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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: OVG 10 S 4.05
Rechtsgebiete: VwGO, Bbg BO, BBauG, BauO Bln


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3 Satz 1
Bbg BO § 54
Bbg BO § 55 Abs. 11 Nr. 4
Bbg BO § 66
Bbg BO § 67 Abs. 11
Bbg BO § 67 Abs. 13
BBauG § 35 Abs. 5 Nr. 2
BauO Bln § 56 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 10 S 4.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Krüger und die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und Dr. Bumke am 14. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) vom 4. Dezember 2003 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (7 K 595/03) wird hinsichtlich der Baueinstellungsverfügung vom 9. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2003 wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung der Versiegelung angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der Anordnung des Antragsgegners vom 9. Dezember 2002, mit der ihr aufgegeben wird, ab sofort die Bauarbeiten zum Um- und Ausbau des auf dem Grundstück am B. in B. befindlichen Nebengebäudes einzustellen, und ihr für den Fall der Nichtbefolgung die Versiegelung der Baustelle angedroht wird.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin leidet die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung (zwar) nicht an einem formellen Mangel. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird (BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 DB 26.01 -). Bei einer Baueinstellungsverfügung sind jedoch keine hohen Anforderungen an die Begründungspflicht zu stellen. Denn mit einer Baueinstellung soll sichergestellt werden, dass keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Jeder weitere Baufortschritt verstärkt die Verfestigung des von der Behörde als baurechtswidrig angesehenen Zustandes und erfordert deshalb eine umgehende Durchsetzung der Baueinstellungsverfügung (OVG Berlin, Beschluss vom 19. November 1996 - OVG 2 S 23.96 -, LKV 1997, 366; VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Februar 2005 - 8 S 2834.04 -, BauR 2005, 1461). Gemessen an diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht.

Ebenso wenig greift der Einwand der Antragstellerin, der (ergänzende) Vortrag des Antragsgegners im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Nutzungsänderung als Grund für die Illegalität des Vorhabens stelle einen unzulässigen Begründungsaustausch dar. Das Nachschieben von Gründen wird dann als zulässig angesehen, wenn dieser Grund schon bei Erlass der Baueinstellungsverfügung vorlag, diese nicht in ihrem Wesen verändert, keine anderen Ermessenserwägungen zu berücksichtigen waren und der Betroffene auch nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (OVG Berlin, Beschluss vom 23. August 1988 - OVG 2 S 7.88 - OVGE 18, 119, BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351). Der Antragsgegner hat den angefochtenen Bescheid zwar zunächst lediglich damit begründet, dass die Entfernung des alten Dachs und der Bau eines neuen Dachs mit Dachflächenfenstern genehmigungspflichtig sei und auch im Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2003 lediglich auf die Frage der Dachkonstruktion und der Standfestigkeit abgestellt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (BA S. 6) handelt es sich bei dem erstmals in der Antragserwiderung vom 1. September 2003 ergänzend zur Begründung angeführten Gesichtspunkt der unzulässigen Nutzungsänderung aber nicht um einen Umstand, der erst nachträglich im Sinne einer Änderung der Sachlage eingetreten wäre.

Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht jedoch davon aus, dass die bei der Ortsbesichtigung am 29. November 2002 festgestellten Bauarbeiten deswegen genehmigungspflichtig sind, weil sie auf eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung gemäß § 66 Bbg BO i.d.F. vom 25. März 1998 (GVBl. I S. 82) bzw. nunmehr § 54 Bbg BO (2003) führen.

Richtig ist zwar, dass eine Nutzungsänderung bereits dann vorliegt, wenn einer Anlage oder Einrichtung auch nur teilweise eine neue Zweckbestimmung gegeben wird (OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 15. Februar 2002 - 3 B 61/01.Z -). Soweit das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf den anwaltlichen Schriftsatz der Antragstellerin vom 29. Dezember 2002 eine Nutzungsänderung damit begründet, die Antragstellerin trage selbst vor, "dass das streitbefangene Nebengebäude nach der Umgestaltung - jedenfalls auch - als Anwaltskanzlei genutzt werden soll" (BA S. 4), wird den Ausführungen der Antragstellerin ein Bedeutungsgehalt zugeschrieben, der sich aus dem Text nicht erschließt. Die Antragstellerin hat lediglich mitgeteilt: "Auch künftig werden die Unterzeichnende und ihre Mandantin an jeweils ihrem Schreibtisch, umgeben von Akten und Büchern, ihren bisherigen Tätigkeiten nachgehen". Der Umstand, dass die Antragstellerin wie auch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin bislang im Haupthaus auch ihren beruflichen Tätigkeiten nachgegangen sind, rechtfertigt nicht die Annahme, dass das Nebengebäude nach dem Umbau als Kanzleiraum benutzt werden soll.

Ob die - von der Antragstellerin eingeräumte - Nutzung des Haupthauses nicht nur zu Wohnzwecken bauplanungsrechtlich zulässig ist oder ggf. im Wege einer Nutzungsuntersagung unterbunden werden könnte, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Jedenfalls kann allein aus dem Umstand, dass das Haupthaus offensichtlich nicht nur zum Wohnen genutzt wird, nicht geschlossen werden, dass der Umbau des Nebengebäudes mit der Absicht einer Büronutzung erfolgt. Die bereits begonnenen Umbau- und Sanierungsarbeiten dienen nicht der Aufnahme einer bestimmten - genehmigungspflichtigen - Nutzung.

Davon, dass Bauarbeiten der Aufnahme einer bestimmten Nutzung dienen, kann nur dann die Rede sein, wenn durch die Arbeiten jede andere Nutzung verhindert wird (OVG Weimar, Beschluss vom 29. November 1999 - 1 EO 658.99 -, NVwZ-RR 2000, 578). Im vorliegenden Fall erweisen sich die begonnenen wie auch die von der Antragstellerin dargelegten beabsichtigten Baumaßnahmen im Hinblick auf die künftige Nutzung des Nebengebäudes insoweit als neutral, als sie jedenfalls nicht nur eine Büronutzung, sondern auch eine Wohnnutzung ermöglichen. Insofern trägt die Argumentation des Verwaltungsgerichts, die Genehmigungsbedürftigkeit als nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich ergebe sich "hier beispielsweise im Hinblick auf die mit mandantschaftlichem Besucherverkehr ausgelösten, gegenüber einer lediglich auf Wohnen und Forstverwaltung gerichteten Nutzung nicht unwesentlich erhöhten Verkehrsaufkommen" (BA S. 5), nicht. Allein der Umstand, dass die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin (und Miteigentümerin) ausweislich eines Vermerks (VV Bl. 67) anlässlich der Ortsbesichtigung vom 13. Januar 2003 erklärt hat, nach Abschluss der Baumaßnahmen sei "ebenfalls eine Nutzung als Anwaltsbüro beabsichtigt", genügt nicht, um bereits eine Einstellung der an sich neutralen Baumaßnahmen zu rechtfertigen. Abgesehen von den schriftsätzlichen Erklärungen der Antragstellerin, mit denen die im Vermerk festgehaltene Erklärung bestritten und das Konzept des "integrierten" Wohnens und Arbeiten im Haupthaus erläutert werden, könnte die Aufnahme einer Nutzung als Anwaltsbüro gegebenenfalls nur als solche untersagt werden. Entscheidend für die Baueinstellung ist vielmehr die vom Verwaltungsgericht des Weiteren aufgeworfene und im Ergebnis zu Unrecht verneinte Frage, ob das Nebengebäude (auch) dem Wohnen gedient hat.

Das 4,40 m x 8,20 m, d.h. ca. 35 m2 große Nebengebäude mit einer Firsthöhe von ca. 4,95 m ist ursprünglich nicht lediglich als Wirtschaftsgebäude zur Haltung von Tieren oder auch Unterbringung von Gerätschaften errichtet worden, sondern diente zugleich dem Wohnen. Nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Auszug aus dem Baubestandsbuch (GA Bl. 64) befand sich in dem Nebengebäude eine mit einem Ofen ausgestattete so genannte Knechtekammer. Auch den mit Blick auf das beigefügte Bildmaterial nachvollziehbaren Ausführungen des - von der Antragstellerin um eine Stellungsnahme gebetenen - Herrn Dipl. Ing. G_____ vom 14. Januar 2004 lässt sich entnehmen, dass das Nebengebäude nicht lediglich als Stall angelegt worden war, sondern zugleich dem Wohnen gedient hat. Das im Verwaltungsvorgang befindliche Bildmaterial belegt, dass das Gebäude (neben den giebelseitig befindlichen Stalltüren) über eine Haustür wie auch Fenster verfügt, die nach Feststellungen des Herrn Dipl. Ing. G_____ als Anhaltspunkt dafür gewertet werden können, dass der dahinterliegende Bereich zum Wohnen genutzt wurde. Der Umstand, dass der Ausbaustandard "am unteren Niveau" (GA Bl. 132) lag, erlaubt nicht den Schluss, dass dieser grundsätzlich zum Wohnen angelegte Bereich "allenfalls gelegentlichem Übernachten, nicht aber dauerndem Wohnen gedient haben mag" (BA S. 5).

Allein der Umstand, dass das Nebengebäude auch der Wohnnutzung gedient hat, genügt zwar nicht, um die von der Antragstellerin beabsichtigte Nutzung vorrangig zum Wohnen als vom ursprünglichen Bestand gedeckt anzusehen. Denn die ursprüngliche Wohnnutzung war der Stallnutzung zugeordnet. Das Nebengebäude hatte hinsichtlich der Wohnnutzung die Funktion eines forst- bzw. landwirtschaftlichen Wohngebäudes (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 19. März 1980 - 7 A 2159/77 -, BRS 36 Nr. 98).

Diese funktionsorientierte und damit privilegierte Wohnnutzung dürfte jedoch spätestens in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgegeben worden sein. Zugunsten der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass das Nebengebäude (jedenfalls) in der Folgezeit nicht mehr der privilegierten an die Land- bzw. Forstwirtschaft gebundenen Wohnnutzung gedient hat. Für eine solche allgemeine Wohnnutzung spricht die von der Antragstellerin vorgelegte - wenngleich nicht in der Form der eidesstattlichen Versicherung gefasste - Erklärung des Herrn K. (GA Bl. 111). Danach wohnte die Familie L. seit den 50er Jahren bis zum Tod des letzten Familienmitglieds - nach Angaben der Antragstellerin Mitte der 90er Jahre - in der einen Wohnung im Haupthaus, während in der anderen Wohnung verschiedene Familien wohnten und nach deren Auszug offensichtlich ein Anglerverband in der (zweiten) Wohnung seinen Sitz nahm. Mit Blick auf die beengten Wohnraumverhältnisse kann davon ausgegangen werden, dass das Nebengebäude in wohnähnlicher Weise mitgenutzt worden ist. Es erscheint jedenfalls ausgeschlossen, dass das Nebengebäude in dieser Zeit etwa nur als Stall für Kleintiere oder gar nicht mehr genutzt worden wäre. Denn die Nichtnutzung des Wohnbereichs im Nebengebäude über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten hätte zu einem sichtbaren Verfall des Gebäudes geführt. Für die Nutzung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken spricht auch die Feststellung des Herrn Dipl. Ing. G_____, dass die im Wohnbereich befindlichen Fenster "über die langen Jahre der Nutzung neu bzw. nachverkittet worden" sind.

Gegen diese Nutzungsänderung von einer privilegierten an den Forst- bzw. Landwirtschaftsbetrieb gebundenen Wohnnutzung zu einer allgemeinen Wohnnutzung sind die damals zuständigen Behörden der ehemaligen DDR auch nicht eingeschritten. Der Antragstellerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Wohnzeiten eines Voreigentümers grundsätzlich nicht anzurechnen sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 2.78 -, BVerwGE 62, 32). Denn es geht im vorliegenden Fall nicht um die Frage der Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle (§ 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB) und die damit verbundene Frage der Eigennutzung.

Mit dem Verwaltungsgericht ist zwar davon auszugehen, dass das Nebengebäude jedenfalls in den letzten Jahren nicht zum Wohnen genutzt worden ist. Zum einen fehlen Angaben zur Nutzung des Nebengebäudes für die Zeit nachdem das Gebäude - ab Mitte der 90er Jahre - nicht mehr von der Familie L. (mit-) bewohnt wurde bis zum Zeitpunkt, als die Antragstellerin (zusammen mit ihrer Verfahrensbevollmächtigten) - im Jahr 2002 - das Grundstücks erworben hat. Mit Blick auf das im Verwaltungsvorgang befindliche Bildmaterial zum Zustand des Nebengebäudes in den Innenräumen drängt es sich geradezu auf, dass das Gebäude jedenfalls in diesem Zeitraum nicht dauerhaft der Wohnnutzung gedient hat. Der Umstand, dass - wie vorgetragen wird - das Nebengebäude vorübergehend im Sommer 2002 von der Verfahrensbevollmächtigten als Büroraum genutzt worden ist (Schriftsatz vom 6. Februar 2003, VV Bl. 95, GA Bl. 125, 128), mag belegen, dass das Nebengebäude grundsätzlich noch bewohnbar war, erlaubt aber nicht die Annahme, dass das Nebengebäude in der Zeit davor - nach dem Auszug der Familie L. - entsprechend genutzt worden ist. Dementsprechend ist von einer mehrere Jahre dauernden Nichtnutzung des Nebengebäudes auszugehen.

Die mehrjährige Unterbrechung der Nutzung des Nebengebäudes (allein) zum Zwecke des Wohnens stellt jedoch keine endgültige Nutzungsaufgabe dar mit der Folge, dass die durch die Bauarbeiten eingeleitete Absicht der Antragstellerin, das Gebäude einer Wohnnutzung zuzuführen, als eine (unzulässige) Nutzungsänderung anzusehen wäre.

Die Frage, welche Folge eine mehrjährige Unterbrechung der Nutzung hat, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls i.S. einer Orientierungshilfe in Anlehnung an das vom Bundesverwaltungsgericht zu § 35 Abs. 5 Nr. 2 BBauG (jetzt: § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB) entwickelte und auch bei anderen Fallgestaltungen zur Anwendung gebrachte so genannte Zeitmodell (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 65.90 -, BVerwGE 64, 42; Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235; vgl. auch OVG Berlin, Urteil vom 28. Mai 2003 - OVG 2 B 24.98 -; Beschluss vom 7. Juni 2004 - 2 S 27.04, LKV 2005 227; VGH Kassel, Urteil vom 15. Februar 2001 - 4 UE 1481.96 -, ESVGH 51, 141; a.A. OVG Münster, Urteil vom 14. März 1997 - 7 A 5179/95 -, BRS 59 Nr. 149; OVG Weimar, Beschluss vom 29. November 1999 - 1 EO 658.99 -, BauR 2000, 719). Danach kann nach dem Ablauf von zwei Jahren nach der Zerstörung eines Bauwerks der Wille zum Wiederaufbau nach der Verkehrsauffassung nicht mehr ohne weiteres vermutet werden, so dass der Eigentümer besondere Gründe für einen gleichwohl bestehenden Wiederaufbauwillen darzulegen hat.

Im vorliegenden Fall liegen besondere Gründe vor, aus denen sich ergibt, dass die mehrjährige Nichtnutzung des Nebengebäudes auch nach der Verkehrsauffassung nicht der "endgültige" Zustand und damit Ausdruck für eine dauerhafte Nutzungsaufgabe war. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Nebengebäude nicht isoliert als ein einzelnes Gebäude mit insofern "eigener" Nutzung angesehen werden kann. Das Nebengebäude ist funktional vielmehr - nachdem die an die Forst- bzw. Landwirtschaft gebundene Wohnnutzung aufgegeben worden war - dem ausschließlich der Wohnnutzung dienenden Haupthaus zugeordnet. Das Nebengebäude dient - anders als zum Zeitpunkt der "gemischten" Wohn- und Stallnutzung - nur noch der Erweiterung der Wohnnutzung des Hauptgebäudes. Haupthaus und Nebengebäude bilden insofern - ungeachtet dessen, dass es sich um zwei einzeln stehende Gebäude handelt - eine "Nutzungseinheit". Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnnutzung im Haupthaus endgültig über mehrere Jahre aufgegeben worden wäre, sind nicht ersichtlich. Mit Blick auf die kontinuierliche Nutzung des Haupthauses zu Wohnzwecken zieht auch die Verkehrsauffassung aus einer mehrjährigen Nichtnutzung nur des Nebengebäudes nicht den Schluss, dass die konkrete Nutzung damit endgültig aufgegeben sei. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Nebengebäude nicht in einer Weise dem Verfall preisgegeben worden ist, der auch nach außen hin verdeutlicht, dass eine (jederzeitige) Wiederaufnahme der Wohnnutzung vom Berechtigten offensichtlich nicht mehr gewollt ist. Von einem solchen Verfall des Nebengebäudes kann hier nicht ausgegangen werden; die vorhandene Bausubstanz zeigt keine greifbaren Verfallserscheinungen auf. Es liegt also weder eine Nutzungsänderung noch eine Nutzungsaufgabe vor.

Bei den Baumaßnahmen handelt es sich entgegen der vom Antragsgegner im angefochtenen Bescheid ursprünglich gegebenen Begründung - auf die das Verwaltungsgericht nach seiner Rechtsauffassung konsequenterweise nicht eingegangen ist (BA S. 3) - nicht um genehmigungspflichtige Arbeiten, sondern um vom Bestandschutz gedeckte Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen.

Die Bauarbeiten der Antragstellerin haben nicht zu einer Änderung der Identität des Nebengebäudes geführt. Eine vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckte Identitätsänderung liegt vor, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2001 - 4 B 18.01 -, NVwZ 2002, 92; Urteil vom 17. Januar 1986 - 4 C 80.82 -, BVerwGE 72, 362). Dabei kann aber eine begrenzte Erweiterung des geschützten Baubestandes mit Blick auf eine zeitgemäße - funktionsgerechte - Nutzung gerechtfertigt sein (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1986 - 4 C 80.82 -, BVerwGE 72, 362).

Zwar hat die Antragstellerin das Dach des Nebengebäudes vollständig abgehoben und durch ein neues Dach ersetzt sowie im Gebäudeinneren - wie sich aus dem Bildmaterial ergibt - die Decke beseitigt. Die Anbringung eines neuen Dachs - in unveränderter Grundform und ohne Erweiterung der Bausubstanz - stellt jedoch eine genehmigungsfreie Instandsetzungsmaßnahme dar, weil dadurch die Frage der Standsicherheit nicht berührt, mithin eine statische Neuberechnung des gesamten Gebäudes nicht notwendig wird.

Wie der Antragsgegner selbst zunächst in einem Vermerk vom 17. Februar 2003 (VV Bl. 145) angemerkt hat, waren die anlässlich der (zweiten) Ortsbesichtigung vom 12. Februar 2003 (VV Bl. 146 bis 147) getroffenen Feststellungen auch aus seiner Sicht offensichtlich nicht ausreichend, um den Rückschluss zu erlauben, dass durch die Baumaßnahmen eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich ist. Ausweislich der Feststellungen des zuständigen Mitarbeiters des Sachbereichs Baustatik ist das neue Dach in seiner Konstruktion "nahezu gleichartig ausgelegt" wie das Altdach: "Es handelte sich ebenfalls um ein Sparrendach in Verbindung mit einem gleichzeitig als Zugband fungierenden Deckenbalken." Wie sich aus dem Bildmaterial erschließt, sind die Deckenbalken nicht verändert worden. Dem entspricht die weitere Feststellung in der das Ergebnis der Ortsbesichtigung zusammenfassenden Stellungnahme vom 13. Februar 2003, dass die neu errichtete Dachkonstruktion "ebenfalls als ein auf den Deckenbalken stehendes Sparrendach ausgeführt worden" ist. Allein die Entfernung der Decke, die anders als die Balken keine tragende Funktion hat (sondern sich gleichsam nur selbst trägt), genügt ebenso wenig wie der Einbau der drei Dachfenster mit dem damit verbundenen Sparrenwechsel nicht als sachlich nachvollziehbare Begründung für die von dem Antragsgegner angenommenen notwendigen Neuberechnung. Da die Konstruktion der Deckenbalken unverändert geblieben ist, und es offensichtlich auch im ursprünglichen Bestand keinen - nunmehr vom Antragsgegner als fehlend monierten - Ringbalken gegeben hat, erscheint es dem Senat, der aufgrund der Befassung mit Baurechtsstreitigkeiten jedenfalls über Grundkenntnisse zur Beurteilung der damit zusammenhängenden (bau)technischen Fragen verfügt, auch angesichts der geringen Gesamtgröße und Höhe des Nebengebäudes fern liegend, dass der damit verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht. Hinsichtlich des von dem Antragsgegner monierten Sparrenwechsels aufgrund des Einbaus der (drei) Dachfenster ist zugleich auch die in § 67 Abs. 11 Nr. 4 Bbg BO (1998) bzw. nun § 55 Abs. 11 Nr. 4 Bbg BO zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung zu berücksichtigen, wonach der Einbau liegender Fenster in Dachflächen genehmigungsfrei gestellt ist. Danach geht auch der Gesetzgeber mit der Privilegierung eines solchen Vorhabens als genehmigungsfrei davon aus, dass allein die durch den Einbau solcher Fenster bedingte konstruktive Änderung eines Daches offensichtlich keine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes nach sich zieht. § 67 Abs. 11 Bbg BO - sowohl in der Fassung von 1998 als auch in der aktuellen Fassung - zielt gerade auf die Genehmigungsfreistellung von "unbedeutenden" Änderungen an und in baulichen Anlagen.

Der Umstand, dass die Brandenburger Bauordnung anders als beispielsweise die Berliner Bauordnung vom 3. September 1997 in § 56 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. e BauO Bln nicht ausdrücklich "Dächer von bestehenden Wohngebäuden einschließlich der Dachkonstruktion ohne Änderung der bisherigen äußeren Abmessungen" genehmigungsfrei gestellt hat, erlaubt nicht im Gegenschluss die Annahme, dass der Brandenburger Gesetzgeber den Bau eines neuen Daches - ohne Änderung und unter Beibehaltung der äußeren Abmessungen des Gebäudes - grundsätzlich und in jedem Fall als statisch relevant angesehen hat. Dieser Fall fällt vielmehr in den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 13 Bbg BO (1998) bzw. § 55 Abs. 13 Bbg BO, dem zufolge Instandhaltungsarbeiten an oder in baulichen Anlagen keiner Baugenehmigung bedürfen.

Dass zum Zeitpunkt der Baueinstellung - wie unter anderem vom Antragsgegner in den Stellungnahmen vom 13. Februar 2003 (VV Bl. 146) und vom 13. Januar 2003 (VV Bl. 68) moniert - die für die Aussteifung erforderlichen Windrispenbänder fehlten, erlaubt ebenfalls nicht den Rückschluss, dass eine statische Neuberechnung des gesamten Gebäudes notwendig ist. Angesichts der (innen) offenen Dachkonstruktion können die aussteifenden Windrispenbänder ohne weiteres (noch) innenseitig auf die Sparen aufgebracht werden. Das gilt auch für die weiteren Beanstandungen. Insoweit weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass die Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der angefochtenen Baueinstellung naturgemäß noch nicht abgeschlossen waren.

Erweist sich nach alle dem die Baueinstellungsverfügung als rechtswidrig, fehlt auch der Zwangsgeldmittelandrohung (Versiegelungsandrohung) die rechtliche Grundlage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 a.F. GKG, das hier noch in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist (§ 72 Nr. 1 GKG i.d.F. Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl. I S. 718). Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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