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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 04.12.2001
Aktenzeichen: 5 UF 58/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB, Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht, Codigo Civil Brasilien, Gesetz Nr. 8560 Brasilien, EGZGB Brasilien


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2
ZPO § 438
EGBGB Art. 4
EGBGB § 20 Abs. 1 Satz 1 u. 3 (a.F.)
EGBGB § 23 (a.F.)
EGBGB § 224 Abs. 1
Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht Art. 4
Codigo Civil Brasilien Art. 355
Codigo Civil Brasilien Art. 357
Codigo Civil Brasilien Art. 362
Gesetz Nr. 8560 Brasilien Art. 1
Gesetz Nr. 8560 Brasilien Art. 4
EGZGB Brasilien Art. 7
Zur Wirksamkeit und zum Nachweis der Anerkennung der Vaterschaft nach dem Recht der Republik Brasilien.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 UF 58/01

Verkündet am: 4. Dezember 2001

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, den Richter am Oberlandesgericht Geisert und die Richterin am Amtsgericht Heise

auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 15. Februar 2001 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht von dem Beklagten Unterhalt für das Kind B... L..., geboren am 18. März 1991 in Brasilien. Die Klägerin ist brasilianische Staatsangehörige, der Beklagte ist Deutscher.

Die nach der Geburt des Kindes geschlossene Ehe der Parteien wurde zwischenzeitlich durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 7. Juni 2001 (1 F 319/00) geschieden. Der Beklagte ist nicht der leibliche Vater des Kindes.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe die Vaterschaft durch notarielle Erklärung vom 9. Januar 1995 in Brasilien wirksam anerkannt.

Nach Ankündigung von weitergehenden Anträgen hat die Klägerin schließlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, Kindesunterhalt für Oktober bis Dezember 2000 in Höhe von insgesamt 888,-- DM und ab Januar 2001 monatlich 431,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, es liege kein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis durch ihn vor. Er lebe von Sozialhilfe und sei daher nicht leistungsfähig. Im Hinblick auf sein Alter von 48 Jahren und eine fehlende Berufsausbildung sei er auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht vermittelbar. In der Vergangenheit habe er lediglich Gelegenheitsarbeiten ausgeübt.

Das Familiengericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Klägerin verurteilt. Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Dokumente bestünden hinsichtlich der Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses durch den Beklagten in Brasilien formal keine Bedenken. Die Voraussetzungen für die Vaterschaftsanerkennung richteten sich nach brasilianischem Recht und seien vorliegend erfüllt. Da die Klägerin lediglich den Mindestunterhalt geltend mache, sei der Beklagte beweisbelastet für seine fehlende Leistungsfähigkeit. Er habe nicht nachgewiesen, sich gemäß seiner gesteigerten Erwerbsverpflichtung um Arbeit zu bemühen.

Der Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Er macht noch geltend, ihm sei die Verpflichtungsurkunde nicht übersetzt worden. Darin sei unrichtiger Weise angegeben, dass die Parteien miteinander verheiratet seien. Damals sei die Klägerin jedoch mit einem anderen Mann verheiratet gewesen.

Aus den vorgelegten Urkunden gehe auch nicht hervor, dass die Klägerin der Vaterschaftsanerkennung fristgerecht zugestimmt habe.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten führt zur Abweisung der Unterhaltsklage. Die Klägerin vermochte nicht alle Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch des Kindes B... L... gegen den Beklagten nachzuweisen.

Auf das Unterhaltsverlangen ist gemäß Art. 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II, S. 837) das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht, mithin deutsches Recht (hier: §§ 1601, 1603 Abs. 2 BGB), anzuwenden. Da der Beklagte unstreitig nicht der leibliche Vater des Kinde ist, kommt ein Unterhaltsanspruch gegen ihn nur dann in Betracht, wenn die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses vom 9. Januar 1995 festgestellt werden kann. Hieran fehlt es vorliegend.

Das Familiengericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit des Anerkenntnisses kollisionsrechtlich nach dem Recht der Republik Brasilien zu beurteilen ist.

Gemäß Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Vaterschaft für das vor dem 1. Juli 1998 geborene Kind nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften. Abstammungsstatut ist gemäß Art. 20 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. das Heimatrecht der Mutter, mithin hier das brasilianische Recht. Gemäß Art. 20 Abs. 1 S. 3 EGBGB a.F. kann alternativ die Vaterschaft auch nach dem Heimatrecht des Beklagten, hier also deutschem Recht, angeknüpft werden.

Gemäß Art. 4 EGBGB ist, soweit brasilianisches Recht anzuwenden ist, eine Rück- oder Weiterverweisung beachtlich. Art. 7 des brasilianischen Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (EGZGB) verweist u. a. für die Familienrechte auf das Wohnsitzrecht. Vorliegend gilt nach dem Günstigkeitsprinzip daher vorrangig das Wohnsitzrecht des Kindes, während das Wohnsitzrecht des Vaters zur Anwendung kommt, wenn es günstiger ist (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Brasilien, S. 10, Stand: 31.01.1998). Bei Abgabe der Anerkennungserklärung hatten sowohl das Kind als auch der Beklagte ihren Wohnsitz jeweils in Brasilien, so dass primär brasilianisches Recht anzuwenden ist.

Die Erforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und einer Person, zu der das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, zu einer Abstammungserklärung unterliegen gemäß Art. 23 EGBGB a.F. zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört, somit ebenfalls dem brasilianischen Recht.

Gemäß den Art. 355, 357 Codigo Civil; Art. 1 Gesetz Nr. 8560 kann jeder Elternteil u. a. bei Beurkundung der Geburt oder durch notariell beurkundete und standesamtlich verwahrte Erklärung ein nichteheliches Kind freiwillig anerkennen.

Nach dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. jur. P... W... v... M... vom 1. September 2001 ist nach brasilianischem Recht weder eine Einwilligungserklärung des minderjährigen Kindes noch seiner Mutter zur Anerkennung der Vaterschaft erforderlich (vgl. ebenso DIV-Gutachten vom 9. September 1991, ZFJ 1991, 601 f). Lediglich ein volljähriges Kind kann nicht ohne seine Zustimmung anerkannt werden (Art. 4 Gesetz Nr. 8560). Das minderjährige Kind kann seine Anerkennung erst nach Eintritt der Volljährigkeit gemäß Art. 362 Codigo Civil anfechten. Nach Art. 1 Gesetz Nr. 8560 ist eine Erklärung zur Vaterschaftsanerkennung unwiderruflich.

Aufgrund der im Rechtsstreit vorgelegten Urkunden (Ablichtung einer Geburtsurkunde mit Übersetzung, notarielle Urkunde in Übersetzung) kann entgegen der Auffassung des Familiengerichts nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass eine Vaterschaftsanerkennung durch den Beklagten wirksam erfolgt ist.

Gemäß § 438 ZPO hat das Gericht über die Echtheit ausländischer Urkunden - unabhängig vom Streitstand des Prozesses hierzu (vgl. etwa MünchKomm/Schreiber, ZPO, 2. Aufl., § 438, Rdnr. 1, Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl., § 438, Rdnr. 1) - nach den Umständen im Einzelfall zu entscheiden.

Vorliegend ist eine Legalisation der Geburtsurkunde des Standesamtes Cacador/Brasilien vom 9. Januar 1995 Nr. 18.325 erforderlich, die von der Klägerin indes auch nach entsprechendem Hinweis im Senatsbeschluss vom 18. September 2001 (betreffend Prozesskostenhilfe) nicht beigebracht wurde.

Die Republik Brasilien ist dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation nicht beigetreten (vgl. Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 10. Aufl., Nr. 250, Fußnote 1).

Dem Senat fehlen Kenntnisse über äußere Merkmale der Echtheit brasilianischer Standesamtsurkunden. Vom Nachweis der Echtheit der Geburtsurkunde durch Legalisation (§ 438 Abs. 2 ZPO) kann daher auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden.

Unerheblich wäre es vorliegend, dass der Standesbeamte bei dem erstellten Auszug aus dem Geburtsregister vom 9. Januar 1995 den ursprünglichen Eintrag vom 23. April 1991 über die Geburt des Kindes und den - auf der notariellen Anerkennungserklärung beruhenden - Randvermerk über die Vaterschaft des Beklagten und den neuen Nachnamen des Kindes so zusammengefasst hat, dass der Eindruck entsteht, der gesamte Inhalt beruhe auf den Erklärungen beider Eltern vom 23. April 1991. Nach dem Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. W... v... M... kommt es hier auch nicht darauf an, dass die Parteien in der Anerkenntnisurkunde fälschlicherweise als verheiratet bezeichnet wurden, da dies der Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht entgegenstünde und der Beweiswert der Urkunde bezüglich des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht berührt würde.

Dem für die Klägerin im Termin vom 6. November 2001 gestellten Vertagungsantrag war nicht zu entsprechen, da erhebliche Gründe dafür, dass bisher eine Legalisation der Geburtsurkunde nicht hat vorgelegt werden können, nicht vorgebracht wurden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.629,-- DM (296,-- DM x 3 + 431,-- DM x 11 einschließlich Rückstände für Oktober und November 2000) festgesetzt, § 17 Abs. 1 und 4 GKG.

Ende der Entscheidung

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