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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: OVG 11 S 54.07
Rechtsgebiete: VwGO, GenTG, EGGenTDurchfG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 123
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
GenTG § 1 Nr. 2
GenTG § 16 b
GenTG § 16 b Abs. 2
GenTG § 16 b Abs. 3 Nr. 1
GenTG § 16 b Abs. 6
GenTG § 26 Abs. 1 Satz 1
EGGenTDurchfG § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 S 54.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 27. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.310,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller bewirtschaftet eine Bio-Imkerei, für die er zwei ca. 200 m voneinander entfernt liegende Grundstücke der Gemarkung Werbig als Standplätze für 28 Bienenvölker nutzt. Die Beigeladene zu 2) hat auf zusammenhängenden Flächen von insgesamt ca. 54 ha, die zwischen 900 und 2.500 m von den Bienenständen des Antragstellers entfernt liegen, gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 angebaut, dessen Saatgut von der Beigeladenen zu 1) vertrieben wird. Die Anbaustandorte sind im Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unter den Flächenkennziffern 1_____ ausgewiesen.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2007 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verlust der Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit seiner für die Verwendung als Lebensmittel vorgesehenen Imkereiprodukte in Folge des Anbaus von Mais MON 810 in der Umgebung seiner Bienenstandplätze zu verhindern. Dies lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 23. März 2007 mit der Begründung ab, dass der Anbau von Mais MON 810 zulässig sei und der mögliche Eintrag von Pollen dieses Maises in Imkereiprodukte des Antragstellers weder deren Verkehrsfähigkeit beeinträchtige noch zu einer Kennzeichnungspflicht führe, weil die Pollen nicht mehr funktionsfähig und damit keine (gentechnisch veränderten) Organismen mehr seien.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2007 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu den von ihm mit dem oben genannten Bescheid abgelehnten Maßnahmen zu verpflichten. Dem Antragsteller fehle bereits die Antragsbefugnis, weil nichts dafür spreche, dass die Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit seiner Imkereiprodukte durch den in Rede stehenden Maisanbau eingeschränkt sein könnte. Diese seien nicht kennzeichnungspflichtig, weil sie keine genetisch veränderten Organismen enthielten. In den Honig oder andere Imkereiprodukte gelangte Maispollen seien keine Organismen im gentechnikrechtlichen Sinne, weil sie spätestens nach 24 Stunden ihre Fähigkeit verloren hätten, genetisches Material zu übertragen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der geeignete Maßnahmen zur Erhaltung der Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit seines Honigs beispielhaft darin erblickt, dass diejenigen, die den Mais im Flugkreis seiner Bienen angebaut haben, diesen vor der Blüte ernten, die Pollenfahnen der Maispflanzen während der Blütezeit mehrfach so abschneiden, dass kein Maispollen von Bienen aufgenommen werden könne, oder auf ihre Kosten die Kontaminationsfreiheit seines Honigs nachweisen. Von ordnungsbehördlichen Maßnahmen könne nur dann abgesehen werden, wenn die betreffenden Personen sich verpflichteten, dem Antragsteller auf ihre Kosten einen geeigneten Ausweichstandort für die Aufstellung seiner Bienenvölker zur Verfügung zu stellen bzw. den Schaden für nicht verkehrs- und verbrauchsfähige Imkereiprodukte zu übernehmen. Hilfsweise seien diejenigen, die Saatgut des Maises MON 810 in Verkehr bringen oder anbauen, zu verpflichten, unverzüglich die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln zu beantragen, die MON 810 enthalten.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigende Beschwerdevorbringen rechtfertigt im Ergebnis keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

A. Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mangels Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO bereits unzulässig sei, weil dem Antragsteller die von ihm geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen könnten. Denn weder erscheint es nach jeder Betrachtungsweise von vornherein ausgeschlossen, dass § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG i.V.m. dem in § 1 Nr. 2 GenTG angelegten Grundsatz der Koexistenz konventioneller, ökologischer und gentechnisch veränderte Organismen einsetzender Wirtschaftsweisen sowie § 4 Abs. 2 EGGenTDurchfG für ihn Drittschutz entfalten könnte, noch kann es nach summarischer Prüfung als in jeder Hinsicht eindeutig bezeichnet werden, dass Honig, der Pollen des Maises MON 810 enthält, kein Lebensmittel i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel ist, das gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 nicht ohne Zulassung in den Verkehr gebracht werden darf.

B. Der Antrag ist aber unbegründet. Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Regelungsanordnung, die - namentlich für das laufende Anbaujahr 2007 - das Ergebnis eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, nämlich die Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass die Beigeladene(n) belastender Verwaltungsakte, vorwegnehmen würde. Das ist angesichts der prinzipiellen Vorläufigkeit des Rechtsschutzverfahrens nach § 123 VwGO nur ausnahmsweise zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG zulässig, wenn bereits bei summarischer Prüfung eine hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens im Hauptsacheverfahren absehbar ist, und wenn zusätzlich ohne die begehrte Anordnung schwerwiegende Nachteile auf den Antragsteller zukämen, die ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens in besonderem Maße als unzumutbar erscheinen ließen. Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

1. Es fehlt bereits an einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsanspruch.

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz, gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes notwendig sind. Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage zur Beseitigung oder Verhütung von Verstößen gegen die VO (EG) Nr. 1829/2003 enthält § 4 Abs. 2 EGGenTDurchfG. Es bedarf vorliegend keiner genauen Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Normen, da hinsichtlich keiner von ihnen bereits bei summarischer Prüfung angenommen werden kann, dass sie dem Antragsteller die von ihm geltend gemachten Ansprüche verleihen.

a) Sämtliche vom Antragsteller (mit der Beschwerde noch) geltend gemachten Ansprüche auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die Beigeladene zu 1) und/oder die Beigeladene zu 2) haben die Prämisse, dass Honig oder andere Imkereiprodukte des Antragstellers, in die Pollen des Maises MON 810 gelangt sind, nur dann als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 zugelassen sind. Ob diese Prämisse rechtlich zutrifft, lässt sich im Rahmen des auf eine summarische Prüfung beschränkten Beschwerdeverfahrens nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit klären.

aa) Zwar neigt der Senat bei überschlägiger Betrachtung nicht zu der Auffassung, dass Honig als tierisches Produkt nur dann in den Anwendungsbereich der VO 1829/2003 fällt, wenn er von genetisch veränderten Bienen produziert wird (so Standing Commitee on the Food Chain and Animal Health der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission vom 23. Juni 2004, Anlage Bgl. 8 zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1) vom 13. April 2007). Denn gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c VO (EG) Nr. 1829/2003 unterliegen hinsichtlich ihrer Verkehrsfähigkeit nicht nur Lebensmittel der Zulassung, die oder deren Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt werden, sondern auch solche Lebensmittel, die GVO enthalten. Als GVO kommen hier nur die Pollen der genetisch veränderten Maispflanzen in Betracht. Diese werden von den Bienen an ihren Hinterbeinen (in so genannten Pollenhöschen) und an ihrem Haarkleid in den Bienenstock getragen und geraten dabei durch die Bienen selbst oder beim späteren Schleudern der Waben quasi nebenbei in den Honig, ohne (notwendig) zuvor in den "Honigmagen" der Biene gelangt und damit Teil des eigentlichen tierischen Produktionsprozesses geworden zu sein (vgl. www.transgen.de, Bl. 67 des Verwaltungsvorgangs).

bb) Der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist aber bereits die Frage, ob in den Honig eingetragener Maispollen rechtlich noch ein (genetisch veränderter) Organismus ist. Art. 2 Nr. 4 VO (EG) Nr. 1829/2003 i.V.m. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2001/18/EG definiert als "Organismus" jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. Es ist unstreitig, dass der Pollen der männlichen Maisblüte fähig ist, sein genetisches Material bei der Befruchtung auf die weibliche Maisblüte zu übertragen, denn hierin liegt seine biologische Funktion. Ebenso ist unstreitig, dass Pollen, der über Bienen in den Bienenstock eingetragen wird und schließlich in den Honig gelangt, diese bestimmungsgemäße Fähigkeit spätestens dann verloren hat, wenn der Honig als Lebensmittel in den Verkehr gebracht wird. Demgemäß kommt es für die Frage, ob der Honig GVO enthält, darauf an, ob der Verlust der Reproduktions- bzw. genetischen Übertragungsfähigkeit rechtlich zum Verlust der Organismuseigenschaft führt, ob also ein "toter Organismus" keine Zulassungsbedürftigkeit des ihn enthaltenden Lebensmittels auslöst (verneinend VG Augsburg, Beschluss vom 4. Mai 2007 - Au 7 E 07.259 -, bisher nicht veröffentlicht, Abdruck Bl. 489 ff. der Gerichtsakten; offen gelassen vom BayVGH, Beschluss vom 21. Juni 2007 - 22 CE 07.1294 -, bisher nicht veröffentlicht, Abdruck Bl. 1083 ff. der Gerichtsakten). Daran könnten im Hinblick auf den Schutzzweck der Zulassungspflicht genetisch veränderter Lebensmittel, nämlich ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen zu erreichen (vgl. Art. 1 sowie Erwägungsgründe 1 - 3 VO (EG) Nr. 1829/2003), Zweifel bestehen. Denn auch Lebensmittel, die aus GVO hergestellt sind, diese gemäß Art. 2 Nr. 10 VO (EG) Nr. 1829/2003 definitionsgemäß aber nicht mehr enthalten, unterliegen der Zulassungspflicht. Andererseits verweist Art. 2 Nr. 4 VO (EG) Nr. 1829/2003 hinsichtlich der Definition des Begriffs "Organismus" auf die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (...), der u.a. die Erwägung zu Grunde liegt, dass "lebende" Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, sich in dieser mit unumkehrbaren Auswirkungen fortpflanzen und über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten können (Erwägungsgrund 4).

cc) Gleichfalls vielschichtige, im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht zu lösende Problemstellungen wirft die Frage auf, ob der Honig des Antragstellers, sollten in ihn Maispollen der Linie MON 810 gelangen, alternativ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c VO (EG) Nr. 1829/2003 aus GVO "hergestellt" wäre. Insoweit wäre u.a. zu klären, inwiefern das Naturprodukt Honig überhaupt "hergestellt" wird, und ob der Maispollen, sollte er an der "Herstellung" teilhaben, zu diesem Zeitpunkt noch als Organismus gelten könnte.

dd) Überdies sieht sich der Senat nicht in der Lage, bereits aufgrund summarischer Prüfung mit der notwendigen Verlässlichkeit zu beurteilen, ob Honig, der auch Pollen von genetisch veränderten Pflanzen enthält, selbst dann nur nach einer Zulassung gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 in den Verkehr gebracht werden darf, wenn der Eintrag der Pollen nicht zielgerichtet erfolgt und zu (unterstellten) GVO-Konzentrationen deutlich unterhalb des in Art. 12 VO (EG) Nr. 1829/2003 für die Kennzeichnungspflicht bezeichneten Schwellenwerts von 0,9 % führen würde (wohl verneinend BayVGH, a.a.O.). Gegen eine "0 % Schwelle" könnte möglicherweise angeführt werden, dass sich der zufällige Eintrag genetisch veränderten Pollens oftmals nicht gänzlich verhindern lassen und zu Minimalkonzentrationen führen wird, so dass die Zulassungspflicht faktisch letztlich von der Genauigkeit der Nachweistechnik abhängen dürfte, und dass eine Kontrolle möglicher Gesundheitsgefahren zumindest bei der Zulassung des GVO bzw. der aus ihm bestimmungsgemäß hergestellten Lebensmittel stattfindet. Dem entspricht im Wesentlichen auch der Standpunkt des Standing Commitee on the Food Chain and Animal Health der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission in seiner Stellungnahme vom 13. Juni 2002 (Anlage Bgl. 15 zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1) vom 13. April 2007). Auf der anderen Seite hat der Europäische Gesetzgeber in Art. 47 VO (EG) Nr. 1829/2003 ausdrücklich und unter weiteren strengen Voraussetzungen eine Ausnahme von der Zulassungspflicht für Konzentrationen bis 0,5 % geregelt, dies jedoch auf eine Übergangszeit von drei Jahren befristet. Ob hieraus zu folgern ist, dass nach deren Ablauf jeglicher Eintrag auch von Spuren eines GVO ein Zulassungsverfahren auslöst, kann auf der Grundlage summarischer Prüfung ebenfalls nicht beantwortet werden.

b) Unterstellt man, dass Maispollen der Linie MON 810 enthaltender Honig des Antragstellers nur mit einer Zulassung i.S.d. Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 in Verkehr gebracht werden dürfte, so ist bei summarischer Prüfung weiterhin nicht ersichtlich, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner beanspruchen könnte, in der vorgeschlagenen Weise gegen die Beigeladenen einzuschreiten.

aa) Die von der Beigeladenen zu 2) gegenüber dem Antragsteller im Hinblick auf den in § 1 Nr. 2 GenTG verankerten Grundsatz der Koexistenz (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 28 sowie Art. 43 Nr. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003) bestehenden Vorsorgepflichten werden in § 16 b GenTG konkretisiert. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 hat, wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Gemäß § 16 b Abs. 2 GenTG wird die Vorsorgepflicht beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt, für die § 16 b Abs. 3 Nr. 1 GenTG Beispiele anführt, zu denen die Einhaltung von Mindestabständen gehört. Die nähere Konkretisierung behält § 16 b Abs. 6 GenTG der Regelung durch Rechtsverordnung vor, die noch nicht erlassen ist.

Im Übrigen bieten nach der Gesetzesbegründung zu § 16 b GenTG (BT-Drs. 15, 3088, S. 27) für die Frage, wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, die europäischen Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht eine Orientierung. Hiervon geht auch die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen (ABl. EU Nr. L 189 S. 36) in Tz.2.2.3 des Anhangs aus, auf die die Gesetzesbegründung zu § 16 b GenTG ebenfalls verweist.

bb) Unter diesem Aspekt ist mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Imkereiprodukte des Antragstellers nicht zu rechnen. Da der Gesamtpollenanteil im Honig nur etwa 0,1 bis 0,5 % beträgt und wiederum nur zu einem Teil von genetisch veränderten Pflanzen stammt (vgl. dazu www.transgen.de [Maispollenanteil im Honig von i.d.R. unter 0,1 %]), läge dieser weit unterhalb des Schwellenwerts für die Kennzeichnungspflicht von 0,9 %. Im Übrigen liegen die von der Beigeladenen zu 2) bewirtschafteten Flächen, wie der Antragsteller in seiner erstinstanzlichen Antragsschrift selbst vorgetragen hat, zwischen 900 und 2.500 m von seinen Bienenständen entfernt. Zudem befinden sich nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 2) in unmittelbarer Nähe der Standplätze 16 ha Sonnenblumen als bevorzugte Trachtpflanze sowie "üppig blühender Wildpflanzenbewuchs" der benachbarten Ökobaumplantage. Hieran schlössen sich ca. 150 ha konventioneller Mais an, jenseits dessen sich erst die ca. 54 ha große Fläche mit gentechnisch verändertem Mais befinde. All das spricht dafür, dass allein aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mit einem Eintrag von Maispollen der Linie MON 810 in die Imkereiprodukte des Antragstellers allenfalls in minimalen, möglicherweise unter der Nachweisgrenze liegenden Größenordnungen zu rechnen ist (vgl. www.transgen.de, "Begleitforschung Bayern 2005").

cc) Demgegenüber würden befruchtungshindernde Maßnahmen, wie die Ernte vor der Maisblüte oder das Entfernen oder Eintüten der männlichen Blütenstände (Fahnen), dazu führen, dass die Beigeladene die Maisernte einbüßt; sie wären deshalb als unverhältnismäßig anzusehen (vgl. dazu Tz. 2.1.4 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003, a.a.O.). Selbst wenn die - in jedem Fall entstandenen und gegebenenfalls aus dem Erntertrag zu deckenden - Bestellkosten in Abzug gebracht werden, entstünde der Beigeladenen nach ihren Berechnungen durch den Ernteverlust ein Schaden von ca. 90.000 €.

Soweit der vom Antragsteller eingereichte Referentenentwurf einer auf § 16 b Abs. 6 GenTG gestützten Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung in seiner die pflanzenspezifischen Vorgaben betreffenden Anlage als Alternativmaßnahme zur Einhaltung eines Mindestabstandes von 150 Metern (zwischen Anbauflächen mit gentechnisch verändertem Mais und nicht gentechnisch verändertem Mais) das Entfernen oder Eintüten der männlichen Blütenstände (Fahnen) vorschlägt, bezieht sich dies lediglich auf amtliche Versuche, die auf relativ kleinen Anbauflächen stattfinden dürften. Da nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 2) auf einem Hektar bereits ca. 85.000 Maispflanzen stehen, wäre die "Entfahnung" von insgesamt 54 ha von vornherein unrealistisch.

2. Darüber hinaus mangelt es an einem - zumal die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden - Anordnungsgrund. Wie der Antragsteller selbst vorgetragen hat, wird die Maisblüte voraussichtlich (wie üblich) Mitte Juli beginnen und ca. drei Wochen andauern. Ferner hat der Antragsteller vorgetragen, dass er seine Bienenvölker nach der Ernte des Sonnenblumenhonigs in der ersten Augusthälfte in die Heide versetzt. Auf seiner Homepage erläutert der Antragsteller, wie die Bienen "gewandert", also verstellt werden. Dazu würden sie abends nach dem Bienenflug verschlossen, auf einen LKW oder Anhänger verladen und im Schutz der kühlenden Nacht zu einem anderen Ort gefahren. Sie orientierten sich schnell neu und begönnen, den Nektar der dortigen Pflanzen zu sammeln. Damit besteht für den Antragsteller grundsätzlich die Möglichkeit, seine Bienenvölker für die relativ kurze Zeit der Maisblüte an einen Ort zu versetzen, dessen Entfernung zu den in Rede stehenden Maisanbauflächen der Beigeladenen zu 2) den bis zu 6 Kilometer betragenden Flugradius der Bienen übersteigt. Dass er solche Ausweichstandorte nicht finden könnte, hat er selbst nicht geltend gemacht. Zwar ist nicht auszuschließen, dass ihm zumindest ein Teil der Sonnenblumenhonigernte auf diese Weise entgeht. Jedoch ist ihm diese Einbuße, sollte sie nicht durch die Produktion anderen Honigs ausgeglichen werden, angesichts der der Beigeladenen zu 2) bei einem Ernteverlust drohenden Schäden zuzumuten, zumal die mit Mais der Linie MON 810 bebauten Flächen langfristig im Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angekündigt wurden. Schließlich kommt hinzu, dass der befürchtete Eintrag von Maispollen gentechnisch veränderter Pflanzen nicht nur denkbar gering ausfallen dürfte, sondern dass sowohl der Antragsgegner als auch das BVL sowie das Bundesministerium der Gesundheit offenbar davon ausgehen, dass Honig, der Maispollen gentechnisch veränderter Pflanzen enthält, keiner Zulassung nach Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1829/2003 bedarf, so dass mit behördlichen Beanstandungen einer Vermarktung des Honigs unter den erörterten Gesichtspunkten nicht zu rechnen sein dürfte.

Soweit der Antragsteller von der Beigeladenen zu 2) Ersatz ihm eventuell entstehender Schäden erwartet, bedarf es hierfür ungeachtet der Frage des dafür einschlägigen Rechtswegs keiner einstweiligen Anordnung.

3. Schließlich ist neben dem Anordnungsanspruch ein Anordnungsgrund auch insoweit zu verneinen, als der Antragsteller hilfsweise die Verpflichtung beider Beigeladener erstrebt, eine Genehmigung für Maispollen der Linie MON 810 enthaltende Lebensmittel zu beantragen oder für eine entsprechende Antragstellung Dritter zu sorgen. Angesichts der Komplexität eines solchen Genehmigungsverfahrens käme dessen Einleitung für die anstehende Honigernte ohnehin zu spät.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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