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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 6 WF 192/07
Rechtsgebiete: SGB XII


Vorschriften:

SGB XII § 90 Abs. 3 Satz 2
SGB XII § 115 Abs. 3

Entscheidung wurde am 26.11.2007 korrigiert: die Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz hinzugefügt
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bestehende Lebensversicherung zum Bestreiten von Prozesskosten verwendet werden muss.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 WF 192/07

In der Familiensache

betreffend die Regelung der Gesundheitsfürsorge für die gemeinsamen Kinder

hier: Prozesskostenhilfe für die erste Instanz,

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17. September 2007 gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 5. September 2007 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Zweibrücken vom 4. September 2007 ohne mündliche Verhandlung am 26. September 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird dem Amtsgericht - Familiengericht - Zweibrücken zurückgegeben, damit über die Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entschieden werden kann.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde führt zu einem vorläufigen Erfolg. Prozesskostenhilfe kann der Antragstellerin nicht unter Hinweis auf den Rückkaufswert der bestehenden Kapitallebensversicherung verweigert werden. Die Sache wird daher dem Amtsgericht - Familiengericht - zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen einer Bewilligung zurückgegeben.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden, zur Aufbringung der Prozesskosten den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung durch Kündigung zu realisieren. Richtig ist zwar, dass der derzeitige Rückkaufswert das der Antragstellerin zu belassende Schönvermögen übersteigt. Nach den Umständen des hier zu beurteilenden Sachverhalts ist es der Antragstellerin aber nicht zumutbar, die Versicherung zu kündigen. Abgesehen davon, dass dies mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre ist der Fortbestand der Lebensversicherung zur Sicherung einer angemessenen Altersversorgung der Antragstellerin erforderlich.

Ob der Rückkaufswert einer Lebensversicherung zur Aufbringung von Prozess- bzw. Verfahrenskosten einzusetzen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt (vgl. etwa OLG Köln FamRZ 2004, 382; OLG Nürnberg FamRZ 2006, 1284 einerseits sowie OLG Naumburg FamRZ 2006 496, OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1850 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur zusätzlichen Altersvorsorge im Rahmen des Unterhaltsrechts andererseits sowie zur Rechtsprechung Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 115 Rdnr. 58 c; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 4. Aufl. Rdnr. 327; Zimmermann, Prozesskostenhilfe 3. Aufl. Rdnr. 149 jew. m.w.N.).

Nach Ansicht des Senats kann die Frage nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr bedarf es jeweils einer Abwägung, ob im Einzelfall die Realisierung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung zur Aufbringung der Verfahrenskosten eine unzumutbare Härte darstellt, § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII. Die Auflösung der bestehenden Lebensversicherung ist danach insbesondere unzumutbar, wenn dadurch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Das ist hier der Fall.

Die Antragstellerin verfügt bislang lediglich über geringfügige Rentenanwartschaften von weniger als 200,00 € monatlich. Sie hat drei Kinder zu versorgen, darunter zwei jüngere Kinder aus der Beziehung mit dem Antragsgegner. In der Vergangenheit war sie nur teilschichtig beschäftigt, vorübergehend auch arbeitslos. Seit Mitte Februar 2007 arbeitet sie 30 Stunden wöchentlich, also weiterhin nicht vollschichtig. Im Hinblick auf das Alter der Kinder ist auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit einer vollschichtigen Tätigkeit nachgehen wird. Eine angemessene Alterssicherung erscheint danach keineswegs gewährleistet, so dass es der zusätzlichen Vorsorge bedarf. Das Ablaufdatum der Versicherung (1. Juni 2026) belegt, dass es sich um eine (zusätzliche) Altersvorsorge handelt. Die insoweit aufgebrachten monatlichen Beträge sind auch angesichts des (derzeitigen) Einkommens nicht unangemessen. Zu berücksichtigen ist weiter der bereits vom Amtsgericht erkannte erhebliche wirtschaftliche Verlust im Falle einer vorzeitigen Kündigung, auch wenn dies für sich allein gesehen keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII zu begründen vermag (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2006, 135; Hessisches Landesarbeitsgericht NZA-RR 2006, 268). Dabei ist hier aber zu berücksichtigen, dass der Rückkaufswert den Schonbetrag nur in einem geringen Umfang übersteigt. Es ist daher schon fraglich ist, ob die Verfahrenskosten überhaupt aus dem Differenzbetrag aufgebracht werden könnten (vgl. dazu Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. September 2005 4 Ta 163/05 Rdnrn. 16 ff. zitiert nach juris). Denn ausweislich der vorgelegten Auskunft beläuft sich der Wert lediglich auf rund 4.200,00 €. Weiter fällt ins Gewicht, dass nicht nur dieses Verfahren anhängig ist, sondern ein weiteres mit wesentlich höherem Streitwert; der aus der Lebensversicherung einzusetzende Betrag wäre also bei weitem nicht ausreichend, um die Prozesskosten aufbringen zu können. Somit kommt es für die zu treffende Entscheidung nicht darauf an, ob es der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich wäre, zukünftig eine neue Lebensversicherung abzuschließen.

Kann die Antragstellerin demzufolge nicht auf die Verwertung ihrer Lebensversicherung verwiesen werden, hält es der Senat für angezeigt, die Sache dem Familiengericht zur Prüfung der noch nicht abschließend erörterten weiteren Voraussetzung der Prozesskostenhilfe zurückzugeben. Dabei wird auch der Verbleib von Vermögenswerten zu klären sein, die der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11. Januar 2007 im Verfahren 1 F 413/06 im Einzelnen dargestellt hat.

Die Kostenfolgen im Beschwerdeverfahren bestimmen sich nach § 127 Abs. 4 ZPO sowie nach § 131 b KostO.

Ende der Entscheidung

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