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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 02.08.2007
Aktenzeichen: 6 U 17/06
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB, POG Rheinl.-Pfalz, BGB, GG, ZPO, LBauO, OBG NRW, LBO


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 5
BauNVO § 1 Abs. 9
BauNVO § 11
BauNVO § 11 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 13
BauGB § 31
BauGB § 31 Abs. 2
BauGB § 33 Abs. 1
BauGB § 33 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 33 Abs. 1 Nr. 3
BauGB § 33 Abs. 1 Nr. 4
BauGB § 33 Abs. 2
BauGB § 34
BauGB § 35
BauGB § 36
BauGB § 36 Abs. 2 Satz 3
POG Rheinl.-Pfalz § 6
POG Rheinl.-Pfalz § 7
POG Rheinl.-Pfalz § 76
POG Rheinl.-Pfalz § 68
POG Rheinl.-Pfalz § 68 Abs. 1
POG Rheinl.-Pfalz § 68 Abs. 1 Satz 2
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 1
GG Art. 34
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 7
LBauO § 59 Abs. 2
OBG NRW § 39
LBO § 71
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 U 17/06

Verkündet am: 2. Aug. 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes u.a.,

hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Spannowsky auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. März 2006 verkündete Grundurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

V. Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf über 20.000,00 € festgesetzt.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die beklagten Gebietskörperschaften wegen verzögerter Erteilung von Nutzungsänderungsgenehmigungen für Einzelhandelsbetriebe Schadensersatz bzw. Entschädigungsansprüche geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke M... S... ... und ... in G..., die mit zwei Hallen bebaut sind. Eine als Objekt I bezeichnete Halle besteht aus den abgeschlossenen Hallenteilen A, B und C. Die als Objekt II bezeichnete Halle besteht aus zwei abgeschlossenen Hallenteilen D und E. Die Grundstücke der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "Gewerbegebiet W...-W...". Der Bebauungsplan enthält seit 1998 in Ziffer 1.1.1.5 in Bezug auf den Einzelhandel folgende Festsetzung:

"Betriebe des Einzelhandels werden gemäß § 1 Abs. 5 und 9 Baunutzungsverordnung (BauNVO) ausgeschlossen, ausgenommen Bau-, Hobby-, Möbel-, Getränke- und Gartenmärkte, Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugzubehör. Ausnahmsweise können Betriebe des Einzelhandels zugelassen werden, wenn von ihnen im Hinblick auf ihr Sortiment, ihre Verkaufsfläche und ihre Zahl eine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungsfunktion nicht zu erwarten ist."

Unter dem 27. Juni 2001 beantragte die Klägerin eine Nutzungsänderungsgenehmigung für die Hallenteile A und C des Objekts I sowie die Genehmigung einer Nutzungsänderung bezüglich des Hallenteils E im Objekt II. Schließlich beantragte sie unter dem 13. November 2001 eine Nutzungsänderung für den Hallenteil D des Objekts II für den Verkauf von Textilien, Schuhen, Drogerie- oder Sportartikeln. Der beklagte Landkreis lehnte die Bauanträge mit Bescheiden vom 26. Juli 2001, 27. September 2001 und 9. Januar 2002 ab. Die Ablehnung wurde zum einen darauf gestützt, dass die beabsichtigte Nutzung der Hallen einen großflächigen Einzelhandel darstelle, der gemäß § 11 BauNVO nur in festgesetzten Sondergebieten zulässig sei. Außerdem stelle die geplante gewerbliche Nutzung einen Einzelhandel mit innenstadtrelevanter Sortimentsstruktur dar, der auf Grund der Größe der Verkaufsfläche und der Sortimentsstruktur eine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungsstruktur der Innenstadt der Beklagten erwarten lasse.

Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Bescheide vom Juli und September 2001 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, das mit Urteil vom 8. Mai 2002 den Beklagten zu 1) verpflichtete, unter Aufhebung der Versagungsbescheide und des Widerspruchsbescheids die beantragten Nutzungsänderungsgenehmigungen zu erteilen.

Unter dem 11. Juli 2002 erteilte der Beklagte zu 1) sodann die beantragten Genehmigungen unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes.

Die Klägerin hat den ihr entstandenen Schaden in Gestalt von Mietausfällen infolge der Verzögerung der Nutzungsänderungsgenehmigungen mit insgesamt 220.883,59 € beziffert. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage. Sie ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) hafte wegen der rechtswidrig verzögerten Erteilung der beantragten Nutzungsänderung, während die beklagte Stadt wegen rechtswidriger Verweigerung ihres Einvernehmens nach § 36 BauGB ersatzpflichtig sei. Die Beklagten hätten schuldhaft gehandelt, da sich die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung des Bebauungsplans habe aufdrängen müssen und auch die Annahme eines Verstoßes gegen § 11 Baunutzungsverordnung grob fahrlässig gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 220.883,59 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben unter anderem geltend gemacht, der beklagte Landkreis sei an die Bestimmungen im Bebauungsplan gebunden gewesen, da ihm keine Verwerfungskompetenz zustehe. Außerdem sei der Klägerin kein zurechenbarer Schaden entstanden, weil die begehrten Nutzungsänderungen ohnehin angesichts des entgegenstehenden Bebauungsplanes erst nach einer zeitlichen Verzögerung hätten erteilt werden dürfen.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruches gemäß § 68 Abs. 1 POG Rheinl.-Pfalz gegenüber dem Beklagten zu 1) und einen solchen wegen enteignungsgleichen Eingriffs gegenüber der Beklagten zu 2) bejaht. Die Zivilkammer hat offen gelassen, ob der Klägerin gegen die Beklagten wegen der entgangenen Mieteinnahmen auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zustehe. Den von den Beklagten erhobenen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens hat das Landgericht als unbegründet erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und der Begründung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Grundurteil haben beide Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Der Beklagte zu 1) macht geltend, ein Anspruch gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 POG komme nicht in Betracht. Diese Norm sei weder direkt noch analog anwendbar, da es sich bei den Bauaufsichtsbehörden nicht um Ordnungsbehörden und bei der Erteilung von Baugenehmigungen auch nicht um Gefahrenabwehr im Sinne des POG handele. Zwar könne prinzipiell ein Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kommen, jedoch könne er nicht als Begünstigter in diesem Sinne angesehen werden, weil dem Landkreis die Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörde nur als staatliche Auftragsverwaltung obliege. Ein etwaiger Amtshaftungsanspruch scheitere daran, dass eine Kausalität der Amtspflichtverletzung für den Schaden nicht gegeben sei. Da der Baugenehmigungsbehörde die Verwerfungskompetenz fehle, hätten die handelnden Beamten lediglich die Möglichkeit gehabt, auf ein Normenkontrollverfahren oder ein sonstiges Klageverfahren hinzuweisen. In diesem Fall wären die Genehmigungen nicht früher erteilt worden, zumal die Stadt G... an ihrer Rechtsauffassung, wonach der Bebauungsplan nicht zu beanstanden sei, festgehalten habe, wie ihr Verhalten im Verwaltungsrechtsprozess zeige. Ein Rechtsanspruch bezüglich des Hallenteils D sei nicht schlüssig dargetan. Da die Nutzungsänderung bezüglich dieses Hallenteils - unstreitig - nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen sei, habe die Klägerin nicht dargetan, dass auch insoweit ein Rechtsanspruch auf Nutzungsänderung bestanden habe.

Die Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, sie habe ihr Einvernehmen zu dem Bauantrag vom 27.06.2001 bezüglich des Objekts I, Hallenteile A und C nicht versagt. Die von der Klägerin beantragte Nutzung und jene Nutzung, die Gegenstand des Antrags vom 10. Juli 2001 gewesen sei, seien unterschiedlicher Art. Die Zivilkammer habe sich hinsichtlich der Frage der Rechtswidrigkeit der Versagung des Einvernehmens auf Grund der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht als gebunden angesehen. Mit Bindungswirkung sei lediglich festgestellt, dass die Versagung der Baugenehmigung rechtswidrig gewesen sei. An einer Einnehmensversagung habe es auch bezüglich des Objektes II, Hallenteil D, gefehlt. Nachdem der beklagte Landkreis eine eigene Sachprüfung vorgenommen habe und seine Versagungsentscheidung nicht auf die Versagung des Einvernehmens durch die Gemeinde gestützt habe, sei ihr Verhalten nicht kausal geworden. Außerdem scheitere ein Anspruch auch unter Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Denn bei jeder denkbaren Variante eines rechtmäßigen Umgangs mit den problematischen Festsetzungen des Bebauungsplans müsse von noch längeren zeitlichen Abläufen bis zur Erteilung der Baugenehmigung ausgegangen werden, wenn nicht sogar von einer Vernichtung des Genehmigungsanspruchs durch Umgestaltung des Bebauungsplanes.

Die Beklagten beantragen,

in Abänderung des Grundurteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

Ferner beantragt sie im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16. März 2006 dahin abzuändern, dass die Klage auch dem Grunde nach aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gerechtfertigt ist.

Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das angefochtene Urteil als zutreffend, soweit es zu ihren Gunsten entschieden hat.

Die Beklagten beantragen noch,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, der Gegenstand zur mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Beklagten sind zulässig und begründet. Auf die Berufungen ist das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet und zurückweisen.

Entgegen der Ansicht der Zivilkammer haften die Beklagten der Klägerin weder gem. § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG auf Schadensersatz, noch besteht ein Anspruch auf angemessene Entschädigung gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 POG Rheinl.-Pfalz noch ein solcher nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

Im Einzelnen:

1. Gegen die Zulässigkeit des Grundurteils bestehen durchgreifende Bedenken. Es ist allgemein anerkannt, dass bei mehrfacher rechtlicher Begründung des gleichen Streitgegenstands (sog. Anspruchskonkurrenz) das Grundurteil sämtliche Anspruchsgrundlagen erledigen muss. Unzulässig ist es, andere, den bezifferten Anspruch möglicherweise rechtfertigende Anspruchsgrundlagen offen zu lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der festgestellte Klagegrund für die Höhe des gesamten eingeklagten Betrages ausreichend und der andere Klagegrund daneben ohne eigene Bedeutung bleibt (vgl. BGHZ 72, 34, 36; OLG München VersR 1992, 375; BGH NJW-RR 2005, 928; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 304 Rdnr. 9). Letzteres ist jedoch entgegen der Ansicht der Zivilkammer nicht der Fall, weil § 839 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch gewährt, während § 68 Abs. 1 Satz 2 POG bzw. der enteignungsgleiche Eingriff nur zu einer angemessenen Entschädigung führen (vgl. BGHZ 170, 99, 107). Wegen der Bindungswirkung des Grundurteils bliebe unklar, ob gegebenenfalls im Betragsverfahren der Anspruch gem. § 839 Abs. 1 BGB überhaupt noch geprüft werden darf (vgl. z.B. Zöller/Vollkommer aa0, Rdnr. 11). Dieser Verfahrensverstoß nötigt allerdings nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils als eines im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO unzulässigen Teilurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da der Rechtsstreit insgesamt entscheidungsreif ist.

2. Haftung des Beklagten zu 1):

a) Entgegen der Ansicht der Zivilkammer kann § 68 Abs. 1 Satz 2 POG Rheinland-Pfalz als Anspruchsgrundlage wegen rechtswidriger Versagung einer Nutzungsänderungsgenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde nicht herangezogen werden und zwar weder direkt noch in Analogie. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet deshalb aus, weil die Bauaufsichtsbehörden weder Polizeibehörden sind, noch allgemeine Ordnungsbehörden im Sinne des § 68 Abs. 1 POG. Welche Behörden zu den Polizeibehörden zu rechnen sind, ergibt sich aus § 76 POG. Dazu zählen die Bauaufsichtsbehörden, soweit sie über die Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung entscheiden, gerade nicht. Insoweit machen sie von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und damit einem präventiven Kontrollvorbehalt Gebrauch. Dabei handelt es sich um keine repressive Gefahrenabwehrmaßnahme. Abgesehen von diesem aufgabenbezogenen funktionellen Einwand folgt aus der Systematik der Landesbauordnung im Zusammenhang mit dem POG, dass es sich hier bei der Bauaufsichtsbehörde weder um eine Polizei- noch um eine allgemeine Ordnungsbehörde handelt. Allgemeine Ordnungsbehörden sind alle Ordnungsbehörden, für die es keine gegenüber dem POG speziellere Organisations- und Zuständigkeitsregelung gibt (vgl. für viele: Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 80). Dazu gehören die Bauaufsichtsbehörden nicht. Der Hinweis der Klägerin auf § 59 Abs. 2 LBauO stützt ihre Auffassung nicht; er macht im Gegenteil deutlich, dass sich bei der Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich um keine allgemeine Ordnungsbehörde handelt. Nach dieser Vorschrift stehen der Bauaufsichtsbehörde "zugleich die Befugnisse von allgemeinen Ordnungsbehörden nach den §§ 6 und 7 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes" zu. Aus dem Zusatz "zugleich" wird deutlich, dass die Bauaufsichtsbehörden neben den ihnen grundsätzlich zustehenden Aufgaben auch bestimmte Aufgaben der allgemeinen Ordnungsbehörden (im Rahmen einer Aufgabenzuweisung) wahrnehmen können. Daraus folgt aber auch, dass die Bauaufsichtsbehörden grundsätzlich gerade keine allgemeinen Ordnungsbehörden sind, da sonst die Aufgabenzuweisung in § 59 Abs. 2 LBauO keinen Sinn machen würde.

Ungeachtet der Frage, ob überhaupt die übrigen Voraussetzungen einer Analogie erfüllt sind, scheidet eine analoge Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 POG ebenfalls aus, da den Bauaufsichtsbehörden die Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden nur nach §§ 6 und 7 POG zustehen. Keiner dieser Fälle trifft aber bei der Bescheidung einer Baugenehmigung/Nutzungsänderung zu. Hierbei handelt es sich nicht um Maßnahmen im Sinne der §§ 6 und 7 POG, also Maßnahmen gegenüber Störern im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr. Dies gilt zwar nicht allgemein für die Genehmigungserteilung, denn es ist möglich, dass einer Baugenehmigung zum Beispiel eine Sanierungsauflage beigefügt wird. Hierbei handelt es sich zwar um eine Maßnahme im Sinne der §§ 6 und 7 POG, sie stellt allerdings in der Regel eine sog. selbständige Auflage dar, die die Voraussetzungen eines eigenständigen Verwaltungsakts erfüllt. Die schlichte Versagung einer Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderungsgenehmigung ist hingegen keine Maßnahme in diesem Sinne. Eine Regelungslücke ist daher nicht feststellbar, wobei offen bleiben kann, ob die Vorschrift des § 68 POG, die einen Entschädigungsanspruch ohne Verschulden gewährt, überhaupt einer analogen Anwendung zugänglich ist.

Die Rechtsprechung zu § 39 OBG NRW ist auf die Rechtslage in Rheinland-Pfalz nicht übertragbar (zweifelnd auch BGHZ 125, 258, mit dem Hinweis, dass der Aufbau der Bauverwaltung in der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz eine eigenständige Regelung erfahren habe; weitergehend Staudinger/Wurm, BGB 13. Aufl., § 839 Rdnr. 578). Nach § 39 OBG NRW ist ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, zu ersetzen, wenn er durch rechtswidrige Maßnahmen entstanden ist, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht. Anders als die rheinland-pfälzische Regelung trifft diese Vorschrift keine Unterscheidung zwischen allgemeinen Ordnungsbehörden und Baugenehmigungsbehörden, denen nur ausnahmsweise die Befugnisse einer allgemeinen Ordnungsbehörde zukommen. Eine so weit gehende Haftungsregelung hat das Land Rheinland-Pfalz hingegen nicht getroffen.

b) Für einen Entschädigungsanspruch nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs ist der beklagte Landkreis nicht passiv legitimiert.

Zur Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs ist grundsätzlich die durch den Eingriff unmittelbar begünstigte, nicht die eingreifende Körperschaft verpflichtet (vgl. für viele BGH JZ 1997, 557). Begünstigt ist derjenige Hoheitsträger, dem die unmittelbaren Vorteile des Eingriffs zugeflossen oder dessen Aufgaben wahrgenommen worden sind. Unmittelbare Vorteile konnten dem Landkreis durch die bauaufsichtsbehördliche Tätigkeit nicht erwachsen. Die Landkreise nehmen die Bauaufsicht vielmehr als Auftragsangelegenheit (§ 58 Abs. 4 LBO Rheinl.-Pfalz) wahr. Das bedeutet, sie führen die öffentlichen Aufgaben anstelle des Staates aus (vgl. Ley/Jutzi, Staats- und Verwaltungsrecht für Rheinl.-Pfalz, Seite 181, Rn. 18). Soweit hier an die Kompetenzordnung als Zuordnungsmaßstab angeknüpft wird, bestehen auch klare Zuordnungsverhältnisse, die keine Passivlegitimation des Beklagten zu 1) begründen (vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. Seite 263).

c) Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) schließlich auch kein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu. Ein solcher Anspruch scheitert vorliegend wegen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens an der mangelnden Zurechenbarkeit einer evtl. Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden.

Mit dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 8. Mai 2002 - 4 K 2490/01 - steht zwar für die Zivilgerichte bindend fest, dass die Versagung der Nutzungsänderungsgenehmigungen gemäß den Anträgen vom 27. Juni 2001 rechtswidrig war, d.h. dass den Beamten des Beklagten zu 1) eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB anzulasten ist, weil der Bebauungsplan rechtsfehlerhaft war und deshalb keine Grundlage für die Versagung der Nutzungsänderungsgenehmigungen bildete.

Es begegnet allerdings Zweifeln, ob den Beamten insoweit schuldhaftes Verhalten angelastet werden kann, weil sie die beantragten Nutzungsänderungsgenehmigungen auf der Grundlage des geltenden Bebauungsplanes beurteilt haben.

Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die Kenntnisse und Fähigkeit an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind. Die Anforderungen an amtspflichtgemäßes Verhalten sind am Maßstab des pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten zu messen. Jeder staatliche Amtsträger muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat er die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, so kann aus der Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden.

Ausgehend von diesem Maßstab begründet der Umstand, dass die Beamten des Beklagten zu 1) die Rechtswidrigkeit der Festsetzungen nicht erkannt haben, für sich genommen nicht ohne Weiteres einen Schuldvorwurf. Nach der bisher vertretenen höchstrichterlichen Rechtsprechung haben die Amtsträger das Recht, nicht aber die Pflicht, zu überprüfen, ob ein Bebauungsplan wirksam zustande gekommen und rechtmäßig ist, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes bzw. seiner Festsetzungen (vgl. BGHZ 84, 292; BGH NVwZ 2004, 1143 und öfter). Ob, wie die Klägerin meint, die Unwirksamkeit der Festsetzungen in Ziffer 1.1.1.5 des Bebauungsplanes evident war und ob nicht auch eine Prüfungspflicht des Beamten besteht, kann offen bleiben. Zu letzterem neigt der Senat (vgl. auch BGH NVwZ 2004, 1143, wo von einer pflichtgemäßen Wahrnehmung der Prüfungskompetenz die Rede ist).

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert jedenfalls am fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem als Schaden geltend gemachten Mietausfall. Der Senat ist auf Grund des Vortrags der Beklagten sowie deren vorprozessualen und prozessualen Verhaltens davon überzeugt, dass bei rechtmäßigem Verhalten der Sachbearbeiter des Beklagten zu 1) die Nutzungsänderungsgenehmigungen gemäß den Anträgen vom 27. Juni 2001 nicht früher als tatsächlich geschehen - und zwar nur in Erfüllung der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung - erteilt worden wären.

Mit dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens macht der Schädiger geltend, dass der Schaden auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden wäre. Die Klägerin macht mit der Klage Mietausfallschäden geltend mit der Begründung, dass sich die Umbauarbeiten infolge der rechtswidrigen Genehmigungsversagung verzögert hätten. Soweit die Zivilkammer den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Baugenehmigungen bei rechtmäßiger Vorgehensweise nicht abgelehnt worden wären, sondern lediglich verspätet erteilt, stellt es keinen Kausalitäts- bzw. Zurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden her, vielmehr stellt sie allein auf das Ergebnis des Alternativverhaltens ab. Maßgebend ist aber, ob bei pflichtgemäßem Verhalten dieselbe Verzögerung eingetreten wäre wie die, auf die in Anbetracht des pflichtwidrigen Verhaltens der geltend gemachte Schaden gestützt wird.

Die Beklagten haben im ersten Rechtszug behauptet, dass "bei jeder etwa denkbaren Variante eines rechtmäßigen Umgangs der Kreisverwaltung mit der problematischen Festsetzung des Bebauungsplans von noch längeren zeitlichen Abläufen bis zur Erteilung der Baugenehmigung ausgegangen werden musste, wenn nicht sogar von einer Vernichtung des Genehmigungsanspruchs durch Umgestaltung des Bebauungsplans". Der Beklagte zu 1) hat diesen Aspekt in der Berufungsbegründung aufgegriffen und unter Hinweis auf die fehlende Verwerfungskompetenz der Beamten darauf hingewiesen, dass den handelnden Beamten nur die Möglichkeit geblieben wäre, die Klägerin auf ein Normenkontroll- oder ein sonstiges Klageverfahren zu verweisen und dass in diesem Falle die Nutzungsänderungsgenehmigungen nicht früher erteilt worden wären.

Für die Frage, ob dem Beklagten zu 1) der von der Klägerin geltend gemachte Mietausfallschaden zugerechnet werden kann, ist ausschlaggebend, was der zuständige Sachbearbeiter der Bauaufsichtsbehörde in Anbetracht des Vorliegens eines Bebauungsplanes zur Vermeidung des Schadens hätte tun können, wenn er die Rechtswidrigkeit der den Nutzungsänderungsgenehmigungen entgegenstehenden Festsetzung des Bebauungsplans wie später das Verwaltungsgericht erkannt hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm nur das als Schaden zugerechnet werden kann, was auf seine Amtspflichtverletzung zurückgeht, d.h., es kann ihm nicht zugerechnet werden, was im Verantwortungsbereich der planenden Gemeinde liegt.

Da der Bauaufsichtsbehörde keine Verwerfungskompetenz zusteht, hätte der Sachbearbeiter des Beklagten zu 1), wenn er die Bedenken der Klägerin hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Festsetzung in Ziffer 1.1.1.5 im Bebauungsplan geteilt hätte, verschiedene Möglichkeiten gehabt:

Der Sachbearbeiter hätte die beklagte Stadt auf die Rechtswidrigkeit der fraglichen Festsetzung hinweisen können, so dass die beklagte Stadt den Bebauungsplan zugunsten oder auch zu Lasten der Klägerin hätte ändern können. Der Sachbearbeiter hätte auch die Kommunalaufsichtsbehörde zum Einschreiten veranlassen oder auf die Stellung eines Normenkontrollantrags hinwirken können. Nicht rechtmäßig wäre es dagegen gewesen, wenn er sogleich eine Befreiung von der rechtswidrigen Festsetzung des Bebauungsplans in Betracht gezogen hätte, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB schon deshalb nicht vorlagen, weil die Befreiung von der fraglichen Festsetzung die Grundzüge der Planung berührt hätte. Auch wenn der Beklagte zu 1) im Nachhinein dem verwaltungsgerichtlichen Urteil dadurch Rechnung getragen hat, dass er die Nutzungsänderungsgenehmigungen im Wege der Befreiung von der vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig erkannten Festsetzung erteilt hat, war dies kein Weg, der rechtmäßig gangbar war. War die Festsetzung materiell-rechtlich rechtswidrig, konnte sie nicht durch Befreiung ohne Planänderung unwirksam gemacht werden, zumal die Festsetzung ein wesentlicher Bestandteil des Bebauungsplans war. Dies würde nämlich auf die Inanspruchnahme einer Verwerfungskompetenz durch die Bauaufsichtsbehörde hinauslaufen und die Änderung des Bebauungsplans durch die Bauaufsichtsbehörde ohne Planänderung ermöglichen.

Von den unter dem Aspekt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu betrachtenden Varianten wäre diejenige, dass der zuständige Sachbearbeiter der Bauaufsichtsbehörde die beklagte Stadt auf seine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Festsetzung hingewiesen hätte und die beklagte Stadt daraufhin unverzüglich ein Planverfahren mit dem von der Klägerin gewünschten Ziel der Aufhebung der ihren Vorhaben entgegenstehenden Festsetzung eingeleitet hätte, zwar die in zeitlicher Hinsicht für die Klägerin günstigste. Sie erscheint dem Senat aber bei Würdigung aller Umstände als ausgeschlossen. In dem für die Klägerin ungünstigsten Falle hätte die Gemeinde die unwirksame Festsetzung des Bebauungsplans in der Weise korrigieren können, dass sie in dem Gewerbegebiet Einzelhandelsbetriebe mit hinreichender städtebaulicher Begründung hätte völlig ausschließen können, z.B. zur Freihaltung von Flächen für das produzierende Gewerbe (vgl. BVerwG Beschluss vom 03.05.1993 - 4 NB 13/93 und OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 09.11.1994 - 8 A 10069/94). Ob dies im konkreten Fall mit entsprechender städtebaulicher Begründung möglich gewesen wäre, musste von der beklagten Gemeinde, wenn sie diese Stadtentwicklung gewünscht hätte, geprüft werden.

Der Senat ist vorliegend überzeugt, dass der geltend gemachte Mietausfall bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Sachbearbeiters der Bauaufsichtsbehörde auf jeden Fall eingetreten wäre. Die beklagte Stadt hatte ausweislich des Tatbestands des verwaltungsgerichtlichen Urteils eine Markt- und Strukturanalyse der Firma ICON-REGIO im Hinblick auf die Vorbereitung weiterer planungsrechtlicher Schritte in Auftrag gegeben, die erst im April 2002 vorlag (vgl. Seite 6 des verwaltungsgerichtlichen Urteils). Es ist davon auszugehen, dass die weiteren planungsrechtlichen Schritte zur Änderung des Bebauungsplans nicht vor dem Zeitpunkt des Vorliegens dieser Analyse durchgeführt worden wären. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenhang mit dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 29. November 2001 (Anlage K 32), in dem die Beklagte zu 2) ihre weiteren Planungsschritte skizziert hat. Sie hat darin deutlich gemacht, dass voraussichtlich in einer Sitzung am 10. Dezember 2001 über die beantragte Bebauungsplanänderung beraten und beschlossen würde. Falls der Stadtrat zustimme, schließe sich das Bebauungsplanänderungsverfahren an. Gleichzeitig müsse parallel der Flächennutzungsplan geändert werden. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass die Beklagte zu 2) die Durchführung der weiteren Planungsschritte vom Vorliegen der Markt- und Strukturanalyse abhängig gemacht hat, weil sie unter anderem auch diese ihrer bauplanungsrechtlichen Abwägung zugrunde legen musste.

Im Übrigen ging die Beklagte zu 2) bis zum Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils trotz der inzwischen erhobenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplanes von dessen Rechtmäßigkeit aus. Dies belegt der Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten zu 2) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 12. Februar 2002, den der Beklagte zu 1) auf Grund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zu den Akten gereicht hat. Ergänzend kann auf die Ausführungen im Tatbestand des Verwaltungsgerichtlichen Urteils, dort Seite 8, verwiesen werden.

Für die Änderung oder teilweise Aufhebung des Bebauungsplanes hätte die beklagte Stadt ein Bebauungsplanverfahren durchführen müssen (§ 2 Abs. 4 BauGB 2001). Da die Vorschriften des Baugesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen auch für die Änderung, Ergänzung und Aufhebung dieser Pläne gelten, hätte sich die beklagte Stadt nicht einfach über den bestehenden Bebauungsplan hinwegsetzen dürfen. Sie hätte ihn vielmehr im Wege des Planungsverfahrens ändern oder aufheben müssen. Es hätte ein geänderter Plan erarbeitet und eine frühzeitige Träger- und Bürgerbeteiligung sowie eine öffentliche Auslegung erfolgen müssen. Das vereinfachte Verfahren gemäß § 13 BauGB hätte nicht zur Verfügung gestanden, da die Änderungen bezüglich der Art der baulichen Nutzung die Grundzüge der Planung berühren. Im Rahmen der öffentlichen Auslegung hätte der Entwurf des Bebauungsplans mit seiner Begründung auf die Dauer eines Monats ausgelegt werden müssen. Frühestens nach der öffentlichen Auslegung wäre eine Baugenehmigung nach § 33 Abs. 1 BauGB zulässig gewesen.

Bei optimalem Verlauf hätte, wenn nach Vorliegen der Markt- und Strukturanalyse die Bebauungsplanänderung und die Änderung des Flächenutzungsplans im Mai beschlossen worden wäre, ein Bebauungsplan- und ein Flächenutzungsplanänderungsentwurf im Juni 2002 vorliegen können. Danach hätte grundsätzlich eine öffentliche Auslegung für die Dauer eines Monats folgen müssen. Ausnahmsweise hätte die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 33 Abs. 2 BauGB das Vorhaben auch vor Durchführung der öffentlichen Auslegung und Beteiligung öffentlicher Belange zulassen können, wenn § 33 Abs. 1 Nr. 2 - 4 BauGB erfüllt gewesen wären. Es hätte jedoch den betroffenen Bürgern und berührten Trägern öffentlicher Belange vor Erteilung der Genehmigung Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben werden müssen. Dafür wird ebenfalls eine Zeit nicht unter vier Wochen benötigt, da die Träger öffentlicher Belange binnen kürzerer Zeit kaum ihre Stellungnahme abgeben können. Sollten die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans, die das Vorhaben betreffen, im Hinblick auf Bedenken von Trägern öffentlicher Belange oder von Bürgern streitig sein, wäre zudem die nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB vorauszusetzende materielle Planreife nicht gegeben. Auch der Baugenehmigungsbehörde selbst müsste ein gewisser Entscheidungszeitraum eingeräumt werden, der wohl kaum kürzer als eine Woche sein dürfte. Daraus folgt, dass selbst bei günstigstem Verlauf die Baugenehmigungen bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Sachbearbeiters der Bauaufsichtsbehörde nicht vor dem 11. Juli 2002 erteilt worden wären.

Es könnte dem Beklagten zu 2) zudem nicht auch als Schaden zugerechnet werden, wenn die Beklagte zu 2) den Hinweis der Bauaufsichtsbehörde nicht oder nicht sogleich zum Anlass genommen hätte, ein Bebauungsplanverfahren zur Vornahme der planerischen Fehlerkorrektur einzuleiten, oder wenn die beklagte Stadt das Bebauungsplanverfahren nicht so rasch als möglich durchgeführt hätte. Die Amtshaftung knüpft an die Amtspflichtverletzung des zuständigen Amtsträgers an. Diesem kann ein etwaiges zögerliches Verhalten anderer Verfahrensbeteiligter grundsätzlich nicht zugerechnet werden.

Wäre die beklagte Stadt den Bedenken des zuständigen Amtsträgers bei der Bauaufsichtsbehörde nicht gefolgt, wäre diesem nur der Weg geblieben, entweder über die Kommunalaufsicht durch Ersatzvornahme oder selbst auf Grund eines Normenkontrollantrages eine Plankorrektur herbeizuführen oder die Klägerin zu einem Normenkontrollantrag oder zur Inzidentkontrolle nach Versagung der Bauanträge zu veranlassen. Weder der Weg über die Kommunalaufsicht noch der Weg über die Normenkontrolle hätte schneller den von der Klägerin erwünschten Erfolg gebracht als der von der Klägerin selbst beschrittene Klageweg.

Durch die Versagung der Nutzungsänderungsgenehmigung ist der Klägerin folglich kein dem Beklagten zu 2) zurechenbarer Schaden entstanden. Dafür spricht auch, dass der Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist. Maßgebend ist danach, wie sich die Vermögenslage des Betroffenen bei pflichtgemäßem Verhalten des Beamten entwickelt hätte. Der geltend gemachte Schaden ist gerade nicht auf Grund des Vertrauens in die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Beamten des Beklagten zu 2) entstanden und somit nicht Folge einer durch eine Amtspflichtverletzung bedingten Verzögerung, sondern unabhängig davon, weil eine bestehende Festsetzung eines Bebauungsplanes vorhanden war, deren Unwirksamkeit entweder verwaltungsgerichtlich festgestellt oder durch Änderung oder Aufhebung des Bebauungsplanes ausgeräumt werden musste.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der deutlich macht, dass die Verzögerung, die nach Feststellung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes für die Aufhebung oder Korrektur des Planes aufgewendet werden muss, weder der Gemeinde als Planungsträgerin noch der Bauaufsichtsbehörde zugerechnet werden kann: Eine Norm kann - abgesehen von der Nichtigerklärung in einem gerichtlichen Normenkontrollverfahren wie es für den Bebauungsplan vorgesehen ist (§ 47 VWGO) - grundsätzlich nur in dem für die Normsetzung geltenden Verfahren aufgehoben werden (vgl. § 2 Abs. 6 BauGB 2001 bzw. jetzt § 1 Abs. 8 BauGB 2007). Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang betont, etwas anderes gelte auch nicht für den Fall, dass der Bebauungsplan an einem zur Ungültigkeit führenden Fehler leidet. Der durch Normgebung gesetzte Rechtsschein sei durch einen Gegenakt der Normsetzung, d.h. beim fehlerhaften Bebauungsplan durch dessen förmliche Aufhebung zu beseitigen, wenn der Fehler nicht geheilt oder heilbar sei. Dies sei für Bebauungspläne, die eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewährleisten sollen, auch deshalb unumgänglich, weil mit deren Aufhebung im Allgemeinen zugleich darüber zu entscheiden sei, welche Ordnung an die Stelle der mit dem fehlerhaften Plan beabsichtigten Ordnung treten soll. Die mit dem Fortfall eines Bebauungsplans an dessen Stelle tretenden §§ 34 und 35 BauGB könnten zur Zulässigkeit von Vorhaben führen, die einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zuwiderlaufen, so dass im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB die erneute Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich sei (vgl. BVerwG NJW 1987, 1344, 1345). Aus der Planungshoheit der Gemeinde folgt außerdem, dass sie zur Nichtigkeit ihres Bebauungsplanes zu hören und ihr Gelegenheit zu geben ist, Rechtssicherheit herzustellen und die aus der Sicht des Städtebaus gebotenen Konsequenzen zu ziehen (vgl. BVerwG NVwZ 2001, 1035, 1036). Folglich kann der Bauaufsichtsbehörde die Verzögerung, die dadurch eintritt, dass sie der Gemeinde Gelegenheit zur Korrektur der als unwirksam erkannten Festsetzung gibt, nicht zugerechnet werden.

Die vorstehenden Erwägungen gelten in gleicher Weise, soweit es um die Verzögerung der Nutzungsgenehmigung für den Hallenteil D im Objekt II geht. Eine bindende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Frage der Rechtswidrigkeit der Versagung der Änderungsgenehmigung besteht nicht, weil dieser Bauantrag nicht Gegenstand der Klage zum Verwaltungsgericht war. Auch das Widerspruchsverfahren gegen den ablehnenden Bescheid vom 9. Januar 2002 wurde nicht zu Ende gebracht. Es kann offen bleiben, ob die Nutzung als Großflächeneinzelhandel nach § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung unzulässig war, da es hier um eine Fläche von rund 1.130 m² geht (vgl. BVerwG NVwZ 2006, 402). Da der Beklagte zu 1) die Ablehnung der Änderungsgenehmigung hier ebenfalls auf die Festsetzung des Bebauungsplans gestützt hat, kommt auch hier der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zum Tragen.

3. Haftung der Beklagten zu 2):

Die beklagte Stadt haftet der Klägerin weder aus Amtspflichtverletzung noch nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

a) Die Beklagte zu 2) hat sich nicht deshalb wegen Verletzung einer gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflicht schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie ihr Einvernehmen gemäß § 36 BauGB versagt hat. Zwar hat der Senat auf Grund der Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils davon auszugehen (§ 314 ZPO), dass die Beklagte zu 2) ihr Einvernehmen zu allen drei Bauanträgen versagt hat. Dies ergibt sich auch aus den zu den Akten gereichten Bescheiden. Auch war jedenfalls bis zum In-Kraft-Treten des Bau- und Raumordnungsgesetzes vom 18.08.1997 (BGBl. I, 2081) allgemein anerkannt, dass die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens, obwohl seiner Rechtsnatur nach nur ein Verwaltungsinternum, die zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht sein kann. Die Frage, ob bei rechtswidriger Ablehnung des Einvernehmens durch die Gemeinde die rechtswidrige Verweigerung der Baugenehmigung haftungsrechtlich - auch - der Gemeinde oder nur dem Träger der Bauaufsichtsbehörde zuzurechnen ist, richtet sich dabei danach, wie sich die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde nach außen darstellt. Geht aus dem Bescheid hervor, dass die Bauaufsichtsbehörde auf Grund eigener Sachprüfung die Genehmigung unabhängig von dem verweigerten Einvernehmen versagt, haftet die Bauaufsichtsbehörde allein (vgl. BGH UPR 1992, 105; BGH NJW 1992, 2691, 2692; Staudinger/Wurm, BGB 13. Aufl. § 839 Rn. 584). So liegen die Dinge hier. Der Schwerpunkt der ablehnenden Begründung beruht auf der eigenen Sachprüfung der Bauaufsichtsbehörde, die mit dem Satz abschließt, "der Antrag war deshalb abzulehnen". Die Tatsache des fehlenden Einvernehmens wird lediglich im Hinblick auf eine Befreiung gemäß § 31 BauGB erwähnt. Abschließend und ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass auch eine Prüfung nach § 71 LBO stattgefunden habe, mithin fehlt es an einem - kausalen - Fortwirken des Verhaltens der Beklagten zu 2).

Danach kann offen bleiben, ob für eine Haftung der das Einvernehmen rechtswidrig versagenden Gemeinde im Hinblick auf §§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, 71 LBO Rheinl.-Pfalz überhaupt noch Raum ist, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Rheinl.-Pfalz der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Prüfung nach § 71 LBO kein Ermessen eingeräumt ist (OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss vom 23.09.1998 - 1 B 11493/98.OVG; vgl. auch Wurm aaO, Rn. 589).

b) Ein Anspruch der Klägerin nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs gegenüber der Beklagten zu 2) scheitert an der fehlenden Unmittelbarkeit des Eingriffs durch die rechtswidrige Einvernehmensversagung und der fehlenden Kausalität zwischen der Versagung des Einvernehmens und dem eingetretenen Schaden. Insoweit gelten hier die vorstehenden Erwägungen zu 2. a) entsprechend.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund.

Ende der Entscheidung

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