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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: OVG 10 S 5.06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 36 Abs. 2 Satz 3
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
1. Die unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vertretene Auffassung, dass sich eine Gemeinde im Streit um die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nur auf Belange berufen könne, die ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind, blendet die Bedeutung des gemeindlichen Einvernehmens als ein besonderes, im kommunalen Selbstverwaltungsrecht wurzelndes Mitentscheidungsrecht aus.

2. Da raumordnerische Festsetzungen i.d.R. nicht gebiets- und parzellenscharf angelegt sind, stellt ein Standort in Randbereichslage keine vom planerisch erfassten Regelfall abweichende "Sonderkonstellation" dar.


OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 10 S 5.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger und die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und Dr. Bumke am 5. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 23. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge, für den ersten unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts, auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Mit Bescheid vom 11. März 2005 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage (WEA 2, , im Genehmigungsbescheid genannt "WKA 2") auf dem Gemeindegebiet der Antragstellerin - F_____ - unter Ersetzung des verweigerten gemeindlichen Einvernehmens. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2005 den sinngemäßen Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 10. Juni 2005 gegen die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2005 anzuordnen, abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 2 beschränkt ist, zu beanstanden. Bei der nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen überwiegt das Interesse der Beigeladenen an der unverzüglichen Ausnutzung der unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Windenergieanlage das Interesse der Antragstellerin, von der nach § 212 a Abs. 1 BauGB, der - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - auf den vorliegenden Fall weiter Anwendung findet, als Regelfall vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung vorerst verschont zu bleiben. Die gegen die Baugenehmigung vom 11. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2005 erhobene Klage wird bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben.

Zwar ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren auch darauf berufen kann, dass dem Vorhaben des Beigeladenen öffentliche Belange entgegenstehen, die nicht in Bezug zum gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht, insbesondere der Planungshoheit stehen (1.). Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ist jedoch voraussichtlich nicht zu beanstanden, weil bei summarischer Prüfung weder planungsrechtliche Vorgaben mit Blick auf den Standort der Windenergieanlage WEA 2 verletzt sein dürften, noch zu erkennen ist, dass dem Vorhaben öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen (2.).

1. Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB darf die Gemeinde ihr Einvernehmen hinsichtlich der Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB (nur) aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen. Darf die Gemeinde unter Berufung auf diese Gründe ihr Einvernehmen versagen, so muss es ihr auch möglich sein, sich unter Berufung auf diese Gründe gegen eine Baugenehmigung zu wehren, die unter Ersetzung ihres Einvernehmens erteilt worden ist (OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2003 - 3 B 27/02 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2005 - OVG 2 S 115.05 -; Beschluss vom 27. Januar 2006 - OVG 2 S 133.05 -). Das gemeindliche Einvernehmen ist ein als Mitentscheidungsrecht ausgestattetes Sicherungsinstrument des Baugesetzbuches, mit dem die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde an der Beurteilung der bebauungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen mitentscheidend beteiligt werden soll (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 31.89 -, juris-Ausdruck S. 5; Urteil vom 7. Februar 1986 - 4 C 43.83 -, juris-Ausdruck S. 5; BVerwG, Urteil vom 10. August 1988 - 4 C 20.84 -, juris-Ausdruck S. 4).

Die unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vertretene Auffassung, dass sich eine Gemeinde nur auf Belange berufen könne, die ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind (VGH Kassel, Beschluss vom 27. September 2004 - 2 TG 1630.04 -, juris-Ausdruck S. 6; vgl. auch VGH München, Urteil vom 19. Januar 1987 - 22 B 84 A 980 -, NVwZ 1987, 1089 sowie aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung VG Neustadt, Urteil vom 20. Februar 2006 - 3 K 731.05.NW -; VG Saarland, Beschluss vom 1. Dezember 2005 - 5 F 25.05 -; VG Potsdam, Beschluss vom 16. Dezember 2004 - 5 L 1087/04 - <vgl. dazu aber: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2005 - OVG 2 S 115.05 ->) blendet die Bedeutung des gemeindlichen Einvernehmens als ein besonderes, im kommunalen Selbstverwaltungsrecht wurzelndes Mitentscheidungsrecht aus.

Soweit darauf hingewiesen wird, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es den Gemeinden verwehrt, sich zum "gesamtverantwortlichen Wächter des Natur- und des sonstigen Umweltschutzes aufzuschwingen und als solcher Belange der Allgemeinheit zu wahren, die nicht speziell ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind" (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 - <Flugrouten>, juris-Ausdruck S. 20) wird - wie auch hinsichtlich der weiteren vom Verwaltungsgerichtshof Kassel genannten Entscheidungen (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999 - 4 A 47.96 - <A 14>, NVwZ 2000, 560 -; Beschluss vom 15. April 1999 - 4 VR 18.98, 4 A 45.98 - <B 6>, NVwZ-RR 1999, 554; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 - 9 VR 14.02 - <B 96>) nicht hinreichend beachtet, dass sich diese Rechtsprechung auf fachplanungsrechtliche Fallkonstellationen beschränkt, in denen der Gemeinde lediglich ein Beteiligungsrecht zusteht (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2005 - OVG 2 S 115.05 -). Zum anderen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich anerkannt, dass eine Gemeinde als Ausfluss ihrer Planungshoheit das Recht hat, Bauvorhaben, die nicht mit § 35 BauGB in Einklang stehen, abzuwehren. Wird der Gemeinde als Ausfluss der Planungshoheit das Recht zugebilligt, Vorhaben abzuwehren, die mit § 35 BauGB nicht in Einklang stehen, so kann sie im Rahmen der Möglichkeiten, die das Prozessrecht bietet, Rechtschutz beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 14. April 2000 - 4 C 5.99 -, NVwZ 2000, 1048; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. August 1988 - 4 C 20.84 -, juris-Ausdruck S. 3). Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 36 BauGB ist die gemeindliche Planungshoheit bereits dann berührt, wenn ein Vorhaben auf der Grundlage des § 35 BauGB zugelassen oder verwirklicht wird. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 BauGB auf den Rechtsbehelf einer Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen sind. Die Gemeinde kann also insbesondere geltend machen, dass ein Vorhaben nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sei und öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtige (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 45.88 -, juris-Ausdruck S. 5; OVG Koblenz, Urteil vom 16. März 2006 - 1 A 10884.05 -, juris-Ausdruck S. 5; Urteil vom 13. März 2006 - 8 A 11309.05 -, juris-Ausdruck S. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 1 ME 169.04 -, juris-Ausdruck S. 6f; OVG Magdeburg, Beschluss vom 6. Februar 2004 - 2 L 5.00 -, juris-Ausdruck S. 10).

Der Senat teilt die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die mit der unteren Baugenehmigungsbehörde identische Gemeinde die Ablehnung eines Bauantrags nicht mit der Versagung ihres Einvernehmens als solcher begründen darf (BVerwG, Urteil vom 19. August 2004 - 4 C 16.03 -, BVerwGE 121, 339) nicht als Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, sondern als deren Fortführung zu verstehen ist (OVG Koblenz, Urteil vom 13. März 2006 - 8 A 11309.05 - juris-Ausdruck S. 3 sowie - entgegen der Darstellung der Beigeladenen - unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2004 OVG Koblenz, Urteil vom 16. März 2006 - 1 A 10884.05 -, juris-Ausdruck S. 5). Denn auch in dieser Entscheidung stellt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich fest, dass die in § 36 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit dient. Die Feststellung, dass § 36 BauGB hinsichtlich der materiellrechtlichen Planungshoheit keine Rechte begründet, sondern sie voraussetzt, bezieht sich ersichtlich auf die in diesem Fall bestehende Besonderheit der Identität von Gemeinde und Baugenehmigungsbehörde. Dafür, dass die Gemeinde - wie die Beigeladene unter Hinweis auf die "Sicht des Bürgers" meint - nur "gemeindeschützende" Belange geltend machen könne, gibt es weder im Wortlaut noch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 36 Abs. 2 BauGB einen Anhaltspunkt (OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2003 - 3 B 27/02 -).

2. Die Beschwerde der Antragstellerin hat gleichwohl keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB voraussichtlich - im Rahmen der nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung - gegeben sein dürften.

a) Die Antragstellerin kann die Verweigerung ihres Einvernehmens nicht damit begründen, dass die mit Baugenehmigung vom 11. März 2005 genehmigte Windenergieanlage WEA 2 außerhalb des festgesetzten Windeignungsgebietes W 28 liege. Wie bereits das Verwaltungsgericht festgestellt hat, ist unter den Beteiligten strittig, ob die Windenergieanlage WEA 2 innerhalb oder außerhalb des Windeignungsgebiets W 28 liegt.

aa) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Antragstellerin nicht entgegen gehalten werden, dass das auf der im Verwaltungsvorgang befindlichen Karte per Hand eingezeichnete Windeignungsgebiet W 28 (VV Bl. 132, die der von der Antragstellerin im Verfahren OVG 10 S 6.06 vorgelegten Karte entspricht) sich von der Kontur her nicht decke mit der Darstellung der Fläche des Gebiets im Regionalplan Lausitz-Spreewald - Sachlicher Teilregionalplan III "Windkraftnutzung" vom 3. Juli 2003 (ABl. vom 14. Juli 2004, S. 515). Abgesehen davon, dass die Handzeichnung offensichtlich mit Hilfe eines Lineals gefertigt wurde, woraus sich die vom Gericht monierten "klaren geometrischen Strukturen" erklären (BA S. 6), erscheinen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts schwer nachvollziehbar: Denn der nordöstliche "Punkt" des Windeignungsgebiets liegt - ausweislich der amtlichen Karte - nicht auf der Höhe der etwa von Westen nach Osten verlaufenden Linie, sondern nördlich "über" dieser Linie und mündet in eine "Spitze". Der von der "Spitze" etwa von Nord nach Süd verlaufende leichte "Schwung" ergibt sich in der Zeichnung der Antragstellerin aus der Darstellungstechnik "mit Lineal" und lässt sich an Hand der beiden Linien nachvollziehen.

bb) Das bedarf im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedoch keiner Vertiefung. Denn nach der landesplanerischen Stellungnahme der gemeinsamen Landesplanungsabteilung der Länder Brandenburg und Berlin vom 4. Februar 2005 (VV Bl. 141) befindet sich das Vorhaben im Randbereich des Windeignungsgebiets W 28 Oelsig. Ausdrücklich wird festgestellt, dass "(d)aher ... zum geplanten Windenergievorhaben aus raumordnerischer Sicht keine grundsätzliche Bedenken geltend gemacht" werden und darauf hingewiesen, dass "gerade die regionalplanerischen Mindestfestsetzungen für den Tabubereich zwischen Einzelgehöft und Windkraftanlage eingehalten" werden (VV Bl. 142).

Zwar hat der Sachbereich Planung des Antragsgegners in der planungsrechtlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2004 darauf hingewiesen, dass sich auf der Grundlage der vorliegenden Pläne und Unterlagen nicht feststellen lasse, "dass sich der Standort der WEA in einem Windeignungsgebiet ... befindet" (VV Bl. 111, wobei sich die Stellungnahme auf das Flurstück 132/11 bezieht, aber Bezug nimmt auf das Schreiben der gemeinsamen Landesplanungsabteilung vom 6. Oktober 2004, das die WEA 1 betrifft). Angesichts des Hinweises in dem Schreiben der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung vom 4. Februar 2005, dass der "Vorgang ... unter o.g. Nummer im Raumordnungskataster ... registriert" ist, ist jedoch mit Blick auf die Führung des Raumordnungskatasters (ROK) des Landes Brandenburg bei der Landesplanungsbehörde - entsprechend der Verwaltungsvorschrift des Ministers für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung vom 6. April 1993 (ABl. vom 7. Mai 1993, S. 720) - davon auszugehen, dass die gemäß Art. 18 des Landesplanungsvertrags für das ROK zuständige gemeinsame Landesplanungsabteilung ihrerseits über hinreichend aussagekräftige auf den Aufstellungsunterlagen beruhende Unterlagen verfügt. Das zeigt sich auch daran, dass die gemeinsame Landesplanungsabteilung - wie die Stellungnahme zur ebenfalls streitigen WEA 1 im Verfahren OVG 10 S 6.06 zeigt - deutlich differenzieren kann zwischen "Flächenkulisse" und "Randbereich" des Windeignungsgebiets. Die Feststellung, dass die hier streitige WEA 2 im Randbereich des Windeignungsgebiets liegt, bedeutet, dass der Standort jedenfalls nicht eindeutig außerhalb des Windeignungsgebiets W 28 liegt. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Anlass für eine weitere Aufklärung etwa im Wege der Nachfrage bei der gemeinsame Landesplanungsabteilung. Bei einer Lage im Randbereich greift der von der Antragstellerin erhobene Einwand, bei der genehmigten Anlage sei nicht zu erkennen, dass "sie in irgendeiner Weise im Hinblick auf eine Zulassung außerhalb von Eignungsgebieten anders behandelt werden müsste, als andere Anlagetypen" nicht (Unterstreichung durch den Senat). Es geht nicht um eine "Atypik" der Anlage, sondern um die Besonderheit von Standorten "in" der Randbereichslage. Da raumordnerische Festsetzungen i.d.R. nicht gebiets- und parzellenscharf angelegt sind (vgl. zur räumlichen Bestimmtheit nur OVG Münster, Urteil vom 28. Januar 2005 - 7 D 35/03.NE -, juris-Ausdruck S. 11), stellt ein Standort in Randbereichslage keine vom planerisch erfassten Regelfall abweichende "Sonderkonstellation" dar. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Windenergieanlagen mit Blick auf die äußere Grenze eines Windeignungsgebiets, deren exakte Grenzziehung erst durch "Anpassung" an die räumlichen Gegebenheiten vor Ort erfolgt (OVG Münster, Urteil vom 28. Januar 2005 - 7 D 35/03.NE -, juris-Ausdruck S. 11), im "Grenzbereich" unzulässig wären. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn der Plangeber grundsätzlich jeden "Grenzbereich" als standortungeeignet ausgewiesen hätte, d.h. generell von einer besonderen Ausschlusswirkung für die Randbereiche eines Windeignungsgebiets auszugehen wäre. Der Eigenart der Randbereichslage wird dadurch Rechnung getragen, dass bei der Entscheidung über den konkreten Standort im "Grenzbereich" die regionalplanerischen Mindestabstände zu beachten sind. Insofern stellt sich die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage nach der Bestimmung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hier nicht. Im Übrigen dürfte die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung nicht zu beanstanden sein, dass selbst bei einer Abweichung von den raumordnerischen Festsetzungen die Grundzüge der Planung nicht berührt seien, zumal - wie auch die Gemeinsame Landesplanungsabteilung festgestellt hat - die so genannte Tabuzone zur Wohnbebauung eingehalten wird (BA S. 7).

b) Dem Vorhaben stehen nicht die allgemein gehaltenen Erläuterungen zur Bewahrung des bestehenden Gefüges von "Frei- und Siedlungsraum als regionaltypische Kulturlandschaft" in der vom Landkreis im Juni 2003 beschlossenen Fortschreibung der Kreisentwicklungskonzeption entgegen. Der Antragstellerin ist zuzustimmen, dass die Aufzählung in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht abschließend ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass grundsätzlich alle "sonstigen" Pläne als beachtlich i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB anzusehen sind (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Januar 2006, § 35 Rn. 87). Insbesondere folgt aus der Zuordnung des Kreisentwicklungsplans als "eine Planung auf der Stufe zwischen Flächennutzungsplan und Regionalplan" (OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 2. Oktober 1996 - 1 K 22.95 -, juris-Ausdruck S. 8) nicht bereits die Beachtlichkeit i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Ob eine Kreisentwicklungskonzeption, die - wie in der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Passage - sich in der Formulierung von allgemeinen Grundsätzen erschöpft, überhaupt als "Darstellungen ... eines sonstigen Plans" i.S.d. Darstellungsprivileg angesehen werden kann, mag dahin stehen. Jedenfalls gilt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (BA S. 8) -, dass der sonstige Plan hinreichend konkrete standortortbezogene Aussagen enthalten muss (Söfker, in: a.a.O., § 35 Rn. 66). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin genügt es nicht, dass ein "örtlicher Bezug" gegeben ist und die "Planaussage" in "Mitleidenschaft" gezogen bzw. beeinträchtigt wird. Dass auf Grund der Kreisentwicklungskonzeption der hier in Rede stehende Standort der WEA 2 "anderweitig" verplant wird, ist nicht zu erkennen.

c) Es ist bei summarischer Prüfung auch nicht ersichtlich, dass die geplante Windenergieanlage als nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB privilegiertes Vorhaben das Landschaftsbild verunstalten wird.

Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist gegeben, wenn ein Bauvorhaben dem Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und ein auch für ästhetische Eindrücke offener Betrachter den Gegensatz zwischen dem Vorhaben und dem Landschaftsbild als belastend empfindet (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997 - 4 C 23.95 -, NVwZ 1998, 58, 60; Urteil vom 18. März 2003 - 4 B 7.03 -, BauR 2004, 295). Geht es um ein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben, dann ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Privilegierung derartiger Vorhaben zum Ausdruck gebracht hat, dass sie im Außenbereich in der Regel zulässig sind. Deshalb ist eine Verunstaltung des Landschaftsbildes durch ein privilegiertes Vorhaben ausnahmsweise nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit oder ihrer Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt (vgl. nur OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2003 - 3 B 27/02 -, BA S. 4; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 B 67/04 -, BA S. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2006 - OVG 2 S 133.05 -, BA S. 3; VGH Mannheim, Urteil vom 20. Mai 2003 - 5 S 1181.02 -, juris-Ausdruck S. 7f).

Der zutreffende Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, es sei die Regel, dass bei der - wie im vorliegenden Fall - in Brandenburg häufig anzutreffenden Agrarlandschaft ohne erhebliche Höhenveränderungen eine Windenergieanlage weit sichtbar sei, und dementsprechend habe es der Darlegung von konkret formulierten Umständen bedurft, aus denen sich im Sinne einer Ausnahme eine besondere Schutzbedürftigkeit der "geradezu typischen" Landschaftsform ergebe, wird von der Antragstellerin mit der Beschwerde ebenso wenig angegriffen wie die Feststellung, dass das Gebiet durch die Landstraße L 68 und die Hochspannungsleitung vorbelastet ist. Soweit die Antragstellerin nun - ohnehin erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO - eine "gewichtige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes" geltend macht, beschränkt sie sich auf den Einwand, die touristische Attraktivität leide auf Grund der "Einkreisung", ohne dass landschaftliche Besonderheiten aufgezeigt würden. Das Argument der Antragstellerin, angesichts der "Einkreisung" komme dem Freiraumschutz, der gerade auch in der Kreisentwicklungskonzeption mit der Bewahrung der Landschaft besonders betont worden sei, erhebliches Gewicht zu, zielt der Sache nach nicht auf Verunstaltungsschutz, sondern knüpft - erneut - an die von der Antragstellerin vertretene Auffassung an, der Standort der genehmigten WEA 2 liege nicht im Windeignungsgebiet W 28. Sofern mit dem Argument der "Einkreisung" (sinngemäß) Einwände gegen die Wirksamkeit des Regionalplans geltend gemacht werden sollten, ist zu beachten, dass eine etwaige Unwirksamkeit des Regionalplans an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Windenergieanlage nichts ändern würde (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2006 - OVG 2 S 133.05 -, BA S. 6).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen: Die anwaltlich vertretene Beigeladene hat zwar im Beschwerdeverfahren ausführlich schriftsätzlich vorgetragen. Sie hat aber in Kenntnis der erstinstanzlichen Begründung zur Kostentragung gleichwohl von der Stellung eines Antrags abgesehen und sich damit offensichtlich bewusst dem Kostenrisiko entzogen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Bei der Bewertung des Interesses der Antragstellerin an der vorläufigen Außervollzugsetzung der Baugenehmigung für das Vorhaben des Beigeladenen ist nicht von der auf kommunalrechtliche Streitigkeiten zugeschnittenen Ziffer 22.5., sondern von Ziffer 9.7.2 des - auch im Interesse der Vorhersehbarkeit der Kostenfolgen und damit der Rechtssicherheit sowie der Gleichbehandlung vom Senat regelmäßig herangezogenen - Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525) auszugehen, der für die Klage einer Nachbargemeinde gegen eine Baugenehmigung einen Streitwert von 30.000,- € vorsieht. Der vorliegende Fall, dass sich eine Gemeinde gegen eine unter Ersetzung ihres verweigerten gemeindlichen Einvernehmens erteilte Baugenehmigung richtet, ist entsprechend zu behandeln. Der Senat rückt insofern von der vom 3. Senat des früheren Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg gehandhabten Streitwertpraxis - auch mit Blick auf die Rechtsprechung des 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - ab. Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der genannte Betrag gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war deshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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