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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 6 W 16/07
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 278 Abs. 6
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569
BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 W 16/07

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes aus Bauwerkvertrag,

hier: Kostenausgleichung,

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richterin am Oberlandesgericht Euskirchen als Einzelrichterin auf die am 30 März 2007 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin vom selben Tag gegen den ihr am 16. März 2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Landau in der Pfalz vom 22. Februar 2007

ohne mündliche Verhandlung am 8. November 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

1. Die nach dem Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 14. November 2006 vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 6.290,56 € nebst 5% Zinsen über Basis seit dem 22. November 2006 festgesetzt.

2. Der weitergehende Antrag der Klägerin auf Kostenfestsetzung wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 7/10, der Beklagte 3/10 zu tragen.

V. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.269,28 € festgesetzt.

Der Wert des zurückgewiesenen Teils des Beschwerdegegenstandes beträgt 890,16 €.

Gründe:

Die Klägerin hat vom Beklagten Schadenersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Erstellung eines Gründungsgutachtens verlangt. Dem Verfahren vorausgegangen ist ein von der Klägerin mit Antrag vom 2. Januar 2003 eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren, dessen Gegenstand vorhandenes Grundwasser im Bereich der von ihr erbauten Reihenhäuser sowie der Aufwand zur Beseitigung des Wassereintrittes gewesen ist. Nachdem der beauftragte Sachverständige die Kosten für die Schadensbeseitigung vorläufig und überschlägig auf mehr als 100.000,00 € beziffert hatte, wurde der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 100.000,00 € festgesetzt.

Im vorliegenden Streitverfahren hat die Klägerin sodann einen Schadenersatzanspruch wegen der festgestellten Mängel in Höhe von 50.371,46 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens, bewertet mit 4.000,00 €, begehrt, wobei sie den bisher eingetretenen Schaden auf 75.371,46 € beziffert und sich einen Abzug von 25.000,00 € hat anrechnen lassen.

Der Rechtstreit endete durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO über einen Betrag von 45.000,00 € "zur Abgeltung der streitgegenständlichen Ansprüche". Nach dem Vergleich fallen die Kosten des Rechtsstreits zu 1/5 der Klägerin und zu 4/5 dem Beklagten zur Last.

Mit Antrag vom 21. November 2006 hat die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin einen Gesamtkostenbetrag (ohne unstreitige Gerichtskosten und Auslagenvorschüsse) in Höhe von 6.549,20 € zur Kostenausgleichung angemeldet, der Beklagte mit Anträgen vom 22. November 2006 und vom 29. November 2006 einen solchen von 6.754,50 €.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 22. Februar 2007 die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten unter Kürzung der Kostenrechnung der Klägerin bei den Beweissicherungskosten um 1.586,60 € auf 5.911,44 € nebst Zinsen festgesetzt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, eine Erhöhungsgebühr wegen mehrerer Auftraggeber stehe der Klägerin nicht zu und die Gebühren des Beweisverfahrens könnten nur im Verhältnis zu dem Streitwert des Hauptsacheverfahrens berücksichtigt werden.

Mit ihrem Rechtsmittel rügt die Klägerin, dass die von ihr geltend gemachten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht in voller Höhe als erstattungsfähig einbezogen worden sind.

Das Rechtsmittel ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO statthaft und nach Form und Frist nicht zu beanstanden, somit zulässig. Es führt in der Sache teilweise zum Erfolg.

1. Mit Recht hat die Rechtspflegerin der Klägerin die Erhöhungsgebühr gemäß Anlage 1 Nr. 1008 RVG versagt. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft vom 29. Januar 2001 ist, nachdem seither hinreichend Zeit verstrichen ist, für die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO - auf den Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten für das Beweisverfahren ist noch altes Kostenrecht anzuwenden - jedenfalls beim Aktivprozess einer BGB-Gesellschaft kein Raum mehr (BGH NJW-RR 2004, 489).

2. Auf den Vergütungsanspruch der Prozessbevollmächtigten für das Hauptsacheverfahren ist neues Kostenrecht anzuwenden (BGH MDR 2007, 980 ff). Gemäß Anlage 1 Vorbemerkung 3 Abs. 5 RVG ist die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtszuges anzurechnen, soweit der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand des Hauptsacherechtstreits ist. Da die Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und die Verfahrensgebühr nach Anlage 1 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG denselben Abgeltungsbereich haben (BGH aaO), ist es sach- und interessengerecht, sie der Verfahrensgebühr nach RVG gleichzustellen. Sie ist damit anzurechnen, und zwar in voller Höhe.

Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin ist nämlich im vorliegenden Fall der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in vollem Umfang auch Gegenstand des Rechtstreits geworden.

Für die Feststellung der Identität des Streitgegenstands kann nicht allein auf den Streitwert abgestellt werden. Identität der Streitgegenstände besteht vielmehr auch dann, wenn beide Verfahren dieselben Mängel einer Werkleistung betreffen, der daraus resultierende Schadenersatzanspruch jedoch in beiden Verfahren unterschiedlich bewertet worden ist (so OLG München, JurBüro 1996, 36). Ebenso wird in der Rechtsprechung Identität bejaht, wenn beide Verfahren dieselben Mängel betreffen, der Streitgegenstand der Hauptsache aber niedriger ist, weil eine der Parteien mit oder gegen eine unbestrittene Forderung des Gegners aufgerechnet hat. Entscheidend für die Frage, ob Identität der Streitgegenstände besteht, ist mithin allein der Umstand, ob der Hauptprozess den Streit über den im Beweisverfahren zugrunde liegenden Streitgegenstand/Mangel insgesamt erledigt, so dass der Anspruch verbraucht ist und es folglich zwischen den Parteien des Rechtstreits künftig nicht mehr zu einem weiteren gerichtlichen Verfahren kommen wird. Ist dies der Fall, sind die Kosten des Beweisverfahrens in voller Höhe trotz des im Gegensatz zum Hauptprozess höheren Gegenstandswertes als Kosten des Hauptsacheprozesses derselben Partei mit demselben Gegenstand anzusehen und damit erstattungsfähig (vgl. HansOLG JurBüro 1993, 158).

So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat nach Beendigung des Beweisverfahrens, in welchem die Kosten der Mangelbeseitigung - überdies nur vorläufig - auf mehr als 100.000,00 € beziffert wurden, die Mangelbeseitigung vornehmen lassen und im Hauptsacheverfahren die ihr entstandenen tatsächlichen Kosten, gekürzt um 25.000,00 € Eigenanteil, in Höhe von 50.371,46 € nebst Feststellungsantrags wegen weiterer entstehender Schäden geltend gemacht. Im verfahrensabschließenden Vergleich haben die Parteien einen Zahlbetrag zur Abgeltung der streitgegenständlichen Ansprüche vereinbart. Damit steht fest, dass der Hauptprozess den gesamten schon vom Beweisverfahren erfassten Streitgegenstand endgültig rechtsbeständig erledigt hat. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der Kosten für das Beweisverfahren als erstattungsfähig in voller Höhe.

3. Damit sind die Prozessgebühr (§§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) und die Beweisgebühr (§§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) jeweils aus einem Streitwert von 100.000,00 € mit 2 x 1.354,00 € entstanden, hinzu kommt die Auslagenpauschale mit 20,00 €, somit insgesamt 2.728,00 €. Die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens aus dem Streitwert von 65.000,00 € beläuft sich auf 1.459,90 €, nach Anrechnung der Prozessgebühr des Beweisverfahrens mit 1.354,00 € verbleiben überschießend 105,90 €. Hinzu kommen die geltend gemachte Terminsgebühr mit 1.347,60 €, die Einigungsgebühr mit 1.123,00 €, Reisekosten mit 112,00 € und die Dokumentenpauschale mit 20,00 €, somit insgesamt 2.708,50 € für das Hauptsacheverfahren. Insgesamt sind der Klägerin in beiden Verfahren nach § 91 ZPO erstattungsfähige Kosten in Höhe von 5.436,50 € entstanden. Auf Seiten des Beklagten ist der im Kostenfestsetzungsbeschluss genannte, insoweit nicht angefochtene Betrag von 4.850,60 € in die Ausgleichung einzubringen. Von den Gesamtkosten in Höhe von 10.287,10 € hat die Klägerin 1/5, das sind 2.057,42 €, zu tragen. Sie hat bereits 5.436,50 € gezahlt, der Differenzbetrag von 3.379,08 € ist somit zu erstatten. Hinzu kommen weiter zu erstattende Gerichtskosten wie im angefochtenen Beschluss errechnet mit insgesamt 2.911,48 €, so dass sich ein endgültiger Erstattungsbetrag von 6.290,56 € ergibt.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Parteien anteilig gemäß § 92 Abs. 2 ZPO zu tragen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht der Differenz des von der Klägerin begehrten Erstattungsbetrages zu dem von der Rechtspflegerin festgesetzten Betrag. Der Wert des Teils des Beschwerdegegenstandes, mit dem die Klägerin unterliegt, beläuft sich auf 890,16 €.

Ende der Entscheidung

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