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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.04.2007
Aktenzeichen: 6 W 34/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406
ZPO § 413

Entscheidung wurde am 26.11.2007 korrigiert: die Vorschriften, die Rechtsgebiete und der Leitsatz wurden geändert
Zur Rückforderung gezahlter Sachverständigenentschädigung, wenn der Sachverständige wegen Befangenheit vom Gutachtensauftrag entbunden wurde.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 W 34/06

In dem Rechtsstreit

hier: Beschwerde des Sachverständigen W... S... M... B... gegen die Rückforderung von Sachverständigenentschädigung,

hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die Beschwerde des Sachverständigen vom 11. August 2006 gegen den ihm am 29. Juli 2006 zugestellten Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 26. Juli 2006 ohne mündliche Verhandlung am 11. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit am 11. Dezember 2003 verkündeten Beschluss den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater M... B... mit der Erstattung des in Ziffer I des genannten Beschlusses umschriebenen Gutachtens beauftragt. Auf wiederholte Sachstandsanfrage der Zivilkammer teilte der Sachverständige unter dem 9. März 2005 u. a. mit, in der Angelegenheit seien für die Erstellung des Gutachtens in der Vergangenheit diverse Nachforschungen und auch Rücksprachen notwendig gewesen; Terminabsprachen hätten getroffen und aus diesen Gesprächen resultierende Ergebnisse eingearbeitet werden müssen (vgl. Bl. 489 d. A.). Dieses Schreiben wurde den Parteien bekannt gegeben.

Das schriftliche Gutachten vom 23. Mai 2005 gelangte dann am 27. Mai 2005 zu den Akten. Auf Seite 10 des Gutachtens führt der Sachverständige als Quelle eine schriftliche Stellungnahme des Ministeriums für ... und ... des Landes ... ... vom 22. Dezember 1992 an, weiter sind auf Seite 12 des Gutachtens diejenigen Unterlagen aufgezählt, die zur Erstellung des Gutachtens zur Verfügung standen. Abschließend ist angemerkt, dass Auskünfte von Prof. Dr. B..., dem Kläger zu 1) erteilt worden seien.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2005 = Schriftsatz vom 27. Juli 2005 teilte das beklagte Land mit, es müsse zunächst geklärt werden, bevor das Land sich zur Sache einlasse, ob der Sachverständige einseitig mit dem Kläger oder ihm nahestehenden Personen Kontakt aufgenommen und sich von dort habe informieren lassen. Weiter heißt es am Ende:

Sofern der Sachverständige diese von ihm geschilderten Kontakte zum Kläger oder zu diesen nahestehenden Personen hatte, lehnt das beklagte Land den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 406, 42 ZPO ab.

Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 3. November 2005 wurde der Sachverständige unter Übersendung des Schriftsatzes vom 27. Juli 2005 um Stellungnahme gebeten und um Mitteilung, wie es sich mit der Beschaffung von Informationen verhalten habe. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 wurde dem Sachverständigen Frist zur Stellungnahme bis 16. Januar 2006 gesetzt, diese Stellungnahme ging am 16. Januar 2006 ein (vgl. Bl. 604 d. A.).

Mit Beschluss ohne Datum hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz dem Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit vom Gutachtensauftrag entbunden (vgl. Bl. 608/609 d. A.).

Die Zivilkammer hat sodann mit dem angefochtenen Beschluss den Sachverständigen aufgefordert, die bereits vereinnahmte Vergütung in Höhe von 16.977,99 € bis 25. August 2006 zurückzuzahlen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Sachverständigen, der die Zivilkammer mit Beschluss - wiederum ohne Datum - nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde des Sachverständigen ist statthaft und in zulässiger Weise erhoben, § 16 Abs. 2 ZSEG. In der Rückzahlungsanordnung ist inzidenter die Festsetzung der dem Sachverständigen B... zu gewährenden Entschädigung auf Null zu erblicken. Gemäß § 25 Satz 1 JVEG ist das bis 1. Juli 2004 geltende Recht anzuwenden, da der Auftrag zur Gutachtenerstattung dem Sachverständigen vor dem 1. Juli 2004 erteilt wurde.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg; der angefochtene Beschluss ist aufzuheben.

1. Der Sachverständige weist mit Recht darauf hin, dass die zivilrechtlichen Vorschriften vorliegend nicht, auch nicht entsprechend herangezogen werden können, weil die zivilrechtlichen Regelungen über Leistungsstörungen und Mängelhaftung nicht auf den Fall zugeschnitten sind, dass die Leistungen in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbracht wurden, der sich bestimmte Personen bei der Pflicht zur Erstattung eines Gutachtens nicht entziehen können (vgl. BGH NJW 1976, 1154, Ständige Rechtsprechung seither). Daher trägt die Bezugnahme auf § 280 BGB im angefochtenen Beschluss nicht.

2. Der Senat teilt die in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend vertretende Ansicht, wonach die begründete Ablehnung eines Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit seines Gutachtens nur dann zum Verlust seines Entschädigungsanspruches führt, wenn dieser den Ablehnungsgrund verschuldet hat, wobei ihm grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grob fahrlässigem Fehlverhalten ein Entschädigungsanspruch zu versagen ist (vgl. BGH aaO, 1155; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.05.2004 - 25. W 27/04 - zitiert nach Juris; OLG Nürnberg IBR 2007, 226; Meyer/Höver/Bach, JVEG 24. Auflage, Rdnr. 8.29 und 8.35 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fußnote 96; Baumbach/Hartmann ZPO 65. Auflage, § 413 Rdnr. 4; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage, Rdnr. 262 f.; Zöller/Greger, ZPO 26. Auflage, § 413 Rdnr. 8).

Für die Entscheidung des Senats kann letztlich offen bleiben, ob die Entpflichtung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zu Recht erfolgte. Die Feststellungen, die in der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zum der Ablehnung zugrunde liegenden Verhalten des Sachverständigen getroffen wurden, sind für das Gericht, welches über die Versagung des Vergütungsanspruches zu entscheiden hat, nicht bindend (vgl. KG RPfl. 1973, 38; OLG Hamm MDR 1979, 942). Anders als im Ablehnungsverfahren, wo die Glaubhaftmachung des Vorliegens der Befangenheitsgründe genügt, kommt die Versagung des Vergütungsanspruchs nur in Betracht, wenn ein entsprechendes Fehlverhalten des Sachverständigen nachgewiesen ist.

Die Zivilkammer hat ausweislich des Beschlusses über die Entbindung des Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit darin gesehen, dass der Sachverständige vom Kläger Unterlagen entgegengenommen habe, ohne hierüber das beklagte Land zu informieren. Ebenso sei unklar, welche Nachforschungen, Rücksprachen und Terminsvereinbarungen getroffen worden seien. Der angefochtene Beschluss wiederholt diesen Aspekt, in der Nichtabhilfeentscheidung der Zivilkammer wird dann offen gelassen, ob die Entgegennahme von Unterlagen durch eine Partei ohne in Kenntnissetzung der anderen Partei und des Gerichts eine grobe Fahrlässigkeit darstellt. Vielmehr stellt die Zivilkammer nunmehr entscheidend darauf ab, dass der Sachverständige den Auflagen zur Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch nur sehr zögerlich und auch nur unvollständig nachgekommen sei. Dieses Verhalten des Sachverständigen stelle gerade im Hinblick auf das vorangegangene Verhalten eine grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Sachverständigen dar, die zur Unverwertbarkeit seines Gutachtens führe.

Wenngleich in der - einseitigen - Entgegennahme und Verwertung von Unterlagen als Grundlagen für das zu erstattende Gutachten wie auch der dilatorischen Behandlung der Anfragen des Gerichts ein schuldhaftes Verhalten des Sachverständigen erblickt werden könnte, tragen die Feststellungen der Zivilkammer den Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens nicht.

Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Falle jedem einleuchten müsste (vgl. für viele: BGHZ 10, 14, 16). Bei der Beurteilung der Frage, ob grob fahrlässiges Verhalten vorliegt, sind auch subjektive, d. h. in der Individualität des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH aaO, 17; BGHZ 119, 147, 149). Ein solch erheblicher Fall des Verschuldens kann im Verhalten des Sachverständigen B... nicht erblickt werden.

Zögerliches Arbeiten eines Sachverständigen ist in der Regel schon nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. OLG Braunschweig NJW - RR 2001, 1433). Ein solches Verhalten kann vielfältige Ursachen haben, die keinerlei Bezug zur Neutralität des Sachverständigen haben. Zudem hat der Sachverständige B... im Einzelnen dargetan, dass ihm aus der verzögerten Antwort auf die Anfragen vom 4. November 2005 und 29. Dezember 2005 jedenfalls nicht der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens gemacht werden kann. Der Sachverständige weist u. a. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Aufforderung zur Stellungnahme vom 4. November 2005 sehr allgemein gehalten war. Daher schreibt der Sachverständige am 16. Januar 2005, dass er die ihm vorliegenden Unterlagen habe durchsehen müssen, um zu eruieren, woher die nach Ansicht des beklagten Landes unzulässig erhobenen Informationen stammen.

3. Soweit in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, dass der Ablehnungsgrund vom Sachverständigen dann in grob fahrlässiger Weise verschuldet wurde, wenn er in seinem Gutachten Unterlagen verwendet, die er einseitig von einer der Parteien erhalten hat, ohne dies offenzulegen (vgl. z. B. OLG Nürnberg IBR 2007, 226), gilt dies nicht allgemein. Vielmehr ist eine auf den Einzelfall bezogene Betrachtungsweise geboten. Vorliegend ist zu bedenken, dass der Sachverständige B... nicht öffentlich bestellt und vereidigt ist und somit nicht im Einzelnen über seine Pflichten als Sachverständiger aufgeklärt.

Der Beweisbeschluss der Zivilkammer enthält zunächst nur den Hinweis, im Falle einer Besichtigung der beiden Schulen die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten rechtzeitig zu unterrichten, um ihnen eine Teilnahme an der Besichtigung zu ermöglichen. In dem formularmäßigen Auftragsschreiben vom 21. Januar 2004 (Bl. 479/80) wird dieser Hinweis wiederholt und ergänzt, dass andernfalls das Gutachten grundsätzlich nicht verwertet werden kann. Im Übrigen enthält das Auftragsschreiben, soweit hier von Interesse, den Hinweis, dass er im Falle, dass über das Beweisthema hinaus mit einer Partei in Verbindung treten will, dies vorher allen Prozessbevollmächtigten und dem Gericht mitzuteilen sei. Er wurde also nicht darüber belehrt, dass die Entgegennahme von Informationen von einer der Parteien, ohne die Gegenpartei und das Gericht zu verständigen, seine Ablehnung rechtfertigt und die Verwertbarkeit des Gutachtens in Frage stellt.

Im Beweisbeschluss wurde dem Sachverständigen u. a. aufgegeben, in seine Überlegungen den Vortrag der Parteien, vornehmlich die näher bezeichneten, vom Kläger zu 1) zu den Akten gereichten Jahresabschlüsse einzubeziehen. Es gereicht dem Sachverständigen dann nicht zum Vorwurf groben Verschuldens, wenn er die ihm vom Kläger überbrachten - weiteren - Unterlagen prüft, ohne dass es aber zu einer persönlichen Kontaktaufnahme kommt. Überdies war das Gutachten der I... T... GmbH vom 30. September 1994 bereits mit der Klageschrift überreicht worden und damit Gegenstand der Akten.

Soweit der Sachverständige diesem Gutachten anliegende, weitere Unterlagen im Rahmen seiner Wertermittlung verwandt hat, handelt es sich zum einen um ein Schreiben des Ministeriums für ... und ... an die Leiterinnen und Leiter der öffentlichen Schulen in ... ... vom 22.12.1992 sowie um eine Information des Landeselternbeirats ... ... über die Unterrichtsversorgung. Es ist dem Beklagten Land verwehrt, hier geltend zu machen, dieses Schreiben nicht zu kennen. Umgekehrt brauchte der Sachverständige keine Bedenken zu haben, diese ministerielle Stellungnahme wie auch die des Landeselternbeirats zu berücksichtigen, ohne dies den Parteien besonders anzuzeigen.

Hinzu kommt ein Weiteres: Es war Aufgabe des Sachverständigen, den Wert der beiden Schulen und des Pavillons zu einem rund 10 Jahre zurückliegenden Stichtag zu ermitteln. Zeitnahe Daten konnten im Grunde nur vom Kläger zur Verfügung gestellt werden.

Schließlich hat der Sachverständige aufgeklärt, dass es sich bei den in seinem Schreiben vom 9. März 2005 erwähnten Nachforschungen, Rücksprachen und Terminsvereinbarungen um Recherchen in der Literatur und insbesondere Fachgespräche mit Berufskollegen gehandelt habe, nicht aber um solche mit den Parteien. Dies begründet er damit, dass es sich bei dem konkreten Gutachtensauftrag um keinen gewöhnlichen Bewertungsgegenstand handele.

Nach allem kann von einem grob sorgfaltswidrigen Verhalten des Sachverständigen B... nicht ausgegangen werden, er hat seinen Entschädigungsanspruch nicht verwirkt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 16 Abs. 5 ZSEG, daher erübrigt sich auch die Festsetzung eines Beschwerdewerts.

Ende der Entscheidung

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