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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 7 U 62/04
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 1 S. 2
ZPO § 519
BRAO § 53 Abs. 3

Entscheidung wurde am 07.02.2005 korrigiert: die Vorschriften wurden geändert, der Rechtskraftvermerkt und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Zur mangelnden Erkennbarkeit des Vertreterhandels des nicht postulationsfähigen, jedoch nach § 53 BRAO bestellten Rechtsanwalts.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 7 U 62/04

In dem Rechtsstreit

wegen Darlehen; Feststellung u.a. (Steuersparmodell; Immobilienfonds)

hier: Berufung; Wiedereinsetzung

hat der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht Burger und den Richter am Amtsgericht Süs ohne mündliche Verhandlung am 1. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 19. Februar 2004 wird abgelehnt.

2. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf einen Betrag bis zu 35.000 € festgesetzt.

Gründe:

1. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags, der für ihn durch einen Treuhänder im Rahmen eines 1997 eingegangenen Steuersparmodells (Beteiligung an einem Immobilienfonds) bei der Beklagten abgeschlossen wurde; im Einzelnen verlangt er die Feststellung, nichts mehr zu schulden, die Rückgewähr von ihm erbrachter Leistungen in Gesamthöhe von 12.247,51 € nebst Zinsen sowie die Rückabtretung einer zur Sicherung dienenden Lebensversicherung. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat am 19. Februar 2004 die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 26. Februar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. März 2004 Berufung einlegen lassen. Die Berufungsschrift ist von der Rechtsanwältin N........... , München unterzeichnet, die für den Kläger bereits in 1. Instanz tätig war. Sie ist nicht beim Oberlandesgericht zugelassen, jedoch gemäß Schreiben der Rechtsanwaltskammer München vom 23.12.2003 (Bl. 202 d.A.) für alle Behinderungsfälle im Jahr 2004 zur Vertreterin (§ 53 Abs. 3 BRAO) des Rechtsanwalts M.......... bestellt, der seine Berufstätigkeit mit ihr und anderen Rechtsanwälten gemeinsam in einer Kanzlei ausübt; einen ausdrücklichen Hinweis auf diese Vertreterstellung enthält die Berufungsschrift (Bl. 165 f. d.A.) nicht. Die Berufung wurde später durch einen von Rechtsanwalt M....... unterzeichneten Schriftsatz fristgerecht begründet. Durch Verfügung vom 25. November 2004 (Bl. 197 f. d.A.) hat der Vorsitzende des Senats auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hingewiesen. Hierzu hat der Kläger durch einen am 1. Dezember 2004 beim Senat eingegangenen Schriftsatz des Rechtsanwalts M......... Stellung genommen und dabei vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

2. Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO kostenfällig (§ 97 Abs. 1 ZPO) als unzulässig zu verwerfen, weil sie entgegen §§ 517, 519, 78 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Urteils formgerecht eingelegt worden ist. Vor den Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen bei einem solchen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 78 Abs. 1 S. 2 ZPO); auch die Berufungsschrift muss daher durch einen so berechtigten Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Dieses Formerfordernis war durch die hier innerhalb der Frist eingereichte Berufungsschrift nicht erfüllt. Die Rechtsanwältin N.......... selbst ist nicht beim Oberlandesgericht zugelassen. Sie kann sich auch nicht auf die jetzt dargelegte Vertreterbestellung für den offenbar OLG-zugelassenen Rechtsanwalt M......... berufen. Der nach § 53 BRAO bestellte Vertreter ist zwar in gleichem Umfang postulationsfähig wie der Vertretene. Er muss aber nach außen erkennbar als Vertreter handeln, wenn dies auch nicht notwendig ausdrücklich geschehen muss (BGH NJW-RR 2000, 1446; NJW 1999, 365; NJW-RR 1995, 950; NJW 1993, 1925; Zöller, 24. Aufl. § 78 Rn. 23). Das Handeln als Vertreterin war aber hier auch nach den begleitenden Umständen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar geworden.

Bei Fehlen eines ausdrücklichen Zusatzes kann sich das Vertreterhandeln etwa daraus ergeben, dass ausweislich des Schriftsatz-Briefkopfes nicht der unterzeichnende, sondern nur der vertretene Rechtsanwalt die erforderliche Zulassung besitzt (BGH 1995 und 1993, a.a.O.). Auch dies war hier aber nicht erfüllt, nachdem der Briefbogen der für den Kläger tätigen Kanzlei keinerlei Hinweis auf die Zulassungsverhältnisse der dort aufgeführten Rechtsanwälte ergibt.

Bei der Bewertung kann es zwar auch eine Rolle spielen, wenn in dem fraglichen Schriftsatz nur solche Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte bezeichnet werden, die die erforderliche Zulassung besitzen (vgl. BGH 1995, a.a.O.). Dieser Umstand allein kann aber jedenfalls hier nicht ausreichen. Im Rubrum der Berufungsschrift wurden zwar beim Kläger unter "Prozessbevollmächtigte: ..." nur die Rechtsanwälte M........ und Dr. Me.... aufgeführt. Wie bereits erwähnt, fehlte aber - anders als in dem vom BGH (a.a.O.) entschiedenen Fall - jeder Hinweis auf die Zulassungen. Damit kam auch der genannten Beschränkung kein Aussagewert in Hinsicht auf die Postulationsfähigkeit zu. Es lag vielmehr nahe, dies als eine Art Sammelbezeichnung für die auf dem Briefkopf damals aufgeführten insgesamt fünf Rechtsanwälte oder als eine Art Firma der von ihnen gebildeten Kanzlei zu verstehen. Dies wird auch durch die Gestaltung des Briefbogens unterstrichen: es findet sich dort die groß gedruckte Überschrift "M........ . Dr. Me...., Rechtsanwälte" und rechts darunter - in kleinerem Schriftgrad - die Auflistung aller kanzleiangehörigen Rechtsanwälte. Zudem wurde diese Kurzbezeichnung der Prozessbevollmächtigten auch in der Klageschrift zum Landgericht verwendet, wo es auf eine Zulassung zum Oberlandesgericht noch nicht ankam.

Auch sonstige Anhaltspunkte für ein Vertreterhandeln waren aus der Berufungsschrift nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es auf nachträgliche Umstände wie die Berufungsbegründung oder die nunmehrige Offenlegung des Vertretungsverhältnisses nicht an; entscheidend ist vielmehr, dass sich dies aus den die Prozesshandlung begleitenden Umständen ergibt (BGH NJW 1999, a.a.O.). Der Verweis des Klägers auf die Möglichkeit der rückwirkenden Heilung eines Vollmachtsmangels ist daher unbehelflich.

3. Die Versäumung der Begründungsfrist wird auch nicht durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt; diesem Antrag kann nicht entsprochen werden. Wiedereinsetzungsgründe (§ 233 ZPO) sind nicht gegeben. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers trifft entgegen ihrer Auffassung ein Verschulden an der Fristversäumung. Ein Rechtsanwalt handelt schuldhaft, wenn er eine Rechtsmittelschrift unterschreibt, ohne sie zuvor auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Ebenso wie die Postulationsfähigkeit müssen auch die Voraussetzungen eines Handelns als Vertreter sicher gestellt werden (vgl. BGH NJW-RR 2003, 569; NJW 2001, 1575, 1576; VersR 1993, 79; s.a. Zöller, ZPO 24. Aufl. § 233 Rn. 23, Rechtsanwalt). In gleicher Weise hatten die beim OLG zugelassenen Rechtsanwälte der Kanzlei für eine ordnungsgemäße Rechtsmitteleinlegung Sorge zu tragen.

Der Kläger muss sich das Verschulden seiner Rechtsanwälte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Der Umstand, dass der Rechtsanwalt, der eine Fristversäumung zu vertreten hat, nicht beim Berufungsgericht zugelassen ist, steht weder seiner Einbeziehung in das Mandatsverhältnis noch der Anwendung des § 85 ZPO entgegen (BGH NJW 2001, 1575, 1576).

Ende der Entscheidung

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