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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 6 UF 208/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1565 Abs. 1
BGB § 1566
BGB § 1587 o Abs. 1
BGB § 1587 o Abs. 2
ZPO § 629 b Abs. 1
FGG § 53 d
1. Eine Ehe ist auch dann im Sinne des § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB gescheitert, wenn sie nur von einem Ehegatten (einseitig) als zerrüttet angesehen wird.

2. Weist das Familiengericht einen Scheidungsantrag zurück, kann das Berufungsgericht in zweiter Instanz die Scheidung der Ehe aussprechen, falls als Folgesache nur über den Versorgungsausgleich zu entscheiden ist und insoweit - weil die Auskünfte zu den beiderseitigen Anwartschaften vorliegen - eine Vereinbarung der Ehegatten über den Ausgleich familiengerichtlich genehmigt werden kann.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 UF 208/05

Verkündet am: 6. April 2006

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Versorgungsausgleichs,

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Landstuhl vom 1. Dezember 2005 wird geändert:

Die am .... ... 1991 vor dem Standesbeamten in L... unter Heiratsregister-Nr. .../... geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien, beide von Beruf R..., streiten, ob ihre am .... ... 1991 geschlossene Ehe zu scheiden ist.

Die Parteien leben nach einem Versöhnungsversuch Mitte des Jahres 2004 seit dem 20. September 2004 getrennt voneinander, zunächst innerhalb des gemeinsamen Hauses. Ende Oktober 2005 ist die Antragstellerin ausgezogen. Die beiden Kinder der Parteien leben beim Antragsgegner und werden von diesem versorgt.

In einem notariellen Grundstücküberlassungsvertrag vom 18. Oktober 2004 haben die Parteien im Hinblick auf eine einverständliche Scheidung ihrer Ehe u.a. den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Für den Fall der Unwirksamkeit des Ausschlusses nach § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB haben sie in der notariellen Urkunde zugleich den völligen gegenseitigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 1587 o BGB vereinbart und insoweit die Genehmigung des zuständigen Familiengerichts beantragt. Der Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 22. Juli 2005 zugestellt worden.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt, die Parteien gem. § 613 Abs. 1 ZPO angehört und sodann den Ehescheidungsantrag abgewiesen. Ein endgültiges Scheitern der Ehe könne nicht festgestellt werden. Soweit der Antragsgegner ursprünglich der Scheidung zugestimmt habe, liege ein wirksamer Widerruf bzw. eine Rücknahme vor. Die vorherige Einigkeit hinsichtlich eines Scheiterns sei lediglich eine Momentaufnahme, was nicht ausschließe, dass künftig ein Sinneswandel eintrete, nicht zuletzt im Interesse der beiden Kinder.

Hiergegen macht die Antragstellerin im Wege der Berufung geltend: Bereits zum Jahreswechsel 2003/2004 habe sie dem Antragsgegner ihre Trennungsabsicht mitgeteilt. Ein Versöhnungsversuch sei gescheitert. Im Übrigen habe sie sich seit Dezember 2004 einem anderen Partner zugewandt. Das gelte auch für den Antragsgegner. Der Versorgungsausgleich sei aufgrund des vereinbarten Ausschlusses entscheidungsreif. Insoweit werde die gerichtliche Genehmigung beantragt.

Die Antragstellerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Landstuhl - 1 F 174/05 - vom 1. Dezember 2005 aufzuheben und die am .... ... 1991 vor dem Standesbeamten in L... unter Heiratsregister-Nr. .../... geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an das zuständige Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 9. März 2003. Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs hält er eine Genehmigung durch das Amtsgericht - Familiengericht - für erforderlich.

Der Senat hat die Parteien im Termin gem. § 613 ZPO angehört und sodann den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. der notariellen Vereinbarung familiengerichtlich genehmigt.

II.

Die Berufung der Antragstellerin ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg. Die Ehe der Parteien ist zu scheiden (1.). Dies kann der Senat selbst aussprechen, da nach Genehmigung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs keine weiteren Folgesachen zur Entscheidung anstehen (2.).

1. Die Ehe ist zu scheiden, weil sie gescheitert ist (§ 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Vermutung des § 1566 BGB greift, oder ob die ursprünglich erteilte Zustimmungserklärung des Antragsgegners entsprechend § 630 Abs. 2 Satz 1 ZPO wirksam widerrufen werden konnte (vgl. dazu Weinreich, FamR 2. Aufl. § 1566 Rdnr. 7; Palandt/Brudermüller, BGB 65. Aufl. § 1566 Rdnr. 2). Die Parteien leben jedenfalls - auch schon zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz - seit mehr als 1 Jahr getrennt voneinander. Ihre Ehe ist auch als gescheitert anzusehen, weil danach die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Parteien diese wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB. Insoweit reicht eine einseitige Zerrüttung auf Seiten eines Ehegatten aus; es genügt, wenn aus dem Verhalten und den als glaubhaft angesehenen Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu seinem Partner zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen (vgl. BGH NJW 1978, 1810 f.; Oberlandesgericht Zweibrücken - 2. Zivilsenat - FamRZ 1982, 292 und Urteil vom 24. April 1998, 2 UF 153/97; 5. Zivilsenat FamRZ 1997, 1212; erkennender Senat in ständiger Rechtsprechung, etwa Urteil vom 2. Februar 2006 - 6 UF 143/05 m.w.Nw.).

Schon anlässlich ihrer Anhörung durch das Amtsgericht ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin unter keinen Umständen bereit ist, die Ehe mit dem Antragsgegner fortzusetzen. Sie hat ihre feste Absicht, aufgrund endgültigen Scheiterns der Beziehung unbedingt eine Auflösung der Ehe zu wollen, gegenüber dem Senat bestätigt. Seit mehr als einem Jahr leben die Parteien getrennt voneinander, wobei es im Unterschied zur Vergangenheit keinerlei Anzeichen für eine neue Annäherung gibt. Der Antragsgegner vermochte auch keinen Gesichtspunkt aufzuzeigen, der die Antragstellerin zur Änderung ihres Standpunkts veranlassen könnte. Im Gegenteil, er hat erstinstanzlich zunächst selbst erklärt, dass er geschieden werden will, weil er die Ehe (ebenfalls) für gescheitert hält. Hieran hat er nur deshalb nicht festgehalten, weil eine Einigung über Unterhaltszahlungen nicht zustande gekommen ist. Dieser finanzielle Aspekt bietet indessen keine Basis für eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dass es hierfür keine Grundlage mehr gibt, wird durch den Umstand erhärtet, dass sich die Antragstellerin bereits seit Dezember 2004 einem anderen Partner zugewandt hat. Zum Vorbringen der Antragstellerin, auch der Antragsgegner sei eine neue Beziehung eingegangen, hat dieser lediglich angemerkt, dass die Dauer einer solchen offen sei. Mithin fehlen trotz der gemeinsamen Kinder, auf die Antragsgegner gegenüber dem Senat nochmals hingewiesen hat, nicht nur jegliche Bindungen zwischen den Parteien, darüber hinaus lassen die aufgenommenen Beziehungen zu jeweils neuen Partnern nur den Schluss auf eine endgültige Trennung zu.

2. Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen die Scheidung selbst aussprechen. Die Voraussetzungen des § 629 b Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Danach ist bei Abweisung des Scheidungsantrags das angefochtene Urteil erster Instanz aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen, wenn bei diesem Gericht noch eine Folgesache zur Entscheidung ansteht. Letzteres ist hier nicht der Fall.

Als (notwendige) Folgesache wäre im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung allein die Frage einer Genehmigung der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich zu entscheiden. Insoweit weist der Antragsgegner nämlich zutreffend darauf hin, dass der im notariellen Vertrag vom 18. Oktober 2004 vereinbarte Ausschluss angesichts des verfrühten Antrags auf Scheidung unwirksam ist (§ 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Ausschluss kann jedoch - wie bereits im notariellen Vertrag vorgesehen - als Vereinbarung nach § 1587 o BGB genehmigt werden, und zwar auch durch den Senat im zweiten Rechtszug, § 1587 o Abs. 2 Satz 3 BGB i.V.m. § 53 d Satz 1 FGG (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Weber FG 15. Aufl. § 53 d Rdnr. 15 b; Palandt/Brudermüller aa0 § 1587 o Rdnrn. 25 und 27). Ohne Aufhebung und Zurückverweisung fehlt es an einer weiterhin beim Familiengericht zur Entscheidung anstehenden Folgesache im Sinne des § 629 Abs. 1 Satz 1 ZPO (wie hier Johannsen/Henrich/Sedemund/Treiber, Eherecht 4. Aufl. § 629 b ZPO Rdnr. 4; MünchKomm ZPO-Finger, 2.Aufl. § 629 b Rdnr. 8; HK-ZPO Kemper § 629 b Rdnr. 6; Weinreich/Bäumel aa0 § 629 b ZPO Rdnr. 2; für den Fall des Ehevertrages OLG Zweibrücken - 5. Zivilsenat - FamRZ 1997, 1212, 1213; abweichend wohl OLG Karlsruhe FamRZ 1981, 191,192; OLG Dresden FamRZ 2003, 1193, 1194; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 629 b Rdnr.3; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 629 b Rdnr. 3; Baumbach/Albers, ZPO 64. Aufl. § 629 b Rdnr. 2). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zwar allein der Scheidungsausspruch. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist aber notwendige Folgesache. Insoweit hält es der Senat bei entscheidungsreifer Genehmigung - hier nach Einholung der Auskünfte zu den beiderseitigen Anwartschaften durch das Familiengericht - zur Vermeidung einer nochmaligen Verhandlung und Entscheidung in erster Instanz für geboten, anstelle des Familiengerichts die Folgesache mitzuerledigen. Eine solche Sachbehandlung vermeidet die mit der Aufhebung und Zurückverweisung regelmäßig verbundene zeitliche Verzögerung der Entscheidung. Sie entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 539, 540 ZPO a.F., wonach das Berufungsgericht aus Gründen der Sachdienlichkeit berechtigt ist, einen im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und mit zu entscheiden (vgl. etwa BGH NJW 1999, 1035, 1036).

Umstände im Sinne des § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB sind weder geltend gemacht noch erkennbar, so dass der Senat die notariell beurkundete Vereinbarung genehmigt hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO; die Vorschrift des § 629 b Abs. 1 ZPO lässt eine Entscheidung des Berufungsgerichts zu, wenn beim Erstgericht keine Folgesache ansteht. Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Dresden (jeweils aaO) betreffen Sachverhalte, in denen der Versorgungsausgleich vorzunehmen war bzw. nicht erkennbar ist, ob überhaupt die Grundlagen für eine Genehmigung ermittelt waren. Im Übrigen hat keine der Parteien die Zulassung der Revision angeregt bzw. sie rechtfertigende Gründe aufgezeigt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000,-- € festgesetzt (Ehescheidung: wie in erster Instanz 15.000,-- €, §§ 48 Abs. 3 Satz 1 unter Berücksichtigung eines Abschlags für die Kinder zuzüglich Versorgungsausgleich: 1000,-- €, § 49 Nr. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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