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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: OVG 2 B 2.03
Rechtsgebiete: BauGB, GG


Vorschriften:

BauGB § 172 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
1. Zur Abgrenzung von Denkmalschutzrecht und städtebaulichem Erhaltungsrecht.

2. Eine denkmalbehördliche Unbedenklichkeitserklärung schließt die erhaltungsrechtliche Unzulässigkeit baulicher Anlagen nicht aus.


OVG 2 B 2.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn sowie die ehrenamtliche Richterin Bauer und den ehrenamtlichen Richter Gustke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. September 2002 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin der mit zwei Geschäftshäusern bebauten Grundstücke F. straße in Berlin-Mitte. Die Grundstücke liegen in einem nicht beplanten Bereich. Beide Gebäude sind jeweils als Denkmal in die Denkmalliste Berlin (ABl. 2001, 2261, 2393) eingetragen und auch Teil des Denkmalbereichs (Ensembles) Unter den Linden/Dorotheenstadt (Denkmalliste Berlin, a.a.O., S. 2375). Die Grundstücke liegen zugleich im Geltungsbereich der Verordnung über die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart aufgrund der städtebaulichen Gestalt für das Gebiet "Dorotheenstadt, Friedrichstadt" im Bezirk Mitte von Berlin vom 3. März 1997 (GVBl. S. 258) - Erhaltungsverordnung - sowie zum Teil in dem Geltungsbereich der Verordnung über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten im Bereich der Straße Unter den Linden vom 12. März 1997 (GVBl. S. 99) - Baugestaltungsverordnung -, der sich als 50 m breiter Streifen beidseits der Straße Unter den Linden auch in dem hier maßgeblichen Abschnitt im Bereich der Kreuzung Friedrichstraße erstreckt.

In der Erdgeschosszone der beiden Gebäude befindet sich ein Arkadengang mit zahlreichen Geschäften. Dieser verläuft von der Kreuzung M. straße bis zur Kreuzung Unter den Linden, wobei die Arkaden in den beiden Eckhäusern der Kreuzungen noch das zeittypische Erscheinungsbild der Jahrhundertwende mit Rundbögen und Ornamentierung aufweisen, während der dazwischen liegende streitgegenständliche Arkadenabschnitt durch modernisierte rechteckige Arkadenausschnitte mit Marmorplattenverkleidung geprägt ist. Der Abstand zwischen den Arkadenpfeilern beträgt 2,80 m bis 3,50 m. Im oberen Bereich der Arkadenausschnitte sind die Firmenschilder der in den Arkaden ansässigen Geschäfte angebracht. In jedem zweiten Arkadenausschnitt befinden sich Schauvitrinen, in denen die Gewerbetreibenden ihre Waren präsentieren. Hierbei handelt es sich um verglaste Stahlkonstruktionen in anthrazitgrau mit den Maßen 2,03 m (Höhe) x 1 m (Breite) x 0,66 m (Tiefe) auf einem mit Natursteinplatten verkleideten Mauerwerkssockel. Diese hat die Klägerin ohne Baugenehmigung errichtet.

Der Antrag der Klägerin vom 5. September 1997 auf nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung für die Schauvitrinen wurde vom Bezirksamt Mitte von Berlin mit Bescheid vom 26. Februar 1998 und Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 1998 abgelehnt. Die in diesem Verfahren um Stellungnahme gebetene Untere Denkmalschutzbehörde hat mit Schreiben vom 28. Oktober 1997 erklärt, dass aus fachlicher Sicht der Denkmalpflege grundsätzlich keine Bedenken gegen die Schauvitrinen bestünden, wenn durch Auflagen zu der Baugenehmigung gesichert sei, dass diese eine neutrale und zurückhaltende Gestaltung (keine historisierende Form bzw. Bauteile) erhielten. Die nachfolgende Versagung der Baugenehmigung wurde darauf gestützt, dass die Aufstellung der Schauvitrinen bauplanungsrechtlich zu einer Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB und städtebaurechtlich zu einer Unvereinbarkeit mit der Erhaltungsverordnung führen würde, weil die Schauvitrinen mehr als ein Drittel der Arkadenausschnitte verbauen, die Durchsicht einschränken und den Arkadenraum tunnelartig verengen würden. Darüber hinaus seien die Schauvitrinen nicht mit den Anforderungen der Baugestaltungsverordnung für Werbeanlagen vereinbar und auch nicht mit dem bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbot, weil sie aufgrund ihrer Vielzahl zusammen mit den darüber befindlichen Firmenschildern eine störende Häufung von Werbeanlagen darstellten. Auf eine Gleichbehandlung mit den beiden Schauvitrinen in den Arkaden des Nachbargrundstücks könne sich die Klägerin nicht berufen, weil diese weit vor dem Inkrafttreten der Erhaltungsverordnung errichtet worden seien und daher Bestandsschutz genießen dürften.

Die hiergegen erhobene Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Beklagten durch Urteil vom 11. September 2002 verpflichtet, den Bauantrag der Klägerin vom 5. September 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das Verwaltungsgericht Berlin stützte die Stattgabe der Klage maßgeblich auf die Rechtsauffassung, dass bauplanungsrechtliche oder erhaltungsrechtliche Gestaltungsanforderungen im Falle einer von der Fachbehörde abgegebenen denkmalschutzrechtlichen Unbedenklichkeitserklärung für ein Vorhaben nicht zur Versagung der Baugenehmigung führen könnten. Wenn ein Vorhaben sogar mit den denkmalschutzrechtlichen Anforderungen vereinbar sei, könne die erhaltungsrechtliche Beurteilung nicht abweichend ausfallen ("Erst-Recht-Schluss"). Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Beklagten, die der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch Beschluss vom 30. Januar 2003 wegen rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten des Falles zugelassen hat.

Der Beklagte macht geltend, dass sich das Verwaltungsgericht Berlin in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht vornehmlich auf die Schlussfolgerung gestützt habe, dass wegen der denkmalschutzrechtlichen Unbedenklichkeitserklärung der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 28. Oktober 1997 keine Versagung der Baugenehmigung aus gestalterischen Gründen nach dem Erhaltungsrecht in Betracht kommen könne. Denkmalschutzrecht und Erhaltungsrecht verfolgten unterschiedliche Ziele. Das Erhaltungsrecht setze bereits unterhalb der Schwelle des Denkmalschutzes an. Es treffe daher nicht zu, dass das Denkmalschutzrecht das Erhaltungsrecht überlagere und dieses deshalb bei der Beurteilung denkmalschutzrelevanter Vorhaben regelmäßig nachrangig sei. Die Arkaden seien ein architektonisches Element, das die städtebauliche Eigenart des Gebiets mit bestimme und über die Straße Unter den Linden hinweg nach Süden bis zur Leipziger Straße den Charakter der Geschäftsstraße präge. Deren Erscheinungsbild würde durch die Aufstellung der Schauvitrinen zwischen den Arkaden beeinträchtigt, denn eine Arkade definiere sich als auf Säulen und Pfeilern ruhender offener Bogengang, während in dem streitgegenständlichen Arkadenbereich der Eindruck eines tunnelartigen Laufgangs entstanden sei. Dies liege daran, dass allein schon der hohe Pfeileranteil eine abschirmende Wirkung entfalte, die durch die über 2 m hohen Schauvitrinen zwischen den Pfeilern noch weiter verstärkt würde. Vom Geltungsbereich der Baugestaltungsverordnung würden drei der Schauvitrinen erfasst, deren Anforderungen sie nicht erfüllten. Darüber hinaus seien die Schauvitrinen auch nicht mit dem bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbot vereinbar, wie bereits in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt worden sei. Auf die zwei Schauvitrinen in den Arkaden des Nachbargebäudes könne sich die Klägerin nicht berufen, weil für diese keine Baugenehmigung erteilt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. September 2002 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den nach ihrer Auffassung zutreffenden "Erst-Recht-Schluss" des Verwaltungsgerichts Berlin in dem angefochtenen Urteil, weil das Erhaltungsrecht im Kern Denkmalschutzrecht sei und von diesem überlagert werde, so dass es als Ablehnungsgrund im Falle einer denkmalschutzrechtlichen Unbedenklichkeit nicht mehr in Betracht komme. Die denkmalgeschützte Bausubstanz der Gebäude werde durch die Aufstellung der Schauvitrinen nicht tangiert. Über die Unbedenklichkeitserklärung der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 28. Oktober 1997 als Fachbehörde könne sich das Gericht nicht allein aufgrund eines durch die Ortsbesichtigung gewonnenen persönlichen Eindrucks, sondern allenfalls aufgrund eines Sachverständigengutachtens hinwegsetzen. Außerdem müsse eine Gleichbehandlung mit den Schauvitrinen in den Arkaden des Nachbargebäudes erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge (3 Hefter) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 26. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, so dass das stattgebende Bescheidungsurteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. September 2002 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen ist.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Baugenehmigung für die fünf Schauvitrinen in dem Arkadengang der Grundstücke F. straße , weil ihr Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht entspricht (vgl. § 62 Abs. 1 BauO Bln). Der Erteilung der Baugenehmigung stehen die erhaltungsrechtlichen Vorschriften der §§ 172 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB in Verbindung mit § 2 Satz 3 der Verordnung über die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart aufgrund der städtebaulichen Gestalt für das Gebiet "Dorotheenstadt, Friedrichstadt" im Bezirk Mitte von Berlin vom 3. März 1997 (GVBl. S. 258) - Erhaltungsverordnung - entgegen. Danach darf eine Genehmigung zur Errichtung einer baulichen Anlage im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird. Dies ist hier der Fall. Die Erhaltungsverordnung nennt zwar die städtebaulichen Besonderheiten des Gebiets nicht konkret, sondern beschränkt sich auf die Beschreibung des Erhaltungsgebiets. Ebenso nennt § 172 Abs.1 Nr. 1 BauGB nur das Schutzziel der Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund der städtebaulichen Gestalt. Dies ist nach der Rechtsprechung jedoch ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987, BRS 47 Nr. 129 zu § 39 h BBauG; HessVGH, Urteil vom 24. November 1995, BRS 57 Nr. 289 zu § 172 BauGB), weil die weitere Konkretisierung in Bezug auf die Besonderheiten des Erhaltungsgebiets und die Zulässigkeit etwaiger Veränderungen auf der zweiten Stufe des Verfahrens erfolgt (vgl. HessVGH, a.a.O.). Die städtebauliche Besonderheit des Erhaltungsgebiets liegt hier in der Prägung durch großzügige Einkaufsstraßen und Geschäftshäuser mit Arkaden, wie sie in der Friedrichstraße von der Kreuzung Dorotheenstraße bis zur Kreuzung Unter den Linden anzutreffen sind und sich bis zur Leipziger Straße fortsetzen. Hierbei handelt es sich um ein tradiertes Gestaltungselement gehobener Geschäftsviertel, das im Falle der Friedrichstraße an das historische Vorbild aus dem kaiserzeitlichen Berlin anknüpft und auch bei Neubauten gestalterisch aufgegriffen wird, die dadurch im Erscheinungsbild aufgewertet werden, wie u.a. auch der ab 2008 geplante Neubau auf dem Grundstück Friedrichstraße Ecke Straße Unter den Linden zeigt ( ).

Das Charakteristikum und zugleich städtebauliche Wesensmerkmal von Arkaden ist die fortlaufende Reihe offener Bögen auf Pfeilern in der Art eines Laufgangs, dessen eine Seite durch regelmäßige bauliche Ausschnitte offen gestaltet ist. Die Errichtung der Schauvitrinen zwischen den Arkadenpfeilern unter den darüber angebrachten Firmenschildern der Geschäfte verschließt jedoch optisch die Arkadenausschnitte und reduziert diese auf einen tunnelartigen Laufgang, dem die charakteristische Offenheit und Transparenz fehlt. Den Arkaden wird dadurch der Eindruck der freien Durchsicht und des freien Durchgangs genommen, so dass sie in diesem Bereich nur noch als Gliederungselement ohne eigentliche Funktion in Erscheinung treten (vgl. auch OVG Bln, Urteil des 2. Senats vom 14. November 2003 - OVG 2 B 7.02 - zum Verlust des Freisitzcharakters durch die Verglasung von Loggien). Der in der Großzügigkeit liegende städtebauliche Gestaltwert der Arkaden verkehrt sich durch die Schauvitrinen in sein Gegenteil, weil das Bild einer eher beengten baulichen Situation entsteht, wie sie bei der Ortsbesichtigung durch den Senat auch tatsächlich anzutreffen war. Die Wirkungsweise und die städtebauliche Qualität der Beeinträchtigung im Sinne des § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB durch die Aufstellung der Schauvitrinen in den Arkadenausschnitten liegt hier nicht in der Ausstrahlungswirkung der Schauvitrinen auf das Erhaltungsgebiet insgesamt, denn dazu fehlt ihnen aufgrund der zurückhaltenden Gestaltung die optische Dominanz. Es ist vielmehr die Veränderung der städtebaulich relevanten Gestalt des Arkadengangs und die daraus folgende Vorbildwirkung für eine Vielzahl anderer Arkaden in dem Geschäftsviertel, denn Erhaltungsrecht dient dazu, städtebauliche Qualitäten nicht nur passiv im Bestand zu bewahren, sondern auch aktiv für die Zukunft fortzuschreiben (vgl. Schneider, Die Freiheit der Baukunst, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 882, S. 249).

Die Unbedenklichkeitserklärung der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 28. Oktober 1997, aus der das Verwaltungsgericht Berlin in dem angefochtenen Urteil vom 11. September 2002 seinen "Erst-Recht-Schluss" gezogen hat, steht der Versagung der Erteilung der Baugenehmigung für die Schauvitrinen aus erhaltungsrechtlichen Gründen nicht entgegen. Sie ist aus fachlicher Sicht vielmehr nachvollziehbar, weil die denkmalschutzrechtlich relevanten Originalarkaden nur noch im Bereich der beiden Eckhäuser an der M. straße und an der Straße Unter den Linden vorhanden sind und als solche nicht optisch von den in der Erdgeschosszone der Grundstücke F. straße aufgestellten, zurückhaltend gestalteten Schauvitrinen beeinträchtigt werden. Schützenswerte Originalelemente der Gebäude F .straße sind hier ebenfalls nicht betroffen, weil die Erdgeschosszone umfassend modernisiert und dadurch überformt worden ist (nur rechteckige Arkadenausschnitte statt Rundbögen und Marmorplattenverkleidung). In diesem Bereich werden die Originalarkaden lediglich gestalterisch aufgegriffen und fortgeführt. Hierin liegt der städtebauliche Eigenwert dieser Arkaden, die zwar selbst nicht vom Denkmalschutz erfasst werden, aber erhaltungsrechtlich relevant sind. Während der Denkmalschutz an bestimmte Schutzkategorien (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 DSchG Bln) zur Bewahrung der historischen Originalsubstanz anknüpft und an die Erhaltungswürdigkeit eines Gebäudes, ist die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung eine Frage der Erhaltungsziele, bei denen die städtebauliche Gestalt im Vordergrund steht und deren Fortschreibung für die Zukunft (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: April 2005, § 172 RNr. 31). Dies zeigt den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Denkmalschutzrecht und dem Erhaltungsrecht als Teil des Städtebaurechts und macht zugleich deutlich, dass der "Erst-Recht-Schluss" des Verwaltungsgerichts Berlin aufgrund eines vermeintlich gestuften Anforderungsniveaus im Verhältnis von Denkmalschutzrecht und städtebaulichem Erhaltungsrecht (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) nicht zulässig sein kann. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung ersetzt gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 DSchG Bln nicht die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erforderlichen Genehmigungen. Dies gilt auch für ein neben dem Denkmalschutz zu beachtendes Genehmigungserfordernis nach einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung im Sinne des § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wie der vorliegende Fall zeigt. Gründe des Denkmalschutzes und städtebauliche Erhaltungsgründe sind deshalb prinzipiell voneinander getrennt zu sehen und zu prüfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987, BRS 47 Nr. 129).

Zu dieser Beurteilung der Beeinträchtigung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt durch die Schauvitrinen ist der Senat als u.a. für das Städtebaurecht zuständiger Fachsenat aufgrund eigener Sachkunde bei der Bewertung städtebaulicher Situationen im Rahmen von Ortsbesichtigungen in der Lage, ohne dass - wie die Klägerin im Schriftsatz vom 10. November 2005 angeregt hat - hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste. Dies gilt umso mehr, als diese Beurteilung mit der der hier maßgeblichen Fachbehörde (Abteilung Stadtentwicklung) übereinstimmt. Die von der Klägerin mit dem von ihr genannten Aktenzeichen OVG 6 A 12.03 (OVGE 24, 228) in Bezug genommene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin betrifft demgegenüber denkmalbehördliche Gutachten und Äußerungen, die hier nicht in Frage stehen. Abgesehen davon bestehen gegen eine sachverständige Beratung des Gerichts durch fachkundige Stellungnahmen der zuständigen Behörde keine Bedenken (vgl. OVG Bln, Urteil vom 12. November 1993, OVGE 21, 81 = BRS 56 Nr. 216; Urteil vom 22. Mai 2003, OVGE 24, 228, 240).

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die fünf Schauvitrinen auch eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne des Bauplanungsrechts (§ 34 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB) darstellen, ob sie den Anforderungen der Verordnung über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten im Bereich der Straße Unter den Linden vom 12. März 1997 (GVBl. S. 99) - Baugestaltungsverordnung - genügen oder wegen störender Häufung gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot (§ 11 Abs. 2, § 10 Abs. 2 BauO Bln) verstoßen.

Auf einen Gleichbehandlungsanspruch (Art. 3 Abs. 1 GG) mit den beiden Schauvitrinen unter den Arkaden des Nachbargebäudes kann sich die Klägerin nicht berufen. Dass eine Genehmigung für diese beiden Schauvitrinen erteilt worden ist, ist nicht erkennbar. Es spricht vielmehr alles dafür, dass sie ohne Baugenehmigung vor dem Inkrafttreten der Erhaltungsverordnung vom 3. März 1997 im Zusammenhang mit dem 1994 abgeschlossenen Umbau des Nachbarhauses errichtet worden sind. Aber auch dann, wenn man unterstellt, sie seien erst nach Inkrafttreten errichtet worden und weiterhin davon ausginge, eine Baugenehmigung wäre für sie unter Geltung der Erhaltungsverordnung erteilt worden, könnte sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Denn eine für diese beiden Vitrinen unter Missachtung der Erhaltungsverordnung erteilte Baugenehmigung wäre rechtswidrig und käme bereits deswegen nicht als Grundlage für einen Gleichbehandlungsanspruch in Betracht.

Dementsprechend erübrigt sich die Einräumung der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorsorglich beantragten Erklärungsfrist zu der vom Beklagten überreichten Zusammenstellung der Verwaltungsvorgänge für die beiden Schauvitrinen in den Arkaden des Nachbargebäudes. Ebenso erübrigt sich die mit Schriftsatz vom 10. November 2005 von der Klägerin angeregte Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit (§ 94 VwGO), weil die Entscheidung des Senats von den Rechtsverhältnissen der Schauvitrinen auf dem Nachbargundstück nicht rechtslogisch abhängt (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 94 RNr.4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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