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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: OVG 11 N 19.07
Rechtsgebiete: VwGO, VwZG


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 60 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 70 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 70 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. a) a.F.
VwZG § 15 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 N 19.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und den Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold am 5. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Februar 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 6.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil das den Prüfungsumfang des Senats begrenzende Rechtsmittelvorbringen des Klägers das Vorliegen von Berufungszulassungsgründen i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO nicht aufzeigt.

Das gilt zunächst für den vom Kläger einzig ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2007 - OVG 11 N 37.07 - sowie zum Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328). Demgemäß fordert die Darlegung dieses Zulassungsgrundes prinzipiell die Formulierung einer solchen klärungsfähigen Rechts- oder Tatfrage von fallübergreifender Bedeutung (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 4. März 2005 - OVG 1 N 72.05 -, Senatsbeschluss a.a.O.).

Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger begründet zum einen nicht, warum die Sache "für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung" habe. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil die für eine eventuelle Wiedereinsetzung entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger i.S.v. § 60 i.V.m. § 70 Abs. 2 VwGO ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu wahren, in der Regel einzelfallbezogen zu beantworten ist. Zum anderen fehlt es an der Formulierung einer Rechts- oder Tatfrage und der Darlegung ihrer obergerichtlichen Klärungsbedürftigkeit. Soweit der Kläger kritisiert, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Unkenntnis des Fristbeginns bei öffentlicher Zustellung jedenfalls dann nicht unverschuldet sei, wenn der Betreffende die Umstände, die zur öffentlichen Zustellung geführt haben, verschuldet habe, wirft er keine Rechtsfrage auf, die obergerichtlicher Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Vielmehr ist der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts, den der Kläger zu Unrecht als Zirkelschluss bezeichnet, jedenfalls für den vorliegenden Fall ohne weiteres zu bestätigen (vgl. auch OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Juni 2002, - 2 M 64/02 -, NordÖR 2002, 483, sowie BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1994, - 5 B 99/93 -, NJW 1994, 1672). Der Kläger hat die Widerspruchsfrist versäumt, weil ihm die den Fristenlauf nach Maßgabe des (§ 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG n.F. entsprechenden) § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 2001 (vgl. Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 12. August 2005 [BGBl. I S. 2354]) auslösende öffentliche Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht bekannt war. Diese Unkenntnis hat er zu vertreten, weil er aufgrund seines Vorverhaltens grundsätzlich mit der Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung rechnen musste. Da der Kläger seine frühere Berliner Wohnung nicht nur vorübergehend, zum Beispiel urlaubsbedingt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1976 - 2 BvR 849/75 -, NJW 1976, 1537), verlassen, sondern, wie er selbst vorträgt, in die Schweiz verzogen war, hatte er seine Erreichbarkeit für den Fall etwaiger behördlicher Zustellungen, die er jedenfalls nicht ausschließen konnte, grundsätzlich sicherzustellen. Dies hat der Kläger nicht getan. Indem er sich zum 31. Mai 2004 aus Berlin abmeldete und weder der Meldebehörde noch dem Beklagten seinen neuen Wohnsitz mitteilte noch gegenüber dem Beklagten einen Zustellbevollmächtigten im Inland benannte, begründete er in von ihm zu vertretender Weise die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nach § 15 Abs. 1 Buchst. a) VwZG a.F. (wie im Übrigen auch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG n.F.). In einem solchen Fall das Fristversäumnis gleichwohl als unverschuldet anzusehen, würde letztlich darauf hinauslaufen, dass es der Kläger in der Hand gehabt hätte, sich selbst einen Wiedereinsetzungsgrund zu verschaffen und die gesetzlichen Fristbestimmungen damit zu unterlaufen.

Sollte der Kläger darüber hinaus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend machen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hätte er diese ebenfalls nicht aufgezeigt. Insoweit kann zunächst auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Soweit der Kläger geltend macht, "seinerzeit einen Nachsendeantrag veranlasst" zu haben, kann dies unabhängig von der fehlenden Substanziierung und Glaubhaftmachung schon deshalb keine Wiedereinsetzung rechtfertigen, weil er sich hierauf nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO, sondern erstmals in seiner Klageschrift vom 12. August 2006 berufen hat. Davon abgesehen hätte ein (postalischer) Nachsendeantrag auch nichts daran geändert, dass die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung vorlagen. Denn nachdem der Beklagte sowohl unter dem 22. August als auch unter dem 22. Dezember 2005 von der Meldebehörde die - korrekte - schriftliche Auskunft erhalten hatte, dass der Kläger seit 31. Mai 2004 unbekannt verzogen sei, und nachdem im Bundeszentralregister seit dem 26. August 2005 ein Suchvermerk des Beklagten und bereits seit dem 6. September 2004 ein Suchvermerk des Finanzamtes für Körperschaften niedergelegt waren, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass ein Zustellversuch unter der letzen bekannten Anschrift des Klägers erfolglos bleiben werde. Demgegenüber betreffen die vom Kläger zitierten Gerichtsentscheidungen überholte (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1987, - 1 BvR 198/87 -, NJW 1988, 2361) oder unrichtige (OLG München, Beschluss vom 4. Juni 1997, - 15 W 1380/97, bei Juris) Melderegisterauskünfte. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, sich in Berlin aufgehalten zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass er seinen Zuzug dem Beklagten gar nicht und der Meldebehörde erst am 9. März 2006, mithin nach Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides, mitteilte. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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