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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.06.2007
Aktenzeichen: 6 UF 53/07
Rechtsgebiete: VAHRG, BGB, ZPO, KostO, GKG


Vorschriften:

VAHRG § 10 a
VAHRG § 10 a Abs. 1
VAHRG § 10 a Abs. 1 Nr. 1
VAHRG § 10 a Abs. 4
VAHRG § 10 a Abs. 5
BGB § 1587 c
BGB § 1587 c Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 621 e Abs. 2
KostO § 131 Abs. 1 Satz 2
GKG § 47 Abs. 1
GKG § 49 Nr. 1a
GKG § 49 Nr. 2
GKG § 49 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 UF 53/07

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesache,

hier: Regelung des Versorgungsausgleichs (Abänderung gemäß § 10 a VAHRG),

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die befristete Beschwerde des Antragstellers vom 22. März 2007, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Februar 2007 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Landau in der Pfalz vom 12. Februar 2007 nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 15. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die befristete Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Landau in der Pfalz vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, damit über den Antrag nach § 10 a VAHRG erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats entschieden werden kann.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; die Entscheidung über eine Erstattung außergerichtlicher Kosten - auch für das Beschwerdeverfahren - bleibt dem Amtsgericht - Familiengericht - vorbehalten.

III. Der Gegenstandswert für das Verfahren des ersten Rechtszuges - insoweit unter Änderung der Ziffer II des angefochtenen Beschlusses - und derjenige des Beschwerdeverfahrens werden auf 2.000,00 € festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien (Antragsteller geboren am ... 1935 und Antragsgegnerin geboren am ... 1942) haben am ... 1985 geheiratet. Die Antragsgegnerin ist von Beruf Ärztin. Sie bezieht seit 1. Februar 2005 vorgezogenes Altersruhegeld. Der Antragssteller hat bis September 1975 versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt. Aus dieser Zeit bezieht er eine Rente. Seit Oktober 1975 war er durchgängig selbständig als freier Handelsvertreter tätig. Der Scheidungsantrag seiner Ehefrau wurde ihm am 11. Juli 2001 zugestellt.

Im Zuge des Scheidungsverfahrens hat das Amtsgericht - Familiengericht - Auskünfte zu den während der Ehezeit (1. Juli 1985 bis 30. Juni 2001) erworbenen Versorgungsrechten eingeholt. Danach hatte die Antragsgegnerin in der Ehezeit voll dynamische Anwartschaften auf eine berufsständische Versorgung bei der B... Ä... in monatlicher Höhe von monatlich 2.053,35 DM sowie Anwartschaften aus der Zusatzversorgungskasse in Höhe von weiteren 658,54 DM monatlich erworben, während der Antragsteller über eine flexiblere Rentenversicherung mit einem ehezeitlichen Deckungskapital von 16.645,96 DM verfügte. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2001 hat die Antragstellerin beantragt, den Versorgungsausgleich auszuschließen.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 26. April 2002 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Landau in der Pfalz, Zweigstelle Bad Bergzabern, daraufhin die Ehe der Parteien geschieden und festgestellt, dass der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur Begründung für den Ausschluss gemäß § 1587 c BGB ist ausgeführt, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig sei und die Antragsgegnerin (des vorliegenden Verfahrens) unangemessen benachteilige, auch wenn es sich um keine hohen Beträge handele; von der ausgleichspflichtigen Antragsgegnerin wären Beträge in einer Größenordnung von 20,00 € zu übertragen.

Mit Antrag vom 15. Dezember 2006 begehrt der Antragsteller eine Abänderung der Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich gemäß § 10 a VAHRG, weil die Annahme des Familiengerichts, dass allenfalls Beträge in einer Größenordnung von 20,00 € auszugleichen seien, offensichtlich nicht zutreffend sei. Bei seiner Bewertung habe das Familiengericht trotz vorliegender Auskünfte die Versorgungsanwartschaften der Antragsgegnerin gegenüber der B... Ä... mit einem Ehezeitanteil vom 2.053,35 DM monatlich unberücksichtigt gelassen. Im Fall einer Einbeziehung dieser Versorgung seien zu seinen Gunsten an Anwartschaften nicht nur 20,00 €, sondern 627,77 € zu begründen gewesen. Aufgrund der fehlerhaften Berechnung sei auch die auf falscher Grundlage getroffene Ermessensentscheidung zu korrigieren.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht - Familiengericht - Landau in der Pfalz durch Beschluss vom 12. Februar 2007 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er weiterhin die Durchführung des Versorgungsausgleichs erstrebt. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Sie verteidigt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und meint, dem Gericht sei aufgrund der eingeholten Auskünfte durchaus bewusst gewesen, dass es nicht nur um Beträge in einer Größenordnung von 20,00 € gehe. Im Übrigen vertieft sie ihr Vorbringen zu den Umständen, die ihrer Ansicht nach einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen.

II.

Das Rechtsmittel des Antragsstellers ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 621 e Abs. 3 in Verbindung mit §§ 517, 520 ZPO) und führt zu einem vorläufigen Erfolg.

Der Antrag des Antragsstellers auf Abänderung der im Scheidungsurteil vom 26. April 2002 getroffenen Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ist gemäß § 10 a Abs. 1, 4 und 5 VAHRG zulässig. In der Sache ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, weil das Familiengericht in seiner Erstentscheidung über die berufsständischen Anwartschaften der Antragsgegnerin bei der B... Ä... nicht entschieden hat. Da das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung eine Abänderung des Versorgungsausgleichs schon dem Grunde nach abgelehnt und deshalb keine Ermittlungen zur Höhe der auszugleichenden Anwartschaften vorgenommen hat, ist die Sache entsprechend § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zurückzuverweisen (vgl. grundlegend BGH MDR 1982, 390; Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 621e Rn. 78).

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts steht die Rechtskraft der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich vom 26. April 2002 (2 F 141/01) dem auf § 10 a VAHRG gestützten Antrag nicht entgegen. Allerdings liegt kein typischer Fall der sog. Totalrevision vor, wie die Beschwerde meint. Dazu ist anerkannt, dass § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG eine Abänderung immer dann zulässt, wenn ein im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung ermittelter Wertunterschied der ausgleichspflichtigen Versorgungsanrechte von den in der abzuändernden Entscheidung zugrunde gelegten Wertunterschied wesentlich abweicht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Unterschied auf einer erst nachträglich eingetretenen Veränderung beruht oder seine Ursache bereits in einem Ermittlungsfehler des Erstverfahrens hat. Vielmehr werden auch solche Abweichungen erfasst, die sich aus der nachträglichen Korrektur früher Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler ergeben (vgl. etwa zur Korrektur einer fehlerhaften Ehezeitberechnung: BGH FamRZ 2004, 786). Hier ist im Scheidungsurteil - was noch ausgeführt wird - zwar auch der auszugleichende Wertunterschied unzutreffend berechnet worden, sachlich hat das Erstgericht aber den Versorgungsausgleich als Härtefall gemäß § 1587 c BGB ausgeschlossen.

Für diese Fälle ergibt sich aus dem Wortlaut ("entsprechend") und der Entstehungsgeschichte des § 10 a Abs. 1 VAHRG, dass die Rechtskraft einer Erstentscheidung nur gemäß dem veränderten Wertunterschied, nicht aber auch in Ansehung von Härtegründen durchbrochen werden sollte. Dadurch sollte vermieden werden, insoweit "den alten Verfahrensstoff mit den dann bestehenden erheblichen Beweisschwierigkeiten wieder aufzurollen" (vgl. BT-Drucks. 10/6369 S. 21 und BGH FamRZ 2007, 360, 361f.). Grundsätzlich kann daher allein mit dem Begehren, den Versorgungsausgleich nach Maßgabe der Härteregelung des § 1587 c BGB herabzusetzen oder auszuschließen ein Abänderungsverfahren nicht begründet werden (vgl. zuletzt BGH a.a.O.) Hat umgekehrt - wie hier - die frühere Entscheidung den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, so hat es damit sein Bewenden (vgl. Wagenitz JR 1987, 53,54). Etwas anderes gilt jedoch in solchen Fällen, in denen es hinsichtlich einer Wertdifferenz an einer Entscheidung gemäß § 1587 c BGB fehlt. In diesem Umfang liegt nämlich keine rechtskräftige - der Abänderung entgegenstehende - Erstentscheidung vor, weil sich diese insofern mit dem Unbilligkeitseinwand noch nicht befasst hat (vg. BGH a.a.O.; Schramm, NJW-Spezial 2007, 199, 200).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden, dass der Änderungsantrag zum Erfolg führt. Denn das Erstgericht hat in seiner Entscheidung ersichtlich die Anwartschaften der Antragsgegnerin bei der B... Ä... nicht einbezogen. Dazu lag zwar eine Auskunft vom 19. Juli 2001 vor. Die sich daraus ergebende ehezeitliche Anwartschaft in Höhe von 2.053,35 DM ist aber im Rahmen der Abwägung gemäß § 1587 c BGB unberücksichtigt geblieben. Die B... Ä... ist schon nicht als Beteiligte im Rubrum aufgeführt. Entscheidend kommt hinzu, dass sich der vom Erstgericht für ausgleichspflichtig gehaltene Betrag von 20,00 € unter Berücksichtigung der bei der B... Ä... erworbenen Anwartschaften nicht erklären lässt, wie der Antragsteller durch die Vorlage seiner Berechnungen nachvollziehbar darlegt. Auch die bei den Akten befindlichen Berechnungen des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich lassen nur darauf schließen, dass im Ausgangsverfahren lediglich die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes der Antragsgegnerin berücksichtigt worden ist, nicht hingegen ihre Ärzteversorgung.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzung des § 1587 c Nr. 1 BGB erst dann geprüft werden können, wenn ermittelt ist, welche Versorgungsanrechte die Ehegatten in der Ehezeit erworben haben (vgl. BGH NJW 2005, 2455 f.). Deshalb werden zunächst aufgrund der mittlerweile eingetretenen Änderungen - die Antragsgegnerin bezieht seit 1. Februar 2005 Altersruhegeld - neue Auskünfte einzuholen seien. Das gilt auch hinsichtlich der vom Antragssteller abgeschlossenen Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht. Insoweit bestehen Zweifel, ob tatsächlich zwei Versicherungen mit einem Deckungskapital von 16.665,96 DM bestehen, wie in der Berechnung des Ausgangsgerichts aufgeführt. Nur soweit danach der von der Antragsgegnerin auszugleichende Betrag 20,00 € übersteigen sollte, wird sodann zu entscheiden sein, ob (auch) hinsichtlich der darüber hinaus gehenden Anrechte das Vorbringen des Antragsstellers eine Beschränkung bzw. den Wegfall des Ausgleichs gemäß § 1587 c BGB rechtfertigt.

III.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten - auch des Beschwerdeverfahrens - wird nach Aufhebung und Zurückverweisung das Amtsgericht (erneut) zu entscheiden haben.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 49 Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 1a und 2 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, da die Voraussetzung der §§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen; insbesondere hat sich der Bundesgerichtshof - wie ausgeführt - mit der Frage der Anwendung des § 10 a VAHRG auf Fälle der Härteregelung des § 1587 c BGB bereits befasst.

Ende der Entscheidung

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