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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 11 N 77.05
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG, AuslG, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 1 Ziff. 3
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2
AufenthG § 10 Abs. 1
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 1
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 2
AufenthG § 10 Abs. 3 Satz 3
AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 25
AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 3 Satz 1
AufenthG § 25 Abs. 4
AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 1
AufenthG § 25 Abs. 5 Satz 2
AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 6
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 60a
AufenthG § 60a Abs. 2
AsylVfG § 24
AsylVfG § 30 Abs. 3
AsylVfG § 42
AsylVfG § 42 Satz 1
AuslG § 7 Abs. 1
AuslG § 9 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 9 Abs. 1 Nr. 2
AuslG § 51
AuslG § 53
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
11 N 77.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 9. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2005 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Mit den vom Kläger vorgetragenen Gründen sind die geltend gemachten Zulassungsgründe des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 VwGO) im Ergebnis nicht begründet aufgezeigt.

Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, erhielt nach Einreise im Mai 2000 am 24. August 2000 eine Aufenthaltsbewilligung zu Studienzwecken, die zuletzt bis zum 19. April 2002 für den Besuch des Studienkollegs verlängert worden war, das er nicht erfolgreich beendet hat. Der Kläger leidet an einer c_____ s_____, welche sich bereits 1995 in der Türkei manifestiert hatte und dort auch stationär behandelt worden war; im Februar 2000 hatte er einen Suizidversuch unternommen. Das Vorliegen einer Erkrankung hatte er im Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung am 18. August 2000 verneint. Während des hiesigen Aufenthalts führte die Erkrankung zu weiteren stationären Krankenhausaufenthalten. Den Antrag auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis aus humanitären Gründen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 ab, da nicht von der erfolgreichen Aufnahme eines Studiums auszugehen sei und auch seine bereits bei Einreise vorhanden gewesene Erkrankung keinen Anlass zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 2 AuslG gebe. Hiergegen hat er am 4. Dezember 2002 die streitgegenständliche Klage erhoben. Seinen in der Folge gestellten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung von Abschiebungshindernissen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 26. August 2004 als offensichtlich unbegründet ab. Den hiergegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das Verwaltungsgericht Berlin durch Beschluss vom 24. September 2004 (VG 36 X 98.04), die Klage durch Urteil vom 16. Dezember 2004 (VG 36 X 99.04) als offensichtlich unbegründet ab. Seit dem 27. Januar 2005 hat der Beklagte dem Kläger Duldungen erteilt. Mit Antrag vom 20. April 2005 beantragte der Kläger, der sich seit dem 13. Januar 2005 wieder aufgrund p_____ in stationärer Behandlung befand, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2005 mit der Begründung ab, dass gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor der Ausreise kein neuer Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe, weil der Asylantrag des Klägers nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG komme nicht in Betracht, da es sich hierbei nicht um einen Anspruch im Sinne von § 10 Absatz 3 Satz 3 AufenthG handele. Im Übrigen bestehe hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG eine Bindung an die Entscheidung des Bundesamtes.

Mit Urteil vom 1. Juni 2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage unter Einbeziehung des Bescheides vom 25. April 2005 mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger gemäß § 10 Absatz 3 Satz 2 AufenthG von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen sei, da er hierauf keinen Anspruch im Sinne von § 10 Absatz 3 Satz 3 AufenthG habe. Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift seien nur gesetzliche Ansprüche und nicht solche, die etwa aus einer Ermessensreduzierung abgeleitet werden könnten. Im Übrigen erscheine es zweifelhaft, ob von einer Ermessensreduzierung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 oder 4 AufenthG ausgegangen werden könne. Insoweit sei zu bedenken, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerade das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen verneint habe. Hiernach sei davon auszugehen, dass die Behandlung des Klägers in seinem Heimatland Türkei weiterhin möglich sei. Zudem sprächen gewichtige Gesichtspunkte gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger, da er bei der erstmaligen Beantragung der Aufenthaltsbewilligung seine Erkrankung trotz ausdrücklicher Frage im Formblatt verschwiegen habe und aufgrund fehlenden Krankenversicherungschutzes sowie fehlender Verdienstmöglichkeiten auf unabsehbare Zeit auf den Bezug öffentlicher Mittel angewiesen sei. Soweit der Kläger zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Blick darauf geltend macht, dass § 10 Absatz 3 Satz 3 AufenthG auch die Erteilung einer im Ermessen stehenden Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 AufenthG im Falle der Ermessensreduzierung erlaube, folgt der Senat dem nicht.

§ 10 Abs. 1 AufenthG, der grundsätzlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels vor bestandskräftigem Abschluss eines Asylverfahrens untersagt, formuliert die hierzu vorgesehene Ausnahme zwar mit "außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs". Hingegen heißt es in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG in Bezug auf die Ausnahme von den Verboten der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschluss des Asylverfahrens, dass diese Regelungen in Fällen "eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" keine Anwendung finden. Dass mit letzterer Fassung auch ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels infolge einer festgestellten Ermessensreduzierung erfasst werden sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Die Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 3 Satz 3 (BT-DRs 15/420 Seite 73) gibt dafür nichts her. Vielmehr wird als Beispielsfall für einen Anspruch der Aufenthaltstitel aufgrund einer Deutschverheiratung genannt, der damit gerade den materiellen Rechtsanspruch nach § 28 Abs.1 Nr. 1 AufenthG in Bezug nimmt. Der Begriff Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels findet sich auch in § 5 Absatz 1 Ziff. 3 und Abs. 2 S. 2 AufenthG wieder. Aus der Begründung zu dieser Vorschrift (BT-Drs 15/420 Seite 70) ergibt sich, dass die Vorschrift an § 7 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG anknüpft. Zu diesen Regelungen war mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. März 2004 - 1 C 11/03 -, NVwZ-RR 2004, 687 f.) geklärt, dass hiermit nicht der Anspruch aufgrund einer Ermessensreduzierung erfasst werden sollte. Hiernach wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber einen deutlichen Hinweis gibt, wenn er mit § 10 Absatz 3 Satz 3 AufenthG auch Ermessensansprüche einbezogen wissen wollte. Hiergegen sprechen aber gerade Sinn und Zweck der Konzeption von § 10 Abs. 3 AufenthG. Mit § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ermöglicht der Gesetzgeber nämlich für erfolglos gebliebene Asylbewerber einen Aufenthaltstitel außer aufgrund eines Anspruchs nach § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG auch nach Maßgabe des 5. Abschnitts und damit aus humanitären Gründen, der auch ein Ermessensanspruch sein kann. Hiervon hat der Gesetzgeber mit § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG jedoch die Asylbewerber ausgenommen, deren Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG - also als offensichtlich unbegründet - abgelehnt worden ist. Insofern besteht also entgegen der Auffassung des Klägers kein Wertungswiderspruch zu § 25 AufenthG, sondern der Gesetzgeber hat eine bewusste Unterscheidung zu Lasten des nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnten Asylbewerbers vorgenommen. Die Vergünstigung des 5. Abschnitts soll Ausländern, deren Asylantrag - wie im Fall des Klägers - nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nicht zugutekommen, von weiteren Bleiberechten sollen sie ausgeschlossen sein. Deshalb formuliert das Gesetz in § 10 Absatz 3 Satz 2 AufenthG eindeutig: "darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden". Dies schließt entsprechend jede Ermessensbetätigung seitens der Ausländerbehörde aus und führt nach S. 3 der Vorschrift konsequent nur zu einem Aufenthaltstitel bei einem gesetzlichen Anspruch (in diesem Sinne auch Ziff. 10.3.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz vom 22. Dezember 2004 und Nr. B. 10 der Vorläufigen Anwendungshinweise der Ausländerbehörde Berlin zum Aufenthaltsgesetz vom 17. Februar 2006; Discher in GK-AufenthG, Stand Oktober 2005, § 10 Rn. 171 ff.; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., 2005, § 10 Rn. 10; Wenger in Storr u.a. ZuWG, 2005, § 10 Rn. 8; für "Soll-Regelungen" : Welte in Jakober/Welte, AktAR, Stand August 2005, § 25 Rn. 31; Dienelt, ZAR 2005, 120, 122; a. A. Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2005, § 10 Rn. 16).

Für Fälle, in denen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht beansprucht werden kann, die Abschiebung jedoch unmöglich ist, hat das Aufenthaltsgesetz trotz seiner Intention, das Institut der Duldung zurückzudrängen, weiterhin die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) als Grundlage des Aufenthalts des Ausländers in § 60a AufenthG (eingeführt auf Grund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, vgl. BT-DRs. 15/3479 S. 10) geregelt. Dies gilt nach § 60a Abs. 2 AufenthG insbesondere für Fälle, in denen die Abschiebung rechtlich und tatsächlich unmöglich ist und kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Entsprechend sieht auch § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Falle der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausreise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur in Abweichung von § 11 Abs. 1 AufenthG und nicht auch von § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor (vgl. hierzu auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 25 Rn. 37).

Ob § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, wonach eine Aufenthaltserlaubnis - vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Satzes 1 - erteilt werden "soll", wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, einen Regelanspruch darstellt, der bei - gerichtlich uneingeschränkt überprüfbarem - Fehlen eines atypischen Falles einen den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG entsprechenden strikten Rechtsanspruch begründet (i.d.S. Discher in GK-AufenthG, a.a.O. § 10 Rn 61, Renner, a.a.O. § 25 Rn 37, 22; Welte, a.a.O. § 25 Rn 28, 31; Dienelt, ZAR 2005, 120, 122; zur Auslegung einer Soll-Vorschrift als gebundener Entscheidung vgl. BVerwG, Urteil v. 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275 ff.; für § 16 Abs. 5 AuslG offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C 1.97 -, zit. nach Juris, Rn 30, zu § 25 Abs. 3 AufenthG vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 -, zur Veröffentlichung vorgesehen), kann hier dahinstehen, da weder dem Zulassungsvorbringen zu entnehmen noch sonst offensichtlich ist, dass das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Regelfalls verkannt hätte. Insbesondere fehlte es bereits an einer nach Abschluss des Asylverfahrens - während dessen der Kläger über eine Aufenthaltsgestattung verfügte - seit mehr als 18 Monaten andauernden Duldung des Klägers.

Auch die Voraussetzungen der Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat der Kläger mit seiner Zulassungsbegründung nicht dargelegt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund von § 25 Abs. 3 i. V. m. 60 Abs. 2, 3, 5, 7 AufenthG kann gegenüber dem Beklagten nicht geltend gemacht werden. Das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten oder -hindernissen nach §§ 51, 53 AuslG hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch seinen - verwaltungsgerichtlich rechtskräftig bestätigten - Bescheid vom 26. August 2004 abschließend festgestellt. An diese Feststellung ist der Antragsgegner gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58/96 -, BVerwGE 105, 383 ff. sowie Beschlüsse des OVG Brandenburg vom 17. März 1998 - 4 B 28/98 -, NVwZ-Beilage 1998, 75 [76] und vom 16. Juli 2004 - 4 B 88/04 -, n. v.). Diese Bindung gilt dabei nicht nur für positive, sondern auch für negative Entscheidungen. Denn Sinn und Zweck der Regelung ist es, Doppelprüfungen von Bundesamt und Ausländerbehörde und daraus u. U. erwachsende widersprüchliche Ergebnisse zu verhindern. Die Bindungswirkung gilt auch dann, wenn der Ausländer die ihm nach seinem Vorbringen drohende Gefahr nicht im Asylverfahren geltend gemacht hat und eine Prüfung durch das Bundesamt demgemäß insoweit unterblieben ist. Die Bindung der Ausländerbehörde hängt nicht davon ab, mit welchen Umständen, die als zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse in Betracht kommen, das Bundesamt sich im Einzelnen befasst hat. Folglich geht auch nicht etwa die Prüfungskompetenz auf die Ausländerbehörde über, wenn Umstände nicht geprüft worden sind, weil sie dem Bundesamt unbekannt geblieben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1999 - 1 C 6/99 -, NVwZ 2000, 204 [205]). An dieser Rechtslage hat sich nach dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes nichts geändert (BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 -). Als Rechtsgrundlage der Feststellung eines Abschiebungsverbots käme hier mit Blick auf die geltend gemachte Behandlungsbedürftigkeit nur § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht, wobei die Bestimmung gegenüber § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG inhaltlich nicht geändert worden ist. Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht maßgebenden Vorschriften der §§ 24 und 42 AsylVfG sind nur insoweit geändert worden, als die darin enthaltenen Verweisungen auf das Ausländergesetz an die geänderten Gesetzesbezeichnungen des Aufenthaltsgesetzes angepasst worden sind. Dies erkennt der Kläger letztlich wohl selbst, da er inzwischen ein weiteres Verfahren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG gegen die Bundesrepublik betreibt (VG Berlin 36 X 46.05).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden im Übrigen selbst dann nicht, wenn man mit dem Kläger und entgegen der oben dargelegten Auffassung des Senats eine Ermessensreduzierung auf Null als hinreichend für einen Anspruch i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ansehen wollte. Denn der Senat vermag entgegen der Einlassung des Klägers auch keine Reduzierung des Ermessens der Ausländerbehörde hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu erkennen.

Der Kläger begründet die Ermessensreduzierung damit, dass seine aufgetretene schwere Erkrankung zu einem dauerhaften inlandsbezogenen Abschiebungshindernis geführt habe. Die Erkrankung stehe im Zusammenhang mit der Sorge vor der Abschiebung und führe zu einer ernsthaften Suizidgefahr. Bei dieser Sachlage könne ihm seine Mittellosigkeit nicht entgegengehalten werden. Hiernach dürfe er auch nicht auf Kettenduldungen verwiesen werden, dies stände im Widerspruch zum Aufenthaltsgesetz und zu Artikel 1, 2 Grundgesetz.

Eine Ermessensreduzierung auf Null vermag dies indes nach Auffassung des Senats nicht zu begründen. Es ist nicht feststellbar, dass jede andere Entscheidung als die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis aus den dargelegten Gründen als ermessensfehlerhaft angesehen werden müsste. Hierbei ist selbst dann, wenn die Regelung von § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht entgegenstünde, bei der Prüfung, ob eine solche Ermessensreduzierung vorliegt, jedenfalls die Wertung von § 10 Absatz 3 Satz 2 AufenthG mit Gewicht in Rechnung zu stellen. Nach dieser ist - wie dargestellt - in den von § 30 Abs. 3 AsylVfG erfassten Fällen des Asylmissbrauchs vor einer Ausreise grundsätzlich kein Aufenthaltsrecht zu erteilen. Im Falle des 1976 geborenen Klägers würde ein Aufenthaltsrecht zudem zu einer massiven Beeinträchtigung öffentlicher, insbesondere fiskalischer Interessen führen, da nicht absehbar ist, ob und wann der Kläger einmal in das Erwerbsleben eintreten könnte und durch die jedenfalls zeitweise stationäre Krankenhausunterbringung mit hohem Betreuungsaufwand erhebliche Kosten angefallen sind und wohl auch zukünftig noch anfallen werden. Bei dieser Sachlage besteht ein hohes öffentliches Interesse daran, die Reisefähigkeit des Klägers wiederherzustellen und ihn - gegebenenfalls unter Sicherstellung einer die Suizidgefahr ausschließenden medizinischen Betreuung - wieder in seine Heimat zu verbringen, wo er auch zuvor bereits behandelt worden war. Dies gilt um so mehr, als der Kläger bei seiner Einreise zu Studienzwecken seinen Gesundheitszustand verschwiegen hat, kurz nach Einreise bereits wieder erkrankte und offensichtlich nicht einmal in der Lage war, die Voraussetzungen zur Aufnahme des angestrebten Studiums zu schaffen. Bei dieser Sachlage konnte er kein Vertrauen in ein letztlich hier erstrebtes dauerhaftes Bleiberecht haben und der Verweis auf die weitere Betreuung in seiner Heimat ist - vorbehaltlich einer entgegenstehenden Entscheidung im Klageverfahren VG Berlin 36 X 46.05 auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG - mit dem Grundgesetz nicht unvereinbar.

Ohne Erfolg macht der Kläger auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO mit Blick auf die Frage, ob § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auch die Fälle eines aus einer Ermessensreduzierung folgenden Anspruchs erfasst, geltend.

Eine solche grundsätzliche Bedeutung läge nur dann vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich auch in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328). Unabhängig von der erfolgten Beantwortung der Rechtsfrage durch den Senat wäre diese jedoch letztlich nicht entscheidungserheblich, da der Senat - wie dargestellt - eine solche Ermessensreduzierung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht feststellen konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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