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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 8 U 159/04
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB 823 Abs. 2
StGB § 266 a Abs. 1
StGB § 14 Abs. 1 Nn. 1
StGB § 14 Abs. 1 Nn. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Aktenzeichen 8 U 159/04

Verkündet am: 28. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes/Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen,

hat der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht Schunck und die Richterin am Oberlandesgericht Jahn-Kakuk auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 23. September 2004 geändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit darüber nicht bereits durch Teilanerkenntnisurteil vom 21. August 2003 entschieden wurde.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Von den Kosten des 1. Rechtszuges haben die Klägerin 9/20, der Beklagte 11/20 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21 796,98 € festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen nicht abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.

Der Beklage war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der unter HRB ... des AG Pirmasens im Handelsregister eingetragenen Firma F... S... ... Verwaltungs GmbH, die ihrerseits alleinige Komplementärin der Firma F... S... ... GmbH & Co. KG, ... in ... war. Die Kommanditgesellschaft (künftig KG) befand sich ab der zweiten Hälfte des Jahres 1998 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Ab Januar 1999 liefen bei der Klägerin Beitragsrückstände an Sozialversicherungsbeiträgen für die bei der KG beschäftigten Mitarbeiter auf. Im Zeitraum von Januar bis Mai 1999 wurden die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 48 786,93 € nicht abgeführt.

Am 29. Juni 1999 stellte der Beklagte, nachdem die Klägerin zuvor auf Begleichung der Rückstände gedrängt hatte und selbst einen Insolvenzantrag stellen wollte, Eigeninsolvenzantrag sowohl für die Komplementärin als auch für die KG (1 IN 49/99 und 1 IN 50/99 jeweils AG Pirmasens). Mit Beschluss vom 16. Juli 1999 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Bezüglich der Verwaltungs GmbH (Komplementärin) wurde am 11. Mai 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet; dieses wurde gemäß § 211 InsO nach Anhörung der Gläubigerversammlung und der Massegläubiger mangels einer die Masseverbindlichkeiten deckenden Masse am 12. September 2003 eingestellt. Das die KG betreffende Insolvenzverfahren ist am 23. Januar 2004 gemäß § 200 InsO aufgehoben worden, nachdem die Schlussverteilung vollzogen war. In dem Bericht des Insolvenzverwalters gemäß § 156 InsO vom 3. September 1999 hatte dieser bezüglich der KG festgestellt, dass der permanente Auftragsrückgang und schließlich die Entscheidung der begleitenden Banken, die Kreditlinien nicht weiter zu erhöhen, zur Überschuldung und zur anschließenden Zahlungsunfähigkeit geführt hätten. Bereits im ersten Quartal 1999 sei zu erkennen gewesen, dass Investitionen potentieller Abnehmer, besonders in der Lebensmittelbranche, gestreckt worden seien und auch die Erwartungen im Schuhmaschinenbereich sich nicht erfüllt hätten. Versuche, auf dem französischen Markt Fuß zu fassen, seien gescheitert (vgl. im Einzelnen dazu 1 IN 49/99 AG Pirmasens, Bl. 68 ff d.A.). Bereits in seinem Bericht vom 15. Juli 1999 (Bl. 15 d. BA) ist der Insolvenzverwalter von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der KG ausgegangen.

Gegen den Beklagten wurde am 1. Februar 2001 ein Strafbefehl zu 90 Tagessätzen erlassen wegen vier rechtlich selbständiger Handlungen, weil er es in der Zeit vom 15. Februar 1999 bis zum 29. Juni 1999 entgegen § 130 a HGB unterlassen habe, bei Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen, ferner in drei Fällen als Arbeitgeber die Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung den Einzugsstellen vorenthalten habe. Weiter wird darin u.a. festgestellt:

"Die vorgenannte Firma befand sich schon in der 2. Hälfte des Jahres 1998 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Der Obergerichtsvollzieher D... musste ab November 1998 in einer Vielzahl von Fällen zur Durchführung von Pfändungsaufträgen bei der Firma vorstellig werden. Darüber hinaus liefen für die Firma ab dem Beitragsmonat Januar 1999 bei der AOK erhebliche Beitragsrückstände auf. Ebenso entstanden bei der Barmer Ersatzkasse ab dem Beitragsmonat März 1999 Beitragsrückstände. Spätestens Mitte April 1999 wurde Ihnen bewusst, dass die Firma F... S... ... GmbH & Co. KG Maschinenfabrik voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, den wesentlichen Teil der fälligen und von den Gläubigern ernsthaft eingeforderten Geldschulden zu tilgen und damit ihre Zahlungsunfähigkeit eingetreten war. Demnach wären Sie verpflichtet gewesen, spätestens Anfang Mai 1999 Insolvenzantrag beim Amtsgericht Pirmasens zu stellen. Dieser Verpflichtung kamen Sie erst am 29.06.1999 und demnach mit fast zweimonatiger Verspätung nach.

Sie wussten, dass Sie als Verantwortlicher der Firma F... S... ... GmbH & Co. KG Maschinenfabrik und damit als Arbeitgeber verpflichtet waren, die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer den berechtigten Kassen spätestens bis zum 15. des Folgemonats abzuführen. Dieser Verpflichtung kamen Sie für die Beitragsmonate Januar bis März 1999 bewusst nicht nach. An die AOK wurden Folgende Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt:

 BeitragsmonatArbeitnehmeranteile (DM)
1/9910 080,58
2/9920 921,85
3/9921 785,32"

(vgl. 6054 Js 010167/99 Wi StA Kaiserslautern, dort Bl. 80 ff ).

Den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile in Höhe von insgesamt 48 768,93 € hat der Beklagte im Klageerwiderungsschriftsatz vom 6. März 2004 nach vorangegangener Verteidigungsanzeige dann in Höhe von 26 989,95 €, also bezüglich der rückständigen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für die Monate Januar bis März 1999, anerkannt (vgl. 21 f d. A.), worauf am 21. August 2003 entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erging (Bl. 75 d. A.).

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie über den im Teilanerkenntnisurteil der Kammer vom 21. August 2003 titulierten Betrag hinaus weitere 21 796,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. Februar 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die (restliche) Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Es fehle an der Kausalität zwischen der Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge und dem geltend gemachten Schaden, was sich aus der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Beitragsabführung im streitgegenständlichen Zeitraum ergebe. Die Klägerin habe insoweit auch die erforderliche Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gehabt. Seit Januar habe der Beklagte - was unstreitig ist - in ständigem Kontakt zu Mitarbeitern der Klägerin wegen der Zahlungsrückstände gestanden.

Das Landgericht hat der weitergehenden Klage antragsgemäß stattgegeben. Zur Begründung der Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 107 ff d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das Schlussurteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er macht geltend:

Die angefochtene Entscheidung beruhe bezüglich der Verurteilung zu Schadensersatz wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für April und Mai 1999 (10 372,38 € + 11 424,60 €) auf einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts, §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV würden Sozialversicherungsbeiträge fällig am 15. des jeweiligen Folgemonats, die Beiträge für den Monat April 1999 demgemäß am 15. Mai 1999 und diejenigen für den Monat Mai 1999 am 15. Juni 1999. Hätte der Beklagte - nach Auffassung des Landgerichts pflichtgemäß - zu den jeweiligen Zeitpunkten die Arbeitnehmeranteile der bei der KG beschäftigten Mitarbeiter gezahlt, hätten diese Leistungen nach § 130 InsO der Insolvenzanfechtung unterlegen und gemäß § 143 InsO von der Klägerin an die Insolvenzmasse zurückgeführt werden müssen. Die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung hätten vorgelegen. Die Zahlungen wären in den Drei-Monats-Zeitraum des § 130 InsO gefallen, weil die Insolvenzschuldnerin bereits im Januar 1999 zahlungsunfähig gewesen sei, nachdem sie laufenden Verpflichtungen in erheblichem Umfange, gerade aber auch gegenüber der Klägerin, nicht mehr nachgekommen sei

Unbestritten habe der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2003 unter Beweisantritt vorgetragen, dass er in ständigem Kontakt mit dem zuständigen Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen P... K..., gestanden habe und bereits seit Januar 1999 ständig darauf hingewiesen habe, dass er aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens nicht in der Lage sei, die Beitragszahlungen fristgerecht und vollständig zu leisten. Dieser Sachvortrag sei unstreitig geblieben und auch vom Landgericht so behandelt worden.

Ergänzend sei zu verweisen auf die Verfügung der Staatsanwaltschaft - Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen - Kaiserslautern vom 23. August 2000, der zufolge wegen des chronischen Liquiditätsmangels der Insolvenzschuldnerin bereits am 18. Februar 1999 mit der Klägerin ein Sicherungsübereignungsvertrag über drei Maschinen abgeschlossen worden sei. Wegen der Kenntnis der Klägerin von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin könne auch auf den übrigen Inhalt der Verfügung verwiesen werden.

Die Auffassung des Landgerichts, wegen des vermeintlichen Vorranges des § 266 a StGB gegenüber insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften sei die Kausalität auch für den Fall zu bejahen, dass die Klägerin gezahlte Leistungen im Wege der Anfechtung an die Insolvenzmasse hätte herausgeben müssen, finde im Gesetz keine Stütze. Auch der Sozialversicherer unterliege genauso wie der Arbeitnehmer selbst im Insolvenzverfahren dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger, was eine Bevorzugung der entsprechenden Ansprüche zugunsten der Sozialversicherer verbiete. Mit dieser auch höchstrichterlich anerkannten Rechtsprechung habe sich das angefochtene Urteil nicht auseinandergesetzt.

Der Beklagte beantragt,

in Abänderung des Schlussurteils des Landgerichts Zweibrücken vom 23. September 2004 - 2 O 370/02 - die über den im Anerkenntnisurteil der Kammer vom 21. August 2003 titulierten Betrag hinausgehende Klage in Höhe von weiteren 21 796,98 € nebst Zinsen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes und macht insbesondere geltend:

Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Schutzgesetzverletzung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB vorliege und der Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet sei. Unabhängig von einer eventuellen teleologischen Reduktion der insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften sei die Kausalität hier gegeben. Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die Monate April und Mai durch die F... S... . .. Verwaltungs GmbH wären keinesfalls anfechtbar gewesen durch den Insolvenzverwalter; denn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien nicht erfüllt.

Die GmbH sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlungsunfähig gewesen. Sie habe in den Kalendermonaten April und Mai noch Zahlungen geleistet. Im April seien - unstreitig - noch die Nettolöhne an die Arbeiter ausgezahlt worden. Im Mai seien noch Nettoabschläge in Höhe von je 1 000,00 DM an die Arbeitnehmer geleistet worden.

Für den Nachweis der Zahlungsfähigkeit genüge der Nachweis irgendeiner Zahlung in nicht unwesentlicher Höhe an einen Dritten. Bei erfolgter Lohnfortzahlung sei die Liquiditätssituation des Arbeitgebers grundsätzlich unbeachtlich. Die Lohnzahlung indiziere in jedem Falle eine Möglichkeit zur Beitragszahlung. Zudem seien in den Kalendermonaten April und Mai noch andere Gläubiger befriedigt worden. Somit sei die GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge noch zahlungsfähig gewesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das angefochtene Urteil, die protokollierten Erklärungen der Parteien sowie den Inhalt der zu Informationszwecken beigezogenen Akten 1 IN 49/99 und 50/99 AG Pirmasens sowie 6054 Js 010167/99 Wi StA Kaiserslautern Bezug genommen.

II.

Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Beklagten führt auch in der Sache zu dem erstrebten Erfolg. Der Beklagte haftet für die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile) für die Monate April und Mai 1999 nach Schadensersatzgrundsätzen hier im Ergebnis nicht.

Es geht vorliegend um Sozialversicherungsbeiträge für die bei der KG beschäftigten Mitarbeiter; die Kommanditgesellschaft war Arbeitgeberin. Verantwortlich für die rechtzeitige Abführung der Beiträge war demnach die F... S... ... Verwaltungs GmbH als Komplementärin der KG und für diese wiederum der Beklagte als deren Geschäftsführer.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht bei seiner Entscheidung davon aus, dass der Beklagte unter Schadensersatzgesichtspunkten (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266 a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nrn. 1, 2 StGB) wegen Vorenthaltens der gesetzlich geschuldeten Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber persönlich verpflichtet ist, wenn er die fälligen Zahlungen nicht leistete, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war. Die für den Monat April 1999 geschuldeten Arbeitnehmeranteile beliefen sich unstreitig auf 10 373,28 € und waren zum 15. Mai 1999 fällig. Die Beiträge für Mai in Höhe von 11 424,60 € waren zum 15. Juni 1999 fällig.

Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Landgerichts, dass ein Fall tatsächlicher Unmöglichkeit hier nicht vorgelegen hat, weil den Arbeitnehmern für den Monat April noch die kompletten Nettolöhne ausgezahlt wurden und auch für den Monat Mai noch eine Abschlagszahlung von jeweils 1 000,00 DM auf die Nettolöhne geleistet wurde (zur Problematik des Vorenthaltens, des Unvermögens und weiterer Probleme im subjektiven Bereich des § 266 a StGB vgl. Leipziger Komm. z. StGB/Gribbohm, 11. Aufl., § 266 a, Rdnrn. 51, 52, 81, 82 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 266 a, Rdnrn. 15 ff).

Bedenken gegen die Widerrechtlichkeit des Vorenthaltens im Sinne von § 266 a StGB ergeben sich jedoch daraus, dass diese Vorschrift in einem Wertungswiderspruch zu den Pflichten des Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der KG steht. Gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, es sei denn, es handele sich um Zahlungen, die auch in diesem Zeitpunkt noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. § 64 Abs. 1 GmbHG enthält die Pflicht jedes einzelnen Geschäftsführers (§ 15 Abs. 1 InsO) zur Stellung des Insolvenzantrags nach Eintritt der Insolvenz. Absatz 2 sanktioniert sodann Masseschmälerungen, welche der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife pflichtwidrig veranlasst. Hinzu tritt die Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG. Eine bevorzugte Befriedigung der Sozialversicherungsträger oder des Steuerfiskus lässt sich indes mit § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht legitimieren (Lutter/Kleindiek, GmbHG, 16. Aufl., § 64 Rdnr. 61; § 43 Rdnrn. 76 f und 83 m.w.N.). Für die KG (ohne natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter) ist die Rechtslage gleich, §§ 177 a, 130 Abs. 2, 3 HGB. Dass Sozialversicherungsbeiträge nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG fallen, hat auch der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs so für zutreffend gehalten (BGH ZIP 01, 235, 238). Das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge trotz Insolvenzreife einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a Abs. 1 StGB zu entziehen, ist danach kein im Rahmen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand. Diese Frage wurde allerdings in Rechtsprechung und Literatur bislang kontrovers diskutiert (vgl. BGH ZIP 03, 2213 ff; Groß, ZIP 2001, 945 ff; sowie jetzt BGH II ZR 61/03, Urteil v. 18.04.2005; DB 2005, 1321; Rönnau, NJW 2004, 976 ff). Der Senat hält die in den Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2001 und jetzt vom 18. April 2005 vertretene Auffassung für überzeugend, wonach in einer Insolvenzsituation die Masseschutzvorschriften die spezielleren Regelungen sind, die dem Geschäftsführer die Abführung der Arbeitnehmeranteile ungeachtet der strafrechtlichen Vorschriften verbieten. Bereits dies muss vorliegend zur Abweisung der noch streitigen Ansprüche der Klägerin führen, da ab Mitte Mai 1999 sicher eine Insolvenzlage gegeben war (s. u.).

Diese Ansprüche scheitern darüber hinaus aber auch daran, dass die Klägerin durch die Nichtabführung der Beiträge einen nachhaltigen Schaden nicht erlitten hat.

Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat und was durch die Feststellungen des Insolvenzverwalters U... im Verfahren 1 IN 49/99 AG Pirmasens sowie die Ermittlungen im Strafverfahren 6054 Js 010167/99 Wi StA Kaiserslautern bestätigt wird, lag bezüglich der KG spätestens zum 15. Mai 1999 (Fälligkeit der Beiträge für April 1999) Insolvenzreife wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO vor. Die Klägerin stand bereits seit Beginn des Jahres 1999 wegen aufgelaufener Beitragsrückstände mit der Beklagten in ständigem Kontakt, hatte Vollstreckungsversuche durchgeführt (vgl. die Angaben im Protokoll vom 24. Mai 2005) und sich im Februar 1999 mit der Sicherungsübereignung dreier Maschinen (für 161 000,00 DM) einverstanden erklärt. Bis Mitte Mai 1999 standen bereits erhebliche Zahlungen offen und die Klägerin selbst hat die Stellung eines Insolvenzantrags erwogen, so dass sie spätestens ab Mai 1999 die Umstände kannte, die auf die Zahlungsunfähigkeit der KG zwingend schließen ließen. Von nur vorübergehenden Zahlungsstockungen konnte sie zum damaligen Zeitpunkt, als schon für mehrere Monate die Sozialversicherungsbeiträge komplett nicht abgeführt waren, nicht mehr ausgehen. Soweit die Klägerin nunmehr etwas anderes behaupten will, ist ihr Vorbringen nicht nachvollziehbar. Sie hat keinerlei Umstände dargelegt, aus denen sie noch die berechtigte Erwartung herleiten konnte, die KG werde die Krise alsbald überwinden und sowohl die laufenden als auch die rückständigen Beiträge begleichen, ebenso wie auch die fälligen Forderungen der übrigen Gläubiger. Die Begleichung noch irgendwelcher fälligen Forderungen reicht für den Ausschluss der Zahlungsunfähigkeit nicht aus (§ 17 Abs. 2 InsO). Davon ausgehend hätten die zum 15. Mai bzw. 15. Juni fällig werdenden Beitragszahlungen nach Eintritt der Insolvenz und Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16. Juli 1999 keinen Bestand gehabt. Bei entsprechenden Zahlungen wäre der Insolvenzverwalter verpflichtet gewesen, diese innerhalb der Drei-Monats-Frist liegenden Rechtshandlungen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzufechten mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 143 InsO dasjenige, was sie durch die anfechtbare Rechtshandlung erlangt hätte, zur Insolvenzmasse hätte zurückgewähren müssen. Damit fehlt es an der Kausalität zwischen dem Unterlassen des Beklagten und dem mit der Klage geltend gemachten Schaden. Das Unterlassen der Zahlung der Beiträge für April und Mai 1999 hat für die Klägerin im wirtschaftlichen Ergebnis nicht zu einem Schaden geführt. Wären die Beiträge nämlich gezahlt worden, hätten sie als Folge der Insolvenzanfechtung von der Klägerin wieder an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt werden müssen (vgl. BGH NJW 2001, 967). Der Senat geht dabei von dem normalen Ablauf der Dinge aus, nämlich dem pflichtgemäßen Verhalten des Insolvenzverwalters, wenn ihm ein Anfechtungstatbestand bekannt wird. Eine anfechtungsrechtliche Privilegierung der Sozialversicherungsträger gibt es nicht mehr; diese sind vielmehr ungeachtet der Regelung des § 266 a StGB insoweit den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Der Arbeitgeber bzw. hier der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kann sich zu seiner Entlastung demnach nicht nur auf die - hier nicht anzunehmende - tatsächliche Unmöglichkeit der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge berufen, die im Hinblick auf die strengen Vorfeldpflichten und die Vorverlagerung der strafrechtlichen Haftung des Arbeitgebers schwer zu belegen ist, er hat vielmehr auch die Möglichkeit, sich mit dem Verweis auf die Anfechtbarkeit gegen eine Zahlungspflicht zu verteidigen (vgl. noch Schmidt, EWiR 2001, § 266 a StGB 1/03, S. 185 f; Hefermehl WuB IV A § 823 1.01; Goette, DStR 2001, Heft 6, S. 224).

In der bereits zitierten Entscheidung vom 18. April 2005 (II ZR 61/03; DB 2005, 1321) hat der Bundesgerichtshof das Urteil vom 14. November 2000 (VI ZR 149/99 , ZIP 2001, 80) bestätigt, wonach mangels Kausalität der Schaden entfällt, wenn der Insolvenzverwalter Zahlungen an die Sozialkasse nach der InsO hätte anfechten können. Dabei hat er unter Hinweis auf frühere Entscheidungen (BGHZ 149, 100, 106 f; Urteil vom 30. April 1998 - IX ZR 141/97, ZinsO 1998, 141; Urteil v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666, 1667 f; Urteil vom 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80) ausgeführt, dass Ansprüche der Einzugsstellen gegenüber denjenigen anderer Gläubiger nicht (mehr) privilegiert seien, das Rangverhältnis sich vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften der Insolvenzordnung richtet, den Sozialkassen im Gegensatz zu früher mithin kein Vorrang mehr eingeräumt wird.

Da somit durch die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Monate April und Mai der Klägerin wegen der Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung gemäß §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 143 InsO auch kein bleibender Schaden entstanden bzw. das Nichtabführen der Beiträge nicht zurechenbar schadensursächlich ist, schuldet der Beklagte die mit der Klage noch geltend gemachte Forderung auch aus diesem Grunde nicht. Auf die Berufung war das Schlussurteil mithin aufzuheben, und die Klage war insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO. Soweit der Beklagte den geltend gemachten Anspruch teilweise anerkannt hat, findet § 93 ZPO keine Anwendung, weil er vorgerichtlich nach Anspruchstellung den Anspruch mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 (Bl. 37 d.A.) zurückgewiesen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Sowohl zur Frage des Verhältnisses zwischen § 266 a StGB und § 64 Abs. 2 GmbHG bzw. § 130 a Abs. 2, 3 HGB wie auch zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung bei Anfechtbarkeit von in der Krise innerhalb der Drei-Monats-Frist noch geleisteter Zahlungen auf die Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist inzwischen eine klare Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen und veröffentlicht worden, so dass es entgegen der im Termin vom 24. Mai 2005 geäußerten Absicht einer Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht (mehr) bedarf (vgl. BGH, Urteil v. 18.04.2005 II ZR 61/03; DB 2005, 1321 m. w. N.).



Ende der Entscheidung

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