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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: OVG 12 B 32.07
Rechtsgebiete: FES, BbgWG, GO, VwGO


Vorschriften:

FES § 4
FES § 4 Abs. 2 Satz 2
FES § 5
FES § 5 Abs. 1 Satz 1
FES § 6
FES § 6 Abs. 1 Satz 3
FES § 6 Abs. 1 Satz 4
FES § 18
BbgWG § 66 Abs. 1 Satz 2
BbgWG § 66 Abs. 3
BbgWG § 66 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BbgWG § 67
GO § 6 Abs. 1
GO § 8 Abs. 1
GO § 8 Abs. 4
GO § 15
GO § 15 Abs. 1
GO § 15 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 132 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 B 32.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2007 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese, die ehrenamtliche Richterin Schönhusen und den ehrenamtlichen Richter Techel für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 22. November 2006 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten, die durch die Erhebung der Klage bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) entstanden sind.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den von dem Beklagten verfügten Anschluss- und Benutzungszwang, der die dezentrale Fäkalienentsorgung betrifft. Sie sind inzwischen - ihren Angaben zufolge seit Sommer 2006 - an die zentrale Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlage des Beklagten angeschlossen.

Die Kläger sind Eigentümer des zu Erholungszwecken genutzten Grundstücks Z_____ in H_____ im Landkreis D_____. Auf dem Grundstück befand sich eine Fäkaliensammelgrube mit einem Fassungsvermögen von 2,5 bis 3 m³, die die Kläger durch ein von ihnen beauftragtes Unternehmen in der Regel einmal jährlich entleeren ließen.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2005 verpflichtete der für die kommunale Abwasserbeseitigung zuständige Beklagte die Kläger, die dezentrale Fäkalienentsorgung für ihr Grundstück nur noch durch ein für den Zweckverband tätiges Unternehmen ausführen zu lassen und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro an. Der Bescheid war auf § 5 der Fäkalienentsorgungssatzung des Beklagten gestützt, wonach die Kläger als Grundstückseigentümer ihr Grundstück an die öffentliche Fäkalienentsorgung anschließen und das anfallende Schmutzwasser durch den Beklagten entsorgen lassen müssen. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machten die Kläger unter anderem geltend, dass das Grundstück nur an den Wochenenden von Mitte Mai bis Mitte September genutzt werde. Daher könne eine Grundgebühr nur für eine geringe Anzahl von Tagen erhoben werden. Das Trinkwasser werde aus Berlin mitgebracht. Das Grubenvolumen von 3 m³ reiche angesichts des geringen Wasserverbrauches aus und erfordere lediglich eine einmalige Fäkalienentleerung pro Jahr. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2005 zurück.

Mit ihrer zunächst aufgrund der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage, die mit Beschluss vom 22. April 2005 an das Verwaltungsgericht Cottbus verwiesen wurde, haben die Kläger ohne weitere Begründung geltend gemacht, dass die der Verpflichtungsanordnung zu Grunde liegende Satzung unwirksam sei.

Das Verwaltungsgericht Cottbus hat der Klage mit Urteil vom 22. November 2006 stattgegeben und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Die Verpflichtungsanordnung sei rechtswidrig, weil das Grundstück der Kläger mangels wirksamer satzungsmäßiger Anordnung keinem Anschluss- und Benutzungszwang unterliege. Sie könne nicht auf die Fäkalienentsorgungssatzung des Beklagten vom 9. November 2006 (FES 2006) gestützt werden, denn diese Satzung enthalte in § 6 keine wirksame Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 FES komme eine Befreiung nur in Betracht, wenn der Beklagte zuvor von seiner Pflicht zur Abwasserbeseitigung gemäß §§ 66 Abs. 3, 67 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) befreit worden sei. Hierdurch würden in unzulässiger Weise die unterschiedlichen Regelungsbereiche des Brandenburgischen Wassergesetzes und der Gemeindeordnung (§ 15 GO) miteinander verknüpft. Bei einer Freistellung von der Abwasserbeseitigungspflicht und deren Übertragung auf einen privaten Dritten gemäß §§ 66 Abs. 3, 67 BbgWG stelle sich die Frage nach einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nicht mehr. Damit laufe der Befreiungstatbestand der Satzung in § 6 Abs. 1 Satz 3 FES leer. Die faktisch nicht vorhandene Befreiungsmöglichkeit entspreche nicht dem Willen des Satzungsgebers, sodass die Vorschrift unwirksam sei. Unter diesen Umständen könne auch kein wirksamer Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet werden.

Die Fäkalienentsorgungssatzung vom 7. November 2005 (FES 2005) enthalte angesichts der identischen materiellen Regelungen ebenfalls keine wirksame Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges. Gleiches gelte in Bezug auf die Fäkalienentsorgungssatzung vom 25. Oktober 2004 (FES 2004). Die früheren Fäkalienentsorgungssatzungen seien bereits aus formellen Gründen unwirksam. Angesichts der rechtswidrigen Verpflichtungsanordnung könne auch die Zwangsmittelandrohung keinen Bestand haben.

Mit der von dem Senat wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassenen Berufung tritt der Beklagte der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Unwirksamkeit der Befreiungsregelung entgegen. Eine unzulässige Vermischung zweier Regelungsbereiche, die zum Leerlaufen der Befreiung führe, liege nicht vor. § 6 Abs. 1 Satz 3 FES bewirke lediglich, dass der betroffene Grundstückseigentümer als Bedingung für die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang die Erledigung der ansonsten beim Beklagten bestehenden Abwasserbeseitigungspflicht übertragen erhalte. Dies entspreche der Praxis der Unteren Wasserbehörden, die eine Befreiung durch den Zweckverband zur Bedingung der Übertragung machten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 22. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und den von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 22. November 2006 ist zu ändern und die Klage abzuweisen, weil die Verpflichtungsanordnung des Beklagten vom 2. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2005 rechtmäßig ist und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die angegriffenen Bescheide haben sich durch den zwischenzeitlich erfolgten Anschluss der Kläger an die zentrale Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlage des Beklagten nicht erledigt, weil von ihr weiterhin belastende Wirkungen für die Kläger ausgehen. Die Verpflichtungsanordnung ist nach wie vor Grundlage für die von dem Beklagten geforderten, ebenfalls zwischen den Beteiligten im Streit stehenden Benutzungsgebühren.

Der Beklagte hat die Verpflichtungsanordnung zutreffend auf § 5 der Satzung für die öffentliche Fäkalienentsorgung über die dezentrale öffentliche Schmutzwasseranlage des Wasser und Abwasserzweckverbandes S_____ (FES) gestützt. Hierbei kann offen bleiben, ob die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aktuelle Satzung vom 9. November 2006 (Amtsblatt für den Wasser- und Abwasserzweckverband S_____ vom 23. November 2006) maßgeblich ist (vgl. dazu auch VGH München, Urteil vom 26. September 2007 - 4 B 03.1319 -, zitiert nach juris, Rn. 18) oder die bei Erlass des Widerspruchsbescheides gültige Satzung vom 7. November 2005 (Amtsblatt vom 11. November 2005), die gemäß § 18 der Satzung rückwirkend zum 1. August 1995 in Kraft getreten ist. Beide Satzungen enthalten inhaltsgleiche Vorschriften zum Anschluss- und Benutzungszwang (§ 5) sowie identische Befreiungsregelungen (§ 6).

Nach § 5 FES 2005/ FES 2006 sind die gemäß § 4 FES zum Anschluss berechtigten Grundstückseigentümer, zu denen die Kläger zählen, verpflichtet, ihre Grundstücke an die dezentrale öffentliche Fäkalienentsorgung anzuschließen, sobald auf ihrem Grundstück Schmutzwasser anfällt. Hiervon kann der zum Anschluss Verpflichtete nach § 6 FES unter den dort genannten Voraussetzungen befreit werden. §§ 5, 6 FES 2005/ FES 2006 sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts rechtmäßig.

§ 5 FES beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 1 GO, der gemäß §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 und Abs. 4 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (BbgGKG) den beklagten Wasser- und Abwasserzweckverband zum Erlass von Satzungen ermächtigt. Nach § 15 Abs. 1 GO kann die Gemeinde aus Gründen des öffentlichen Wohls durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung und ähnliche der Gesundheit dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen (Benutzungszwang) vorschreiben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die dezentrale Abwasserentsorgung stellt eine "ähnliche Einrichtung" im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 GO dar. Der insoweit verfügte Anschluss- und Benutzungszwang ist im Hinblick auf die ohne weiteres zu bejahende abstrakte Gefährdung des Schutzgutes "Volksgesundheit" zulässig und in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. zum Anschluss an die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung OVG Brandenburg, LKV 2004, 277 ff.; s. ferner BVerwG, NVwZ-RR 1990, 96; BVerwG, NVwZ 1998, 1080, 1081). Die Einwendungen der Kläger (Häufigkeit der Leerung, Anwesenheit auf dem Grundstück, Wasserverbrauch) betreffen die hier nicht entscheidungserhebliche Frage nach der Höhe der Benutzungsgebühren auf der Grundlage der Fäkaliengebührensatzung des Beklagten sowie die Frage nach der Durchführung der Entsorgung (§ 12 FES).

Es kann offen bleiben, ob bzw. unter welchen Umständen der satzungsmäßige Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Wasserversorgung oder Wasserentsorgung im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zugleich die satzungsmäßige Möglichkeit einer Befreiung für atypische Fälle erfordert, und was aus dem Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit oder ihrer Unwirksamkeit zu folgern wäre (vgl. dazu OVG Brandenburg, LKV 2004, 277, 279; VGH München, NVwZ-RR 1994, 412; VGH München, Urteil vom 26. April 2007 - 4 BV 05.1037 -, zitiert nach juris Rn. 15, insoweit nicht abgedruckt in DÖV 2007, 935; OVG Lüneburg, Urteil vom 6. Juni 2002 - 9 LB 144/02 -, BeckRS; Düwel, in: LKV 2007, 109, 113; Scheiper, in: Schumacher u.a., Gemeindeordnung für das Land Brandenburg, § 15 Ziff. 5.1). Die in § 6 FES normierte Befreiungsregelung ist rechtmäßig, sodass auch die auf § 5 FES gestützte Verpflichtungsanordnung nicht zu beanstanden ist.

Nach § 6 FES kann auf Antrag des Pflichtigen von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung ganz oder zum Teil befreit werden, wenn der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen, auch unter Berücksichtigung des Gemeinwohls, nicht zumutbar ist. Weiterhin muss der Beklagte von seiner Pflicht zur Abwasserbeseitigung für das jeweilige Grundstück gemäß § 66 Abs. 3 BBgWG befreit worden sein, und die auf dem Grundstück betriebene behördlich genehmigte und bauaufsichtlich abgenommene Anlage muss einen höheren Umweltstandard aufweisen als die vom Zweckverband betriebene Einrichtung. Der Entsorgungspflichtige muss schließlich insgesamt eine umweltgerechte und umweltschonendere Entsorgung nachweisen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Befreiungsregelung nicht deshalb rechtswidrig, weil sie eine Übertragung der dem Beklagten obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht auf den zum Anschluss und zur Benutzung Verpflichteten voraussetzt. Es handelt sich hierbei weder um eine unzulässige Vermischung zweier Regelungsbereiche, noch kommt es insoweit darauf an, ob die Befreiungsregelung in § 6 FES mit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht obsolet wird.

Nach §§ 66 Abs. 1 Satz 2, 67 BbgWG obliegt dem Beklagten die Pflicht zur Beseitigung des in abflusslosen Gruben anfallenden Abwassers sowie des nicht separierten Klärschlammes aus Kleinkläranlagen. Dieser Abwasserbeseitigungspflicht kommt der Beklagte nach, indem er gegenüber den Abwasserproduzenten einen Anschluss- und Benutzungszwang anordnet, ohne den keine gesetzliche Überlassungspflicht der Abwasserproduzenten besteht. Allerdings kann sich der Beklagte seiner Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 66 Abs. 3 BbgWG unter den dort genannten Voraussetzungen für einzelne Grundstücke entledigen, wenn die Wasserbehörde die Beseitigungspflicht auf den Nutzer überträgt. Zwar trifft es zu, dass der Anschluss- und Benutzungszwang nach erfolgter Übertragung entfällt, weil dem Beklagten dann keine Beseitigungspflicht mehr obliegt (vgl. auch OVG Brandenburg, LKV 2004, 277, 279; OVG Münster, ZfW 1999, 114, 116). Dies führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Befreiungsregelung in § 6 FES.

Zum einen hängt die Frage, ob die den Anschluss- und Benutzungszwang normierende Abwasserbeseitigungssatzung im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG eine hinreichende Regelung enthält, die im Einzelfall auftretenden Härten gerecht wird, nicht davon ab, wie die Härteregelung ausgestaltet ist. Entscheidend ist allein das Ergebnis, nämlich die Verwirklichung eines verfassungsrechtlich möglicherweise gebotenen Ausgleichs im Einzelfall, die dadurch bewerkstelligt wird, dass das betroffene Grundstück nicht an die dezentrale Entsorgungseinrichtung angeschlossen werden muss. Somit spielt es z.B. auch keine Rolle, ob das nach der Satzung grundsätzlich dem Anschluss- und Benutzungszwang unterworfene Grundstück im Einzelfall durch Verwaltungsakt hiervon befreit werden kann, oder ob der Satzungsgeber bereits in der Satzung Ausnahmetatbestände schafft, die dazu führen, dass bestimmte Grundstücke oder Nutzungen nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegen.

Die Befreiungsregelung läuft auch nicht leer. Wird die dem Beklagten obliegende Abwasserbeseitigungspflicht auf den Abwasserproduzenten übertragen, ist zwar für eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang im eigentlichen Sinne kein Raum mehr. § 6 FES entfaltet jedoch Rechtswirkungen, weil der Beklagte mit dieser Vorschrift eine effiziente Möglichkeit geschaffen hat, eventuell auftretende unzumutbare Härten auszugleichen. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen führt dazu, dass das betroffene Grundstück vollständig von dem Anschluss- und Benutzungszwang ausgenommen wird. Die rechtstechnische Ausgestaltung der Befreiungsvorschrift ist im Hinblick auf das Ziel, das durch sie erreicht werden soll und auch erreicht werden kann, ohne Belang.

Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Urteil des OVG Brandenburg vom 31. Juli 2003 (LKV 2004, 277 ff.) entnehmen. Zwar ist das OVG zutreffend davon ausgegangen, dass § 66 Abs. 3 BbgWG und § 15 GO unterschiedliche Regelungsbereiche betreffen. Eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang setzt daher grundsätzlich nicht voraus, dass die Gemeinde bzw. der Abwasserzweckverband von der Abwasserbeseitigungspflicht befreit werden. Dies ist im Übrigen schon deshalb nicht erforderlich, weil die Gemeinde trotz der von ihr gegenüber dem Verpflichteten ausgesprochenen Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang weiterhin für die Abwasserbeseitigung zuständig bleibt. Sie lässt nur ausnahmsweise zu, dass der Abwasserproduzent die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe geschaffene und vorhandene Einrichtung ganz oder teilweise nicht in Anspruch nehmen muss, sondern anderweitig entsorgen darf. Dies hat die Gemeinde in Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgabe weiterhin zu überwachen (vgl. OVG Brandenburg, LKV 2004, 277, 279 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass es dem Satzungsgeber grundsätzlich verboten wäre, eine Befreiungsregelung im Sinne von § 6 FES zu normieren. Dass die Gemeinde oder der Zweckverband eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang erteilen dürfen, ohne selbst zuvor von der Abwasserbeseitigungspflicht befreit worden zu sein, lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass es unzulässig wäre, eine "Befreiung" vom Abschluss- und Benutzungszwang an die Befreiung von der Abwasserbeseitigungspflicht zu knüpfen (vgl. auch VG Dessau, LKV 2006, 287).

Die Härteregelung des § 6 FES genügt - sofern man ihre Notwendigkeit unterstellt - auch in materiellrechtlicher Hinsicht den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 GG. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Anwendungsbereich der Befreiungsregelung von vornherein keine hinreichende Möglichkeit bietet, unzumutbare Härten im Einzelfall zu kompensieren. Dies gilt insbesondere auch, soweit § 6 FES eine Befreiung des Beklagten von der Abwasserbeseitigungspflicht verlangt, die nach § 66 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BBgWG nur dann erfolgen kann, wenn eine Übernahme des Abwassers mittels einer öffentlichen Kanalisation wegen eines unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder einer ungünstigen Siedlungsstruktur nicht angezeigt ist und das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Gewässer, nicht beeinträchtigt wird. Den nicht in Zweifel zu ziehenden Angaben des Beklagten zufolge kommt eine derartige Befreiung durch die Wasserbehörde vor allem in Betracht, wenn der Abwasserproduzent über eine Kleinkläranlage verfügt, die dem neuesten Stand der Technik entspricht und für die eine wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung zum Betreiben einer eigenen Grundstückskläreinrichtung erteilt worden ist. In diesen Fällen sieht der Beklagte seiner - offensichtlich eher großzügigen - Verwaltungspraxis zufolge in der Regel zugleich die weiteren Voraussetzung des § 6 FES als erfüllt an, wonach der Anschluss unzumutbar sein und die Anlage einen höheren Umweltstandard aufweisen muss als die von dem Zweckverband betriebene Einrichtung, und wonach insgesamt eine umweltgerechte und umweltschonendere Entsorgung nachgewiesen werden muss. Soweit nach § 6 Abs. 1 Satz 4 FES eine bauaufsichtliche Genehmigung und Abnahme vorliegen muss, kann der Beklagte eine solche Genehmigung nur dann fordern, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Anderenfalls ist die Vorschrift überflüssig, ohne dass dies ihre Wirksamkeit berührt.

Bei der Frage, ob die Befreiungsregelung in § 6 FES den Vorgaben von Art. 14 Abs. 1 GG genügt, ist schließlich auch zu bedenken, dass sich der Anschluss- und Benutzungszwang nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FES nur auf zum Anschluss Berechtigte im Sinne von § 4 FES bezieht: Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 FES kann das Anschluss- und Benutzungsrecht für solche Grundstücke versagt werden, deren Entsorgung erhebliche Schwierigkeiten bereitet oder besondere Maßnahmen, Aufwendungen oder Kosten erfordert. Insoweit können bestimmte Härtefälle von vorneherein von dem Anschluss- und Benutzungszwang ausgenommen werden, ohne dass es einer Befreiung nach § 6 FES bedarf.

Es kommt hier nicht darauf an, ob die Befreiungsvoraussetzungen gegeben sind, weil die Kläger keine Befreiung beantragt haben. Unabhängig davon wäre diese Frage wegen der offensichtlich nicht erfüllten Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 FES zu verneinen. Nach alledem ist auch die mit den angegriffenen Bescheiden verfügte Zwangsgeldandrohung nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 83 VwGO, § 17 b Abs. 2 GVG. Den Klägern können durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts gegebenenfalls entstandene Mehrkosten nicht auferlegt werden, weil sie sich an die Rechtsmittelbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2005 gehalten haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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