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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 5 WF 75/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127
ZPO § 640
BGB § 1600 d
Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich für den Beklagten im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängt.

Eine unsubstantiierte Einrede des Mehrverkehrs der Kindesmutter durch den beklagten Mann ist im Ergebnis prozessual nicht anders zu beurteilen wie ein zulässiges Bestreiten der Vaterschaft mit Nichtwissen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 5 WF 75/05

In der Familiensache

wegen Feststellung der Vaterschaft,

hier: Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30. Mai 2005, eingegangen am 31. Mai 2005, gegen den ihm am 4. Mai 2005 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 20. April 2005 ohne mündliche Verhandlung am 24. Juni 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 20. April 2005 wird aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Beklagten an das Familiengericht zurückgegeben.

II. Das Gericht erster Instanz wird angewiesen, den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zu versagen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.

Das Rechtsmittel erzielt einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Für die Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen den Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft ist das Familiengericht auf der Grundlage der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 14. April 2005, 5 WF 42/05, zutreffend davon ausgegangen, dass hierfür ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung des Beklagten abzustellen ist, weil die Entscheidung über seinen Antrag unangemessen lange hinausgezögert wurde und sich deshalb die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung durch das nach § 358a ZPO bereits eingeholte Sachverständigengutachten verschlechtert hatte.

Das Familiengericht hat die Erfolgsaussicht auf der Grundlage der Klageerwiderung nunmehr deshalb verneint, weil der Beklagte lediglich unsubstantiiert den Einwand des Mehrverkehrs erhoben hat.

Dieser Auffassung vermag sich der Senat im Ergebnis nicht anzuschließen.

In Rechtsprechung und Literatur werden die Maßstäbe für das Verteidigungsvorbringen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegenüber einer Vaterschaftsfeststellungsklage uneinheitlich gesetzt. Eine Auffassung geht dahin, der als Vater in Anspruch genommene Beklagte habe dazu ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft darzulegen (vgl. etwa OLG Nürnberg, FamRZ 2004,5 147; OLG Köln, FamRZ 2003, 1018; OLG Hamburg, FamRZ 2000, 1587). Teilweise wird vertreten, insoweit seien im Statusverfahren nur geringe Anforderungen an die Schlüssigkeit des Vertrags zu stellen (siehe nur Münchner Kommentar/Wax, ZPO 2. Aufl., § 114 Rdnrn. 98 und 115). Andere wollen auf die Prüfung der Erfolgsaussicht ganz verzichten, insbesondere dann, wenn der Rechtsstreit für den Beklagten nicht vermeidbar, weil ein Anerkenntnis ausgeschlossen ist wie im Falle der Vaterschaftsanfechtung (OLG Bamberg FamRZ 1990, 182; OLG Koblenz FamRZ 2002, 1194; Musielak/Fischer, ZPO 4. Aufl. § 114 Rdnr. 28; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 114 Rdnr. 58). Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLGR Stuttgart 2005,277) stellt nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Beklagten, die jedenfalls über die Behauptung einer bloß abstrakten Möglichkeit hinausgehen, dass ein anderer als Vater in Betracht kommt. Entscheidend soll es dafür auf das Maß des Einblickes in die Lebensverhältnisse der Kindesmutter ankommen.

Der Senat ist der Auffassung, dass diese Einschränkungen regelmäßig nicht gerechtfertigt sind.

Nach § 114 ZPO ist - abgesehen von der Bedürftigkeit des Antragstellers -Prozesskostenhilfe bei hinreichender Erfolgsaussicht zu bewilligen, es sei denn, Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung stellen sich als mutwillig dar.

Die hinreichende Erfolgsaussicht im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ergibt sich für den Beklagten im Regelfall bereits deshalb, weil das Ergebnis des Rechtsstreits von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängt. Wegen der Möglichkeit, die biologische Vaterschaft durch Gutachten nachzuweisen, kommt der Vaterschaftsvermutung des § 1600 d Abs. 2 BGB nur noch für Ausnahmefälle, in denen mangels Blut- oder Gewebeproben ein Gutachten nicht eingeholt werden kann, Bedeutung zu (Palandt/Diederichsen, BGB 64. Aufl., § 1600 d Rdnr. 11). Es ist deshalb auch nicht gerechtfertigt, dem Beklagten für das PKH-Prüfungsverfahren die Darlegungslast aufzubürden, diese Vermutung zu widerlegen (so aber etwa OLG Köln a. a. O.). Die Möglichkeit einer antizipierten Beweiswürdigung im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens (dazu etwa OLG Nürnberg a. a. O.) ist im Feststellungsverfahren regelmäßig nicht geeignet, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens vorweg zu nehmen. Wenn wie hier allein der Intimverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der - nicht verheirateten - Mutter des Klägers unstreitig ist, reicht dies dazu nicht aus, weil die Vaterschaft eines anderen Mannes nicht hinreichend sicher auszuschließen ist. Zu der - wenn auch unsubstantiierten - Mehrverkehrseinrede in der Klageerwiderung hat sich der Kläger nicht geäußert.

Es kann im vorliegenden Fall auch nicht als mutwillig angesehen werden, dass der Beklagte sich lediglich mit einer solchen unsubstantiierten Mehrverkehrseinrede verteidigt. Dies ist im Ergebnis prozessual nicht anders zu beurteilen wie ein Bestreiten seiner Vaterschaft mit Nichtwissen. Allein die (unstreitige) intime Beziehung zu der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit begründet für den Beklagten kein sicheres Wissen von seiner Vaterschaft, das Grundlage für deren - zumutbare - Anerkennung durch ihn und damit Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Wegen der erheblichen Folgen eines solchen Statusverfahrens wird sich auch eine vermögende Partei gegenüber einer Vaterschaftsfeststellungsklage regelmäßig dann zur Wehr setzen, wenn sie keine konkreten Hinweise für die Vaterschaft eines anderen hat, sich andererseits aber der eigenen Vaterschaft nicht sicher sein kann.

Da bislang die Bedürftigkeit des Beklagten vom Familiengericht nicht geprüft wurde, ist eine Zurückverweisung der Sache in die 1. Instanz zur nochmaligen Entscheidung über den PKH-Antrag sachgerecht.

Nebenentscheidungen für das Beschwerdeverfahren sind nicht zutreffen.

Ende der Entscheidung

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