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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.08.2009
Aktenzeichen: OVG 10 S 33.09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 10 S 33.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Sieveking am 14. August 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.525,52 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage, die gegen die Rückforderung gewährter Zuwendungen gerichtet ist.

Die Antragstellerin erhielt auf der Grundlage eines Zuwendungsbescheides vom 23. Dezember 1996 im Rahmen eines Umweltförderungsprogramms insgesamt Zuwendungen in Höhe von mehr als 1,4 Millionen Euro. Mit Bescheid der Investitionsbank Berlin vom 5. Juli 2002 wurde der Zuwendungsbescheid teilweise widerrufen und ein Betrag von über 40.000,-- Euro zurückgefordert. Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob die Antragstellerin bezüglich eines Rückforderungsbetrages von 28.752,96 Euro Klage. Nachdem der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht den Bescheid teilweise aufgehoben hatte, blieb eine Rückforderung von 22.102,07 Euro zuzüglich Zinsen streitig. Diese Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 4. Dezember 2008 ab, das der Antragstellerin am 10. Dezember 2008 zugestellt wurde.

Am 9. Januar 2009 beantragte die Antragstellerin die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil und begründete diesen Antrag mit Schriftsatz vom 10. Februar 2009. Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 26. Februar 2009 die Ablehnung des Zulassungsantrags; die angekündigte Begründung dieses Antrags steht noch aus.

Mit als "Mahnung" bezeichnetem Schreiben vom 28. Juli 2009 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und der erstinstanzlich abgewiesenen Anfechtungsklage gemäß § 80 b Abs. 1 VwGO am 11. Mai 2009 abgelaufen sei, weshalb der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid sofort vollziehbar sei. Die Antragsstellerin werde daher gebeten, bis zum 14. August 2009 den Betrag in Höhe von 22.102,07 Euro zu überweisen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem am 7. August 2009 eingegangenen, auf § 80 b Abs. 2 VwGO gestützten Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Sie beruft sich auf die Erfolgsaussichten der zuzulassenden Berufung und hält das Verhalten des Antragsgegners für unverhältnismäßig.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist nach § 80 b Abs. 2 VwGO zulässig. Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Juli 2002 (in der durch den Widerspruchsbescheid und die Teilaufhebung gewonnenen Gestalt) hat keine aufschiebende Wirkung (mehr). Denn gemäß § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage - wie hier - im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebene Rechtsmittels, hier also fünf Monate nach Zustellung des klageabweisenden Urteils am 10. Dezember 2008 (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 VwGO). Der Antrag auf Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ist nicht fristgebunden. Ihm steht nicht entgegen, dass die aufschiebende Wirkung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr bestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2007 - 4 VR 2.07 -, BVerwGE 129, 58, zitiert nach juris Rn. 13).

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Denn das Interesse der Antragstellerin an einer Fortdauer des Suspensiveffekts ihrer Anfechtungsklage überwiegt nicht das Vollzugsinteresse des Antragsgegners.

Nach § 80 b Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO und den hierzu entwickelten Grundsätzen hat das Gericht bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 b Abs. 2 VwGO die Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen, wobei die gesetzgeberische Wertung zu beachten ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80 b Rn. 13, 15; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 80 b Rn. 32). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 80 b durch das Sechste Gesetz zur Änderung der VwGO vom 1. November 2001 (BGBl. I, S. 1626) einer (ggf. missbräuchlichen) Ausnutzung des Suspensiveffekts begegnen und war der Auffassung, es sei, wenn eine Anfechtungsklage im ersten Rechtszug nach eingehender Prüfung des Rechtsschutzbegehrens keinen Erfolg habe, in der Regel nicht gerechtfertigt, dass die aufschiebende Wirkung auch noch während eines eventuellen Rechtsmittelverfahrens fortdauere. Besonderheiten des Einzelfalls könne durch die Möglichkeit besonderer gerichtlicher Anordnungen Rechnung getragen werden (BT-Drucks 13/3993, S. 11 f.). Daraus folgt, dass es nicht allein darauf ankommt, ob im Einzelfall die missbräuchliche Einlegung eines Rechtsmittels ausgeschlossen werden kann. Die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stellt vielmehr eine Ausnahme dar, die im Wesentlichen dann in Betracht kommt, wenn Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen oder dem Betroffenen gravierende, u.U. irreparable Nachteile infolge der sofortigen Vollziehung drohen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14 ff.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 15; Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn. 32). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Im derzeitigen Verfahrensstadium lassen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache - schon im Hinblick auf den Umfang des zu beurteilenden Materials- nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit beurteilen, so dass auf diesen Aspekt die begehrte Anordnung nicht gestützt werden kann.

Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ist auch nicht zu entnehmen, dass ihr durch die drohende Vollziehung gravierende Nachteile drohen. Die vorläufige Zahlung des Rückforderungsbetrages lässt sich im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache rückgängig machen, mit dem Land Berlin steht auch ein hinreichend sicherer Schuldner zur Verfügung. Dass die Zahlung der gesamten Summe zum jetzigen Zeitpunkt für die Antragstellerin unzumutbar sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal der Betrag auch angesichts des Gesamtvolumens der gewährten Zuwendungen nicht unverhältnismäßig hoch erscheint.

Demgegenüber hat der Antragsgegner im Hinblick auf die allgemeine Haushaltslage des Landes Berlin und das Gebot sparsamer Haushaltsführung ein berechtigtes Interesse an einer vorläufigen Vollziehung des Rückforderungsbescheids, zumal er andernfalls das Risiko zukünftiger Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin tragen müsste.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 3 GKG, wobei der Senat wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens ein Viertel des von der begehrten aufschiebenden Wirkung der Klage erfassten Rückforderungsbetrages angesetzt hat (vgl. hierzu Ziff. II.1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 7/2004, NVwZ 2004, S. 1327 ff.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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