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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: OVG 11 S 35.07
Rechtsgebiete: BNatSchG, BbgNatSchG, BImSchG, URG


Vorschriften:

BNatSchG § 61
BNatSchG § 60 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1
BbgNatSchG § 63 Abs. 3 Nr. 5
BbgNatSchG § 63 Abs. 3 Nr. 6
BbgNatSchG § 63 Abs. 3 Nr. 9
BbgNatSchG § 65 Abs. 1
BImSchG § 13
URG § 5
§ 63 Abs. 3 Nr. 9 BbgNatSchG eröffnet den Naturschutzverbänden (auch in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) keine Mitwirkungsrechte in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit der Folge, dass auch eine Verbandsklagebefugnis nach § 65 BbgNatSchG in diesen Fällen ausscheidet.
OVG 11 S 35.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 23. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7 500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 19. August 2005 erteilte der Antragsgegner der seitdem umfirmierten Beigeladenen auf deren Antrag vom 14. Dezember 2004 die 1. Nachtragsgenehmigung Nr. 30.002N1/05/0106.2/RO in Ergänzung der Genehmigungsbescheide Reg.-Nr. 20.031.01/02/0106.2 vom 30. Oktober 2003, Reg.-Nr. 20.031.02/02/0106.2 vom 24. Mai 2004 und Baugenehmigung - Az.: 63-02452-03-38 vom 11. Oktober 2004 für die bau- und ausrüstungsseitige Änderung einer genehmigten Windfarm, bestehend aus sieben Windkraftanlagen, in 1_____. Durch Bescheid vom 14. September 2005 ordnete der Antragsgegner auf Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung der ersten Nachtragsgenehmigung vom 19. August 2005 an. Mit Beschluss vom 23. März 2007 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11. Juli 2006 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 19. August 2005, 30. Oktober 2003, 24. Mai 2004 sowie 11. Oktober 2004 wiederherzustellen.

II.

Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller sein erstinstanzliches Antragsbegehren im Beschwerdeverfahren uneingeschränkt weiterverfolgt. Soweit er die vom Antragsgegner bestrittene Auffassung vertritt, dass sich die Bescheide vom 30. Oktober 2003, 24. Mai 2004 und 11. Oktober 2004 erledigt hätte, fehlt es jedenfalls an einer eindeutigen verfahrensbeendenden Erklärung des anwaltlich vertretenen Antragstellers.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg, denn ihre Begründung rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 VwGO). Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die bezeichneten Bescheide des Antragsgegners ist bereits unzulässig.

1. Soweit sich der Antragsteller gegen die erste Nachtragsgenehmigung vom 19. August 2005 wendet, ist er nicht antragsbefugt. Der Antragsteller kann weder eine naturschutzrechtliche Verbandsklagebefugnis in Anspruch nehmen noch analog § 42 Abs. 2 VwGO die Verletzung eigener subjektiver öffentlicher Rechte geltend machen.

a) Eine Verbandsklagebefugnis nach § 61 BNatSchG scheidet aus, weil ein in Absatz 1 der Vorschrift genannter rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt nicht erlassen worden ist (vgl. Gassner/Bendomir/Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl., § 61, Rz. 20).

b) Entgegen seiner Auffassung ist der Antragsteller auch nicht nach § 65 BbgNatSchG verbandsklagebefugt. Gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift kann ein nach § 63 Abs. 1 und 2 BbgNatSchG anerkannter Naturschutzverband in entsprechender Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 und des § 61 Abs. 2 bis 4 BNatSchG gegen den Erlass, die Ablehnung oder Unterlassung der in § 61 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und in § 63 Abs. 3 Nr. 5, 6 und 9 BbgNatSchG genannten Entscheidungen Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein. Allerdings ist ein solcher Rechtsbehelf gemäß § 65 Abs. 1 BbgNatSchG i.V.m. § 61 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG neben weiteren Voraussetzungen nur dann zulässig, wenn der Verein nach Maßgabe der letztgenannten Vorschrift zur Mitwirkung berechtigt war und er sich entweder in der Sache geäußert hat oder wenn ihm die Gelegenheit zur Äußerung gesetzwidrig vorenthalten wurde. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

aa) Anders, als vom Antragsteller geltend gemacht, war eine Befreiung gemäß § 62 BNatSchG von den Verbotsbestimmungen des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ebenso wie eine Befreiung nach § 72 Abs. 3 BbgNatSchG von den Verboten des § 38 BbgNatSchG schon deshalb nicht erforderlich, weil die angegriffene immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 BImSchG von hier nicht einschlägigen, ausdrücklich aufgeführten Ausnahmen abgesehen, andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen einschließt und damit Konzentrationswirkung entfaltet, die auch natur- und landschaftsschutzrechtliche Entscheidung erfasst (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Aufl., § 13, Rz. 5 a). Die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst auch Mitwirkungsrechte, die Vereinen nach den Vorschriften des Naturschutzrechts eingeräumt sind. Sie erstreckt sich nicht nur auf die eingeschlossenen behördlichen Entscheidungen als solche, sondern erfasst auch das den Entscheidungen zugrunde liegende Verwaltungsverfahren, denn nur durch eine umfassende Vereinheitlichung lässt sich das angestrebte Ziel der Verfahrensvereinfachung erreichen. Neben den immissionsschutzrechtlichen Verfahrensbestimmungen sind naturschutzrechtliche Verfahrensvorschriften unanwendbar, und zwar unabhängig davon, ob die immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften den verdrängten Regelungen funktionell entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 7 B 119/02 -, NVwZ 2003, 750, sowie bei juris, dort Rz. 6). Demgemäß kann sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen, dass es einer Abweichung gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG bzw. § 26 d Abs. 3 BbgNatSchG bedurft hätte, vor deren Erlass er seines Erachtens nach § 63 Abs. 3 Nr. 6 BbgNatSchG zu beteiligen gewesen wäre.

bb) Eine Verbandsklagebefugnis nach § 65 Abs. 1 BbgNatSchG ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller reklamierten Kombination von § 63 Abs. 3 Nr. 6 und 9 BbgNatSchG mit § 62 BNatSchG. § 63 Abs. 3 Nr. 9 BbgNatSchG statuiert Beteiligungsrechte vor der Erteilung von Zulassungen aufgrund anderer Gesetze, wenn diese Entscheidungen nach den Nrn. 5 und 6 einschließen oder ersetzen, mit Ausnahme der in den Nrn. 7 und 8 genannten und hier nicht einschlägigen Verfahren. Wie der Gesetzgeber mit der am 1. August 2006 in Kraft getretenen Änderung des § 63 Abs. 3 Nr. 9 BbgNatSchG durch Art. 8 Nr. 11 c des Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse im Land Brandenburg (GVBl. I S. 74) - lediglich - klargestellt hat (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, LT-Drs. 4/2735), bezieht sich diese Verbandsbeteiligung aber nur auf solche Genehmigungs- oder Befreiungsverfahren ersetzende Zulassungen, die aufgrund (Brandenburgischen) Landesrechts erteilt werden (vgl. auch bereits Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes, LT-Drs. 3/6675, S. 65). Diese Einschränkung findet ihren Grund darin, dass § 60 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BNatSchG die Länder allein ermächtigt, die Mitwirkung anerkannter Vereine auch in anderen Verfahren vorzusehen, soweit die Mitwirkung auf landesrechtlichen Vorschriften beruht. Damit ist eine Erweiterung der Vereinsbeteiligung bei Verfahren aufgrund Bundesrechts, die von den Ländern durchgeführt werden (z.B. Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz) unzulässig (vgl. Lorz/Müller/Stöckel, Naturschutzrecht, 2. Aufl., § 60, Rz. 15).

2. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller eine Antragsbefugnis auch nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2816) - URG - herleiten kann, weil dieses Gesetz gemäß dessen § 5 nur für Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 URG gilt, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die erste Nachtragsgenehmigung vom 19. August 2005 auf einem Antrag vom 14. Dezember 2004 beruht.

3. Soweit sich der Antragsteller auch gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 30. Oktober 2003 und vom 24. Mai 2004 wendet, gilt das oben Gesagte entsprechend.

4. Soweit der Antragsteller die Baugenehmigung vom 11. Oktober 2004 angreift, ist sein Antrag, wie im Übrigen auch (zusätzlich) im Hinblick auf die immissionsschutzrechtlichen Bescheide vom 30. Oktober 2003 und vom 24. Mai 2004, gemäß § 65 Abs. 1 BbgNatSchG i.V.m. § 61 Abs. 4 BNatSchG unzulässig. Nach diesen Vorschriften müssen Widerspruch und Klage in dem Fall, dass der Verwaltungsakt dem Verein nicht bekannt gegeben worden ist, binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem der Verein von dem Verwaltungsakt Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Letzteres muss sich der Antragsteller entgegenhalten lassen. Denn die Beigeladene weist zutreffend darauf hin, dass im Amtsblatt Uckerland für Juni 2005 (nicht amtlicher Teil) der Baubeginn der in Rede stehenden sieben Windenergieanlagen im Windfeld Hetzdorf öffentlich bekannt gemacht worden ist. Da das den Antragsteller einschließende Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände GbR ausweislich seines von der Beigeladenen vorgelegten Schreibens vom 29. September 2003 bereits zuvor mit dem Bebauungsplanverfahren "Windpark Hetzdorf" befasst gewesen ist, wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, sich jedenfalls durch die Lektüre der amtlichen Veröffentlichungen über die weitere Entwicklung des Vorhabens zu informieren. Demgemäß ist der erst mit Datum vom 11. Juli 2006 eingelegte Widerspruch des Antragstellers, in dem die Baugenehmigung des Landrates des Landkreises Uckermark vom 11. Oktober 2004 nicht einmal ausdrücklich aufgeführt worden ist, jedenfalls verspätet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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