin die Beweislast. Soweit die Kinder höheren Unterhalt wollen, müssen sie zwar auch die Leistungsfähigkeit beweisen. Hierbei kommen ihnen aber Beweiserleichterungen zu Gute.

Der Unterhaltsgläubiger darf seiner Darlegungslast genügen, indem er - ohne weitere Substantiierung - die Behauptung aufstellt, der Unterhaltsschuldner habe seine Leistungsunfähigkeit selbst zu verantworten. Diesen Vortrag muss der Unterhaltsschuldner substantiiert bestreiten und deshalb im einzelnen die Gründe angeben, weshalb es dazu gekommen ist (OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 926; NJW-RR 1994, 1097), hier also weshalb er keine neue Arbeitsstelle gefunden hat.

Das entspricht dem bekannten Grundsatz der sekundären Darlegungslast im Verfahrensrecht. Die Zivilprozessordnung kennt zwar keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei. Keine Partei ist gehalten, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH BGHR ZPO § 138 Abs. 3, Aufklärungspflicht 1). Aus § 138 Abs. 2 und 3 ZPO folgt aber, dass eine Partei, soll ihr (bestreitender) Vortrag beachtlich sein, auf Behauptungen des Prozessgegners unter Umständen »substantiiert« (d. h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern hat. Eine solche Pflicht kann in Betracht kommen, wenn der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGHR ZPO § 138 Abs. 3, Bestreiten, substantiiertes 2; BGHZ 12,49,50; 86,23,30; BGH, NJW 1974,1822; NJW 1980,591), was insbesondere der Fall ist, wenn die vom Gegner behaupteten Tatsachen sämtlich im Wahrnehmungsbereich des Anderen liegen und es diesem im Hinblick auf die ihm nach § 242 BGB obliegende unterhaltsrechtliche Auskunftspflicht f.) zuzumuten ist, sich zu der gegnerischen Behauptung näher zu erklären (BGHZ 85, 16, 27; NJW 1961, 826, 828; siehe auch BGH, Urteil vom 24. November 1998, VI ZR 388/97).

Auf Grund dieser Beweiserleichterung fällt es daher auch hier auf den Beklagten zurück, dass er Anstrengungen, eine zumutbare Arbeit zu finden, nicht unternommen hat.

Nur ein fiktives Einkommen, das er aus einer zumutbaren Arbeit erzielen kann, kann dem Beklagten aber zugerechnet werden.

Die mangelhafte Arbeitssuche muss kausal dafür sein, dass keine angemessene Stellung gefunden werden konnte. Die bloß theoretische Chance eines Arbeitsplatzes reicht dafür nicht aus; es muss aufgrund tatrichterlicher Würdigung nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes, nach den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten und nach der subjektiven Arbeitsbereitschaft feststehen, dass trotz ausreichender Bemühungen keine reale Beschäftigungschance bestanden hat (BGH, FamRZ 1993, 789 = NJW-RR 1993, 898; FamRZ 1986, 885; 1987, 144 = NJW 1987, 898; FamRZ 1987, 912 = NJW-RR 1987, 962; FamRZ 1996, 345).

Hierbei indiziert die Tatsache, dass der Beklagte später nur eine (krankheitsbedingt unzumutbare) Arbeit als Kraftfahrer gefunden hat, nicht, dass eine zumutbare Erwerbstätigkeit vorher nicht zu finden gewesen wäre. Hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeiten ist beachtlich, dass der wiederverheiratete Beklagte, dessen Ehefrau berufstätig, also ortsgebunden ist und der sich daher nicht räumlich umorientieren muss, aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur beschränkt vermittelbar ist. Für eine seiner Vorbildung entsprechende Arbeit könnte er am ehesten noch im Innendienst, das heißt in verwaltender Tätigkeit einsetzbar sein. In diesem Bereich fehlt ihm aber eine kaufmännische Ausbildung, sodass er nur eine Anlerntätigkeit im Büro, ansonsten im Hinblick auf die handwerkliche Ausbildung Stellen in der Lagerhaltung oder im Pförtner- und Hausmeisterdienst - bestenfalls in einer Einrichtung der Alters- oder Behindertenversorgung, wobei ihm beide Ausbildungen zu Statte kämen - oder ähnliches ausfüllen könnte. Dass er hierbei in der damaligen Zeit mehr als 2.000 DM netto hätte verdienen können, ist, nachdem er in der ihm nicht zumutbaren Tätigkeit als Kraftfahrer netto nur rund 2.500 DM verdienen kann, kaum anzunehmen. Andererseits wäre ein Einkommen von 2.000 DM, das wären brutto rund 3.300 DM, auch nicht unerreichbar.

Eine Verteilungsmasse von maximal 500 DM - bei Zurechnung eines fiktiven Einkommens muss auch der Selbstbehalt des Erwerbstätigen belassen werden - reicht nicht zur Deckung aller Unterhaltspflichten aus. Bereits der den beiden jüngeren Kinder zugesprochene Unterhalt ist höher. Daher hätte ein Teilurteil nicht ergehen dürfen.

Gemäß § 708 Nr. 10 ZPO ist das Urteil des Senats für vorläufig vollstreckbar zu erklären, auch wenn es keinen unmittelbar vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. MüKommKrüger; ZPO, § 708, Rdn. 17; § 704, Rdn. 6). Angesichts des vorläufigen Ausgangs des Berufungsverfahrens verbietet sich jedoch eine Kostenentscheidung derzeit. Diese ist dem Gericht der ersten Instanz zu übertragen. Allerdings sind die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens gemäß § 8 GKG niederzuschlagen. Dieser Ausspruch kann jetzt schon erfolgen (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1979, Spalte 248).

Beschluß

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.917,00 DM (Klage 12 x 201 + 168; Widerklage: 9,5 x 147 + 115) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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