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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.06.2000
Aktenzeichen: 5 UF 130/98
Rechtsgebiete: BGB, GKG, KostO


Vorschriften:

BGB § 1671
GKG § 1
KostO § 131
Leitsatz:

1. Leiden beide Elternteile an erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die die Erziehungsfähigkeit tangieren, kann es als sinnvoll sein, beide in der elterlichen Verantwortung zu belassen, um die Belastung soweit möglich zu verteilen.

2. Es kann ein Grund sein, das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater zu übertragen, wenn das Verhältnis der Kinder zu dem neuen Ehemann der Mutter konfliktbelastet ist und diese zu einer Entspannung nicht beitragen kann. Daran kann sich die Erwartung knüpfen, deren Belastung werde auch reduziert, sodass die Bindungsbeziehung der Kinder zur Mutter wieder eine günstigere Tendenz nehmen kann. Dann kann die Mutter wieder den Kindern eine zusätzliche Bezugsperson sein, die sie neben dem Vater brauchen wird und die dieser nicht ersetzen kann.

3. Die befristete Beschwerde im Ehescheidungsverbundfahren ist betreffend die Regelung der elterlichen Sorge nicht gerichtskostenfrei gemäß § 131 Abs. 3 KostO. Diese Vorschrift findet gemäß § 1 Abs. 2 GKG keine Anwendung.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

5 UF 130/98 1 F 208/97 AmtsG -FamG- Landau der Pfalz

In der Familiensache

betreffend die Regelung der elterlichen Sorge für die minderjährigen Kinder nach Trennung der Eltern

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch die Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, Goldstein und Weisbrodt auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners vom 17. November 1998 gegen die Regelung der elterlichen Sorge und des Versorgungsausgleichs in Nummer und des Ehescheidungsverbundurteils des Amtsgerichts -Familiengericht- Landau in der Pfalz vom 22. Juni 1998 nach Anhörung der Beteiligten am 20.Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die befristete Beschwerde wird das angefochtene Urteil geändert:

1. Die elterliche Sorge für die Kinder L.H., T.H. und A.H. wird von beiden Eltern gemeinsam ausgeübt.

2. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für diese Kinder wird dem Antragsgegner übertragen.

3. ...

II. ...

III. ...

Gründe:

I.

Die Parteien waren seit 6. September 1984 miteinander verheiratet. Während der Ehe hat der Antragsgegner Anwartschaften auf eine beamtenrechtliche Versorgung und die Antragstellerin Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erworben. Die Ehe ist auf den dem Antragsgegner am 28. August 1997 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin seit 25. Dezember 1998 geschieden. Aus ihr gingen die betroffenen Kinder hervor. Diese leben inzwischen bei der Antragstellerin, die ein weiteres Kind aus der nach der Trennung der Parteien eingegangenen Partnerschaft. Mit dem Vater dieses Kindes ist die Antragstellerin inzwischen verheiratet.

Beide Elternteile wollen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die betroffenen Kinder ausüben. In erster Instanz haben sie nach früherem Recht um Übertragung der elterlichen Sorge auf die jeweils eigene Person gebeten.

Das Amtsgericht -Familiengericht- Landau in der Pfalz hat das im Verfahren gemäß § 1572 BGB a.F. eingeholte Sachverständigengutachten zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. In diesem Verfahren hatte das Familiengericht auch am 30. September 1997 die Kinder angehört. Eine Entscheidung wurde nicht mehr getroffen, weil vorher das angefochtene Urteil ergangen ist. Durch dieses Urteil hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt und die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder der Antragstellerin übertragen. Bei annähernd gleicher Eignung beider Eltern bestünden zur Mutter die größeren emotionalen Bindungen. Diese verhalte sich in Bezug auf die Beziehung der Kinder zum Vater loyal. Die psychische Beeinträchtigung der Mutter stelle deren Erziehungsfähigkeit nicht in Frage. Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihm von Amts wegen am 30. Juni 1998 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner am 17. November 1998 die befristete Beschwerde betreffend die Regelung des Versorgungsausgleichs und der elterlichen Sorge eingelegt und sein Rechtsmittel am 17. November 1998 begründet. Gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist er am 8. Februar 1999 in den vorigen Stand gesetzt worden.

Der Antragsgegner rügt die unrichtige Behandlung der Kindererziehungszeiten im Versorgungsausgleich. Die elterliche Sorge will er gemeinsam mit der Antragstellerin ausüben, jedoch selbst das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben. Im Verhalten des neuen Partners der Antragstellerin bestehe Gefahr für das Wohl der Kinder.

Der Antragsgegner beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Landau in der Pfalz vom 22. Juni 1998 abzuändern, den Versorgungsausgleich neu durchzuführen, festzustellen, dass die elterliche Sorge für die ehegemeinsamen Kinder von beiden Eltern gemeinsam ausgeübt werde und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Die Antragstellerin beantragt,

die befristete Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat Sachverständigenbeweis gemäß dem Beweisbeschluss vom 1. Juni 1999 erhoben und Auskünfte bei den beteiligten Versorgungsträgern eingeholt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, Protokolle und die anderen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die befristete Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Der Versorgungsausgleich ist neu zu regeln.

2. Die elterliche Sorge wird weiterhin von beiden Eltern gemeinsam ausgeübt. Davon ausgenommen ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Dieses wird dem Antragsgegner übertragen.

a) Es ist nicht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu erwarten, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl der Kinder am besten entspricht.

Trotz der Konflikte der Parteien im Zusammenhang mit der Trennung und der Sorge für die Kinder haben sich die Eltern in Bezug auf die Kindesinteressen noch konsensfähig gezeigt. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die jeder Elternteil zu ertragen hat, lassen es als sinnvoll erscheinen, beide in der elterlichen Verantwortung zu belassen, um situationsadäquat verfügbar zu sein und die Belastung soweit möglich zu verteilen.

b) Es ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu erwarten, dass es dem Wohl der Kinder am besten entspricht, wenn der Antragsgegner als Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein ausübt.

Diese Regelung entspricht zunächst dem erklärten und ernstzunehmenden Willen aller drei Kinder, die zur Mutter bedingt durch deren psychischer Erkrankung eine unsichere ambivalente die sich, seit diese eine Bindungsbeziehung entwickelt haben, neue Partnerschaft eingegangen ist, noch weiter verschlechtert hat. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Antragsgegner rechtfertigt sich aber auch angesichts der weiteren zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, die der Senat im Anschluss an das Sachverständigengutachten vom 26. April 2000 abgewogen hat. Im Umfeld des Vaters finden die Kinder die in der Vergangenheit bereits erfahrenen stabilisierenden Faktoren. Noch vorhandene soziale Bezüge können dort wieder reaktiviert werden. Der Alltag kann mit Unterstützung der Familienhilfe bewältigt werden.

Der Senat hegt bei dieser Verfahrensweise die Erwartung, dass durch häufigen und regelmäßigen Umgang der Kinder mit der Mutter (und der Schwester) deren elterliche Verantwortung gefordert und gefördert wird. Das konfliktbelastete Verhältnis der Kinder mit dem neuen Ehemann der Mutter wird an Gewicht verlieren. Deren Belastung wird auch reduziert, sodass die Erwartung besteht, dass die Bindungsbeziehung eine günstigere Tendenz nehmen kann. Dann kann die Mutter aber mit einer mehr unterstützenden Funktion den Kindern eine zusätzliche Bezugsperson sein, die neben dem Vater immer wieder gebraucht werden wird und die dieser nicht ersetzen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO (vgl. Zöller-Herget, ZPO, § 93 a, Rdn. 12). Die Beschwerde ist auch betreffend die Regelung der elterlichen Sorge nicht gerichtskostenfrei gemäß § 131 Abs. 3 KostO. Diese Vorschrift findet gemäß § 1 Abs. 2 GKG keine Anwendung (vgl. auch Oestreich/Winter, GKG, Band 3, VII Nr. 1110-1139 Anm. 28, wonach auch die Beschwerde gegen eine vorgezogene Entscheidung über die elterliche Sorge gemäß § 627 ZPO gebührenpflichtig ist; Senat, Beschluss vom 2. März 2000, 5 UF 134/99). Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß §§ 12 Abs. 2 Satz 3, 17 a GKG festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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